Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.08.2024, Az.: 1 KN 1/22

Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan wegen einen möglichen Einschränkung der Entwicklungsmöglichkeiten seines dem Plangebiet benachbarten landwirtschaftlichen Betriebes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.08.2024
Aktenzeichen
1 KN 1/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 22347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0807.1KN1.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Heilung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsmängeln ist ein erneuter Satzungsbeschluss auch im Falle einer rückwirkenden Inkraftsetzung eines Bebauungsplans nicht erforderlich. Wird gleichwohl ein neuer Satzungsbeschluss gefasst, so ist für die Abwägungsentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des neuen Beschlusses maßgeblich.

  2. 2.

    Nicht jede Veränderung der Nutzung eines Vorhabens und auch nicht jede damit verbundene bauliche Änderung lässt den Bestandsschutz des ursprünglich genehmigten Vorhabens entfallen.

  3. 3.

    Zur Rechtsgrundlage einer Festsetzung von "Geruchszonen" mit Beschränkungen für die Aufenthaltsdauer von Personen. 4. Nimmt eine Höhenfestsetzung ohne weitere Vorgaben auf die Fahrbahnoberfläche einer Straße Bezug, ist im Zweifel auf die Fahrbahnmitte abzustellen, sofern sich nicht im Einzelfall etwa aus der Planbegründung oder den örtlichen Verhältnissen etwas anderes ergibt.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 14. Juli 2021 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 60 "Gewerbegebiet Thüler Straße II" ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. sind nicht erstattungsfähig.

Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 60 "Gewerbegebiet Thüler Straße II" der Antragsgegnerin, da er fürchtet, dass dessen Ausnutzung die Entwicklungsmöglichkeiten seines dem Plangebiet benachbarten landwirtschaftlichen Betriebes einschränken wird.

Der Antragsteller ist Landwirt. Seine Hofstelle mit mehreren Ställen liegt auf der Ostseite der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Thüler Straße, etwa 130 m südlich des Ortsrands der Antragsgegnerin. Bislang sind dem Antragsteller folgende Tierplätze genehmigt:

Stall 370 Sauen ohne Ferkel
Stall 4204 Mastschweine
Stall 5326 Ferkel
Stall 712 Bullen 12-18 Monate, 10 Bullen 4-12 Monate
Stall 842 Sauen mit Ferkeln, 104 Sauen ohne Ferkel, 1 Eber, 2 Jungsauen
Stall 1136 Sauen mit Ferkeln
Stall 1275 Sauen ohne Ferkel

Im Jahr 2013 stellte der Antragsteller Bauanträge für Änderungen des Viehbestandes, die allerdings nicht beschieden wurden. Anfang 2021 sowie im Jahr 2023 stellte er weitere Erweiterungs- und Umnutzungskonzepte für seine Hofstelle mit abweichenden Viehbestandszahlen zur Genehmigung; auch diese Anträge sind noch nicht beschieden. Der tatsächlich gehaltene weicht vom genehmigten Tierbestand in einigen Ställen ab; hierfür hat der Antragsteller teilweise auch die Inneneinrichtung der Ställe verändert.

Die Beigeladene zu 1. führt östlich und nordöstlich an das Hofgrundstück angrenzend, u.a. auf dem Flurstück K., einen Betrieb zur Herstellung von Systemmöbeln, der von der nordöstlich des Betriebs verlaufenden Glaßdorfer Straße aus erschlossen wird. Nördlich der Hofstelle liegt das L-förmige, im straßennahen Bereich mit einem Wohnhaus bebaute, im Eigentum des Beigeladenen zu 2. stehende Flurstück L.. Nördlich dieses Grundstücks befindet sich das unbebaute Flurstück 10/1, im straßenfernen Bereich nördlich des Hofgrundstücks das Flurstück M. (jeweils Flur 16 der Gemarkung A-Stadt). Nördlich dieser Flurstücke liegt das Betriebsgelände des Unternehmens N. (u.a. Flurstück O.).

Der angegriffene Bebauungsplan erfasst die Flurstücke 10/1, M., den zwischen diesen gelegenen kurzen nördlichen Arm des Flurstücks L. sowie nördlich und östlich an diese Flurstücke angrenzende Streifen der bisher mit den Bebauungsplänen Nr. 33 bzw. 26 der Antragsgegnerin bereits als Gewerbegrundstücke ausgewiesenen Flurstücke O. sowie K.. Mit seiner Aufstellung verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, der Beigeladenen eine räumliche Erweiterung ihres Betriebes zu ermöglichen. Das Planaufstellungsverfahren verlief wie folgt:

Am 25. Februar 2019 fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss. Nach der frühzeitigen Bürger- und Behördenbeteiligung im April/Mai 2019 holte die Antragsgegnerin zur Geruchsbelastung des Plangebiets ein Gutachten des TÜV Nord vom 15. April 2020 ein. Darin wurde eine Geruchsbelastung von zwischen 12 und 27 Prozent der Jahresgeruchsstunden im Plangebiet ermittelt, zu der der Betrieb des Antragstellers wesentlich beiträgt. Die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 2 BauGB fand vom 21. Mai bis zum 24. Juni 2021 statt. Der Antragsteller wandte sich mit Schreiben vom 30. April 2019, 15. Juni 2021 und 10. September 2021 gegen die Planung und regte Änderungen an. In seiner Sitzung am 14. Juli 2021 entschied der Rat der Antragsgegnerin über die eingegangenen Stellungnahmen und fasste den Satzungsbeschluss. Die Antragsgegnerin machte den Plan am 11. Oktober 2021 ortsüblich bekannt. Am 13. Oktober 2021 unterzeichnete der Bürgermeister der Antragsgegnerin die Ausfertigungsvermerke auf der Planurkunde.

Im Bebauungsplan ist der Ostteil des Flurstücks M. als Gewerbegebiet (GE) mit einer Grundflächenzahl von 0,8, einer Geschossflächenzahl von 1,0 als Höchstmaß, einem Vollgeschoss und einer Gebäudehöhe von maximal 11,0 m, das übrige Plangebiet als eingeschränktes Gewerbegebiet (GEe) mit gleichen Maßfestsetzungen festgesetzt. Zur Gebäudehöhe regelt die textliche Festsetzung 4.:

"Die festgesetzte Oberkante baulicher Anlagen (OK) wird als Höchstgrenze gemessen über den folgenden unteren Bezugspunkten festgesetzt: unterer Bezugspunkt für die OK baulicher Anlagen auf den Flurstücken M. und L. ist die Fahrbahnoberfläche des der baulichen Anlage nächstgelegenen Abschnitts der Glaßdorfer Straße und auf dem Flurstück 10/1 die Fahrbahnoberfläche des der baulichen Anlage nächstgelegenen Abschnitts der Thüler Straße (gem. § 16 Abs. 2 Nr. 4 und § 18 Abs. 1 BauNVO)."

Im Süden und Westen des Plangebiets, insbesondere in den Rasterquadraten mit Geruchsstundenhäufigkeiten über 24 Prozent (nach Maßgabe des TÜV-Gutachtens) sind Baugrenzen festgesetzt. Es gelten nach der DIN 45691 zu berechnende Lärmemissionskontingente von 55/40 dB(A)/m2 im Westen, von 61/46 dB(A)/m2 im Osten des GEe und von 66/51 dB(A) im GE zuzüglich Zusatzkontingenten nach Maßgabe von Richtungssektoren. Ebenfalls festgesetzt sind sogenannte Geruchszonen (GZ). In der GZ I, die den Rasterquadraten mit Geruchsstundenhäufigkeiten von 19-20 Prozent (nach Maßgabe des TÜV-Gutachtens) entspricht, sind nach der TF 3a folgende Regel- und Ausnahmenutzungen unzulässig:

- Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude

- Anlagen für sportliche Zwecke

- Wohnungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO (betriebsbezogenes Wohnen)

- Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke

- Vergnügungsstätten

In der GZ II, die den Rasterquadraten mit Geruchsstundenhäufigkeiten von 21-24 Prozent (nach Maßgabe des TÜV-Gutachtens) entspricht, sind nach der auf § 1 Abs. 9 Nr. 24 BauGB gestützten TF 3b zusätzlich Nutzungen ausgeschlossen,

"die einen dauerhaften Arbeitsplatz oder länger andauernden Aufenthalt von Personen erfordern. Dauerhafte Arbeitsplätze liegen dann vor, wenn sich Beschäftigte zur Verrichtung ihrer Arbeitsaufgabe in abgrenzbaren Bereichen einer Arbeitsstätte entweder mindestens zwei Stunden täglich oder an mindestens 30 Arbeitstagen im Jahr aufhalten müssen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Arbeitsaufgabe durchgehend durch einen Beschäftigten erledigt wird oder mehrere Beschäftigte nacheinander diesen Bereich zur Verrichtung ihrer Arbeitsaufgabe aufsuchen müssen."

Im Hinweis Nr. 1 wird auf Überschreitung des Immissionswertes von 15 % der Jahresgeruchsstunden in weiten Teilen des Plangebietes hingewiesen.

Gegen diesen Bebauungsplan wendet sich der Antragsteller mit seinem am 5. Januar 2022 gestellten Normenkontrollantrag. Er macht geltend, die Höhenfestsetzung widerspreche dem Bestimmtheitsgebot, da unklar sei, welcher Punkt im Querschnitt einer üblicherweise gewölbten Fahrbahndecke der maßgebliche Höhenbezugspunkt sei. Vor allem aber sei die Bewältigung der Geruchsproblematik abwägungsfehlerhaft. Dem Gutachten des TÜV lägen Tierplatzzahlen aus den 2013 gestellten Bauanträgen zugrunde, und auch diese seien nicht korrekt verwendet worden. Die damaligen Anträge seien schon zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses überholt gewesen; im Übrigen seien entsprechende Baugenehmigungen nicht erteilt, so dass die Antragsgegnerin die Geruchsimmissionen auf Grundlage des bisherigen Genehmigungsstands hätte prognostizieren müssen. Ferner seien drei weitere landwirtschaftliche Betriebe fehlerhaft unberücksichtigt geblieben. Auch die Bewertung der Immissionslage sei abwägungsfehlerhaft. Jedenfalls für die Zulassung von Betriebsleiterwohnungen außerhalb der Geruchszonen bestehe kein Sachgrund. Künftigem Erweiterungsbedarf des Antragstellers, etwa aus Gründen des Tierwohls, sei nicht hinreichend Rechnung getragen, was existenzbedrohend sei. Gewerbelärm könne sich störend auf seine Tierhaltung auswirken.

Der Antragsteller beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 60 "Gewerbegebiet Thüler Straße II" für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält den Bebauungsplan für rechtmäßig. Die Höhenfestsetzung sei hinreichend bestimmt; nach der Senatsrechtsprechung sei selbst die Bezugnahme auf eine noch herzustellende Fahrbahnoberfläche zulässig, hier seien die Erschließungsstraßen bereits vorhanden. Die Abwägung der Geruchsimmissionsproblematik sei fehlerfrei. Das Gutachten des TÜV Nord berücksichtige alle in Anbetracht der Hauptwindrichtung aus Südwest relevanten Emittenten. Die im Gutachten berücksichtigten Tierplatzzahlen des Antragstellers - 504 Sauen und 50 Bullen - lägen auf der sicheren Seite. Bestandsschutz genössen lediglich noch 321 Sauen- und 22 Bullenplätze. Mit Blick auf den ohnehin gebotenen Schutz umliegender Immissionsorte sei eine Bestandserweiterung nur mit einer modernen Filteranlage zulässig und stelle dann gegenüber dem berücksichtigten Szenario allenfalls eine Verbesserung dar. Die Überschreitung der GIRL-Richtwerte von 15 % der Jahresgeruchsstunden in Gewerbegebieten habe die Antragsgegnerin durch Einrichtung von Geruchs- und Bauverbotszonen hinreichend berücksichtigt; die GIRL lasse Überschreitungen der Richtwerte zu. In Gebieten mit weit überdurchschnittlicher Tierhaltung könnten Gewerbegebiete auch auf Flächen, die oberhalb der GIRL-Richtwerte mit Gerüchen belastet sein, eingerichtet werden, da dort sonst eine gewerbliche Entwicklung nicht möglich sei.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 1. macht geltend, innerhalb der Jahresfrist des § 215 BauGB seien keine Rügen eingegangen. Die Höhenfestsetzung sei hinreichend bestimmt. Die Überschreitung der Geruchswerte nach Maßgabe der GIRL habe die Antragsgegnerin gesehen, aber fehlerfrei unter Berufung auf den dringenden Erweiterungsbedarf der Beigeladenen zu 1. zurückgestellt. Entwicklungsmöglichkeiten des Antragstellers seien hinreichend berücksichtigt, zu Recht aber bestehende Einschränkungen durch vorhandene schutzbedürftige Nutzungen in der Umgebung in die Erwägungen einbezogen worden.

Der Landkreis Cloppenburg hat der Beigeladenen zu 1. am 20. Oktober 2023 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Lagerhalle im Plangebiet erteilt. Über den dagegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers ist noch nicht entschieden.

Auf einen Hinweis des Senats, dass Ausfertigung und Bekanntmachung des Bebauungsplans Bedenken begegneten, hat die Antragsgegnerin am 31. Juli 2024 einen neuen Satzungsbeschluss gefasst, den Bebauungsplan am 1. August 2024 erneut ausgefertigt und den Satzungsbeschluss in ihrem elektronischen Amtsblatt vom 2. August 2024 sowie in der Münsterländischen Tageszeitung und der Nordwest-Zeitung vom gleichen Tag bekannt gemacht. Die Planfestsetzungen und -begründung hat sie nicht geändert, in der Planurkunde aber nunmehr erstmals auf die Möglichkeit hingewiesen, die der Lärmkontingentierung zugrundeliegende DIN 45691 in Räumen der Gemeinde einzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

Der zulässige Normenkontrollantrag ist begründet.

Die Antragsgegnerin hat entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die ihr hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt bzw. bewertet. Zu den von der Planung berührten Belangen, die nach Lage der Dinge in die Abwägung einzustellen waren, gehörte das Interesse, die künftig im geplanten Gewerbegebiet Beschäftigten vor Geruchsimmissionen zu schützen. Bei der Ermittlung des Gewichts dieses Belanges hat sie die von der Hofstelle des Antragstellers ausgehenden Geruchsemissionen fehlerhaft prognostiziert, indem sie ihrer auf das Gutachten des TÜV vom 15. April 2020 gestützten Prognose die dort verwendeten Tierplatzzahlen zugrunde gelegt hat.

Das Gutachten beruht ausweislich seines Anhangs 2, Tabelle A1 auf folgenden Tierplatzzahlen:

Stall 3 kein Bestand mehr
Stall 4 32 Sauen mit Ferkeln, 25 Bullen 1-2 Jahre
Stall 5 25 Sauen ohne, 12 Sauen mit Ferkeln
Stall 7 25 Bullen bis 1 Jahr.
Stall 8 42 Sauen ohne, 105 Sauen mit Ferkel,
Stall 11 30 Sauen mit Ferkeln
Stall 12 108 Sauen ohne Ferkel, aufgrund Abluftreinigung ohne Emissionen
Stall 17 150 Sauen ohne Ferkel, aufgrund Abluftreinigung ohne Emissionen

Dieser Bestand, der nach der Berechnung des TÜV Nord Gesamtgeruchsemissionen von 2.234,2 Geruchseinheiten/Sekunde (GE/s) verursachen würde, hätte mit Ausnahme einer Verwechselung der Sauenplätze ohne und mit Ferkeln in Stall 8 und der Auslassung des dort weiter vorgesehenen Eberplatzes - den 2013 zur Genehmigung gestellten Tierplätzen entsprochen. Zu Recht wendet der Antragsteller ein, dass die Gemeinde zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht mehr davon ausgehen durfte, dass die damals beantragten Änderungen der künftigen Stallbelegung entsprechen würden.

Maßgeblich für die Überprüfung der Abwägungsentscheidung ist der 31. Juli 2024, da die Antragsgegnerin an diesem Tag einen neuen Satzungsbeschluss gefasst hat. Dies ergibt sich aus dem im Ratsprotokoll wiedergegebenen Wortlaut des entsprechenden Beschlusses:

"Der am 14.07.2021 als Satzung beschlossene Bebauungsplan mit Begründung wird inhaltlich unverändert rückwirkend zum 14.07.2021 als Satzung beschlossen."

Dass, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, lediglich über eine vom Satzungsbeschluss zu trennende Rückwirkungsanordnung beschlossen worden wäre, ist mit diesem Wortlaut nicht vereinbar. Zwar wäre ein erneuter Satzungsbeschluss zur Heilung der zunächst vorliegenden Ausfertigungs- bzw. Bekanntmachungsmängel auch im Falle einer rückwirkenden Inkraftsetzung nicht erforderlich gewesen (BVerwG, Beschl. v. 25.2.1997 - 4 NB 40.96 -, NVwZ 1997, 893 = juris Rn. 13). Fasst die Gemeinde gleichwohl einen neuen Satzungsbeschluss, der dann Gegenstand der wiederholten Ausfertigung und Bekanntmachung ist, so greift auch § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB, d.h. maßgeblicher Zeitpunkt für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt dieses neuen Beschlusses. Das erfordert nicht in jedem Fall eine umfassende Prüfung, ob sich die Abwägungsgrundlagen geändert haben; erforderlich ist eine solche aber hinsichtlich solcher Änderungen abwägungserheblicher Umstände, die im Zeitpunkt des erneuten Satzungsbeschlusses ohne weiteres erkennbar sind (Senatsurt. v. 14.7.2021 - 1 KN 9/20 -, NVwZ 2021, 1876 = BauR 2021, 1785 = juris Rn. 29 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die fehlende Aktualität der Annahmen des TÜV Nord zu den künftigen Tierplatzzahlen des Antragstellers war ein zentraler Angriffspunkt des Antragstellers im vorliegenden Normenkontrollverfahren, das dem Rat und erst recht der Verwaltung der Antragsgegnerin bekannt war.

Unabhängig davon hätte der Antragsgegnerin jedoch bereits zum Zeitpunkt des ersten Satzungsbeschlusses vom 14. Juli 2021 bewusst sein müssen, dass die den Bauanträgen aus dem Jahr 2013 entnommenen Tierplatzzahlen ihrer Prognose nicht hätten zugrunde gelegt werden dürfen. Denn bereits mit seinem Einwendungsschreiben vom 30. April 2019 (dort S. 2) hatte der Antragsteller deutlich gemacht, dass erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Verwirklichung seiner noch nicht verwirklichten Bauanträge aus dem Jahr 2013 bestünden und die alternative Betrachtung des Ist-Bestandes - gemeint offenbar im Sinne des seit 2009 genehmigten Bestandes - gefordert. Dieser Bestand würde unter Anwendung der - insoweit nicht zu beanstandenden - Berechnungsweise des TÜV Nord Gesamtgeruchsemissionen von 4.487,7 GE/s und damit etwa doppelt so viele wie das der Abwägung zugrundeliegende Szenario verursachen.

Dem kann die Antragsgegnerin nicht entgegenhalten, aus Vermerken des Landkreises Cloppenburg zum Ergebnis von Vorortkontrollen am 26. April 2022 und 3. März 2023 ergebe sich, dass der Bestandsschutz für größere Teile der dem Antragsteller genehmigten Tierhaltungsanlagen erloschen sei. Der Landkreis geht davon aus, dass im Stall Nr. 3 Bestandsschutz lediglich noch für 48 (statt genehmigter 70) Sauen bestehe, da insoweit die Stalleinrichtung geändert worden sei. In Stall Nr. 4 mit genehmigten 204 Mastschweineplätzen halte der Antragsteller in einem nunmehr räumlich abgetrennten Teil ohne entsprechende Nutzungsänderungsgenehmigung Bullen. Im anderen Teil - mit nach Angaben des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung 96 Mastschweineplätzen - seien bei der Ortsbesichtigung acht Schlachtsauen gehalten worden, und die Fütterungsanlagen seien für Mastschweine untypisch gewesen. Der Bestandsschutz für eine Mastschweinehaltung sei damit ganz entfallen. Stall Nr. 5 mit genehmigten 326 Ferkelplätzen sei ebenfalls geteilt worden; nur ein Teil mit 251 Ferkelplätzen genieße noch Bestandsschutz. Im anderen Teil seien die Ferkelbuchten durch 10 Abferkelplätze ersetzt worden; für diesen Teil sei der Bestandsschutz daher entfallen. Im Stall Nr. 11 erkennt der Landkreis Bestandsschutz nur noch für 30 Sauenplätze ohne Ferkel anstelle der genehmigten 36 Sauenplätze mit Ferkeln an; dass hier bauliche Änderungen vorgenommen worden wären, lässt sich den Vermerken nicht entnehmen.

Der rechtlichen Würdigung des Landkreises vermag der Senat nicht zu folgen. Nicht jede Veränderung der Nutzung eines Vorhabens und auch nicht jede damit verbundene bauliche Änderung lässt den Bestandsschutz des ursprünglich genehmigten Vorhabens entfallen. Ohne förmliche Aufhebung erlischt eine Baugenehmigung nur entweder durch konkludenten Verzicht des Bauherrn oder dann, wenn die bauliche Anlage, auf die sich die Legalisierungswirkung der Genehmigung nach ihrer Ausnutzung konkretisiert, entfällt. An beides sind indes hohe Anforderungen zu stellen. Eine bloße Änderung des Tierbestands in einzelnen Ställen ist jedenfalls kein hinreichendes Indiz für einen Verzichtswillen des Landwirts, solange er die genehmigte Tierart grundsätzlich weiterhin hält und etwaige mit der Nutzungsänderung verbundene bauliche Änderungen mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand rückgängig gemacht werden können. Dass eine dieser Voraussetzungen hier nicht vorliegen könnte, ergibt sich aus den Vermerken des Landkreises nicht. Ein Wegfall des Bezugsobjekts der Genehmigung ist nicht bei jeder Veränderung der Bausubstanz - etwa der installierten Fütterungseinrichtungen oder der Buchtenaufteilung im Stallgebäude gegeben; erforderlich sind vielmehr bauliche Eingriffe in einem Umfang, die die Identität des Vorhabens in Frage stellen (zu diesem Begriff etwa Senatsbeschl. v. 24.3.2023 - 1 ME 11/23 -, ZfBR 2023, 581 = juris Rn. 9 m.w.N.). Änderungen unterhalb dieser Schwelle mögen die Bandbreite der erteilten Genehmigung überschreiten und damit möglicher Gegenstand einer Nutzungsuntersagung sein; sie verwehren es dem Landwirt aber nicht, zur ursprünglich genehmigten Nutzung zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls die Annahme, die Änderung der Fütterungseinrichtung in dem nicht zur Bullenhaltung genutzten Teil des Stalls Nr. 4 und der zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung vorgefundene Bestand von 8 Schlachtsauen dort begründeten den Wegfall des Bestandsschutzes, nicht gerechtfertigt. Weder hat der Antragsteller erkennen lassen, die genehmigte Nutzung endgültig aufgegeben zu haben, noch ist etwas dafür ersichtlich, dass die vorgenommenen baulichen Änderungen eine Rückkehr zur genehmigten Nutzung wirtschaftlich ausschlössen oder gar zu einem Identitätsverlust des Stalls führten. Auch hinsichtlich des Stalls Nr. 11 ist kein Grund ersichtlich, von einem auch nur teilweisen Erlöschen der erteilten Baugenehmigung auszugehen. Schließlich dürfte mit Blick auf Stall Nr. 3 trotz einer Entfernung der Stalleinrichtung von einem Fortbestehen des Bestandsschutzes auszugehen sein, solange dort die grundsätzlich gleiche Tierart bei lediglich vermindertem Bestand gehalten wird.

Unabhängig davon überschritten die von der Hofstelle des Antragstellers verursachten Geruchsemissionen selbst unter Zugrundelegung der Tierzahlen, die der Landkreis noch als bestandsgeschützt anerkennt, die vom TÜV Nord zugrunde gelegten Emissionen. Sie beliefen sich unter Heranziehung der Berechnungsweise des TÜV Nord auf 2.844,55 GE/s. Der Landkreis geht in seinem Vermerk vom 3. März 2023 auf der Grundlage einer nicht näher erläuterten anderen Berechnungsweise von Emissionen von 2.422 GE/s aus; das läge immer noch um fast 10% über den Emissionswerten des TÜV-Gutachtens. Rechnete man zumindest die Emissionen der zusätzlich bestandsgeschützten Mastschweineplätze in Stall Nr. 4 hinzu und berücksichtigte in Stall Nr. 11 den genehmigten Bestand, würde sich die Überschreitung noch deutlich erhöhen. Ob die Annahmen des Landkreises zum Wegfall von Bestandsschutz in anderen Ställen zutreffen, kann angesichts dessen dahinstehen.

Die von der Antragsgegnerin ihrer Abwägung zugrunde gelegten Emissionsdaten erweisen sich auch nicht deshalb als im Ergebnis "auf der sicheren Seite liegend", weil der Antragsteller durch die Tierschutznutztierhaltungsverordnung mittelfristig gezwungen wäre, seine genehmigten Ställe baulich zu verändern und in diesem Zusammenhang die Tierplatzzahlen zu reduzieren. Die Tierschutznutztierhaltungsverordnung sieht in § 45 Abs. 11a, 11b Übergangsfristen bis zu den Jahren 2029 bzw. 2036 vor. Bis zum Ablauf dieser Fristen würde auch die Verordnung die Prognose einer Reduktion der Tierplatzzahlen des Antragstellers nicht rechtfertigen; auch die Immissionsbelastung des Plangebiets im Übergangszeitraum war aber abwägungserheblich. Ebenso wenig durfte die Antragsgegnerin darauf vertrauen, der Antragsteller werde gezwungen sein, zum Erhalt einer unstrittig beabsichtigten Nutzungsänderungsgenehmigung seine Geruchsemissionen um die vom Landkreis ursprünglich geforderten 30 % reduzieren, da die Nachbarschaft bereits derzeit einer unzumutbar hohen Geruchsbelastung ausgesetzt sei. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 -, BVerwGE 159, 187 = juris Rn. 13) war diese Forderung nach einer derartigen Reduktion schon zum Zeitpunkt des ersten Satzungsbeschlusses nicht berechtigt. Im Gegenteil geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ein Landwirt - soweit er nach dem Stand der Technik wirtschaftet - auch bei Neu- und Umbauten nicht gehalten ist, seine Emissionssituation zu verbessern.

Der Ermittlungsfehler war offenkundig und auf das Ergebnis des Planaufstellungsverfahrens von Einfluss, da die "zentimeterscharf" an den Geruchsrasterfeldern des TÜV-Gutachtens orientierten Geruchszonen im Bebauungsplan im Falle einer abweichenden Immissionsprognose ersichtlich anders angeordnet worden wären. Bei deutlicher Überschreitung der im Plangebiet prognostizierten Geruchsstundenhäufigkeiten wäre zudem fraglich, ob die vorgesehenen Schutzvorkehrungen im Ergebnis ausreichten, angemessenen Immissionsschutz zu gewährleisten (vgl. zur Behandlung stark geruchsbelasteter Gewerbegebiete in der Abwägung Senatsurt. v. 16.11.2023 - 1 KN 66/21 -, AUR 2024, 101 = BauR 2024, 730 = juris Rn. 18, 24), sodass ein Fehler im Abwägungsergebnis im Raum steht.

Auch sofern nur ein Verfahrensfehler bzw. ein Fehler im Abwägungsvorgang vorlag, ist dieser nicht nach § 215 Abs. 1 Nr. 1, 3 BauGB unbeachtlich geworden, da die insoweit geltende Rügefrist nach Neufassung des Satzungsbeschlusses erneut in Gang gesetzt wurde. Aber auch bezogen auf den ersten Satzungsbeschluss hat der Antragsteller bereits mit Schriftsatz vom 4. Januar 2022 (dort Seite 2) und damit weniger als ein Jahr nach der ersten Planbekanntmachung am 11. Oktober 2021 deutlich gemacht, dass die Antragsgegnerin für seine Hofstelle zu Unrecht die 2013 zur Genehmigung gestellten anstelle der aktuell genehmigten Tierplatzzahlen berücksichtigt habe.

II.

Für den Fall, dass die Antragsgegnerin eine Heilung des Plans beabsichtigt, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

1.

Bis zu welchem Grad Geruchsimmissionen in Gewerbegebieten hingenommen werden können, ist mittlerweile in Nr.3.1 Anhang 7 zur TA Luft detaillierter geregelt als bislang in der GIRL; namentlich wird klargestellt, dass die regelmäßige Unzumutbarkeit von Geruchsstundenhäufigkeiten über 15 % der Jahresstunden nur für Wohn- und wohnähnliche Nutzungen in Gewerbegebieten gilt, während für Beschäftigte und Kunden je nach Schutzbedarf auch höhere Werte zumutbar sein können und lediglich eine Belastung von 25 % eine regelmäßige Grenze darstellt. Selbst diese kann ggf. überschritten werden, wenn hierfür gute Gründe dargelegt werden und dem Schutz der Beschäftigten vor Gerüchen auf andere Weise als durch Nutzungstrennung Rechnung getragen wird (vgl. Senatsurt. v. 16.11.2023 - 1 KN 66/21 -, AUR 2024, 101 = BauR 2024, 730 = juris Rn. 18, 24). Die Bildung von "Geruchszonen" mit gestaffelten Nutzungsbeschränkungen, wie sie die Antragsgegnerin festgesetzt hat, kann insoweit grundsätzlich ein gangbarer Weg sein. Ob diese freilich auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestützt werden können, ist fraglich; reine Nutzungsbeschränkungen, wie sie die Antragsgegnerin bislang festgesetzt hat, dürften sich eher nicht als "bauliche und sonstige technische Vorkehrungen" im Sinne dieser Norm verstehen lassen. In Betracht käme aber u.U., solche gestaffelten Nutzungsbeschränkungen als Gliederung des Gewerbegebietes nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zu verstehen.

Unbedenklich dürfte es entgegen der Auffassung des Antragstellers sein, dass die Antragsgegnerin außerhalb der Geruchszonen die ausnahmsweise Zulässigkeit betriebsbedingten Wohnens nicht ausgeschlossen hat. Die Geruchsbelastung schließt hier ein konfliktfreies Wohnen nicht überall aus. Wo dies im Einzelfall doch der Fall ist, kann dem im Rahmen der Betätigung des Ausnahmeermessens hinreichend Rechnung getragen werden.

2.

Die Festlegung des Höhenbezugspunktes in der textlichen Festsetzung Nr. 4 ist nicht präzise. Zwar hält der Senat es abweichend vom Antragsteller für unbedenklich, dass der Bezugspunkt im jeweiligen Fahrbahnprofil nicht angegeben ist. Sofern sich nicht im Einzelfall - etwa wenn die Höhenbegrenzung explizit gerade den Eindruck des Baugebiets vom Bürgersteig aus gestalten soll - Abweichendes ergibt, geht der Senat davon aus, dass als Bezugspunkt die Fahrbahnmitte dienen soll. Wenig glücklich ist allerdings, dass die Höhenbezugspunkte flurstücksbezogen angegeben, dabei aber einige im Plangebiet gelegene und bebaubare Flurstücke (Flurstücke O. und K.) nicht genannt werden. Auch für diese kann das Gewollte zwar ggf. durch Auslegung ermittelt werden; die Gemeinde wäre im Falle eines Heilungsversuchs aber gut beraten, die Höhenfestsetzung zu präzisieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 40.000 EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Prof. Dr. Lenz
Dr. Tepperwien
Glowienka