Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 17.12.2008, Az.: 3 T 114/08

Anspruch auf Berichtigung der Wohlverhaltensperiode von sechs auf fünf Jahre wegen offensichtlicher Unrichtigkeit aufgrund eines Schreibfehlers

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
17.12.2008
Aktenzeichen
3 T 114/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 37069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2008:1217.3T114.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Uelzen - 18.11.2008 - AZ: 7 IK 29/02

In dem Restschuldbefreiungsverfahren
...
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
durch
die Richterin Dr. Kastendieck als Einzelrichterin
am 17.12.2008
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 18.11.2.008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 28.11.2008 aufgehoben mit der Folge, dass der Beschluss vom 28.07.2004 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 29.09.2004 gilt, wonach die "Wohlverhaltensphase" (Laufzeit der Abtretung) fünf Jahre, beginnend mit der Verfahrenseröffnung am 17.09.2003, beträgt.

Das Verfahren ist gerichtgebührenfrei, die außergerichtlichen Kosten des Schuldners sind zu erstatten.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu EUR 1.500,00 festgesetzt.

Gründe

1

I.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 28.07.2004 wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt und die Wohlverhaltensperiode auf sechs Jahre, beginnend mit der Verfahrenseröffnung am 17.09.2003, festgesetzt (Bl. 279 d.A.). Am 28.07.2004 erließ das Amtsgericht Uelzen durch die Rechtspflegerin einen Beschluss, der die Wohlverhaltensperiode "dahingehend berichtigt", dass diese lediglich fünf Jahre betrage. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, die Wohlverhaltensperiode sei wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers gemäß § 319 ZPO von sechs auf fünf Jahre zu berichtigen. Am 30.09.2004 wurde das Verfahren aufgehoben, da die Schlussverteilung vollzogen war. Der Treuhänder erstattet in der Folge turnusgemäß Bericht und legte am 23.09.2008 seinen "abschließenden Bericht" vor, in dem er anregte, dem Schuldner Restschuldbefreiung zu erteilen. Am 18.11.2008 beschloss das Amtsgericht Uelzen den Berichtigungsbeschluss vom 28.04.2004 aufzuheben mit der Folge, dass die Wohlverhaltensperiode nunmehr sechs Jahre, gerechnet ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, betragen solle (Bl. 340 d.A.). Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Beschwerde vom 27.11.2008, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 28.11.2008 nicht abgeholfen hat (Bl. 354 d.A.).

2

II.

Wie das Amtsgericht in den angefochtenen Beschlüssen zutreffend erkannt hat, war die Berichtigung gemäߧ 319 ZPO in dem Beschluss vom 29.09.2004 rechtsfehlerhaft. Das folgt schon daraus, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit nicht vorlag. Die Unrichtigkeit ist dann offenbar, wenn sie sich für den Außenstehenden aus dem Zusammenhang der Entscheidung ohne Weiteres ergibt (BGHZ 20, S. 192; Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 319 Rn. 5 m.w.N.). Insbesondere genügt für die Offenkundigkeit nicht, dass der Fehler "für einen Rechtskundigen" erkennbar war (Zöller a.a.O.). Die Festsetzung der Wohlverhaltensperiode ist Rechtsanwendung gemäß § 287 Abs. 2 InsO. Ein offensichtlicher Schreibfehler kann in der Festsetzung auf zunächst sechs Jahre nicht gesehen werden. Danach war eine Berichtigung des Beschlusses gemäß § 319 ZPO i.V.m. § 4 InsO rechtsfehlerhaft.

3

Das Amtsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass fehlerhafte Berichtigungsbeschlüsse, die erkennbar keine gesetzliche Grundlage haben, trotz formeller Rechtskraft die verbindliche Wirkung abgesprochen werden kann (BGHZ 20, S. 188; BGH NJW 95, S. 1033; Zöller, a.a.O. Rn. 29). Allerdings wird derartigen Beschlüssen insoweit nur eingeschränkte Bindungswirkung zuerkannt, als durch sie nachträglich erstmals ein Rechtsmittel zugelassen wird (BGHZ 127, S. 74 - 83). Nur dann sind diese ausnahmsweise nichtig und entfalten nicht ihre Wirkungen trotz ihres fehlerhaften Zustandekommens. Der hier zu beurteilende Berichtigungsbeschluss beeinträchtigt nicht den gesetzlichen Instanzenzug. Ein Fall fehlerhafter Rechtsanwendung, der nach überwiegender Meinung von § 319 ZPO nicht erfasst wird, sondern den Bindungswirkungen des § 319 ZPO unterfällt, führt nicht schon deswegen zur Unwirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses. Gerichtliche Entscheidungen sind, wie sich im Umkehrschluss aus §§ 579, 580 ZPO ergibt, trotz Fehlerhaftigkeit nur in seltenen Ausnahmefällen unwirksam. Voraussetzung ist dafür ein besonders schwerer Mangel, der zudem aus Gründen der Rechtsklarheit regelmäßig offenkundig sein muss (Bundesverfassungsgerichtsentscheid 29, 45, 49, BGHZ 121, S. 98 (102 f)). Sofern ein Berichtigungsbeschluss eine fehlerhafte Willensbildung korrigiert, liegt darin kein besonders schwerer Mangel. Jedenfalls aber kein offenkundiger Mangel, der zur Unwirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses führen muss (BGHZ 127, S. 74 - 83).

4

Darüber hinaus sind Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen, die ursprünglich festgesetzte Wohlverhaltensperiode von fünf Jahren hat der Schuldner bereits durchlaufen und durfte sich nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB darauf einstellen, dass diese auch zum 17.09.2008 endete (vgl. Zöller a.a.O., Rn. 21).

5

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO.

6

Der Streitwert wird gemäß § 48 Abs. 2 GKG in der Höhe der im letzten Jahr an den Treuhänder gezahlten Beträge festgesetzt.

Dr. Kastendieck