Landgericht Lüneburg
Urt. v. 04.11.2008, Az.: 5 O 146/08

Geltendmachung einer fehlerhaften Rechtsberatung im Zusammenhang mit einer Zwangsversteigerung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
04.11.2008
Aktenzeichen
5 O 146/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 53880
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2008:1104.5O146.08.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 20.05.2009 - AZ: 3 U 268/08

In dem Rechtsstreit
XXX
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte:
XXX
gegen
XXX
Beklagter,
Prozessbevollmächtigte:
XXX
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2008
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten wegen fehlerhafter Rechtsberatung im Zusammenhang mit einer Zwangsversteigerung geltend.

Die Sparkasse XXX betrieb als Gläubigerin die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Töchter der Klägerin. Diese hatten Eigentum an einem Reihenhaus, an dem für die Klägerin ein grundbuchrechtlich gesichertes Wohn- und Nießbrauchsrecht bestand. Wegen der einzelnen Grundbuchpositionen wird auf den Grundbuchauszug (Anlage K1 zur Klageschrift, Blatt 7d. A.) verwiesen. Mit Beschluss vom 21.06.2002 ordnete das Amtsgericht XXX die Zwangsversteigerung dieser Immobilie an. In diesem Zusammenhang ließ sich die Klägerin vom Beklagten beraten. Die Gläubigerin hatte sich zunächst mit einem Verkaufserlös in Höhe von 100.000,00 EUR zufrieden geben wollen (vgl. Anlage K10 zur Klagschrift, Blatt 30 d.A.). Eine Zahlung durch die Klägerin erfolgte nicht.

Am 27.05.2005 erfolgte die Zwangsversteigerung der Immobilie. An dieser nahm die Klägerin in Begleitung des beim Beklagten angestellten Rechtsanwalts XXX teil. Neben der gesetzlichen Versteigerungsvariante, nach der das eingetragene Recht der Klägerin an der Immobilie bestehen bliebe, fand zugleich in abweichender Bedingung auf Antrag der Sparkasse XXX die Versteigerung der Immobilie derart statt, dass mit dem Zuschlag das im Grundbuch eingetragene Recht der Klägerin gelöscht werden sollte. Der Rechtspfleger setzte das Wohn- und Nießbrauchsrecht mit einem Wert von 45.000,00 EUR fest und wies auf die abweichende Bedingung der Zwangsversteigerung hin.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Zwangsversteigerung wird auf das entsprechende Protokoll (Anlage K5 zur Klagschrift, Blatt 20 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin bot auf die gesetzlichen Bedingungen bis zu einer Höhe von 140.500,00 EUR. Der Rechtspfleger erteilte der Klägerin daraufhin trotz eines anderen Gebots durch eine dritte Person in Höhe von 141.000,00 EUR auf die abweichende Bedingung des Zuschlag. Laut Verteilungsplan aus der Gerichtsakte belief sich die Gesamtforderungshöhe der Sparkasse XXX auf 138.425,38 EUR zuzüglich der bei der Versteigerung nicht bezifferten auf die Hauptforderung zu entrichtenden Zinsen.

Wegen der Einzelheiten der Forderungsrechnung wird auf diese verwiesen (Anlage B1 zum Schriftsatz vom 14.08.2008, Blatt 43 d. A.).

Die Klägerin behauptet, sie habe auch in gleicher Höhe auf die abweichenden Bedingungen geboten. Sie ist der Ansicht, unter Zurechnung des Wertes ihres Nießbrauchs- und Wohnrechts habe sie tatsächlich 185.500,00 EUR geboten. Insofern habe sie 44.000,00 EUR zuviel geboten, um den Zuschlag zu erhalten. Dies habe der Rechtspfleger mit seinem Hinweis auf die Versteigerungsbedingungen zum Ausdruck gebracht.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 44.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2008 (Rechtshängigkeit) sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.530,58 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, erst mit der Deckung der Gesamtforderungshöhe sei das Gebot der Klägerin ausreichend gewesen. Er behauptet, dies habe der Rechtspfleger nach Abgabe des letzten Gebotes durch die Klägerin auch während der Versteigerung durch seine Hinweise zum Ausdruck gebracht. Zu einer Zahlung von 100.000,00 EUR an die Gläubigerin sei es deswegen nicht gekommen, weil diese dazu nicht in der Lage gewesen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus den §§ 611, 280 Abs. 1, 283 Satz 1 BGB.

Zwischen den Parteien ist ein Dienstvertrag mit der Hauptleistungspflicht "Rechtsberatung" zu Stande gekommen. Diese Leistungspflicht ist weder durch den Beklagten noch seinen Angestellten, Rechtsanwalt XXX, verletzt worden.

Die Klägerin hat die Immobilie durch ein erforderliches Gebot ersteigert. Der Zuschlag durch den Rechtspfleger konnte erst durch das Gebot in Höhe von 140.500,00 EUR erfolgen. Damit war das wirtschaftliche Interesse der Sparkasse XXX als Gläubigerin der Versteigerung gedeckt. Dies ergibt sich aus dem Verteilungsplan. Darin ist die Gesamtforderung der Gläubigerin mit 135.311,82 EUR beziffert. Zuzüglich der Verfahrenskosten von insgesamt 3.121,00 EUR und der Grundsteuer in Höhe von 13,35 EUR ergibt sich daraus eine Deckungssumme in Höhe von 138.425,38 EUR plus Zinsen auf die Hauptforderung (Anlage B1, Blatt 43 d. A.). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Gläubigerin vorher angekündigt hatte, mit einem Verkaufserlös in Höhe von 100.000,00 EUR zufrieden zu sein. Offensichtlich ist es zu einer diesbezüglichen Zahlung seitens der Klägerin an die Gläubigerin nicht gekommen. Dadurch, dass eine dritte Person an der Versteigerung teilnahm, konnte die Sparkasse auch nicht in das Versteigerungsgeschehen zwischen den Beteiligten direkt eingreifen.

Der Wert des geringsten Gebotes bestimmt sich gemäß § 44 Abs. 1 ZVG nach dem Deckungsgrundsatz. Daher musste in der aufgezeigten Höhe von 138.425,38 EUR nebst Zinsen mindestens geboten werden. Dies gilt nicht, wenn durch ein abweichendes Versteigerungsverfahren möglicherweise ein Beteiligter i. S. von § 9 Ziffer 1. ZVG in seinem Recht beeinträchtigt wird. Eine solche Beteiligte war die Klägerin, weil ihr Wohn- und Nutzungsrecht im Grundbuch eingetragen war. Es musste folglich gemäß § 59 Abs. 2 ZVG nach beiden Varianten, also auch nach den gesetzlichen Bedingungen, ausgeboten werden, ein sogenanntes Doppelausgebot. Dabei erhält grundsätzlich das Meistgebot auf die abweichenden Versteigerungsbedingungen über dem geringsten Gebot den Zuschlag. Das geringste Gebot war folglich bei den abweichenden Bedingungen wegen des Werts des Wohn- und Nießbrauchsrechts 45.000,00 EUR höher, als bei der gesetzlichen Variante. Das Meistgebot auf das gesetzliche Verfahren erhält gemäß § 59 Abs. 2 ZVG den Zuschlag, sofern dies das geringste Gebot erreicht, was mit dem Gebot der Klägerin in Höhe von 140.500,00 EUR der Fall war. Diese Situation lag hier vor.

Es ist auch nicht ersichtlich, was der für den Beklagten anwesende Rechtsanwalt XXX anders hätte tun sollen, wenn der Rechtspfleger nicht den Zuschlag erteilt. Es wurde offensichtlich auf beide Varianten geboten, wobei die Versteigerung bei 92.000,00 EUR eröffnet wurde. Nach den dargelegten Grundsätzen wurde die Klägerin daher trotz ihres niedrigeren Gebotes Eigentümerin und bekam den Zuschlag.

Da irgendein Fehlverhalten des Beklagten nicht ersichtlich ist, war die Klage abzuweisen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin gemäß § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.