Landgericht Lüneburg
Urt. v. 30.04.2008, Az.: 6 O 28/08
Erstattung der Kosten für die Erteilung eines Erbscheins; Vertragsverletzung einer Bank durch die Verweigerung der Auszahlung eines Kontoguthabens des Erblassers ohne Vorlage eines Erbscheins trotz Vorlage eines notariellen Testaments
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 30.04.2008
- Aktenzeichen
- 6 O 28/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 35852
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2008:0430.6O28.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 280 Abs. 1 BGB
- § 280 Abs. 2 BGB
- § 286 BGB
- § 398 BGB
Fundstellen
- FamRZ 2009, 2038-2039
- ZAP EN-Nr. 816/2009
- ZEV 2009, 303-305
Redaktioneller Leitsatz
Eine Erbengemeinschaft kann von einer Bank die Erstattung der Kosten für die Erteilung des Erbscheins verlangen, wenn diese gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstößt, indem sie die Auszahlung des Guthabens des Erblassers von der Vorlage eines Erbscheins abhängig macht. Der Nachweis der Erbenstellung kann durch die Vorlage des öffentlichen Testamentes und des beglaubigten Eröffnungsprotokolls des zuständigen Amtsgerichts erbracht werden; eines Erbscheins bedarf es nicht.
In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2008
durch
die Richterin am Landgericht .................. als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.535,98 EUR nebst 5%-Punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.553,08 EUR seit dem 21.12.2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird des weiteren verurteilt, an den Kläger 661,16 EUR nebst 5%-Punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.03.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die Erteilung eines Erbscheins sowie auf Zahlung von Verzugszinsen in Anspruch.
Der Vater des Klägers setzte den Kläger sowie dessen Bruder ............. ......................... mit notariellem Testament vom 03. Juli 2002 zu gleichen Teilen als Erben ein. Zugunsten des Sohnes ..............., der in der Familie als "schwierig" gilt, setzte er Vermächtnisse aus. Das notarielle Testament vom 03. Juli 2002 ergänzte der Vater durch einen handschriftlichen Nachtrag vom 4. September 2003. Wegen der Einzelheiten wird auf das notarielle Testament vom 03. Juli 2002 (Bl. 19 d.A.) sowie auf den handschriftlichen Zusatz vom 24. September 2003 (Bl. 23 d.A.) verwiesen.
Am 23. Juli 2003 verstarb der Erblasser. Zu diesem Zeitpunkt verfügte er neben diversen Grundstücken über erhebliches Vermögen, insbesondere über Wertpapiere und Girokontoguthaben.
Die Erbengemeinschaft wandte sich unter Vorlage des notariellen Testamentes an die Beklagte und begehrte den Verkauf der Wertpapiere und die Auszahlung des Erlöses sowie die Auszahlung der übrigen dort angelegten Gelder. Dem Begehren nach Veräußerung der Wertpapiere kam die Beklagte nach. Den Veräußerungserlös legte sie auf ein mit 2% verzinstes Tagesgeldkonto an. Eine Auszahlung bzw. eine Überweisung des Guthabens in Höhe von insgesamt 440.000 EUR verweigerte die Beklagte jedoch mit dem Argument, die Erbengemeinschaft müsse zunächst ein auf sie lautenden Erbschein vorlegen.
Mit Schreiben vom 13. August 2004 übermittelte der Kläger als Vertreter der Erbengemeinschaft der Beklagten eine beglaubigte Abschrift des Testamentseröffnungsprotokolls und forderte die Beklagte erneut auf, das Guthaben auszuzahlen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 20.08.2004 unter Berufung auf § 5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen die Beklagte die Vorlage eines Erbscheines verlangen kann, und auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 57 d.A.), ab.
Mit Schreiben vom 23. August 2004 begehrten sowohl der Kläger als auch der Bruder .................... noch einmal die Auszahlung der bei der Beklagten liegenden Gelder. Das Schreiben war von dem Kläger als auch von seinem Bruder .................. unterzeichnet.
Nachdem auch der enterbte Bruder Klaus durch anwaltliches Schreiben vom 22. September 2004 die Auszahlung des Guthabens angemahnt hatte, weil er die zu seinen Gunsten ausgesetzten Vermächtnisse durchsetzen wollte, erklärte sich die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 28. September 2004 zur Anerkennung der Verfügungsberechtigung der Erbengemeinschaft ohne Vorlage eines Erbscheins bereit, wenn diese zuvor auf etwaige durch die Verzögerung der Auszahlung resultierende Schadensersatzansprüche verzichtet.
Dies lehnte die Erbengemeinschaft ab und legte unter dem 05. November 2004 einen auf den Kläger und seinen Bruder .................. lautenden Erbschein vor, woraufhin die Auszahlung des Guthabens am 08. November 2004 erfolgte.
Für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung musste die Erbengemeinschaft gemäß §§ 32, 49, 107 KostO 1.482 EUR zahlen, für die Erteilung des Erbscheines weitere 1.827 EUR, mithin insgesamt 3.553,08 EUR.
Der Bruder des Klägers, ....................., trat etwaige gegen die Beklagte bestehende Schadensersatzansprüche an den Kläger ab.
Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.12.2007 auf, die Kosten für die Erteilung des Erbscheins sowie den Zinsschaden wegen der Verzögerten Auszahlung des Guthabens bis zum 20.12.2007 zu ersetzen.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe treuwidrig gehandelt, weil sie trotz des eindeutigen Wortlautes des Testamentes vom 03. Juli 2002 und der handschriftlichen Verfügung vom 24. September 2003 sowie der Vorlage der beglaubigten Abschrift des Testamentseröffnungsprotokolls die Vorlage eines Erbscheines verlangte.
Der Kläger begehrt die Kosten, die er für die Erteilung des Erbscheins bezahlen musste, ersetzt. Des weiteren begehrt er für die Zeit vom 18. August bis zum 08. November 2004 Verzugszinsen - unter Berücksichtigung einer Hauptforderung in Höhe von 440.000 EUR, eines Zinssatzes von 6,13% und eines Zinsvorteils von 2% ergebe sich eine Zinsanspruch in Höhe von 4.038,22 EUR - und Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
Der Kläger beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.591,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 3.553,08 EUR seit dem 20.12.2007 zu zahlen.
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 661,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, ihre AGB's seien wirksam in die mit dem Erblasser geschlossenen Verträge einbezogen worden. Gemäß § 5 der AGB habe ihr das Recht zugestanden, die Vorlage eines Erbscheines zu verlangen. Dies gelte insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass nicht nur ein Testament vorgelegen habe, sondern darüber hinaus auch die handschriftliche Verfügung vom 24. September 2003.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die Klage ist der Beklagten am 04. März 2008 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist bis auf einen geringen geltend gemachten Zinsschaden begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 7.535,98 EUR sowie in Höhe der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 661,16 EUR zu.
1.
Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 398 BGB die Erstattung von 3.553,08 EUR verlangen, die er für die Erteilung des Erbscheins aufwenden musste.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen, weil sie die Auszahlung des Guthabens in Höhe von insgesamt 440.000 EUR, das nach dem Tode des Erblassers der aus dem Kläger und seinem Bruder ................... bestehenden Erbengemeinschaft zustand, von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machte.
Der Kläger hatte den Nachweis, dass er und sein Bruder .................. Erben des verstorbenen ................ ...................... sind, durch Vorlage des öffentlichen Testamentes und des beglaubigten Eröffnungsprotokolls des zuständigen Amtsgerichts am 13. August 2008 erbracht. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 2779) reicht dies zum Nachweis der Erbenstellung aus. Der Erbe ist nach ständiger BGH-Rspr. nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erschein nachzuweisen, sondern hat die Möglichkeit, sein Erbrecht in anderer Form nachzuweisen (BGH a.a.O.).
Der vorliegende Fall war auch nicht "unklar", so dass das Verlangen der Beklagten nach einem Erbschein ausnahmsweise gerechtfertigt gewesen wäre. Aus dem notariellen Testament vom 03. Juli 2002 geht hervor, dass lediglich der Kläger und sein Bruder ................... zu Erben bestimmt worden sind und der weitere Bruder ............................ lediglich Vermächtnisnehmer ist. Das Testament ist klar und eindeutig. Da es sich um ein notarielles Testament handelt, ist auch anzunehmen, dass die Begriffe "Erbe" und "Vermächtnis" zutreffend verwandt worden sind und dem Willen des Erblassers entsprachen. Eine Unklarheit ergibt sich auch nicht durch den handschriftlichen Nachtrag des Erblassers vom 24. September 2003. Zwar nimmt der Erblasser dort auf seinen "notariellen Vertrag vom 3. Juli 2002" Bezug. Dies führt jedoch nicht zu einer Unklarheit, welche das Verlangen nach der Vorlage eines Erbscheins rechtfertigen könnte. In dem handschriftlichen Nachtrag verfügt der Erblasser lediglich, dass sein Sohn ......................, den er wiederum lediglich als Vermächtnisnehmer bezeichnet, von seinem Sohn .................. zusätzlich nochmals 270.000 DM respektive ein näher bezeichnetes Grundstück erhalten sollte.
Zu einer Verpflichtung der Erbengemeinschaft, ihr Erbrecht durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen, gelangt man auch dann nicht, wenn die AGB's der Beklagten, nach deren Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 die Beklagte die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann, wirksam in die von dem Erblasser mit der Beklagten geschlossenen Verträge einbezogen worden sind. Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 AGB der Beklagten bestimmt nämlich, dass die Beklagte auf die Vorlage eines Erbscheins verzichten kann, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift des Testaments und der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird. Dies war vorliegend der Fall. Angesichts des klaren Wortlauts des Testaments und des handschriftlichen Nachtrags sowie der Rechtsprechung des BGH, nach der die Vorlage des öffentlichen Testaments und des Eröffnungsprotokolls ausreichend ist, wäre das Verlangen nach der Vorlage eines Erbscheins auch bei Einbeziehung der AGB 's als treuwidrig anzusehen, zumal nach Nr. 5 Abs. 2 AGB für die Beklagte angesichts des eindeutigen Wortlauts kein Risiko bestand, ein zweites Mal in Anspruch genommen zu werden. Gegen die Wirksamkeit der Formularklausel in Nr. 5 Abs. 2 AGB, wonach die Beklagte von ihrer Leistungspflicht frei wird, wenn sie an denjenigen leistet, der sich durch Vorlage eines notariellen Testamentes und der Niederschrift über dessen Eröffnung durch das Nachlassgericht als Erbe legitimiert, bestehen keine Bedenken (vgl. OLG Celle, NJW 1998, 82).
Das Verhalten der Beklagten ist zudem widersprüchlich. Die Beklagte hat allein aufgrund der Vorlage des notariellen Testamentes vom 03. Juli 2002 der Anweisung der Erbengemeinschaft Folge geleistet und sämtliche Wertpapiere veräußert. Hierfür hat sie die Vorlage allein des notariellen Testaments vom 03. Juli 2002 für ausreichend erachtet. Wenn sie anschließend die Auszahlung des Guthabens mit der Begründung verweigert, es müsse ein Erbschein vorgelegt werden, handelt sie widersprüchlich.
Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe die für die Erteilung des Erbscheins notwenigen eidesstattlichen Versicherungen auch zu Protokoll des Nachlassgerichts abgeben können, greift bereits deshalb nicht, weil dort, wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, Gebühren in gleicher Höhe entstanden wären.
2.
Dem Kläger steht aus eigenem und abgetretenem Recht aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zinsen für die Zeit vom 21. August bis zum 08.11.2004 zu.
Die Beklagte hat sich mit der Auszahlung der 440.000 EUR seit dem 21. August 2003 in Verzug befunden, da sie mit Schreiben vom 20. August 2003 die Auszahlung der Guthabenforderung ohne Vorlage eines Erbscheins endgültig abgelehnt hat (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Die Forderung in Höhe von 440.000 EUR war deshalb ab dem 21. August 2003 bis zum 08. November 2003, mithin 80 Tage, mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz und damit mit 6,13% zu verzinsen (vgl. Bek. v. 29.06.2004, BAnz Nr. 122, S. 14246). Abzüglich der dem Kläger von der Beklagten gewährten Verzinsung von 2% ergibt sich ein Zinsanspruch von 4,13% und damit ein Anspruch in Höhe von 3.982,90 EUR.. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass es auf den Eintritt eines konkreten Verzugsschadens nicht ankommt (vgl. Palandt-Heinrichs, § 288, Rdnr. 4). Die Kammer ist zunächst versehentlich davon ausgegangen, dass der Kläger einen Verzugsschaden konkret berechnet hat.
3.
Darüber hinaus kann er Kläger gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB die Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 661,16 EUR verlangen, die ihm durch die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwaltes - Schreiben vom 14.12.2007 - entstanden sind.
4.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.
5.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. ZPO sowie auf § 709 ZPO.