Landgericht Lüneburg
Urt. v. 27.02.2008, Az.: 6 S 131/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 27.02.2008
- Aktenzeichen
- 6 S 131/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 43966
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2008:0227.6S131.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Winsen/Luhe - 09.10.2007 - AZ: 20 C 883/07
Rechtsgrundlagen
- § 123 BGB
- § 535 BGB
Amtlicher Leitsatz
Ein potentieller Mieter hat dem Vermieter die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung jedenfalls dann zu offenbaren, wenn sie weniger als 3 Monate vor Vertragsschluss abgegeben worden ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er gleichwohl (dauerhaft) die vereinbarten Mietzahlungen erbringen kann.
In dem Rechtsstreit
...
wegen Räumung
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.2008 durch
die ...,
die ... und
die ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 09.10.2007 (20 C 883/07 ) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, das Haus .... 50, ..., bestehend aus vier Zimmern, Küche, Diele, Bad und WC, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Am 1. Mai 2007 unterzeichneten die Parteien einen Mietvertrag über ein Einfamilienhaus in der ... 50 in .... Auf die Fotokopie des Vertrages, Bl. 6 ff.d.A., wird verwiesen. Dem Beklagten wurden die Schlüssel zu dem Haus ausgehändigt.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2007 (Bl. 14 d.A.) erklärte die Klägerin die Anfechtung des Mietvertrages mit der Begründung, dass der Beklagte falsche Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe, und ließ die Schlösser am Haus austauschen.
Daraufhin beantragte der Beklagte im einstweiligen Verfügungsverfahren die Herausgabe des von ihm angemieteten Hauses. Das Amtsgericht Winsen/Luhe, bei dem das Verfahren unter dem Aktenzeichen 22 C 637/07 geführt wurde, wies den Antrag zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hat die Kammer mit Beschluss vom 13.06.2007 (Aktenzeichen 6 T 83/07 ) die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die Klägerin verpflichtet, das Einfamilienhaus an den Beklagten wieder herauszugeben, da die Besitzentziehung durch Austausch der Schlösser eine verbotene Eigenmacht darstellte. Dem Besitzschutzanspruch des Beklagten gemäß § 861 BGB konnte die Klägerin nicht mit Erfolg einen eigenen Herausgabeanspruch wegen der Anfechtung des Mietvertrages entgegenhalten. Auf die Frage, ob der Klägerin aufgrund der Anfechtung tatsächlich ein Herausgabeanspruch gegen den Beklagten zusteht, kam es insoweit nicht an.
Auf Grund der einstweiligen Verfügung überließ die Klägerin dem Beklagten am 26.6.2007 wieder den Besitz an dem Haus.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die Räumung des Hauses geltend und beantragt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 13.6.2007.
Die Klägerin stützt ihr Räumungsbegehren darauf, dass der Beklagte bei den Vertragsverhandlungen unrichtige Angaben zu der Beendigung des vorherigen Mietverhältnisses gemacht habe. Er habe verschwiegen, dass gegenüber dem vorherigen Vermieter noch Zahlungsverpflichtungen von über 10 000,- Euro bestünden. Weiter habe er trotz der Frage in der von ihm -vor Abschluss des Mietvertrages- erteilten Selbstauskunft nicht offenbart, dass er erst im Februar 2007 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung spreche dafür, dass das in der Selbstauskunft angegebene Nettoeinkommen von 5 000,- Euro tatsächlich nicht erzielt werde.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Er behauptet, dass die Klägerin die Selbstauskunft erst nach Unterzeichnung des Mietvertrages verlangt habe, so dass die Angaben in der Selbstauskunft keinen Einfluss auf den Abschluss des Mietvertrages gehabt hätten. Falsche Angaben habe er zudem nicht gemacht. Weiter meint er, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, der Klägerin ohne Befragen seine Vermögensverhältnisse zu offenbaren. Er weist außerdem darauf hin, dass die Klägerin - unstreitig- nicht beanstandet habe, dass er die Selbstauskunft teilweise nicht ausgefüllt habe. Soweit die Klägerin behauptet, es bestünde die Gefahr, dass der Beklagte seinen Mietzahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, sei das Bestreiten seiner Einkommensverhältnisse unsubstantiiert. Der Beklagte meint zudem, dass der Mieter nach der Besitzübergabe einen besonderen Schutz genieße. Ferner seien Fragen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und zum vorherigen Mietverhältnis unzulässig. Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, dass der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung unzulässig sei.
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben und in seinem Urteil auch die einstweilige Verfügung vom 13.6.2007 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greife durch, da der Beklagte die Frage zur Beendigung des vorherigen Mietverhältnisses "spitzfindig" dahingehend beantwortet habe, dass das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt worden sei. Dadurch sei die falsche Vorstellung geweckt worden, dass das vorherige Mietverhältnis nicht wegen Zahlungsverzuges beendet worden sei.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend weist er darauf hin, dass das Amtsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass das vorherige Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges beendet worden ist. Insoweit behauptet der Beklagte, dass ein Minderungsrecht bestanden habe.
II.
Die zulässige Berufung ist zum überwiegenden Teil unbegründet.
1. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Räumung des von der Klägerin gemieteten Objekts verurteilt.
Die Klägerin ist berechtigt gewesen, das Mietverhältnis wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anzufechten.
Der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung (am 03. Mai 2007) das Mietobjekt dem Beklagten bereits durch Schlüsselübergabe am 01. Mai 2007 überlassen hatte, steht der Anfechtung des Mietverhältnisses nicht entgegen. Auch nach Überlassung des Mietgegenstandes an den Mieter kann eine Anfechtung erfolgen (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Auflage, vor § 535 Rn. 7; Palandt-Weidenkraff, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Auflage, § 536 Rn. 12).
Die Klägerin ist von dem Beklagten zum Abschluss des Mietvertrages durch arglistige Täuschung bestimmt worden.
Es kann dahinstehen, ob die Erkundigung nach dem Grund der Beendigung des vorherigen Mietverhältnisses oder die in der Selbstauskunft gestellten Fragen teilweise unzulässig waren.
Jedenfalls hätte der Beklagte vorliegend von sich aus ungefragt die Klägerin vor Abschluss des Mietvertrages darüber informieren müssen, dass er am 08. Februar 2007 eine eidesstattliche Versicherung vor dem Amtsgericht Winsen (Luhe) abgegeben hatte.
Der Umstand, dass der Beklagte die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht offenbart hat, rechtfertigt die mit Schreiben vom 03.05.2007 erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Dies folgt daraus, dass den Beklagten hinsichtlich der verschwiegenen Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung eine Aufklärungspflicht traf.
Eine Aufklärungspflicht besteht vor allem hinsichtlich besonders wichtiger Umstände, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind. Solche Umstände müssen ungefragt offenbart werden. Das gilt vor allem für Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden könnten. Wer eine zukünftig fällig werdende Verbindlichkeit übernimmt, muss bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten, insbesondere eine drohende Zahlungsunfähigkeit, offenbaren (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Auflage, § 123 Rn. 5b)
Insoweit überwiegen die berechtigten Interessen des Vermieters an regelmäßigen Zahlungseingängen das Interesse des Mieters an der Geheimhaltung seiner finanziellen Situation.
Der Umstand, dass der Beklagte weniger als 3 Monate vor Abschluss des Mietvertrages eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, spricht für eine derartige Verschuldung des Beklagten, die die mietvertraglichen Ansprüche der Klägerin objektiv gefährdet. Konkrete Anhaltspunkte, die die Vermutung dahingehend, dass der Beklagte die vereinbarten Mietzahlungen (dauerhaft) nicht erbringen kann, widerlegen, sind nicht vorgetragen.
Soweit der Beklagte in der von der Klägerin geforderten Selbstauskunft ein monatliches Netto-Einkommen von 5000,- Euro angegeben hat, hat die Klägerin bestritten, dass dem Beklagten ein Einkommen in dieser Höhe zur Verfügung steht. Entgegen der Ansicht des Beklagten musste die Klägerin ihr Bestreiten auch nicht weiter substantiieren. Eine weitergehende Darlegung ist der Klägerin insoweit nicht möglich. Im Übrigen spricht bereits der kurze Zeitraum zwischen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und der Erteilung der Selbstauskunft gegen die Plausibilität des angegebenen Einkommens. Insoweit hätte der Beklagte dem Bestreiten der Klägerin substantiiert entgegentreten und insbesondere die Unstimmigkeit zwischen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Februar 2007 einerseits und dem nicht unerheblichen Nettoeinkommen im Mai 2007 andererseits nachvollziehbar erklären müssen. Hierauf ist der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 16.01.2008 hingewiesen worden. Weiterer Vortrag ist danach nicht erfolgt.
Da auch ohne ausdrückliche Nachfrage eine Auskunftsverpflichtung des Mieters über die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung jedenfalls dann besteht, wenn die Eidesstattliche Versicherung- wie hier- weniger als 3 Monate zurückliegt, ist auch das Vorbringen des Beklagten, er habe in der von der Klägerin geforderten Selbstauskunft die Frage über die Abgabe der eidesstattliche Versicherung nicht falsch sondern gar nicht beantwortet und im Übrigen sei die Selbstauskunft erst nach Abschluss des Mietvertrages vorgelegt worden, unerheblich.
Durch das Verschweigen der Eidesstattlichen Versicherung hat der Beklagte die Erklärung der Klägerin zum Abschluss des Mietvertrages beeinflusst.
Bei Offenbarung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt zu überprüfen, ob sie den Vertrag mit dem Beklagten abschließt, oder jedenfalls ihre Ansprüche dadurch absichert, dass sie beispielsweise ein Familienmitglied als Mietmieter verpflichtet oder eine andere Sicherheit verlangt.
Der Beklagte wendet ein, die Klägerin habe den Mietvertrag abgeschlossen, obgleich er in der Selbstauskunft die Frage zu der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung offen gelassen habe. Dadurch, dass sie auf die Beantwortung der Frage nicht beharrt habe, habe sie gezeigt, dass es ihr hierauf nicht ankam. Dieser Argumentation vermag die Kammer nicht zu folgen, zumal der Beklagte selbst angibt, dass die Selbstauskunft erst nach Abschluss des Mietvertrages erteilt worden sei.
Der Anfechtung ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
Soweit der Beklagte (mit Schriftsatz vom13.11.2007) angegeben hat, bereits 8 Monate lang die Miete gezahlt zu haben, ist dieses Vorbringen bereits nicht schlüssig, da das Mietverhältnis erst am 01. Mai 2007 begann und in den ersten 4 Monaten (also Mai bis einschließlich August 2007) keine Miete gezahlt werden musste.
Der Umstand, dass der Beklagte für wenige Monate die Miete gezahlt hat, lässt unter Berücksichtigung der festgestellten Gefährdungslage nicht den Schluss zu, dass die Mietzahlungen auch in Zukunft gesichert sind; dies insbesondere auch im Hinblick darauf, dass - so der Beklagte selbst - der Mietvertrag für die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen worden ist.
Im Übrigen hat die Klägerin unmittelbar nach Beginn des Mietverhältnisses die Anfechtung erklärt, so dass unerheblich ist, wenn der Beklagte danach gezahlt hat.
Auch die weiteren Einwendungen des Beklagten, insbesondere auch dahingehend, dass die begehrte Räumung eine unzumutbare Härte für ihn und seine Familie bedeuteten würde, greifen nicht. Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung behauptet, die Mietsache mit einem Kostenaufwand in Höhe von ca. 8000,- Euro instand gesetzt zu haben, ist dieser -bestrittene - Vortrag zum einen als neuer Vortrag in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen, zum anderen auch unsubstantiiert.
2. Das Urteil des Amtsgerichts war aufzuheben, soweit die Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Lüneburg (6 T 83/07) ausgesprochen worden ist.
Der entsprechende Antrag der Klägerin auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung war mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abzuweisen. Die Klägerin hat der allein auf Besitzschutz gemäß § 861 BGB gestützten Herausgabeverfügung dadurch entsprochen, dass sie dem Beklagten im Juni 2007 den Besitz eingeräumt hat. Damit ist der durch die einstweilige Verfügung gesicherte Herausgabeanspruch des Beklagten weggefallen. Einer Aufhebung bedarf es nicht mehr. Soweit der Aufhebungsantrag in eine Feststellungsklage mit dem Ziel der Änderung der Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung umgedeutet werden könnte, ergibt sich ein solches Ziel bereits nicht aus dem Klagevorbringen. Im Übrigen wäre eine solche Feststellungsklage unbegründet, da die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.