Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.11.2002, Az.: 13 LB 278/02
Aufenthaltserlaubnis; befristete Aufenthaltserlaubnis; Besitz; unbefristete Aufenthaltserlaubnis
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.11.2002
- Aktenzeichen
- 13 LB 278/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41886
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 29.05.2002 - AZ: 12 A 1291/01
Rechtsgrundlagen
- § 24 Abs 1 Nr 1 AuslG
- § 25 Abs 3 S 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach §§ 24, 25 AuslG knüpft an den vorherigen Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis an.
Dem Besitz der befristeten Aufenthaltserlaubnis sind diejenigen Zeiten hinzuzurechnen, in denen dem Ausländer die AE zu Unrecht vorenthalten worden ist. Dies ist der Fall, sofern die vom Gericht inzident vorzunehmende Prüfung ergibt, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer befristeten AE bestand.
Gründe
Die Klägerin ist rumänische Staatsangehörige. Sie reiste am 12. Juli 1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und heiratete am 6. September 1995 den deutschen Staatsangehörigen {B.}. Daraufhin erteilte ihr die Landeshauptstadt Hannover am 28. September 1995 eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die zunächst bis zum 27. September 1999 verlängert wurde.
Spätestens im Frühjahr 1998 verließ die Klägerin die zu diesem Zeitpunkt noch in {C.} gelegene Ehewohnung und verzog in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises {C.}. Im Juni 1998 zeigte sie dies an und erklärte, dass sie die Ehescheidung beabsichtige. Mit einem Bescheid vom 12. Oktober 1998 beschränkte der Landkreis {C.} daraufhin die Aufenthaltserlaubnis zeitlich auf den 14. Oktober 1998 und drohte der Klägerin die Abschiebung an. Das nach erfolglosem Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Oktober 1998 beim Verwaltungsgericht {C.} anhängig gemachte Klageverfahren, mit dem die Klägerin außerdem die Verpflichtung des Landkreises {C.} zur Erteilung einer (unbefristeten) Aufenthaltserlaubnis begehrte, wurde mit Beschluss vom 18. Mai 2000 nach übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärungen eingestellt, nachdem der Klägerin bereits am 3. Februar 2000 eine zunächst bis zum 2. Februar 2001 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war. Diese wurde zuletzt bis zum 11. Juli 2004 verlängert. Am 3. August 1999 hatte die Klägerin erklärt, sie habe sich mit ihrem deutschen Ehemann am 8. Juli 1999 versöhnt und wohne in der nunmehr in Laatzen gelegenen Ehewohnung.
Am 28. November 2000/26. Januar 2001 beantragte die Klägerin erneut die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Diesen Antrag lehnte der Landkreis {C.} mit einem Bescheid vom 13. Februar 2001 unter Hinweis auf das Fehlen der zusammenhängenden Mindestbesitzzeit der Aufenthaltserlaubnis von drei Jahren ab. Der Klägerin könne bei Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft frühestens am 3. Februar 2003 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Bezirksregierung {C.} mit einem Bescheid vom 9. März 2001 zurück.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Mai 2002 abgewiesen, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, dass die erforderliche Mindestbesitzzeit der Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllt sei, weil die Klägerin wegen der Trennung von ihrem Ehemann ab dem 14. Oktober 1998 vorübergehend nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung gewesen sei. Diese Unterbrechung hindere die Anrechnung des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis von 1995 bis 1998. Das Urteil ist der Klägerin am 13. Juni 2002 zugestellt worden.
Am 10. Juli 2002 hat sie die Zulassung der Berufung beantragt und diesen Antrag am 12. August 2002 begründet. Dem hat der Senat mit Beschluss vom 30. September 2002 (13 LA 183/02) entsprochen, und zwar mit der Begründung, dass nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eine Veränderung der Sachlage eingetreten sei. Ihre Berufung hat die Klägerin am 16. Oktober 2002 fristgerecht begründet.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert: Sie vertrete weiterhin die Auffassung, dass es allein auf den Zeitraum des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis ankomme, so dass die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis frühestens am 3. Februar 2003 möglich sei. Dem stehe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, wonach dem ununterbrochenen Besitz der Aufenthaltserlaubnis die Zeiten gleichstehen, in denen der Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen , aber - nach vom Gericht inzident vorzunehmender Prüfung - einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt habe. Dies folge daraus, dass die Klägerin aufgrund der Verfügung vom 12. Oktober 1998 ausreisepflichtig gewesen sei. Im Übrigen hätte eine Aufenthaltserlaubnis ohne vorherigen Antrag nicht erteilt werden können. Darüber hinaus sei der Zeitraum ab Antragstellung ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil der Ausländerbehörde ein angemessener Prüfungszeitraum zuzubilligen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat Erfolg. Der Senat hält sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung für entbehrlich, er gibt ihr deshalb durch Beschluss statt (§ 130a Satz 1 VwGO). Zwar hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, weil im Zeitpunkt des Urteils - 29. Mai 2002 - die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AuslG nicht erfüllt waren. Bei der erhobenen Verpflichtungsklage kommt es indessen auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung an. Nunmehr erfüllt die Klägerin die Fristvoraussetzungen.
Zwar ist der Klägerin die befristete Aufenthaltserlaubnis nach Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann erst am 3. Februar 2002 wieder erteilt worden, so dass die Beklagte grundsätzlich zu Recht darauf hinweist, dass die Dreijahresfrist des ununterbrochenen Besitzes der befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AuslG erst am 3. Februar 2003 abläuft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen dem ununterbrochenen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aber diejenigen Zeiten gleich, in denen der Ausländer zwar einen Aufenthaltstitel nicht besessen, aber nach der vom Gericht inzident vorzunehmenden Prüfung einen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gehabt hat (BVerwG, Urt. v. 22.1.2002 - 1 C 6.01 -, ZAR 2002, 199 m.w.N.). Die Klägerin hat unbestritten geltend gemacht, dass sie sich am 8. Juli 1999 mit ihrem deutschen Ehemann wieder versöhnt und die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufgenommen hat. Ab diesem Zeitpunkt stand der Klägerin der aus Art. 6 Abs. 1 GG iVm den entsprechenden Regelungen des Ausländergesetzes folgende Rechtsanspruch auf Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltsgenehmigung zu. Die dagegen gerichtete Argumentation der Beklagten vermag nicht zu überzeugen. Selbst unter Berücksichtigung der unten dargestellten einschränkend weitergehenden Anforderungen der Beklagten bestand ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Erteilung der befristeten Aufenthaltsgenehmigung spätestens ab Anfang November 1999.
Zwar ist richtig, dass der Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach §§ 24, 25 AuslG an den vorherigen Besitz einer der befristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - auf die der Senat bereits im Zulassungsbeschluss hingewiesen hat - sind dem Besitz aber diejenigen Zeiten hinzuzurechnen, in denen dem Ausländer die Aufenthaltserlaubnis zu Unrecht vorenthalten worden ist. Diese Feststellung kann getroffen werden, weil die Behörde selbst ihre ablehnende Entscheidung aufgehoben hat (BVerwG, Urt. v. 24.5.1995 - 1 C 7.94 - InfAuslR 1995, 287, 291), weil ein entsprechender Rechtsbehelf des Ausländers Erfolg hatte (BVerwG, aaO, m.w.N.), oder weil die vom Gericht inzident vorzunehmende Prüfung ergibt, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis bestanden hat (BVerwG, Urt. v. 22.1.2002 - 1 C 6.01 - ZAR 2002, 199 m.w.N.; vgl. auch Kloesel/Christ/Häußer, Dt. AuslR, April 2002, § 24 AuslG, Rn. 26). Letzteres ist hier entgegen der Auffassung der Beklagten der Fall.
Bereits am 3. August 1999 hatte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft seit dem 8. Juli 1999 mitgeteilt. Eine beachtliche Meinung in der Kommentierung lässt die Dreijahresfrist in § 25 Abs. 3 Satz 1 AuslG unabhängig von der tatsächlichen Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung schon mit der Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen - entsprechend hier mit der (Wieder-)Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft - anlaufen (Hailbronner u.a., AuslR, Aug. 2002, § 25 AuslG Rn. 19). Ob dem zu folgen ist, kann hier dahinstehen. Der von der Beklagten wohl zu Recht geforderte Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung lag - entgegen den Feststellungen des VG nicht erst am 8. November 1999 -, aber spätestens mit dem Schriftsatz der Rechtsanwälte {D.} vom 28. September 1999 (Beiakte B, nicht paginiert) vor. Schon am 22. September 1999 hatte der Rechtsvorgänger der Beklagten im Übrigen auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Ermittlungen bezüglich der Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft eingeleitet. Ob der Ausländerbehörde mit der Folge der Nichtanrechnung des Zeitraums eine angemessene Bearbeitungsfrist - die als solche natürlich besteht - zuzubilligen ist, kann hier dahinstehen. Da lediglich durch den Außendienst festzustellen war, ob die Angaben der Klägerin über das Bestehen der gemeinsamen Ehewohnung zutrafen, erscheint eine Bearbeitungszeit von fünf Wochen aber jedenfalls als ausreichend, so dass die Aufenthaltserlaubnis spätestens Anfang November hätte erteilt werden können.
Mithin wäre auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten geltend gemachten Einschränkungen - Antragstellung und Bearbeitungsfrist - die Dreijahresfrist des § 25 Abs. 3 Satz 1 AuslG jedenfalls im jetzigen Zeitpunkt eingehalten. Da die Beklagte die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht in Abrede gestellt hat, ist der Berufung stattzugeben.