Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.2012, Az.: 10 LC 37/10
Rechtmäßigkeit einer Missbilligung wegen einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eines Ratsmitglieds
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.06.2012
- Aktenzeichen
- 10 LC 37/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 19755
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0627.10LC37.10.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 09.04.2013 - AZ: BVerwG 8 B 71.12
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 2 VwGO
- § 4 NGO
- § 39 Abs. 1 NGO
- Art. 57 Abs. 1 NV
- Art. 28 Abs. 2 GG
Fundstellen
- DVBl 2012, 1311
- DÖV 2012, 736
- FStNds 2012, 740-742
- KommJur 2012, 420-423
- KommJur 2012, 6-7 (Pressemitteilung)
- NdsVBl 2012, 274-276
Redaktioneller Leitsatz
Die Feststellung eines Verstoßes eines Gemeinderatsmitgliedes gegen seine Verschwiegenheitspflicht aus § 25 NGO bedarf ebenso wenig wie der Ausspruch einer Missbilligung dieses Verstoßes einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Dies gilt jedenfalls, soweit mit solchen Maßnahmen lediglich eine Ermahnung verbunden mit einer nichtöffentlichen generalpräventiven Ordnungsmaßnahme ausgesprochen werden sollte, die Verpflichtung zur Verschwiegenheit künftig strenger zu beachten, und die Missbilligung darüber hinaus für den Betroffenen weder unmittelbar noch mittelbar einen Rechtsnachteil oder eine rechtserhebliche Wirkung zur Folge hat.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten beschlossene Missbilligung wegen einer Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht als Ratsmitglied.
Er ist langjähriges Mitglied des Rates und des Verwaltungsausschusses der Stadt C. und war zugleich über viele Jahre ehrenamtlich als Bürgermeister bzw. als erster stellvertretender Bürgermeister tätig.
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Beigeordneter war der Kläger an einer Entscheidung über zwei umstrittene Kreisverkehre beteiligt. Im Verlauf der Ausbaumaßnahme Mühlenstraße waren auf Beschluss des Rates zur Verkehrsberuhigung und zur Anbindung der Nebenstraßen zwei Kreisverkehre geschaffen worden. Nach dem Bau hatte sich herausgestellt, dass der überwiegende Teil der Kraftfahrer die Kreisverkehre nicht wahrnahm bzw. die aufgestellten Verkehrsschilder nicht beachtete. Dadurch war es in der Vergangenheit bereits zu schwierigen Verkehrssituationen sowie zu zwei Unfällen gekommen. In seiner Sitzung vom 30. März 2004 beschloss der Verwaltungsausschuss einstimmig, dass die Kreisverkehre aus Kostengründen zur Zeit nicht zurückgebaut werden sollten und die Verwaltung beauftragt werde, dem Bauausschuss zu Beginn des Jahres 2005 über die verkehrliche Entwicklung zu berichten. Diese Entscheidung gab der damalige Stadtdirektor neben weiteren getroffenen Beschlüssen im öffentlichen Teil der Sitzung des Rates vom 22. April 2004 bekannt.
Im Jahr 2008 wurde nach einem Verkehrsunfall, der sich im Bereich eines der beiden Kreisel ereignet hatte, gegen die Stadt C. - letztlich erfolglos - eine Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht erhoben. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Stadt C. ihrer Verpflichtung, die Gefahrenquelle zu beseitigen, nicht nachgekommen sei, obwohl es sich bei dem Kreisverkehr um einen stadtbekannten Unfallschwerpunkt handele. Dabei wurde auch ein Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 30. März 2004 in das Verfahren eingeführt, aus dem sich die einstimmige Entscheidung gegen den Rückbau der Kreisverkehre sowie zwei weitere Abstimmungsergebnisse betreffend die Auswahl des Streudienstes für den Winterdienst sowie eine Auftragsvergabe für den Bereich Badewassertechnik für das Freibad C. ergaben.
In der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 7. Oktober 2008 beklagte die Bürgermeisterin als Vorsitzende die Weitergabe vertraulicher Informationen an Dritte. Der Kläger erklärte hierzu, er sei in der Angelegenheit mit dem Kreisverkehr von dem Unfallbeteiligten angesprochen worden und habe ihm daraufhin seine Unterlagen zu dieser Thematik zur Verfügung gestellt. Ihm sei aber nicht bekannt, ob darunter auch Auszüge aus einer Niederschrift über eine Sitzung des Verwaltungsausschusses gewesen seien.
Daraufhin fasste der Beklagte auf Empfehlung des Verwaltungsausschusses (Vorlage BV/739/2008) in nichtöffentlicher Sitzung vom 13. November 2008 in Abwesenheit des Klägers den folgenden Beschluss:
"Der Rat der Stadt C. stellt fest, dass der Beigeordnete A. B. gegen seine Verschwiegenheitspflicht nach § 25 NGO verstoßen hat, indem er vertrauliche Unterlagen aus der Verwaltungsausschusssitzung vom 30. März 2004 an Dritte weitergegeben hat. Dieser Verstoß wird ausdrücklich missbilligt.
Der Beschluss wird nicht veröffentlicht."
Der Beschluss wurde nach Rückkehr des Klägers in den Sitzungssaal verlesen. Nachdem der Kläger seine fehlende Anhörung gerügt hatte, wurde die Angelegenheit nach Vorbefassung durch den Verwaltungsausschuss in der Sitzung des Beklagten vom 11. Dezember 2008 erneut beraten und beschlossen, den Kläger zu den Vorwürfen anzuhören und im Anschluss daran erneut über den Missbilligungsbeschluss zu entscheiden. Auf die daraufhin mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 erfolgte Anhörung wiederholte der Kläger seine bisherige Einlassung und ergänzte: ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht liege nicht vor, weil der Stadtdirektor den Beschluss des Verwaltungsausschusses im öffentlichen Teil der Ratssitzung vom 22. April 2004 bekannt gemacht habe. Hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens bestehe keine Verschwiegenheitspflicht, da die Abstimmung einstimmig erfolgt sei und damit kein Schutz von Mindermeinungen gewährleistet werden müsse. Die in dem weitergegebenen Protokoll enthaltene Entscheidung über die Auftragsvergabe habe ebenfalls keine vertraulichen Informationen enthalten.
In seiner Sitzung vom 19. Februar 2009 beschloss der Rat nach Vorbefassung durch den Verwaltungsausschuss in Abwesenheit des Klägers, den Missbilligungsbeschluss vom 13. November 2008 aufrecht zu erhalten. Der Kläger wurde über die Beschlussfassung zunächst anschließend mündlich im Rahmen der weiteren Sitzung und unter dem 23. Februar 2009 auch schriftlich informiert.
Der Kläger hat am 30. März 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzt, ihm könne allenfalls fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, seine Beschlüsse vom 13. November 2008 und vom 19. Februar 2009 über die Missbilligung seiner Person wegen einer Verletzung der Amtsverschwiegenheit aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Eine Missbilligung sei auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung aufgrund des Selbstorganisationsrechts des Rates als parlamentsähnlicher Vertretung zulässig. Sie sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Da aus ihr keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen folgten, sondern sie lediglich eine Ermahnung darstelle, künftig die Verpflichtung zur Verschwiegenheit strenger zu beachten, sei eine Missbilligung bereits dann zulässig, wenn objektiv ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht vorliege und dieser nicht völlig unverschuldet verursacht worden sei. Der Kläger habe gegen seine Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen. Der Beratungsverlauf und das Stimmergebnis unterlägen, jedenfalls soweit dies Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten einzelner Beigeordneter erlaube, immer der Verschwiegenheitspflicht. Indem der Kläger Akten, die Protokollauszüge des Verwaltungsausschusses enthielten, an Dritte weitergegeben habe, habe er fahrlässig gehandelt. Es bestehe auch Wiederholungsgefahr. Die getroffenen Ermessenserwägungen seien im Hinblick darauf, dass es sich bei der Missbilligung nur um eine "niedrigschwellige" Sanktion handele, ausreichend gewesen. Diese Erwägungen ließen sich dadurch ergänzen, dass in der Vergangenheit wiederholt gegen das Gebot der Amtsverschwiegenheit verstoßen worden sei und bei einem wie in diesem Fall nachgewiesenen Verstoß auch im Hinblick auf die generalpräventive Wirkung Anlass bestanden habe, den sorgfältigen Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Informationen anzumahnen.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 12. Januar 2010 verurteilt, seine Beschlüsse vom 13. November 2008 und vom 19. Februar 2009 über die Missbilligung der Person des Klägers wegen einer Verletzung der Amtsverschwiegenheit aufzuheben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage im Rahmen eines kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahrens zulässig. Insbesondere bestehe das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil es sich bei der angegriffenen Missbilligung um eine Maßregelung handele, die, auch ohne Veröffentlichung des Beschlusses, geeignet sei, die Reputation des Klägers zu schädigen und damit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rat und in den Ausschüssen sowie sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Die Klage sei auch begründet, weil die beschlossene Missbilligung rechtswidrig sei. Die vom Beklagten ausgesprochene Missbilligung stelle einen Eingriff in Rechte des Klägers dar. Die hierfür erforderliche gesetzliche Grundlage finde sich weder in der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) noch in anderen Gesetzen. § 44 NGO erfasse nur Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Ratssitzungen. § 25 Abs. 2 NGO ermögliche zwar die Verfolgung von vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht als Ordnungswidrigkeit, nicht aber eine Ahndung durch Missbilligung außerhalb eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Die NGO sehe anders als andere Bundesländer auch nicht die Möglichkeit vor, im Fall eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht ein Ordnungsgeld durch den Rat festzusetzen, woraus in der Rechtsprechung auch die Ermächtigung zu einer Mahnung oder einer Rüge als minder schwere Sanktionen hergeleitet werde. Das Recht zur Missbilligung lasse sich auch nicht aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht und der Organisationshoheit des Rates herleiten. Zur Selbstverwaltung gehöre, den Ablauf von Entscheidungsprozessen und das Verhalten von Ratsmitgliedern zu regeln. Der Rat könne in diesem Rahmen auch das Verhalten eines Ratsmitglieds bewerten und würdigen, solange dadurch die Grenzen der zugewiesenen Aufgaben nicht überschritten seien und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gewahrt sei. Damit sei aber auch klargestellt, dass allein die Selbstverwaltung nicht für Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen eines Ratsmitgliedes herangezogen werden könne, da sie notwendige Ermächtigungsgrundlagen nicht ersetze. Dass sich eine Ratsentscheidung in den Grenzen des Aufgabenbereichs halte, die der kommunalen Selbstverwaltung gesetzt seien, sei eine erforderliche, aber nicht die hinreichende Voraussetzung für belastende Maßnahmen. Die Legitimation für Äußerungen und Wertungen vorliegender Art ergebe sich auch nicht aus dem damit verfolgten öffentlichen Zweck und seiner Bedeutung. Dass die Einhaltung des Verschwiegenheitsgebotes in der NGO besonders erwähnt und geschützt werde, könne eine Rechtsgrundlage für Sanktionen außer den in der NGO ausdrücklich aufgeführten nicht ersetzen. Eine Rechtfertigung für die Missbilligung lasse sich auch nicht aus einem durch die Ratszugehörigkeit begründeten besonderen Pflichtenverhältnis herleiten, da der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses mittlerweile weitgehend funktionslos sei und ohnehin nicht als Grundlage für belastende Maßnahmen dienen könne.
Gegen das am 5. Februar 2010 zugestellte Urteil führt die Beklagte die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung. Dazu trägt sie ergänzend im Wesentlichen vor: Bei der ausgesprochenen Missbilligung handele es sich um eine "niedrigschwellige Maßnahme", weil eine unmittelbare Einflussnahme auf die Ausübung des Mandates des Ratsmitglieds nicht erfolge. Die Zulässigkeit hierfür ergebe sich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung aus dem Selbstorganisationsrecht einer parlamentsähnlichen Vertretung kraft "Natur der Sache" bzw. "Sachzusammenhang". Der Katalog der Sanktionen in § 25 Abs. 2 NGO sei nicht abschließend. Die Zulässigkeit ergebe sich auch aus der Strafbewehrtheit des Verschwiegenheitsverstoßes, die es zulasse, dass das zur Geltendmachung des Rechtsverstoßes berufene Gemeindeorgan mahnend auf die gesetzlichen Bestimmungen hinweise und ggf. für den Wiederholungsfall die Einleitung eines Bußgeldverfahrens androhe. Ein qualitativer Unterschied zwischen einem solchen Hinweis auf drohende gesetzliche Folgen und einer Missbilligung sei nicht erkennbar. Auch die Voraussetzungen für eine Missbilligung seien erfüllt. Bei den Sitzungen des Verwaltungsausschusses werde in erster Linie nicht das Abstimmungsergebnis, sondern das Abstimmungsverhalten der Beigeordneten geschützt, so dass es unerheblich sei, ob die Entscheidung einstimmig oder streitig getroffen worden sei. Der Kläger habe wissen müssen, dass auch die Protokolle des Verwaltungsausschusses der Verschwiegenheitspflicht unterlägen. Wenn diese Protokolle gemeinsam mit anderen Sachakten verwahrt und ohne weitere Prüfung an Dritte weitergegeben würden, handele es sich nicht nur um eine einfache "Nachlässigkeit", sondern um einen Pflichtenverstoß, der bei objektiver Betrachtungsweise sogar mit einem Bußgeldverfahren hätte geahndet werden können, selbst wenn, was unstreitig sei, dem Kläger nur eine fahrlässige Tatbegehung zur Last gelegt werden könne. Werde nach wiederholten, nicht aufklärbaren Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht ein Nachweis für eine solche zweifelsfrei erbracht, sprächen in erster Linie generalpräventive Gesichtspunkte dafür, dies zumindest missbilligend zur Kenntnis zu nehmen.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seinen Klageantrag geändert und beantragt,
festzustellen, dass die Beschlüsse des Beklagten vom 13. November 2008 und vom 19. Februar 2009 über die Missbilligung seiner Person wegen einer Verletzung der Amtsverschwiegenheit rechtswidrig sind, und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist der Kläger auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung und trägt ergänzend vor: Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass der ausgehändigte Ordner eine Kopie des Protokolls enthalten habe. Er bewahre Veröffentlichungen und ratsinterne Unterlagen streng nach Ordnern getrennt auf. Da er sehr auf eine ordnungsgemäße Aktenführung bedacht sei, könne der Protokollausschnitt nur versehentlich in den Ordner gelangt sein. Daher wäre auch die Durchführung eines Bußgeldverfahrens am subjektiven Tatbestand gescheitert. Wenn aber bereits die Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens am fehlenden Tatbestand scheitere, könne nicht ohne gesetzliche Grundlage eine Missbilligung als Sanktion gewählt werden. Die ratsöffentliche Missbilligung greife in seine Rechte ein, da er als langjähriges Ratsmitglied und früherer Bürgermeister in seiner Reputation und Vertrauenswürdigkeit herabgesetzt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu.U.nrecht stattgegeben. Der Kläger kann nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse des Beklagten vom 13. November 2008 und vom 19. Februar 2009 beanspruchen.
Der Senat versteht das Begehren des Klägers dahingehend, dass er sich hinsichtlich des Beschlusses des Beklagten vom 13. November 2008 sowohl gegen die erfolgte Feststellung eines Verstoßes gegen seine - des Klägers - Verschwiegenheitspflicht wendet als auch gegen die Missbilligung dieses Verstoßes. Zwar hat sich der Kläger nach dem Wortlaut seines Klageantrags nur gegen die Missbilligung als solche gewandt. Aus dem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten geht jedoch hervor, dass beide Seiten die getroffene Feststellung und die ausgesprochene Missbilligung einheitlich als "Missbilligungsbeschluss" betrachten (vgl. insbes. Bl. 26 der Beiakte A). Diesem Sprachgebrauch entsprechend, der vom Verwaltungsgericht offenbar ebenfalls vorausgesetzt worden ist, ist von einer umfassenden Klageerhebung auszugehen.
Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Die Klage ist in Gestalt einer Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) zulässig. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte Wechsel des Klägers von einer allgemeinen Leistungsklage zur Feststellungsklage stellt gem. § 264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO keine Klageänderung dar und unterliegt damit nicht den in § 91 Abs. 1 VwGO geregelten Voraussetzungen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, § 91 Rn. 9).
Maßgeblich für das gegenständliche Feststellungsbegehren ist die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse geltende Normenlage, weil sich die vom Kläger begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit auf die seinerzeit bestehende Rechtslage bezieht.
Der Kläger ist, soweit er die Beeinträchtigung eigenständiger mitgliedschaftlicher oder organschaftlicher Rechte geltend macht, als Teil des Organs Gemeinderat klagebefugt. Der kommunalverfassungsrechtliche Organstreit ist dadurch gekennzeichnet, dass Gemeindeorgane oder Organteile über Bestand und Reichweite zwischen- oder innerorganschaftlicher Rechte streiten. Eine Klage ist in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn es sich bei der geltend gemachten Rechtsposition um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem klagenden Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives Organrecht handelt. Geht es, wie hier, um die Rechtmäßigkeit von Ratsbeschlüssen, setzt die Klagebefugnis dementsprechend voraus, dass diese ein subjektives Organrecht des klagenden Organs oder Organteils nachteilig betreffen. Denn das gerichtliche Verfahren dient nicht der Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit von Ratsbeschlüssen, sondern dem Schutz der dem klagenden Organ oder Organteil durch das Innenrecht zugewiesenen Rechtsposition. Ob eine solche geschützte Rechtsposition im Hinblick auf die Beschlussfassung des Rates besteht, ist durch Auslegung der jeweils einschlägigen Norm zu ermitteln.
Das Recht auf freie Mandatsausübung gem. § 39 Abs. 1 NGO in der bis zum 31. Oktober 2011 geltenden Fassung umfasst auch die Befugnis des Ratsmitglieds, außerhalb von Ratssitzungen als Mittler zwischen den Bürgern und den kommunalen Selbstverwaltungsorganen aufzutreten (vgl. VG Minden, Urteil vom 10. Oktober 1982 - 10 K 811/81 - NVwZ 1983, 495). Dazu gehört es nicht nur, außerhalb der Gemeindevertretung bei aktuellen Themen an der öffentlichen Diskussion und politischen Meinungsbildung mitzuwirken, sondern auch in der Öffentlichkeit zu getroffenen Entscheidungen Rede und Antwort zu stehen sowie abgeschlossene Entscheidungsprozesse transparent und nachvollziehbar darzustellen. Begrenzt wird diese Rechtsstellung durch die dem Gemeindevertreter ausdrücklich in der NGO auferlegten Sonderpflichten, wie insbesondere die auch für Ratsmitglieder geltende Verschwiegenheitspflicht (§ 25 Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 3 NGO).
Der Vorwurf, im Rahmen seiner Tätigkeit gegen die ihm obliegende Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit verstoßen zu haben, hindert den Gemeindevertreter in seiner kommunalpolitischen Tätigkeit und schränkt seine Mandatsausübung ein. Von der Richtigkeit eines solchen Vorwurfs hängt es ab, ob und in welchem Umfang das Ratsmitglied erworbene Informationen an den Bürger weitergeben darf. Deshalb ist der Kläger durch den unmittelbar gegen ihn gerichteten Ratsbeschluss, mit dem ein Verstoß festgestellt wurde, insoweit in Bezug auf seine organschaftliche Sonderstellung betroffen.
Gegenüber der darüber hinaus beschlossenen Missbilligung dieses Verstoßes kann sich der Kläger zwar nicht darauf stützen, in seinen jedem Bürger zustehenden und als solches nicht wehrfähigen allgemeinen Persönlichkeitsrechten betroffen zu sein. Es ist indes nicht auszuschließen, dass die ausdrückliche Missbilligung des festgestellten Verstoßes eine Belastung seiner über die Jahre erworbenen politischen Reputation bedeutet, die im Hinblick auf den Austausch von Informationen zwischen den Rats- oder Fraktionsmitgliedern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rat und in den Ausschüssen zu beeinträchtigen und damit seine Mandatsausübung einzuschränken geeignet ist. Überdies wird durch die Missbilligung die bloße Feststellung des Verstoßes, bei der der Senat eine Einschränkung der Mandatsausübung annimmt, weiter vertieft.
Der Kläger hat auch das für die Klage erforderliche Feststellungsinteresse. Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Hier ergibt sich das Feststellungsinteresse daraus, dass die vom Beklagten in der Ratssitzung getroffene Feststellung eines Verstoßes sowie die ausgesprochene Missbilligung und deren Aufrechterhaltung geeignet ist, den Kläger zu diskriminieren, und er deshalb ein schutzwürdiges Rehabilitationsinteresse besitzt (vgl. Urteil des Senats vom 30. November 1993 - 10 L 5279/91 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.08.1993 - 1 S 1888/92 -, VBlBW 1993, 469). Daran ändert es nichts, dass die ausgesprochene Missbilligung nur im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung verlesen und nicht veröffentlicht wurde. Sie ist geeignet, ratsintern die Reputation und Vertrauensstellung des Klägers zu schädigen und damit seine Arbeit zu erschweren. Die mit der Missbilligung dergestalt einhergehenden abträglichen Nachwirkungen gebieten es, dem Betroffenen die Möglichkeit zu eröffnen, dem durch eine gerichtliche Sachentscheidung zu begegnen (vgl. Urteil des Senats vom 30. November 1993, a.a.O.). Hinzu kommt, dass der gegen den Kläger erhobene Vorwurf sowie die ausgesprochene Missbilligung - wenn auch möglicherweise mit Wissen und Wollen des Klägers selbst - durch Berichterstattung in der regionalen Presse in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (Bl. 55, 59, 60 der Beiakte A).
2.
Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ist zu.U.nrecht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Beschlüsse mangels gesetzlicher Eingriffsgrundlage rechtswidrig seien. Die Beschlüsse sind in formeller und materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Für die im Beschluss vom 13. November 2008 getroffene Feststellung eines Verstoßes des Klägers gegen seine Verschwiegenheitspflicht bedarf es ebenso wenig wie für den Ausspruch einer Missbilligung des Verstoßes bzw. dessen Bestätigung durch den Beschluss vom 19. Februar 2009 einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. An die bloße Feststellung des Verstoßes sind keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen geknüpft. Insbesondere ist sie keine Voraussetzung für die - hier nicht erfolgte - Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gem. § 25 Abs. 2 i.V.m. § 24 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 NGO. Für die ausgesprochene Missbilligung bzw. die Entscheidung, diese aufrecht zu erhalten, gilt nichts anderes.
Die Beschlüsse beeinträchtigen den Kläger auch nicht in sonstiger erheblicher Weise.
Hinsichtlich der ausgesprochenen Missbilligung griffe dabei zwar die rein formale Annahme zu kurz, dass sich diese nach ihrem Wortlaut nicht gegen die Person des Klägers, sondern nur gegen den Verstoß als solchen richte. Denn das Wort "dieser" im Satz "Dieser Verstoß wird ausdrücklich missbilligt" lässt eine solch isolierte Betrachtungsweise nicht zu. Mit der Missbilligung sollte nicht nur das Vorliegen eines Verstoßes, sondern damit verbunden auch ein Fehlverhalten des Klägers zum Ausdruck gebracht werden.
Jedoch lässt sich aus dem Verlauf der dem Beschluss vorausgegangenen Diskussion erkennen, dass mit der ausgesprochenen Missbilligung nicht - wie der Kläger meint - seine Herabsetzung beabsichtigt war, sondern nur eine an ihn gerichtete Ermahnung ausgesprochen werden sollte, die Verpflichtung zur Verschwiegenheit künftig strenger zu beachten. Außerdem sollten im Hinblick auf bereits in der Vergangenheit erfolgte Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht, deren Verursacher nicht ermittelt werden konnten, über die an den Kläger gerichtete Ermahnung hinaus zugleich generalpräventive Zwecke verfolgt werden.
So geht aus der Niederschrift des Rates vom 28. November 2008 zu dessen Sitzung vom 13. November 2008 (Bl. 28 ff. der Beiakte A) hervor, dass der städtische Bedienstete F. erklärt hat, die Bürgermeisterin, Frau G., habe nicht die Absicht, dem Kläger zu schaden. Die Verwaltung habe jedoch unabhängig von der Schwere der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht auf den Sachverhalt hinzuweisen. Der Rat habe dann die Möglichkeit, je nach Schwere der Verletzung unterschiedliche Maßnahmen zu treffen oder ganz darauf zu verzichten. Der Verwaltungsausschuss habe beschlossen, kein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten, weil es sich offenkundig nicht um einen Geheimnisverrat gehandelt habe und der Stadt auch unmittelbar kein Schaden zugefügt worden sei. Da es sich aber um einen Bruch der Verschwiegenheitspflicht gehandelt habe, habe der Verwaltungsausschuss beschlossen, eine Missbilligung zu empfehlen. Der Ratsherr H. hat ausgeführt, dass der Rat ein Glaubwürdigkeitsproblem habe und ein falsches Signal gesetzt würde, wenn der Angelegenheit nicht nachgegangen werde. Da auf der anderen Seite niemand unterstelle, der Kläger habe absichtlich oder aus bösem Willen gehandelt, sondern es sich dabei wohl um eine "Eselei" gehandelt haben dürfte, bei der sich der Kläger nichts gedacht habe, sei er der Meinung, der Rat solle die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht missbilligen, dies aber nicht öffentlichkeitswirksam zu machen, um eine Beschädigung des Ratsmitglieds nach außen zu verhindern. Auch die Bürgermeisterin G. hat darauf hingewiesen, dass sie von Amts wegen zum Handeln verpflichtet sei und sich ausdrücklich gegen die Unterstellung verwahrt, im Umgang mit dem Kläger "persönliche Scharmützel" zu führen. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 9. Dezember 2008 (Bl. 54 der Beiakte A) ergänzte sie, dass für langjährig verdiente wie für neue Ratsmitglieder die gleichen Vorschriften gelten müssten. Bei dem angewandten Mittel handele es sich bereits um das "stumpfste Schwert"; ein milderes Mittel gebe es nicht.
Bei der vom Beklagten beschlossenen Feststellung handelt es sich um einen neutralen Hinweis auf die Unzulässigkeit eines Verhaltens, während die Missbilligung, die auch als Erinnerung, Ermahnung oder Rüge des bisherigen Verhaltens und als Aufforderung zu künftig ordnungsgemäßem Verhalten bezeichnet und erteilt werden kann, eine Ordnungsmaßnahme mit spezial- und generalpräventivem Charakter darstellt. Sie berührt als Maßnahme unterhalb einer Sanktion zwar den Status des Ratsmitglieds als Mandatsträger, greift jedoch in der Regel in dessen Rechte nicht in einem solchen Maße ein, als dass es hierfür einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfte, wie dies etwa bei einem Ausschluss aus der Ratssitzung der Fall wäre. Eine Missbilligung hat weder unmittelbar noch mittelbar einen Rechtsnachteil oder eine rechtserhebliche Wirkung zur Folge. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Gemeindevertretung wie im vorliegenden Fall dafür entscheidet, den in nichtöffentlicher Sitzung getroffenen Missbilligungsbeschluss nicht zu veröffentlichen, um das Maß der Auswirkungen für den Kläger möglichst gering zu halten.
Das Recht eines Kollektivorgans, die Maßnahmen zu ergreifen, die es zum Erhalt und zur Wiederherstellung seiner Funktionsfähigkeit und inneren Ordnung für geboten hält, bedarf über die aus dem den Gemeinden verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 57 Abs. 1 NV, § 4 NGO) hergeleiteten Befugnis, sich zu Angelegenheiten, die die örtliche Gemeinschaft - hier das Selbstorganisationsrecht - betreffen, zu äußern und ein damit zusammenhängendes Verhalten oder einen Vorgang zu würdigen, keiner speziellen Rechtsgrundlage, solange jedenfalls die einer Gemeindevertretung gezogenen Grenzen des Betätigungsfeldes und die Gesetzmäßigkeit ihres Handelns gewahrt bleiben (vgl. Urteil des Senats vom 30. November 1993, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 14.12.1990 - 7 C 37.89 -, BVerwGE 87,228 = NVwZ 1991, 682; Blum in: KVR Nds-NGO, § 40 Rn. 6 m.w.N.; anderer Ansicht, allerdings unter fehlerhafter Zitierung der Entscheidung des Senats vom 30. November 1993: VG Braunschweig, Urt. v. 18. Juli 2007 - 1 A 356/06 -, NdsVBl 2008, 23).
Die Beschlüsse vom 13. November 2008 und vom 19. Februar 2009 sind in formell nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen. Insbesondere sind Verstöße gegen die bei der Ladung zu beachtende Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 1 NGO sowie gegen den Vorbereitungsvorbehalt des Verwaltungsausschusses gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 NGO nicht erkennbar. Es kann offen bleiben, ob es für die mit Beschluss vom 13. November 2008 getroffenen Entscheidungen einer vorherigen Anhörung bedurfte. Denn jedenfalls wurde eine solche Anhörung mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 (Bl. 56 der Beiakte A) nachgeholt und mit Beschluss vom 19. Februar 2009 unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers eine erneute, den bisherigen Beschluss bestätigende Entscheidung getroffen.
Die Beschlüsse sind auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Die Missbilligung des festgestellten Pflichtverstoßes ist hinreichend bestimmt. Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt war dem Kläger bekannt. Er hat an der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 7. Oktober 2008 teilgenommen, in der die Bürgermeisterin G. unter dem Tagesordnungspunkt 10.4 "Bruch der Verschwiegenheitspflicht" berichtet hat, und sich dabei selbst als diejenige Person offenbart, die Unterlagen zum Kreisverkehr an der Mühlenstraße herausgegeben hat. Die ausgesprochene Feststellung eines Verstoßes gegen die dem Kläger obliegende Verschwiegenheitspflicht sowie die Missbilligung dieses Verstoßes sind klar und unzweideutig.
Ein Fehlverhalten des Klägers und damit die Voraussetzung für die angesprochene Feststellung und die Missbilligung liegt auch tatsächlich vor.
Gem. § 25 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 3 NGO hat ein Ratsmitglied über die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch Gesetz oder dienstliche Anordnung vorgeschrieben oder ihrer Natur nach erforderlich ist, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren.
Der Kläger hatte über die in der nichtöffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 24. März 2004 behandelten Sachverhalte "Winterdienst, hier: Auswahl der Streumittel", "Ausbaumaßnahme Mühlenstraße, hier: beantragter Rückbau der Kreisverkehre; Bekanntgabe der Kostenschätzung" und "Freibad C., Energieoptimierung, hier: Auftragsvergabe Badewassertechnik" hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens Verschwiegenheit zu bewahren.
Das Geheimhaltungserfordernis ergibt sich zwar nicht daraus, dass die Beratung und die Abstimmung über den Tagesordnungspunkt in nichtöffentlicher Sitzung stattgefunden haben. Denn gem. § 59 Abs. 2 NGO sind Sitzungen des Verwaltungsausschusses stets nichtöffentlich. Anders als bei Ratssitzungen, bei denen gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 NGO ein Ausschluss der Öffentlichkeit nur möglich ist, wenn das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner dies erfordern, kann daher bei Sitzungen des Verwaltungsausschusses vom Fehlen der Öffentlichkeit nicht darauf geschlossen werden, dass die behandelten Beratungsgegenstände ihrer Natur nach der Geheimhaltung unterliegen. Wenngleich die Geheimhaltungsbedürftigkeit eines Abstimmungsergebnisses daher nur dann gegeben ist, wenn der Beratungsgegenstand nach den Maßstäben des § 45 Abs. 1 Satz 1 NGO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln ist, erstreckt sich die Verschwiegenheitspflicht bei Sitzungen des Verwaltungsausschusses in jedem Fall auf den Beratungsgang, d.h. auf den Inhalt der von den einzelnen Mitgliedern geäußerten Meinungen und ihr Abstimmungsverhalten. Denn der Zweck der Nichtöffentlichkeit von Beratungen besteht - entgegen der Auffassung des Klägers, der zu.U.nrecht nur von einem beabsichtigten Minderheitenschutz ausgeht - auch und vor allem darin, dass die Gemeindevertreter ihre Auffassungen unabhängig von politischen Erwägungen allein im Interesse der Sache unbefangen und umfassend äußern können ohne Gefahr zu laufen, dass sie wegen ihrer Äußerungen oder ihres Abstimmungsverhaltens ins Licht der Öffentlichkeit gezogen werden und sich öffentlich rechtfertigen müssen (vgl. Behrens in: KVR Nds-NGO, § 25 Rn. 13; Menzel in: KVR Nds-NGO, § 59 Rn. 13; Thiele, Kommentar zum NKomVG, § 40 Anm. 3). Aus dem vom Kläger öffentlich gemachten Auszug aus dem Protokoll der Verwaltungsausschusssitzung vom 30. März 2004 geht neben den Abstimmungsergebnissen zu den drei genannten Tagesordnungspunkten auch das jeweilige Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Beigeordneten hervor, da die diesbezüglichen Beschlüsse jeweils einstimmig erfolgten.
Die Geheimhaltungsgründe waren auch nicht deshalb entfallen, weil der damalige Stadtdirektor in der Sitzung des Beklagten vom 22. April 2004 unter Tagesordnungspunkt 6 b über das Ergebnis der Beschlüsse betreffend den Winterdienst und den Rückbau der Kreisverkehre (Bl. 42 ff. der Beiakte A) berichtet hat. Denn das jeweilige Abstimmungsverhalten wurde nicht bekanntgemacht, so dass insoweit nach wie vor ein Geheimhaltungsbedürfnis und damit einhergehend eine Verschwiegenheitsverpflichtung bestand, die der Kläger verletzt hat. Ob auch hinsichtlich des Abstimmungsergebnisses über die Auftragsvergabe für das Freibad C., über das der Stadtdirektor nicht berichtet hat, ein Geheimhaltungsbedürfnis bestand, kann hiernach offenbleiben.
Der Kläger hat seine Verschwiegenheitspflicht verletzt, indem er - wie er selbst eingeräumt hat - einem Bürger einen Aktenordner ausgehändigt hat, der neben Zeitungsausschnitten und weiterem Material auch einen Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 30. März enthielt (vgl. Bl. 55 der Beiakte B).
Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Verstoß des Klägers gegen seine Verschwiegenheitspflicht den Maßstab der groben Fahrlässigkeit erreicht, kommt es nicht an. Die subjektive Seite der Pflichtverletzung wäre zwar Voraussetzung für die - hier nicht erfolgte - Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gem. § 25 Abs. 2 NGO, nicht aber für die auf dem Beschlusswege erfolgte Feststellung eines (objektiven) Verstoßes gegen die Amtsverschwiegenheit und eine entsprechende Missbilligung.
Der Beklagte hat auch nicht verkannt, dass er mit dem Missbilligungsbeschluss eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte, also von einer Missbilligung auch absehen konnte. Dass der Beklagte die Notwendigkeit einer Abwägung des Für und Wider vorgenommen hat, ergibt sich schon aus der mehrfachen ausführlichen Aussprache. Offensichtlich teilte die Ratsmehrheit die in der milden Maßnahme zum Ausdruck kommende Einschätzung, dass der Kläger in der Lage ist, das Einhalten seiner Verschwiegenheitsverpflichtung künftig gründlicher zu beachten. Dass über den Einzelfall hinaus mit dem Missbilligungsbeschluss auch eine generalpräventive Wirkung erzeugt werden sollte, ist ebenfalls eine sachgerechte Ermessenserwägung. Der bei der Ermessensausübung zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht verletzt worden. In den gefassten Beschlüssen, die über die Ratsöffentlichkeit hinaus nicht bekannt geworden wären, wenn die Fraktionsmitglieder des Klägers hierüber keine Informationen an die Presse weitergegeben hätten, lag allenfalls eine milde Maßregelung des Klägers wegen der ihm zu Recht vorgeworfenen Pflichtverletzung.