Landgericht Lüneburg
Urt. v. 22.05.2008, Az.: 7 O 54/08

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
22.05.2008
Aktenzeichen
7 O 54/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 43963
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2008:0522.7O54.08.0A

Fundstelle

  • MuA 2008, 371-372

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

...

hat die 7. Zivilkammer - 1. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts ...

auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am

Landgericht ... sowie die Handelsrichter ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die einstweilige Verfügung vom 21. April 2008 wird aufgehoben, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien sind beide im Bereich der Abfallentsorgung tätig. Beide bieten im Landkreis ... flächendeckend eine sogenannte "blaue Tonne" an, die der kostenfreien Entsorgung von Altpapier und -pappe dient. Die Verteilung der "blauen Tonnen" läuft in der Regel so ab, dass sie von den Mitarbeitern der Verfügungsbeklagten (die Verteilweise durch Verfügungsklägerin ist nahezu identisch) auf bzw. vor das jeweilige Grundstück gestellt wird. Gleichzeitig wird mit der Tonne ein Informationsblatt verteilt, in dem darauf hingewiesen wird, dass auf entsprechende Aufforderung hin die Tonne wieder abgeholt würde.

2

Die Verfügungsklägerin behauptet, am 8. April 2008 hätten Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten gegenüber den Eheleuten ... angegeben, die Altpapiertonne der Verfügungsklägerin würde nicht mehr geleert, deshalb werde die Tonne abgeholt. Aus diesem Grunde würden nun die Tonnen der Verfügungsbeklagten verteilt. Ein ähnlicher Vorfall habe sich auch in Amelinghausen abgespielt. Hier sei gegenüber Frau ... seitens Mitarbeitern der Verfügungsbeklagten angegeben worden, die Tonne der Verfügungsklägerin werde nicht mehr abgeholt. Es bliebe für Frau ... nur die Möglichkeit, Altpapier zu bündeln oder aber eine Tonne der Verfügungsbeklagten zu nutzen.

3

Die Verfügungsklägerin behauptet darüber hinaus, es handele sich bei den genannten Vorfällen nicht um Einzelfälle. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass während der Verteilung der "blauen Tonnen" durch die Verfügungsbeklagte fortlaufend entsprechende Äußerungen getätigt worden seien.

4

Die Verfügungsklägerin hat ihren Vortrag glaubhaft gemacht durch die Vorlage zweier eidesstattlicher Versicherungen, wobei eine von zwei Zeugen, nämlich den Eheleuten ... unterzeichnet wurde.

5

Mit der Antragsschrift hat die Verfügungsklägerin beantragt, der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, gegenüber Bürgern des Landkreises ... zu äußern, dass die blauen Tonnen der Firma ... nicht mehr geleert würden und deshalb blaue Tonnen der Firma ... bereitgestellt werden.

6

Das Gericht hat am 21. April 2008 im Beschlussverfahren der Verfügungsbeklagten aufgegeben, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahingehend zu instruieren, dass sie es unterlassen, gegenüber Bürgern des Landkreises ... zu äußern, die "blauen Tonnen" der Verfügungsklägerin würden nicht mehr geleert und deshalb würden "blaue Tonnen" der Verfügungsbeklagten bereitgestellt.

7

Gegen diese einschränkende Beschlussfassung hat sodann die Verfügungsklägerin sofortige Beschwerde erhoben mit dem Ziel des uneingeschränkt antragsgemäßen Erlasses der einstweiligen Verfügung. Die Verfügungsbeklagte ihrerseits hat Widerspruch gegen die erlassene einstweilige Verfügung erhoben.

8

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

  1. die einstweilige Verfügung vom 21. April 2008 aufrechtzuerhalten und im Rahmen der sofortigen Beschwerde vom 23. April 2008 gemäß dem Antrag aus der Antragsschrift vom 17. April 2008 zu erweitern.

9

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

  1. die einstweilige Verfügung vom 21. April 2008 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

10

Die Verfügungsbeklagte vertritt die Auffassung, der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Anspruch könne keinesfalls über die Regeln des UWG verfolgt werden. Dies deshalb, weil die Parteien nicht in einem Wettbewerbsverhältnis im Sinne des UWG stünden. Da es sich bei der Verfügungsbeklagten unstreitig um eine kommunale Eigengesellschaft der Stadt und des Landkreises ... handele, liege ein rein hoheitliches Handeln und damit keine Wettbewerbshandlung vor.

11

Die Verfügungsbeklagte bestreitet darüber hinaus die von der Verfügungsklägerin behaupteten Äußerung der Mitarbeiter des von ihr eingesetzten Subunternehmens. In keinem Fall sei es zu den von der Verfügungsklägerin behaupteten Angaben gekommen. Die Mitarbeiter der Subunternehmen hätten lediglich den Auftrag, die entsprechenden Tonnen bereit zu stellen. Insbesondere sei zu keiner Zeit eine Aufforderung gegenüber den Mitarbeitern erfolgt, man solle sich im Falle eines Kontaktes mit den Bürgern dahingehend äußern, die Tonnen der Verfügungsklägerin würden nicht mehr geleert.

12

Die Verfügungsbeklagte hat sich ebenfalls zur Glaubhaftmachung der Vorlage eidesstattlicher Versicherungen bedient.

13

Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung eines von der Verfügungsbeklagten sistierten Zeugen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15. Mai 2008 Bezug genommen. Der von der Verfügungsklägerin sistierte Zeuge ... hatte vor seiner Vernehmung das Gerichtsgebäude bereits wieder verlassen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die einstweilige Verfügung vom 21. April 2008 war aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme ist der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unbegründet.

16

Zwar kann die Kammer der Auffassung der Verfügungsbeklagten nicht folgen, das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits unterfalle nicht den Vorschriften des UWG. Zwar trifft es zu, dass die Verfügungsbeklagte als kommunale Eigengesellschaft von Stadt und Landkreis ... letztlich auch deren Aufgabe als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger wahrnimmt. Das Einsammeln von Altpapier und dessen Verwertung bzw. Weiterverkauf stellt jedoch ein erwerbwirtschaftliches Handeln dar. Mit Blick darauf ist im Falle von Streitigkeiten zwischen einzelnen Entsorgungsunternehmen auch der Weg zu den ordentlichen Gerichten und nicht zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Wenn aber im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand Streitgegenstand ist, dann unterliegt diese Tätigkeit auch der Kontrolle am Maßstab des UWG.

17

Darauf kommt es letztlich jedoch nicht an. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme ist es der Verfügungsklägerin nicht gelungen, den von ihr behaupteten Wettbewerbsverstoß hinreichend glaubhaft zu machen. Soweit der Wettbewerbsverstoß ansatzweise auch darauf gestützt wird, dass die Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten die aufgestellten Tonnen nicht sofort wieder mitgenommen hätten, ist ein wettbewerbswidriges Verhalten bereits deshalb zweifelhaft, weil sich die Verfügungsklägerin zur Glaubhaftmachung der eidesstattlichen Versicherung von Mietern der jeweils betroffenen Grundstücke bedient. Mieter jedoch haben im Rahmen der Abfallsentsorgung nicht die Entscheidungsbefugnis. Dies wird insbesondere deutlich am Fall, der sich in ... abgespielt haben soll. Dort sind die genannten Zeugen ... Mieter in einem Mehrfamilienhaus. Anders mag es sich bei der Zeugin ... als Mieterin einer Doppelhaushälfte handeln. Insoweit könnten die der Kammer nicht bekannten privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Mieterin und Vermieter eine abweichende Einschätzung ermöglichen. Schließlich stellt jedoch allein die Weigerung der sofortigen Mitnahme der Tonne kein wettbewerbswidriges Verhalten dar. Es muss sowohl der Verfügungsbeklagten wie auch der Verfügungsklägerin gestattet sein, die Abläufe der Verteilaktion so zu organisieren, dass entweder nicht gewünschte Tonnen auf entsprechende Aufforderung hin wieder abgeholt werden bzw. nicht auf das jeweilige Grundstück geholte Tonnen am Folgetag wieder eingesammelt werden.

18

Soweit die Verfügungsklägerin darüber hinaus moniert, es seien durch die Verfügungsbeklagte Tonnen auch vor Grundstücken abgestellt worden, auf denen bereits deutlich eine Tonne der Verfügungsklägerin zu sehen gewesen sei, erscheint dies ebenfalls kein wettbewerbswidriges Verhalten. Denn es erscheint durchaus möglich, dass es Bürgerinnen und Bürger gibt, die bereit sind, beide Tonnen der jeweiligen Anbieter zu nutzen. Im übrigen wäre selbst das hierin zu sehende Angebot auf einen Anbieterwechsel nicht wettbewerbswidrig.

19

Wie bereits in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht und letztlich auch von der Verfügungsbeklagten nicht bestritten, wäre jedoch eine Behauptung dahingehend, die blauen Tonnen der Verfügungsklägerin würden nicht mehr geleert, deshalb müsse man sich für eine Tonne der Verfügungsbeklagten entscheiden, wettbewerbswidrig. Indes steht eine solche Aussage nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Sicherheit fest. Zwar hat die Verfügungsklägerin ihre dahingehende Behauptung mit entsprechenden eidesstattlichen Versicherung zur Glaubhaftmachung unterlegt. Es darf jedoch, wie auch im Falle der Verfügungsbeklagten, nicht übersehen werden, dass es sich hier ganz offensichtlich um vorformulierte eidesstattliche Versicherungen handelt. Aus ihnen allein ist der Gesamtinhalt der dargestellten Gespräche nur sehr schwer nachzuvollziehen. Es ist der Verfügungsklägerin auch nicht gelungen, den Zeugen ... zur Aussage zu bewegen. Die Gründe, warum der Zeuge vor seiner Vernehmung das Gerichtsgebäude ohne Abmeldung verließ, mögen aus anderweitigen Terminen resultieren. Jedenfalls kann bei einer Gegenüberstellung der eidesstattlichen Versicherungen der Verfügungsklägerin und auch der Verfügungsbeklagten nicht entschieden werden, welcher Partei letztlich zu glauben wäre. Indes erscheint es im übrigen auch nicht unwahrscheinlich, dass der vorliegende Rechtsstreit letztlich auch Ergebnis von Missverständnissen und der Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger durch die zunehmend in der Öffentlichkeit ausgetragenen Streitigkeiten der Parteien ist. Insoweit wäre es wünschenswert gewesen, insbesondere auch die Zeuginnen und Zeugen der Verfügungsklägerin zu hören. Denn das Grundproblem jeder zur Glaubhaftmachung herangezogenen eidesstattlichen Versicherung liegt darin, dass sie von den Personen, die mit dem Streit vertraut sind, vorformuliert werden. So werden mögliche Ursachen für Missverständnisse geglättet, Unsicherheiten, die naturgemäß fast jeder Zeuge an den Tag legt, können nicht offenbar werden. Auf der anderen Seite hat die Kammer auch den von der Verfügungsbeklagten sistierten Zeugen ... gehört. Dieser wirkte durchaus glaubwürdig. Insbesondere ergaben sich aus der Vernehmung des Zeugen keinerlei Anhaltspunkte darauf, dass er ein eigenes Interesse gehabt haben könnte, die von der Verfügungsklägerin behaupteten Äußerungen zu machen. Er erhielt einen festen Lohn, eine Abhängigkeit zwischen der Höhe des Entgelts und der Anzahl der von ihm verteilten

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Tonnen gab es nicht. Zwar sind auch keine Gründe ersichtlich, warum die von der Verfügungsklägerin zur Glaubhaftmachung angeführten Zeugen eine falsche eidesstattliche Versicherung hätten abgeben sollen. Auch sie sind letztlich an dem Streit zwischen den Parteien nicht unmittelbar beteiligt, haben kein eigenes Interesse an dessen Ausgang. Die Möglichkeit von Missverständnissen können aber auch diese eidesstattlichen Versicherungen nicht ausräumen. Die sich aus dieser mangelnden Eindeutigkeit ergebenden Unklarheiten gehen im Ergebnis sodann zulasten der beweisbelasteten Verfügungsklägerin.

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Soweit die Verfügungsklägerin mehr oder weniger deutlich in ihren Ausführungen behauptet, die hier monierten Äußerungen der Mitarbeiter des Subunternehmens der Verfügungsbeklagten seien Ausfluss einer gezielten Behinderungsstrategie der Verfügungsbeklagten, ist dies nicht ansatzweise belegt. Vielmehr handelt es sich hierbei offenbar um eine Behauptung ins Blaue hinein. Der vorliegende Sachverhalt jedenfalls stützt den entsprechenden Vortrag in keiner Weise.

22

Aus alledem folgt, dass die einstweilige Verfügung aufzuheben war.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

24

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.