Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.11.2002, Az.: 11 ME 378/02
Aufenthaltserlaubnis; Ausweisungsgrund; Sozialhilfebezug; Straftat; Verlängerung; Wiederkehrer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.11.2002
- Aktenzeichen
- 11 ME 378/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41887
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 30.09.2002 - AZ: 1 B 3365/02
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs 1 AuslG
- § 16 Abs 2 AuslG
- § 16 Abs 3 AuslG
- § 16 Abs 4 AuslG
- § 21 Abs 2 AuslG
- § 46 Nr 2 AuslG
- § 46 Nr 6 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für sog. Wiederkehrer
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2002, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und er zugleich unter Androhung der Abschiebung in die Türkei zur Ausreise aufgefordert worden ist, voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die dagegen von dem Antragsteller vorgebrachten Einwände, die im Beschwerdeverfahren allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Der am 2. Januar 1980 in Hannover geborene Antragsteller, der türkischer Staatsangehöriger ist und von 1985/86 bis zu seiner Rückkehr im Laufe des Jahres 1994 (über den genauen Zeitpunkt besteht Streit zwischen den Beteiligten) in der Türkei lebte, hat aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf die mit Antrag vom 10. Mai 1999 begehrte Verlängerung der ihm am 9. Mai 1997 bis zum 8. Mai 1999 erteilten Aufenthaltserlaubnis. Sein Begehren bestimmt sich nach § 21 Abs. 2 i. V. m. § 16 AuslG, der entsprechende Anwendung findet. Die Antragsgegnerin und ihr folgend das Verwaltungsgericht vertreten die Auffassung, dass der Antragsteller die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG nicht erfüllt, ein Härtefall nach § 16 Abs. 2 AuslG nicht gegeben sei und außerdem ein Ausweisungsgrund iSd § 16 Abs. 3 Nr. 2 AuslG vorliege. Sie haben bisher aber nicht geprüft, ob möglicherweise § 16 Abs. 4 AusG hier Anwendung findet. Diese Frage stellt sich deshalb, weil unklar ist, aufgrund welcher Rechtsgrundlage dem Antragsteller am 9. Mai 1997 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war. Während in dem Bescheid vom 9. Mai 1997 keine Rechtsgrundlage angegeben ist, finden sich in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin Hinweise darauf, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 2 und 3 AuslG erteilt worden war, obwohl die Mutter des Antragstellers in der Türkei lebte, die Ehe mit seinem in Deutschland lebenden Vater nicht geschieden war und der Antragsteller selbst sich noch nicht fünf Jahre im Bundesgebiet aufhielt. Allerdings dürften auch die Voraussetzungen für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen sog. Wiederkehrer nach § 16 Abs. 1 oder 2 AuslG damals nicht erfüllt gewesen sein. Da sich diese Voraussetzungen ihrer Natur nach nur auf die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beziehen können, sind sie bei der Verlängerung nicht mehr zu prüfen. Im Falle eines Irrtums der Ausländerbehörde besteht nur die Möglichkeit der Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: Juni 2001, § 16 Rdnr. 30; Renner, AuslR, 7. Aufl., § 16 AuslG Rdnr. 24; GK-AuslR, Stand: August 1996, § 16 AuslG Rdnr. 123; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches AuslR, 5. Aufl., § 16 AuslG Rdnr. 60). Letztlich kann die Frage der richtigen Anspruchsgrundlage für die vom Antragsteller begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aber aus folgenden Gründen offen bleiben:
Zwar ist – wie bereits erwähnt – die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 4 AuslG unter erleichterten Voraussetzungen möglich. Es gelten aber – ebenso wie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 und 2 AuslG – die Versagungsgründe des § 16 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 AuslG (16.4.1 AuslG-VwV und einhellige Meinung im Schrifttum; vgl. dazu die oben zitierten Kommentare). Die Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis – von den hier nicht interessierenden besonderen Versagungsgründen des § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 oder Abs. 2 AuslG abgesehen – kann deshalb abgelehnt werden, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nrn. 2 oder 3 AuslG vorliegen. Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 Nr. 3 AuslG kommt hier nicht zum Tragen, da der Antragsteller volljährig ist. Es ist deshalb maßgeblich darauf abzustellen, ob ein Ausweisungsgrund (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 AuslG) vorliegt. Allerdings kann ein Sozialhilfebezug im Sinne des § 46 Nr. 6 AuslG ebenfalls einen in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Ausweisungsgrund darstellen. Denn § 16 Abs. 4 AuslG stellt nur von der Unterhaltssicherung frei. Insoweit sollen sog. Wiederkehrer nicht besser behandelt werden als Ausländer, welche das Bundesgebiet nie verlassen haben (vgl. Hailbronner, a. a. O., Rdnr. 30; Renner, a. a. O., Rdnr. 25; Kloesel/Christ/Häußer, a. a. O., Rdnr. 64).
Sowohl die Antragsgegnerin als auch das Verwaltungsgericht haben ihre ablehnende Entscheidung selbständig tragend auch darauf gestützt, dass gegen den Antragsteller ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 16 Abs. 3 Nr. 2 AuslG vorliegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht Hannover hat den Antragsteller am 20. Februar 2001 wegen Beförderungserschleichung in zwei Fällen in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 50,-- DM und am 27. März 2001 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 20,-- DM verurteilt. Es bildete daraus mit Gesamturteil vom 9. August 2001 eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 19,-- DM. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann diese Verurteilung auch nicht als geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften (vgl. § 46 Nr. 2 AuslG) angesehen werden. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich kein geringfügiger Rechtsverstoß, sondern ein beachtlicher Ausweisungsgrund. Nur unter engen Voraussetzungen kann es bei vorsätzlich begangenen Straftaten Ausnahmefälle geben, in denen eine andere Wertung geboten ist. Dies kann etwa dann in Betracht kommen, wenn ein strafrechtliches Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 24. 9. 1996, DVBl. 1997, 189 = InfAuslR 1997, 63). Ein derartiger oder vergleichbarer Fall liegt hier jedoch nicht vor. Hinzu kommt, dass der Antragsteller nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Antragsgegnerin seinen Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe bestreiten kann. Damit ist auch der Ausweisungstatbestand des § 46 Nr. 6 AuslG erfüllt.
Der Senat musste deshalb nicht den übrigen zwischen den Beteiligten strittigen Fragen nachgehen, ob der Antragsteller sich acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit gesichert ist und ob die Härteklausel des § 16 Abs. 2 AuslG zu seinen Gunsten eingreift.
Soweit sich der Antragsteller auf seinen erstinstanzlichen Vortrag bezieht, genügt dies bereits nicht dem Darlegungserfordernis. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestimmt ausdrücklich, dass die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen muss, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen muss.