Landgericht Lüneburg
Urt. v. 29.10.2008, Az.: 6 S 96/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 29.10.2008
- Aktenzeichen
- 6 S 96/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 43969
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2008:1029.6S96.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Winsen/Luhe - 23.06.2008 - AZ: 23 C 575/08
Rechtsgrundlagen
- § 130 BGB
- § 242 BGB
- § 293 ff BGB
Fundstelle
- ZMR 2010, 765-766
Amtlicher Leitsatz
Keine verspätete Rückgabe der Mietsache bei unterlassener Mitwirkung des Vermieters.
Durch die verweigerte Mitwirkung gerät der Vermieter in Annahmeverzug.
Der Annahmeverzug des Vermieters lässt den Anspruch aus § 546a BGB entfallen.
In dem Rechtsstreit
...
wegen Zahlung
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 15.10.2008 durch
die ... M.,
die ... S. und
die ... R. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 23.06.2008 - Az.: 23 C 575/08 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Kläger 1 756,46 € zu zahlen. Die weitergehende Klage auf Zahlung weiterer 800,00 € sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 203,73 € hat es abgewiesen.
Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 23.06.2008 Bezug genommen.
Ergänzend ist lediglich noch hinzuzufügen:
Die Kläger sandten ihr Kündigungsschreiben vom 27.08.2007 per Übergabe-Einschreiben ab. Der Beklagte wurde von dem Postboten nicht angetroffen. Ihm wurde ein entsprechender Benachrichtigungszettel am 31.08.2007, einem Freitag, in den Briefkasten gelegt.
Die Kläger teilten den Beklagten mit Schreiben vom 26.11.2007 (Bl. 20 d.A.) mit, dass die Wohnung geräumt und übergabebereit sei. In diesem Schreiben forderten sie den Beklagten auf, einen Übergabetermin zu nennen. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die Schlüssel andernfalls bei einem Nachbarn abgegeben werden würden. Der Beklagte erhielt dieses Schreiben am 28.11.2007 (vgl. Bl. 21 d.A.). Einen Übergabetermin schlug er nicht vor. Die Kläger übergaben daraufhin am 29.11.2007 sämtliche Schlüssel für das Mietobjekt einer Nachbarin, Frau R.W. (Bl. 22 d.A.), und informierten den Beklagten über diese Vorgehensweise mit Schreiben vom 29.11.2007 (Bl. 22 d.A.). Am 14.07.2008 erhielt der Beklagte die bei Frau W. hinterlegten Schlüssel. Am 15.07.2008 besichtigte der Beklagte erstmals die Wohnung.
Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und begehrt auch die Abweisung der restlichen Zahlungsklage.
Er ist der Ansicht, das Mietverhältnis sei ordentlich erst zum 31.12.2007 gekündigt worden, da das Kündigungsschreiben vom 27.08.2007 erst mit Abholung am 12.09.2007 im Sinne des § 130 BGB zugegangen sei. Aus diesem Grund stehe ihm die Dezembermiete in Höhe von 1 014,94 € zu, mit welcher er die Aufrechnung erklärt. In diesem Zusammenhang behauptet er erstmals in der Berufungsinstanz, einen derartigen Benachrichtigungsschein in seinem Briefkasten nicht vorgefunden zu haben.
Hilfsweise erklärt der Beklagte mit einem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung ab Januar 2008 die Aufrechnung. In diesem Zusammenhang meint er, die Kläger hätten ihm die Wohnung vorenthalten, da sie diese nicht ordnungsgemäß zurückgegeben hätten. Zur Erfüllung der Rückgabepflicht reiche die Übergabe der Schlüssel an Nachbarn nämlich nicht aus. Dies gelte vor allem deshalb, weil - so behauptet der Beklagte - ihm nicht bekannt gewesen sei, bei welchen Nachbarn die Schlüssel hinterlegt worden seien.
Darüber hinaus erklärt der Beklagte zudem mit Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung des Mietobjektes die Aufrechnung. Hierzu behauptet er, bei der Wohnungsbesichtigung am 15.07.2008 diverse Mängel festgestellt zu haben. Der finanzielle Aufwand für die Behebung der Mängel sowie Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes der Wohnung betrage in etwa 7 160,00 €. Bezüglich der erstmals in dem Schriftsatz vom 02.10.2008 konkretisierten Mängel im Einzelnen wird auf besagten Schriftsatz Bezug genommen.
Er beantragt daher,
das Urteil des Amtsgerichts Winsen vom 23.06.2008, Az.: 23 C 575/08, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließen sich insoweit vollumfänglich der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt sämtlicher Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenteilen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Den Klägern steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution (zumindest) in der vom Amtsgericht titulierten Höhe von 1 756,46 € zu. Der Rückzahlungsanspruch ist jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt fällig, da die diesbezügliche drei- bis sechsmonatige Überlegungsfrist des Vermieters abgelaufen ist.
2.
Der Kautionsrückzahlungsanspruch ist nicht durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen.
a.
Der Beklagte kann insbesondere keine Miete mehr für Dezember 2007 verlangen, da das Mietverhältnis bereits zum 30.11.2007 wirksam beendet war.
Rechtlich zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis nicht erst zum 31.12.2007, sondern bereits zum 30.11.2007 beendet war. In diesem Zusammenhang kommt es auf den Zugang des Kündigungsschreibens bei dem Beklagten an, § 130 BGB. Denn nach § 573c Abs. 1 S. 1 BGB ist die Kündigung zum Ablauf des übernächsten Monats nur zulässig, wenn sie spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats dem Vermieter zugegangen ist.
Insoweit ist dem Beklagten zwar zuzugeben, dass allein der Einwurf des Benachrichtigungsscheines für den Zugang der Kündigung nicht ausreicht, da der Adressat Einsicht in das Schreiben nehmen können muss. Der Beklagte muss sich vorliegend jedoch gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als wenn das Kündigungsschreiben ihm rechtzeitig zugegangen wäre, da der fristgerechte Zugang an einer Obliegenheitsverletzung des Beklagten scheiterte (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 130, Rn. 18). In Fällen, in denen der Empfänger die abholbereite Einschreibesendung trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nicht abholt, ist die Erklärung als zugegangen anzusehen, wenn der Empfänger sie nicht spätestens am übernächsten Werktag nach Zugang der Benachrichtigung abgeholt hat, soweit ihm dies möglich war (Palandt/Heinrichs, aaO, § 130, Rn. 18 m.w.N.; Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., § 130, Rn. 8). Die Auffassung, die eine derartige Zugangsfiktion auf die Fälle beschränkt, in denen der Empfänger weiß oder in denen er damit rechnen muss, dass die Postsendung eine an ihn gerichtete Willenserklärung enthält und nach der eine schlichte "Schlamperei" des Adressaten als Grundlage für die Fiktion nicht ausreichen soll, ist abzulehnen. Diese Ansicht ist zu eng, da sie das Zugangsrisiko zu sehr auf den Absender verlagert und diesen vor unzumutbare Anforderungen stellt. Zudem ist die Sicherheit des Rechtsverkehrs nicht ausreichend gewahrt, wenn der Zugang allein von einer subjektiven Komponente wie der Motivation des Adressaten, die Sendung abzuholen, abhängig gemacht wird.
Vorliegend ist dem Beklagten der Benachrichtigungsschein am Freitag, den 31.08.2007, zugegangen, da er an diesem Tag durch Einwurf in den Briefkasten - nachgewiesen durch Vorlage des Einschreibescheines - derart in den Machtbereich des Beklagten gelangt ist, dass dieser von ihm hätte Kenntnis nehmen können. Der übernächste Werktag wäre Dienstag, der 04.09.2007, gewesen. Dass dem Beklagten ein Abholen des bei der Post aufbewahrten Schreibens bis zu diesem Termin nicht möglich gewesen ist, ist weder ersichtlich noch wurde ein entsprechender Hinderungsgrund vorgetragen. Die erstmals in der zweiten Instanz vorgetragene Behauptung, einen Benachrichtigungsschein habe der Beklagte in seinem Briefkasten zwischen den anderen Unterlagen nicht vorgefunden, ist wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Denn dies hätte der Beklagte bereits vor dem Amtsgericht vortragen können.
Nach alledem ist dem Beklagten die Kündigungserklärung am 04.09.2007, also noch vor dem dritten Werktag im September (05.09.2007), zugegangen. Das Mietverhältnis endete mithin mit Ablauf des übernächsten Monats, also zum 30.11.2007.
b.
Eben so wenig ist er berechtigt, ab Januar 2008 eine Nutzungsentschädigung wegen verspäteter Rückgabe der Mietsache zu verlangen.
Nach § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete verlangen, § 546a Abs. 1 BGB. Ein Vorenthalten im Sinne dieser Norm liegt vor, wenn der Mieter die Mietsache nach beendeten Mietverhältnis gegen den Willen des Vermieters nicht zurückgibt. Vorenthalten der Mietsache bedeutet demnach die Weigerung des Mieters, den nach rechtlich beendetem Mietverhältnis geltend gemachten Anspruch des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache zu erfüllen. Ein Vorenthalten liegt jedoch nicht vor, wenn und solange eine erforderliche Mitwirkungshandlung des Vermieters fehlt (Palandt/Weidenkaff, aaO, § 546a, Rn. 9 m.w.N.). Denn insofern obliegt dem Vermieter bei der Rückgabe der Mietsache eine Mitwirkungspflicht. Er ist nämlich nach § 546 BGB gehalten, das Mietobjekt zurückzunehmen. Dazu muss er zu einem vereinbarten Übergabetermin erscheinen bzw. überhaupt bereit sein, einen solchen mit den Mietern zu vereinbaren. Das hat der Beklagte vorliegend nicht getan.
Statt einen ihm genehmen Übergabetermin vorzuschlagen, hat er die Kläger darauf hingewiesen, er sei bis zu deren Auszug nicht bereit, einen Übergabetermin zu benennen, da ein solcher für ihn zu kurzfristig sei. Dieser Einwand greift nicht durch. Der Rückgabe einer Mietwohnung ist immanent, dass diese regelmäßig sehr kurzfristig vor Beendigung des Mietverhältnisses erfolgt. Der Beklagte wusste zudem auf Grund des Kündigungsschreibens vom 27.08.2007, dass die Kläger Ende November die Wohnung räumen und ausziehen würden und konnte sich somit bereits seit längerer Zeit auf einen derartigen Übergabetermin einstellen. Dass er selbst die Kündigung zum 30.11.2007 für unwirksam hielt, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Es entlastet den Beklagten auch nicht, dass die Kläger selbst keinen konkreten Übergabetermin vorgeschlagen haben. Vielmehr genügten sie ihren Pflichten, indem sie dem Beklagten den Auszugstermin mitteilten und ihn aufforderten, einen ihm genehmen Übergabetermin zu nennen. Diese Situation war für den Beklagten nur vorteilhaft und hätte ein unnötiges Rotieren zwischen diversen Terminen vermieden. Dies gilt um so mehr, als dass aus dem Aufforderungsschreiben der Kläger ersichtlich ist, dass diese grundsätzlich mit jedem von dem Beklagten vorgeschlagenen Übergabetermin bis einschließlich 30.11.2007 einverstanden gewesen wären.
Auf Grund der verweigerten Mitwirkung befand der Beklagte sich im Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB.
Soweit der Beklagte meint, der Annahmeverzug schließe einen Anspruch aus § 546a BGB nicht aus, da ein solcher nicht mit der Erfüllung der Rückgabeverpflichtung gleichgesetzt werden könne, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Vielmehr schließt sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des 24. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Düsseldorf, nach denen ein Annahmeverzug des Vermieters ausreicht, um dessen Anspruch aus § 546a BGB entfallen zu lassen, an (vgl. OLG Düsseldorf, 24, Zivilsenat , Urteil v. 20.05.2003, Az.: I - 24 U 49/03, 24 U 49/03, so auch Palandt/Weidenkaff, aaO, § 546a, Rn. 9 m.w.N.). Denn die gegenteilige Ansicht widerspricht zum einen dem Anliegen des Gesetzes, den Vermieter nur gegen den vertragsuntreuen Mieter zu schützen. Ein Vermieter, der die ihm angebotene geräumte Mietsache nicht in Besitz nehmen will, ist nicht schutzbedürftig. Zum anderen übersieht diese Ansicht, dass § 303 BGB dem Mieter lediglich ein Recht zur Besitzaufgabe zuspricht, welches hier in eine Pflicht umgekehrt würde. Doch selbst wenn man eine Pflicht zur schlichten Besitzaufgabe voraussetzen würde, so käme man vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Kläger haben unstreitig mit Auszug aus der Wohnung zugleich den Besitz an der Wohnung aufgegeben, in dem sie die Schlüssel bei der Nachbarin Frau W. abgegeben haben und diese Vorgehensweise auch zuvor gegenüber dem Beklagten angedroht hatten (§ 303 S. 2 BGB).
3.
Der Kautionsrückzahlungsanspruch ist darüber hinaus auch nicht gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB) erloschen.
Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten ist verspätet im Sinne von § 530 ZPO und deswegen unbeachtlich. Denn entgegen dieser Vorschrift wurde die (Hilfs-) Aufrechnung nicht rechtzeitig innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, sondern erstmals mit Schriftsatz vom 02.10.2008 vorgebracht.
4.
Dem Kautionsrückzahlungsanspruch kann der Beklagte lediglich ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) in Höhe von 800,00 € wegen der voraussichtlichen Nachzahlungsanspruches bei der Nebenkostenabrechnung entgegenhalten. Insofern wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen.
5.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 7, 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 543 ZPO.