Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.10.2013, Az.: 10 LC 72/12

Entscheidung eines Gemeinderatsvorsitzenden für den Rat über die Befangenheit eines Ratsmitgliedes; Ausschluss eines Ratsmitgliedes von der Beratung und Beschlussfassung über die Aufhebung der bisherigen Straßennamen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.10.2013
Aktenzeichen
10 LC 72/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 49783
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1031.10LC72.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 17.04.2012 - AZ: 5 A 25/11

Fundstellen

  • DÖV 2014, 130
  • FStNds 2014, 65-67
  • NdsVBl 2014, 102-104
  • RÜ 2014, 127

Amtlicher Leitsatz

Der Gemeinderatsvorsitzende kann grundsätzlich nicht für den Rat über die Befangenheit eines Ratsmitgliedes entscheiden. Ein Ratsmitglied kann auch bei einem vermeintlich zu Unrecht erfolgten Ausschluss den in der Sache folgenden Ratsbeschluss nicht erfolgreich angreifen.

[Tatbestand]

Der Kläger wendet sich als Mitglied des beklagten Rates der Stadt Celle gegen dessen Verfahrensweise bei der Umbenennung von drei Straßen, insbesondere gegen den Umfang seines - seiner Ansicht nach erfolgten - Ausschlusses von der Beratung und Beschlussfassung über die Aufhebung der bisherigen Straßennamen.

Der im Streitzeitraum 43 Personen umfassende Beklagte beschloss am 25. September 2007 und am 29. Mai 2008 die Straßennamen "Ernst-Meyer-Allee" und "Kurt-Blanke-Straße" umzubenennen. Beide frühere Oberbürgermeister seien aktiv an Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes beteiligt gewesen. In der Ratssitzung vom 29. Mai 2008 wurde die Stadtverwaltung beauftragt, weitergehende Überprüfungen der Biographien u.a. der Personen vorzunehmen, nach denen ab dem Jahr 1945 Straßen benannt worden waren. Nach Vorarbeiten der Stadtverwaltung und durch ein Gutachten des Historikers Dr. Strebel wurde eine extern besetzte Kommission eingesetzt. Sie schlug vor, (nur) die Benennung der Agnes-Miegel-Straße, des Hanna-Fuess-Weges und des Helmuth-Hörstmann-Weges aufzuheben. Beim Namensgeber des letztgenannten handelt es sich um den von 1973 bis 1985 als Celler Oberbürgermeister tätigen, 1993 verstorbenen Vater des Klägers.

Dieser Vorschlag war Gegenstand der Ratssitzung vom 10. Februar 2011. In der undatierten Ladung zu dieser Sitzung (vgl. hierzu und zum Folgenden im Einzelnen die Beiakte A) war u.a. folgender Tagesordnungspunkt (= TOP) 13 aufgeführt:

"13. Straßennamen in Celle und personelle Verbindungen zum Nationalsozialismus: mögliche Umbenennung von Straßen

13.1 Straßennamen in Celle und personelle Verbindungen zum Nationalsozialismus: mögliche Umbenennung von Straßen

Vorlage: BV/0570/10

13.2 Straßennamen in Celle und personelle Verbindungen zum Nationalsozialismus: mögliche Umbenennung von Straßen

Vorlage: BV/0570/10-1".

In der o.a. Beschlussvorlage 0570/10 wurde nur allgemein der Sachverhalt geschildert und darauf verwiesen, dass ein Beschlussvorschlag in der Sitzung gefasst werde. Die erste undatierte Ergänzungsvorlage mit dem Zusatz - 1 - enthielt darüber hinaus unter den Ziffern 1 bis 3 erstmals konkrete Vorschläge zur Umbenennung der drei Straßen. Eine zweite, offenbar nach den Vorberatungen der betroffenen drei Ortsräte sowie des Fachausschusses der Stadt Celle erstellte, undatierte (auf Bl. 16 der Gerichtsakte wird der 7. Februar 2011 als Datum bezeichnet) Ergänzungsvorlage mit dem Zusatz -1-1- gab unter A bis D den bisherigen Beratungsvorlauf in den Ortsräten und dem Fachausschuss wieder, verwies unter E auf mehrere ergänzend bei der Stadtverwaltung eingegangene Anträge und enthielt danach folgende Beschlussvorschläge für die Ratssitzung am 10. Februar 2011:

"1. Der Rat beschließt, zur Umbenennung des Helmuth-Hörstmann-Weges keine Bürgerbefragung gemäß § 22 d NGO durchzuführen und erklärt damit den Antrag Nr. 15/2011 für erledigt.

2. Der Rat beschließt, dass die in den Anträgen Nr. 5/2011 und Nr. 14/2011 angeführten Stellungnahmen zur Umbenennung des Helmuth-Hörstmann-Weges bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben und erklärt sie damit als erledigt.

3. Der Rat beschließt, die Beschlüsse über die Benennung folgender Straßen und Wege aufzuheben:

a) "Agnes-Miegel-Straße"

b) " Hanna-Fuess-Weg"

c) " Helmuth-Hörstmann-Weg".

4. Der Rat beschließt folgende Neubenennungen für die Straßen und Wege und erklärt damit den Antrag Nr. 8/2011 teilweise für erledigt:

a) "die Agnes-Miegel-Straße" in Scheuen wird umbenannt in ....

b) "der Hanna-Fuess-Weg" in Altencelle wird umbenannt in ...

c) "der Helmuth-Hörstmann-Weg" im Ortsteil Blumlage/Altstadt wird umbenannt in ..."

Nach der Niederschrift zur Sitzung des Beklagten vom 10. Februar 2011 erfolgten zum TOP 13 an drei verschiedenen Stellen Äußerungen, nämlich unter dem TOP 1 "Eröffnung der Sitzung und Feststellung der Beschlussfähigkeit", unter dem TOP 2 "Einwohnerfragestunde" und schließlich unter dem TOP 13.

Unter dem TOP 1 verwies der Ratsherr Dr. A. auf die Anträge Nr. 5, 14 und 15/2011 und beantragte, diese Anträge nach der Geschäftsordnung zu behandeln (1), jeweils einzeln zu beraten und zu beschließen (2) und den Kläger im Falle eines Mitwirkungsverbots bei der Aberkennung von Straßennamen gemäß § 12 Ziffer 13 der Geschäftsordnung zum TOP 13 zu hören (3). Der Ratsvorsitzende erwiderte zu 1) und 2), dass die genannten Anträge nicht "explizit auf der Tagesordnung stünden". Über den dritten Punkt werde er am Ende des TOP 13.1 abstimmen lassen.

In der Niederschrift wird weiter ausgeführt: "Danach wird die Tagesordnung - wie oben dargestellt - mehrheitlich bestätigt".

Unter dem TOP 2 erklärte der Ratsvorsitzende, dass der Kläger zu diesem Tagesordnungspunkt, der die Durchführung einer Bürgerbefragung zu den geplanten Straßen-umbenennungen beinhalte, und auch später beim Tagesordnungspunkt 13 unter die Regelungen des § 26 NGO (Mitwirkungsverbot) falle. Der Kläger habe auch bei der 1999 erfolgten Benennung der Straße nach seinem Vater nicht mitgewirkt. Bei möglichen Neubenennungen dürfe der Kläger wieder mitwirken. Nach der Niederschrift begab sich der Kläger daraufhin in den Zuschauerbereich und nahm an der weiteren Beratung und Beschlussfassung nicht teil (offenbar aber nur zu TOP 2, auch wenn die Niederschrift die erneute Mitwirkung des Klägers ab dem TOP 3 nicht vermerkt).

Unter dem TOP 13 wies der Ratsvorsitzende zunächst darauf hin, dass dazu die o.a. zweite Ergänzungsvorlage BV/0570/10-1-1 erstellt worden sei. Danach seien die Punkte 1 bis 3 des Beschlussvorschlages unter TOP 13.1 zu behandeln. Der Punkt 4. des Beschlussvorschlages sei unter TOP 13.2 zur Abstimmung zu stellen. Zudem wies er nochmals auf seine "unter Tagesordnungspunkt 1" (richtig: 2) "erwähnten Ausführungen zu § 26 NGO ... hin".

Ratsherr Dr. A. beantragte, über die unter Punkt 3 des Beschlussvorschlages angeführten Aufhebungsbeschlüsse hinsichtlich der drei Straßen einzeln abzustimmen. Weitere Ratsherren ergänzten, möglichst ein Verfahren zu wählen, bei dem der Kläger bei der Umbenennung der nicht seinen Vater betreffenden Straßen bzw. Wege mitwirken könne. Der Ratsvorsitzende erklärte, die drei Beschlüsse zur Aufhebung der jeweiligen Straßennamen stünden nach rechtlicher Vorprüfung in einem sachlich sehr engen und inneren logischen Zusammenhang. Eine klare Abgrenzung sei nicht möglich. Aus diesem Grund sehe er keine Möglichkeit, dem Kläger eine Mitwirkung bei den Umbenennungen der beiden anderen Straßen zu ermöglichen.

Dann wurde über den Antrag von Dr. A. abgestimmt. Es ergaben sich 23 Ja-Stimmen, also eine Mehrheit; Gegenstimmungen und Enthaltungen wurden nicht gezählt, sondern die Sitzung unterbrochen. Danach erklärte der Ratsvorsitzende, dass zu Beginn der Sitzung eine Tagesordnung festgestellt worden sei. Danach gebe es

"einen Tagesordnungspunkt 13.1; Gegenstand sei hier die Umbenennung der drei in Rede stehenden Straßen. Über die Aufhebung der Beschlüsse zur Benennung der Straßen und Wege "... " könne daher nur insgesamt beraten und abgestimmt werden. Die Tagesordnung könne nach § 4 Ziff. 5 der Geschäftsordnung nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Ratsmitglieder geändert werden. Diese Mehrheit sei nicht erreicht. Es verbleibe daher bei der zu Beginn der Sitzung festgestellten Tagesordnung.

Der Beigeordnete B. wandte ein, dass er dies nicht nachvollziehen könne, da man sich innerhalb des Tagesordnungspunktes 13 bewege. Danach stellte der Ratsvorsitzende laut Niederschrift abschließend fest, dass

- der Kläger gemäß § 26 NGO bei der Beratung und Beschlussfassung zu den Punkten 1 bis 3 des Beschlussvorschlags der Ergänzungsvorlage BV/0570/10-1-1 (= TOP 13.1) nicht mitwirken darf,

- und der Kläger an der Beratung und Beschlussfassung zu dem Punkt 4. des Beschlussvorschlags der Ergänzungsvorlage BV/0570/10-1-1 (= TOP 13.2) teilnehmen darf.

Nach dem Aufruf des TOP 13.1 begab sich der Kläger (erneut) in den Zuschauerbereich und nahm an der weiteren Beratung und Beschlussfassung zu den Punkten 1 bis 3 des Beschlussvorschlags der Vorlage BV/0570/10-1-1 nicht teil.

Nach Abschluss der Beratung fasste der Beklagte zum TOP 13.1 folgende Beschlüsse:

1. "Der Rat beschließt mehrheitlich bei 5 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen, zur Umbenennung des "Helmut-Hörstmann-Weg" keine Bürgerbefragung gemäß § 22 d NGO durchzuführen und erklärt damit den Antrag Nr. 15/2011 für erledigt.

2. Der Rat beschließt mehrheitlich bei 2 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen, dass die in den Anträgen Nr. 5/2011 und Nr. 14/2011 angeführten Stellungnahmen zur Umbenennung des "Helmut-Hörstmann-Weg" bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben und erklärt sie damit als erledigt.

3.

...

Nach der Beendigung der Auszählung gibt Ratsvorsitzender Wilhelms die folgenden Abstimmungsergebnisse bekannt:

a) Der Rat beschließt mehrheitlich mit 26 JA-Stimmen, 13 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen, den Beschluss über die Benennung "Agnes-Straße" aufzuheben.

b) Der Rat beschließt mehrheitlich mit 30 JA-Stimmen, 8 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen, den Beschluss über die Benennung "Hanna-Fuess-Weg" aufzuheben.

c) Der Rat beschließt mehrheitlich mit 23 JA-Stimmen, 17 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung, den Beschluss über die Benennung "Helmut-Hörstmann-Weg" aufzuheben."

Am Ende des Tagesordnungspunktes 13.1 ließ der Ratsvorsitzende über den zu Beginn der Sitzung eingebrachten o.a. Antrag des Ratsherrn Dr. A. abstimmen:

"Der Rat möge beschließen, dass Ratsherr Dr. Hörstmann, wenn er nach § 26 NGO bei der Aberkennung von Straßennamen von der Mitwirkung ausgeschlossen sei, gemäß § 12 Ziff. 3 GO zu Tagesordnungspunkt 13 gehört wird."

Diesem Antrag stimmte der Beklagte einstimmig zu. Danach erklärte der Kläger, dass "er nicht erfreut über dieses Abstimmungsergebnis sei". Er werde rechtlich prüfen lassen, ob er zu Recht von der Mitwirkung ausgeschlossen worden sei und ob die strittigen Punkte zur Tagesordnung und zu den Anträgen Nr. 5/2011, Nr. 14/2011 und Nr. 15/2011 einschließlich der damit verbundenen Rederechte zu beanstanden seien.

An der Beratung und Beschlussfassung zum TOP 13.2, nach dem die drei streitigen Straßen/Wege vom Beklagten mit Mehrheit entsprechend den Beschlussvorschlägen umbenannt wurden, nahm der Kläger wieder teil.

Die neuen Straßenschilder wurden im April 2011 angebracht.

Mit der am 24. März 2011 erhobenen Klage hat der Kläger, der weiterhin dem Beklagten angehört, geltend gemacht, die Klage sei im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits als Feststellungsklage zulässig. Er habe das erforderliche Feststellungsinteresse, weil er sowohl ein Rehabilitationsinteresse habe als auch eine Wiederholungsgefahr bestehe. Das Rehabilitationsinteresse ergebe sich u.a. daraus, dass der Beklagte bei einem Unterliegen die Stellung des Klägers als demokratisch gewähltes Ratsmitglied und die damit verbundenen Rechte zukünftig besser respektieren werde. Es sei auch nicht auszuschließen, dass sowohl die Anwendung des Mitwirkungsver-botes als auch die Abstimmung über mehrere Gegenstände zukünftig vorsichtiger gehandhabt würden. An der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sachbeschlüsse bestehe ebenfalls ein Rehabilitationsinteresse seinerseits.

Sein Ausschluss von den Entscheidungen des Tagesordnungspunktes 13.1 sei rechtswidrig erfolgt. Es könne dahinstehen, ob er bei der Umbenennung des nach seinem Vater benannten Weges tatsächlich habe ausgeschlossen werden dürfen. Darauf komme es nicht entscheidend an, weil sich der Ausschluss auch auf die Umbenennung der zwei weiteren Straßen bezogen habe. Es habe kein Grund bestanden, ihn von dem Beschluss über die Umbenennung dieser Straßen auszuschließen. Die unter dem Tagesordnungspunkt 13.1 zu fassenden Beschlüsse hätten auch nicht in einem so engen Zusammenhang gestanden, dass über sie nur einheitlich habe beschlossen werden können. Durch die Zusammenfassung der drei Beschlüsse unter einem Tagesordnungspunkt sei in seine Rechtsstellung als Ratsmitglied rechtswidrig eingegriffen worden.

Damit sei auch die Sachentscheidung insgesamt rechtswidrig. Weil über die Umbenennung der Straßen einzeln abgestimmt worden sei, liege keine klassische en-bloc-Abstimmung vor. Von einem inneren Zusammenhang der Beschlüsse mit der Konsequenz, dass nur eine einheitliche Abstimmung möglich gewesen sei, könne keine Rede sein. Eine Aufspaltung in mitwirkungsfreie und nicht mitwirkungsfreie Teile hätte ohne weiteres erfolgen können. Dementsprechend sei es nicht geboten gewesen, die Umbenennung der drei Straßen in einem Tagesordnungspunkt abzuhandeln. Der Beklagte hätte über die Trennung der Tagesordnungspunkte noch während der Ratssitzung beschließen können. Er, der Kläger, habe nicht freiwillig auf seine Mitwirkung an der Beratung und Beschlussfassung zu dem TOP 13.1 verzichtet.

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten in der Sitzung vom 10. Februar 2011 über den Ausschluss des Klägers von der Beratung und Beschlussfassung des Tagesordnungspunktes 13.1 rechtswidrig gewesen ist,

  2. 2.

    festzustellen, dass die unter Tagesordnungspunkt 13.1 gefassten Beschlüsse des Beklagten in der Sitzung vom 10. Februar 2011 rechtswidrig gewesen sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig. Für den Antrag zu 1. fehle das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Er sei in der Sitzung des Beklagten am 10. Februar 2011 nicht ausgeschlossen worden. Der Ratsvorsitzende habe ihn lediglich auf die geltende Rechtslage hingewiesen. Der Kläger habe daraufhin freiwillig den für Zuhörerinnen und Zuhörer bestimmten Teil des Beratungsraumes aufgesucht.

Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. Der Kläger habe hinsichtlich des TOP 13.1 in der Sitzung vom 10. Februar 2011 dem Mitwirkungsverbot des § 26 NGO unterlegen. Für den Kläger bestehe ein Mitwirkungsverbot an der Umbenennung der nach seinem Vater benannten Straße, weil in die mit der Straßenbenennung verbundene Ehrung seines Vaters eingegriffen werde und damit auch das Ansehen seiner Familie betroffen sei. Auch an der im Jahre 1999 erfolgten Beratung und Beschlussfassung des Rates zur Benennung des Weges nach seinem Vater habe der Kläger nicht teilgenommen.

Das Mitwirkungsverbot erstrecke sich auf alle Beratungen und Entscheidungen in der betreffenden Angelegenheit durch den Beklagten und betreffe damit den gesamten TOP 13.1. Die Aufteilung des TOP 13.1 in einen "mitwirkungsfreien Teil" und einen "nicht mitwirkungsfreien Teil" sei nicht möglich. Dementsprechend habe der Ratsvorsitzende den Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass das Mitwirkungsverbot den gesamten TOP 13.1 in der Sitzung vom 10. Februar 2011 umfasst habe. Die Beratung und Beschlussfassung zur Umbenennung der drei Straßen in einem Tagesordnungspunkt sei in Anbetracht des entsprechenden Vorschlags der Kommission allein sinnvoll und zweckmäßig gewesen. Hierfür hätten auch die Redebeiträge in der Ratssitzung am 10. Februar 2011 zum TOP 13.1. gesprochen. Die vorbereiteten und hochqualifizierten Reden, die von großer Bedeutung für die Aufarbeitung der Zeitgeschichte der Stadt Celle gewesen seien, hätten bei einer Aufteilung des Tagesordnungspunktes in der Ratssitzung nicht mehr gehalten werden können. Die Redner hätten ihre Reden auf drei Tagesordnungspunkte aufteilen müssen, was in Anbetracht der Vorbereitungen für die Ratssitzung nicht mehr möglich gewesen wäre.

In rechtlicher Hinsicht wäre eine Änderung der Tagesordnung möglich gewesen. Der Beklagte habe aber zu Sitzungsbeginn keinen Beschluss über die Änderung der Tagesordnungspunkte gefasst. Während der Sitzung sei eine Erweiterung der Tagesordnung grundsätzlich nicht mehr zulässig. Bei der dennoch vom Ratsvorsitzenden durchgeführten Abstimmung über die Erweiterung der Tagesordnung sei die deshalb für die nachträgliche Änderung der Tagesordnung erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreicht worden. Es habe keine "en-bloc-Abstimmung" stattgefunden, weil über die Umbenennung jeder Straße einzeln abgestimmt worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. April 2012 folgende Feststellungen getroffen:

"1. Es wird festgestellt, dass die Feststellung des Vorsitzenden des Beklagten in der Sitzung vom 10. Februar 2011 über den Ausschluss des Klägers von der Beratung und Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 13.1 rechtswidrig gewesen ist.

2. Es wird festgestellt, dass die unter Tagesordnungspunkt 13.1 gefassten Beschlüsse des Beklagten in der Sitzung vom 10. Februar rechtswidrig gewesen sind."

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage als Feststellungsklage zulässig sei. Bei verständiger Würdigung sei gegen den Kläger ein in die Form einer Feststellung gekleidetes Mitwirkungsverbot vom Ratsvorsitzenden ausgesprochen worden. Dieser habe offenbar unter Billigung aller Mitglieder des Rates von der an sich erforderlichen Beschlussfassung des Beklagten abgesehen. Diese Feststellung sei rechtswidrig gewesen, weil die getrennte Beratung und Beschlussfassung zur Aufhebung der drei Straßennamen ohne weiteres möglich - wie die getrennte Abstimmung zeige - und zur Wahrung der Rechte des Klägers geboten gewesen wäre. Er hätte nur von der Beratung und Beschlussfassung über die Umbenennung des nach seinem Vater benannten Weges, nicht aber über die beiden anderen Straßen/Wege ausgeschlossen werden dürfen. Die grundsätzlichen Redebeiträge hätten auch zum TOP 13 gehalten werden können. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses sei nicht zu begrenzen. Deshalb sei ungeachtet der "Beschlussfassung in mehreren Durchgängen" und unabhängig davon, ob die Mitwirkung des Klägers das Abstimmungsergebnis maßgeblich beeinflusst hätte, auch die Beschlussfassung des Beklagten in der Sache rechtswidrig.

Der Beklagte hat gegen dieses am 4. Mai 2012 zugestellte Urteil am 16. Mai 2012 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und am 27. Juni 2012 begründet. Der Antrag zu 1) sei bereits unzulässig, weil der Kläger nicht von dem dazu allein befugten Beklagten ausgeschlossen worden, sondern freiwillig in den Zuschauerraum gegangen sei. Der notwendige Ratsbeschluss könne weder konkludent erfolgen - und sei hier auch nicht erfolgt - noch durch Hinweise des Ratsvorsitzenden ersetzt werden. Allenfalls hätte sich der Kläger mit einer gegen den Ratsvorsitzenden gerichteten Klage gegen dessen Feststellung bzw. dessen nach Ansicht des Klägers fehlerhaften Hinweis wenden können; dies habe er aber trotz gerichtlichen Hinweises nicht getan. Der im zweiten Rechtszug angekündigte Hilfsantrag zu 1) sei ebenfalls unzulässig. Dies gelte schon deshalb, weil der Kläger zu Sitzungsbeginn keinen Antrag auf Änderung der Tagesordnung gestellt habe. Ebenso wenig stehe einem Ratsherrn in dieser Eigenschaft eine Klagebefugnis gegen die Sachentscheidung des Rates zu, wie sie der Kläger mit dem Antrag zu 2) angreife. Außerdem habe er an der zum TOP 13.2 erfolgten Beschlussfassung über die Umbenennung wieder teilgenommen und die dabei beschlossene Neubenennung nicht gerichtlich angegriffen. Schließlich wäre die Klage auch unbegründet. Der Kläger sei vom gesamten TOP 13.1 ausgeschlossen gewesen. Dieser Tagesordnungspunkt sei rechtmäßig gewesen; eine Pflicht zur Trennung habe nicht bestanden. Vielmehr habe ein "ganzheitlicher Ansatz" bestanden. Zumindest hätte die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses auf den Ausschluss des Klägers von der Namensaufhebung der beiden anderen Straßen beschränkt werden müssen. Die Sachentscheidung sei durch den Ausschluss des Klägers nicht beeinflusst worden und hätte deshalb ebenfalls nicht für rechtswidrig erklärt werden dürfen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 17. April 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass hilfsweise zu 1) beantragt wird, festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten zur Feststellung der Tagesordnung zu 13.1 in der Sitzung vom 10. Februar 2011 rechtwidrig war.

Der Antrag zu 1) sei zulässig, da der Ratsvorsitzende das Sprachrohr des Beklagten sei und dessen Beschlüsse u.a. über ein Mitwirkungsverbot umzusetzen habe. Die Feststellung des Ratsvorsitzenden zum Mitwirkungsverbot für den Kläger sei deshalb dem Beklagten zuzuordnen. Zudem habe der Beklagte jedenfalls konkludent einen - ohnehin nur deklaratorischen - umfassenden bzw. (hilfsweise) einen hinsichtlich der Umbenennung des nach seinem Vater benannten Weges beschränkten Ausschluss des Klägers beschlossen. Der Antrag zu 1) sei auch begründet, weil die Aufhebung der drei Straßennamen nicht zwingend gemeinsam habe beraten und beschlossen werden müssen, sondern vielmehr zur Wahrung der Mitwirkungsrechte des Klägers die Verpflichtung bestanden habe, getrennte Tagesordnungspunkte zu bilden; dann wäre er nicht - wie erfolgt - umfassend auszuschließen gewesen. Hilfsweise werde zu 1) deshalb die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Tagesordnung begehrt. Mit deren Aufstellung habe der umfassende Ausschluss des Klägers festgestanden. Ihm stehe auch das mit dem Antrag zu 2) geltend gemachte, vom Beklagten bestrittene Recht zu, einen nach seinem rechtwidrigen Ausschluss getroffenen Beschluss in der Sache anzugreifen. Auf die Mehrheitsverhältnisse komme es dabei nicht an. Der Beschluss zum TOP 13.2 habe nicht gesondert angegriffen werden müssen, weil er auf dem Beschluss zum TOP 13.1 aufbaue und bei dessen Rechtswidrigkeit ermessensfehlerhaft sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Beklagte wirksam vertreten worden. Dass der Ratsvorsitzende den Rat im Kommunalverfassungsstreitverfahren nach § 62 Abs. 3 VwGO vertritt und damit für diesen auch zur Ausstellung einer Prozessvollmacht berechtigt ist, ist im niedersächsischen Kommunalrecht zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus seiner Stellung als Ratsvorsitzender (vgl. Thiele, NKomVG, 1. Auflage, 2011, § 66, Ziffer 5; VG Oldenburg, Urt. v. 3.7.2007 - 1 A 5389/06 -, [...], Rn. 15, m. w. N.). Die somit für den Beklagten wirksam vom Ratsvorsitzenden u.a. dem Städtischen Direktor Nerreter erteilte Vollmacht erstreckte sich nach §§ 67, 173 VwGO i. V. m. § 81 ZPO auf das Berufungsverfahren (vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 67, Rn. 82, m. w. N.). Soweit in der vom Ratsvorsitzenden unterzeichneten Vollmachtsurkunde vom 6. Mai 2011 auf die mit dem Aktenzeichen 5 A 25/11 benannte Verwaltungsrechtssache vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg Bezug genommen worden ist, diente diese Bezugnahme nicht der Eingrenzung der Vollmacht auf diese erste Instanz, sondern vielmehr der Umschreibung des Streitgegenstandes, wie sich auch aus der vorangestellten, ansonsten überflüssigen Bezeichnung der Beteiligten ergibt. Der Städtische Direktor Nerreter ist nach § 67 Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO für den Beklagten im Berufungsverfahren postulationsfähig. Auch hat er die Berufung fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet.

Die demnach zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Der Antrag zu 1) einschließlich des Hilfsantrages ist zwar zulässig, aber unbegründet, der Antrag zu 2) ist bereits unzulässig, wäre aber jedenfalls auch unbegründet.

1.a) Für den Antrag zu 1) gegen den beklagten Rat ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Der Streit über konkrete Rechtsbeziehungen zwischen kommunalen Organen oder Organteilen ist ein solcher über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Der Begriff des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist nicht auf Außenrechtsverhältnisse beschränkt, sondern umfasst ebenso die Rechtsbeziehungen innerhalb von Organen einer juristischen Person (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 2.5.2006 - 15 A 817/04 -, [...], Rn. 42 f.).

Dem Kläger fehlt insoweit auch nicht die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO allgemein erforderliche Klagebefugnis (vgl. zum Folgenden etwa Senatsurt. v. 27.6.2012 - 10 LC 37/10 -, [...], Rn. 30 = NdsVBl 2012, 274 ff.; NdsRpfl 2012, 318 ff.; KommJur 2012, 420 ff. [OVG Niedersachsen 27.06.2012 - 10 LC 37/10]). Bei der vom Kläger als verletzt gerügten Rechtsposition muss es sich um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem klagenden Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives Organrecht handeln. Geht es - wie hier - um die Verletzung organschaftlicher Mitwirkungsrechte, setzt die Klagebefugnis voraus, dass ein subjektives Organrecht des klagenden Organs oder Organteils unmittelbar nachteilig betroffen wird.

Bei dem hier vom Kläger geltend gemachten Recht, als (weiterhin aktuelles) Ratsmitglied an allen Beratungen und Beschlussfassungen des Beklagten teilnehmen zu dürfen, handelt es sich grundsätzlich um eine solche wehrfähige Innenrechtsposition (vgl. zuletzt etwa OVG Rheinland- Pfalz, Beschl. v. 4.9.2013 - 10 A 10525/13 -, [...], Rn. 4), in die durch den - nach den Vortrag des Klägers - vom Beklagten zu verantwortenden Ausschluss unmittelbar nachteilig eingegriffen worden sein soll.

Soweit in ähnlichen Fallgestaltungen angenommen worden ist, dass eine solche an sich wehrfähige Innenrechtsposition als Ratsmitglied durch Untätigkeit gegenüber einer Eingriffshandlung mit der Folge bereits einer Unzulässigkeit der Feststellungsklage untergehen könne (insbesondere OVG Nordrhein-Westfalen, etwa Beschl. v. 16.5.2013 - 15 A 785/12 -, [...], Rn. 39 f., sowie v. 12.9.2008 - 15 A 2129/08 -, [...], Rn. 11, m. w. N., = NWVBl 2009, 221 ff.), greift dieser Gesichtspunkt jedenfalls hier nicht durch.

Das stets erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur dann, wenn dem Betroffenen weiterhin eine einfachere und effektivere Möglichkeit zur Realisierung des Rechtsschutzes zur Verfügung steht (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., vor § 40, Rn. 48). Die vom Beklagten angeführte Möglichkeit, eine ausdrückliche Entscheidung des Beklagten über den Ausschluss wegen Befangenheit herbeizuführen, besteht jedoch nach dem Ende der Sitzung des Rates nicht mehr. Zudem macht der Kläger gerade geltend, eine solche Entscheidung sei bereits zu seinen Lasten ergangen. Ob ein solcher Beschluss tatsächlich ergangen ist, ist eine Frage der Begründetheit. Deshalb kann die Klage auch nicht wegen einer vermeintlichen Obliegenheitsverletzung durch fehlende Anrufung des Beklagten unzulässig sein (vgl. Schwind, KVR Nds, Stand: Juli 2013, § 66 NKomVG, Rn. 73).

Ob allgemein oder jedenfalls bei Erledigung der geltend gemachten Verletzung vor einer gerichtlichen Entscheidung zusätzlich noch ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich ist (vgl. Wefelmeier, KVR Nds, § 54 NKomVG, Stand: Juli 2013, Rn. 33), kann hier offen bleiben. Ein evtl. erforderliches Feststellungsinteresse ergibt sich vorliegend jedenfalls aus der bei fortdauernder Ratsmitgliedschaft des Klägers zu bejahenden Wiederholungsgefahr. Zwar dürfte nicht nochmals mit der Umbenennung einer nach einem nahen Verwandten des Klägers benannten Straße zu rechnen sein. Es kann sich indes zukünftig erneut die hier erhebliche allgemeine Frage stellen, in welcher Form genau über eine umstrittene Befangenheit eines Ratsmitgliedes zu entscheiden ist und in welchem Umfang eine solche Befangenheit ggf. besteht.

1.b) Der demnach zulässige Antrag zu 1) ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat keinen Beschluss über den Ausschluss des Klägers vom TOP 13.1 der Sitzung am 10. Februar 2011 gefasst.

aa) Dass der Beklagte ausdrücklich einen solchen Beschluss gefasst hätte, ist nicht zu erkennen und macht der Kläger selbst nicht geltend.

bb) Soweit sich der Kläger sinngemäß darauf beruft, dass dem beklagten Rat die entsprechende Feststellung des Ratsvorsitzenden zugerechnet werde, fehlt die dafür erforderliche Zurechnungsnorm (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3.5.2013 - 4 L 209/12 -, [...], Rn. 13). Der Ratsvorsitzende leitete nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO), die hier im Zeitpunkt der in Rede stehenden Ratssitzung vom Februar 2011 noch galt und deshalb noch maßgebend ist (vgl. Senatsurt. v. 27.6.2012, a. a. O., Rn. 26), die Sitzungen (§ 44), stellte die Beschlussfähigkeit fest (§ 46 Abs. 1 Satz 2) und unterzeichnete Niederschriften über die Ratssitzungen (§ 49 Abs. 2 Satz 1 NGO). Weitergehende Befugnisse während der Ratssitzung hatte er nicht; weder konnte er stellvertretend für den Rat während seiner Sitzungen Erklärungen abgeben noch - etwa als Teil der Sitzungsleitung - über den Ausschluss von Ratsmitgliedern wegen Befangenheit entscheiden. Dies oblag nach § 26 Abs. 4 Satz 2 NGO vielmehr ausdrücklich dem Rat als der Stelle, "in der die ehrenamtliche Tätigkeit" als Ratsmitglied "ausgeübt wurde".

cc) Schließlich kann dem Kläger auch nicht in der Annahme eines konkludenten Ratbeschlusses über seinen Ausschluss gefolgt werden.

Wie der Beklagte zu Recht darlegt, dürften einer solchen Annahme schon die u. a. in den §§ 46 f. NGO enthaltenen Regelungen über eine Abstimmung entgegenstehen, nach denen ein Beschluss mit der Mehrheit der auf Ja oder Nein lautenden Stimmen gefasst wird; konkludent, etwa durch Schweigen, ist eine solche Form der Beschlussfassung nur schwer hinreichend eindeutig möglich.

Jedenfalls mangelt es hier auch an einem entsprechenden Verhalten des Beklagten. Er hat auf den Antrag des Ratsherren Dr. A. mehrheitlich vielmehr gerade beschlossen, möglichst ein Verfahren zu wählen, dass den Kläger nicht umfassend von der Mitwirkung am TOP 13.1 ausschließt, sondern ihm eine solche Mitwirkung hinsichtlich der übrigen beiden Straßen/Wege weiterhin ermögliche. Der Ratsvorsitzende hat zwar eingewandt, dass eine solche Verfahrensweise nicht (mehr) möglich sei. Daraufhin gab es aber Widersprüche des Ratsherren Dr. A. sowie des Beigeordneten B.. Es kann also auch nicht angenommen werden, der beklagte Rat habe sich (insgesamt oder mehrheitlich?) damit stillschweigend die Ansicht des Ratsvorsitzenden zu eigen gemacht. Dies ist auch durch den am Ende des TOP 13.1 gefassten Beschluss über die Anhörung des "ausgeschlossenen" Klägers erfolgt. Der Rat hat damit nur die Folgen der vorherigen Abwesenheit des Klägers gemildert und ihm wenigstens eine persönliche Stellungnahme ermöglicht, nicht aber nachträglich über einen Ausschluss befunden. Vielmehr hätte es bei dieser Sachlage dem Kläger oblägen, rechtzeitig vor dem erneuten Verlassen der Sitzung zum TOP 13.1 eine Klärung über den Umfang seines Ausschlusses durch eine Entscheidung des Beklagten herbeizuführen. Dies hat er jedoch unterlassen.

Allenfalls könnte hilfsweise angenommen werden, der beklagte Rat habe den "Ausschluss" des Klägers gebilligt, soweit er die Beratung und Beschlussfassung über die Namensaufhebung des nach seinem Vater benannten Weges betroffen hat. Dieser "Ausschluss" war jedoch nach § 26 Abs. 1 Satz 1 NGO gerechtfertigt. Denn jedenfalls diese Entscheidung war geeignet, die Ehre seines verstorbenen Vaters zu beeinträchtigten. Sie war also für den Kläger als Verwandter ersten Grades unmittelbar nachteilig.

1.c) Der als Klageänderung nach § 91 VwGO zu bewertende Hilfsantrag zu 1) hat ebenfalls keinen Erfolg.

Die Klageänderung ist zwar sachdienlich i. S. d. § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, weil sie jedenfalls im Verhältnis zum Beklagten geeignet ist, endgültig den Streit über einen vermeintlich rechtswidrigen Ausschluss des Klägers zu beenden.

Der Hilfsantrag ist unbegründet. Es kann offen bleiben, ob die Aufstellung einer Tagesordnung in der vorliegenden Gestaltung überhaupt geeignet sein kann, Rechte von Ratsmitgliedern zu verletzten. Jedenfalls mangelt es an der vom Kläger gesehenen und hier allein in Betracht kommenden Verletzung dadurch, dass der Beklagte vermeintlich bereits zum TOP 1 (hinsichtlich des späteren TOP 13.1) beschlossen habe, über den TOP 13.1 einheitlich zu beraten und zu beschließen.

aa) Zunächst ist schon unklar, welche Tagesordnung insoweit überhaupt genau beschlossen worden ist. Denn die neueste und umfassendste Fassung der zweimal ergänzten Beschlussvorlage (-1-1) vom 7. Februar 2011 zum TOP 13.1 war in der Ladung zur Ratssitzung noch nicht benannt und konnte bei der Ladungsfrist von mindestens einer Woche nach § 41 Abs. 1 Satz 2 NGO auch nicht fristgerecht vorliegen. Aus der Vorversion dieser Beschlussfassung (-1-) ließ sich der genaue Ablauf der Beratung und Beschlussfassung nicht entnehmen.

bb) Selbst wenn man jedoch annimmt, der Rat habe unter dem TOP 1 die letzte Version (-1-1) vom 7. Februar 2011 zur Tagesordnung bestimmt, so ergab sich daraus im Zeitpunkt der Feststellung der Tagesordnung, also zu Beginn der Ratssitzung, weder, was im Einzelnen Gegenstand des TOP 13.1. sein sollte, noch, ob und inwieweit über die hier streitigen Anträge zum TOP 13.1 Unternummer 3 a) bis c) jeweils einzeln oder getrennt beraten und beschlossen werden sollte.

So hat der Ratsvorsitzende erst zu Beginn des TOP 13 ausgeführt, dass hierzu die weitere Beschlussvorlage (-1-1) erstellt worden sei und dass die "Punkte 1 bis 3 des Beschlussvorschlages unter Tagesordnungspunkt 13.1 zu behandeln" seien. Selbst nach diesem Hinweis blieb unklar, wie genau der Ablauf bei der Beratung und Abstimmung zu dem nochmals unterteilten "Punkt 3" des TOP 13.1. sein sollte. Dass dies weder den Ratsmitgliedern noch dem Vorsitzenden klar war, zeigte zudem der zuvor wiedergegebene Beratungsverlauf. Insbesondere ist die Abstimmung insoweit gerade nicht - wie vom Ratsvorsitzenden zunächst behauptet und insoweit vom Kläger unterstellt - einheitlich, sondern jeweils (inhaltlich) getrennt erfolgt.

cc) Andernfalls wäre schließlich zum TOP 13.1. nachfolgend vom Rat wirksam mit einfacher Mehrheit eine Änderung beschlossen worden. Darin lag weder eine Erweiterung der Tagesordnung i. S. d. § 41 Abs. 3 Satz 3 NGO noch eine Änderung i. S. der Geschäftsordnung des Beklagten. Denn nach dem Sinn und Zweck dieser Regelungen über die nach Sitzungsbeginn und Feststellung der Tagesordnung nur noch sehr eingeschränkte zulässige Möglichkeit, die Tagesordnung zu ändern, kann darunter jedenfalls nicht die Art und Weise einer ohnehin vorgesehenen Beschlussfassung verstanden werden - hier die getrennte Abstimmung zum TOP 13.1.3. Auch insoweit gilt hinsichtlich der abweichenden Beurteilung durch den Ratsvorsitzenden, dass sein Verhalten nicht dem Beklagten zugerechnet werden kann.

2. Der Antrag zu 2) ist sowohl hinsichtlich der Rechte des Klägers als Ratsmitglied (a) auch als zur Wahrung von Rechten als Sohn des vormaligen Namensgebers der umbenannten Straße (b) unzulässig.

Es kann dabei offen bleiben, in welchem Verhältnis die Ratsbeschlüsse zu TOP 13.1 (.3) und 13.2 stehen, ob sich der Kläger ggf. nicht auch gegen den Beschluss zum TOP 13.2 hätte wenden müssen und ob er dies trotz seiner insoweit wieder erfolgten Mitwirkung erfolgreich hätte tun können.

a) Denn wie dargelegt, kann sich der Kläger mit der Feststellungsklage gegen den beklagten Rat erfolgreich nur auf die unmittelbare Verletzung eigener Rechte als gewähltes Ratsmitglied berufen. Die geltend gemachte Rechtsverletzung durch einen unzulässigen Ausschluss von der Beratung und Beschlussfassung des Rates bezog sich jedoch auf einen dahingehenden, so lautenden Ratsbeschluss, hilfsweise den Beschluss über die Aufstellung der Tagesordnung. Der folgende Beschluss in der Sache erging unabhängig hiervon und berührt das nicht teilnehmende Ratsmitglied nur noch mittelbar. Einem (vermeintlich) zu Unrecht wegen Befangenheit ausgeschlossenen Ratsmitglied steht als solchem daher nicht das weitergehende Recht zu, die Ausführung des ohne seine Mitwirkung gefassten Ratsbeschlusses zu verhindern bzw. dessen Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen (vgl. VG Münster, Beschl. v. 29.1.2010 - 1 K 1807/08 -, [...], Rn. 24, m. w. N.; Behrens, KVR Nds, § 26 NGO, Rn. 84). Eine solche Feststellung würde auf eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle des Sachbeschlusses hinauslaufen, die im Kommunalverfassungsstreit unzulässig ist (Rennert, JuS 2008, 118, 124; vgl. Senatsbeschl. v. 3.9.1991 - 10 M 5462/91 -, [...], Rn. 9).

Selbst wenn man jedoch insoweit der (älteren) abweichenden Ansicht (vgl. Schoch, JuS 1987, 783, 791 f.; Bayr. VGH, Urt. v. 7.8.1974 - 2 IV 72 -, VGHE 29, 37, 40 = BayVBl. 1976, 753 ff. mit Anmerkung Lange, 755, 756 auch zur o.a. Gegenansicht) folgte, wonach das subjektive Recht des Ratsmitgliedes nicht auf die Teilnahme, Beratung und Abstimmung begrenzt sei, sondern auch das darauf folgende Abstimmungsergebnis und sein Zustandekommen mitumfasse, so ist der Sachbeschluss zum TOP 13.1 nicht rechtswidrig, die Klage also jedenfalls unbegründet.

Dieser Sachbeschluss ist objektiv teilbar, deshalb jeweils getrennt zu beurteilen und rechtmäßig.

Die Beschlüsse zu den TOP 13.1.1, 2 und 3 c) betrafen die Umbenennung des nach dem Vater des Klägers benannten Weges. An dieser Abstimmung durfte der Kläger nach § 26 NGO nicht teilnehmen. Seine fehlende Mitwirkung kann daher nicht zur Rechtswidrigkeit der Beschlüsse insoweit führen.

Auch die Beschlussfassung unter dem TOP 13.1.3 a) und b) zur Abbenennung der beiden anderen Straßen/Wege war nicht aufgrund eines vermeintlichen (rechtswidrigen) Ausschlusses des Klägers rechtswidrig. Denn einen solchen Beschluss des allein dazu berufenen Rates hat es - wie darlegt - nicht gegeben. Hat der Kläger demnach zwar nicht "freiwillig", aber doch unter Verzicht auf die formell erforderliche Ratsentscheidung über die Reichweite seines Mitwirkungsverbot die Sitzung zeitweise verlassen, so führt allein dies nicht zur Rechtswidrigkeit des in seiner Abwesenheit gefassten Ratsbeschlusses (vgl. Thiele, a. a. O., § 41, Rn. 8, unter Bezug auf Bad.-Württ. VGH, Urt. v. 18.11.1986 - 5 S 1719/85 -, NVwZ 1987, 1103 [VGH Baden-Württemberg 18.10.1986 - 5 S 1719/85]).

b) Ob der Kläger zur "Verteidigung des familiären Andenkens" bzw. des postmortalen Persönlichkeitsrechts seines Vaters, als Bürger gegen die Aufhebung der Straßenbenennung nach seinem Vater klagebefugt wäre (vgl. verneinend Bayr. VGH, Urt. v. 2.3.2010 - 8 BV 08/3320 -, [...] = BayVBl 2010, 599 ff.; bejahend Schoch, JURA 2011, 344, 350), kann offen bleiben. Eine solche Klage wäre als Anfechtungsklage gegen die Stadt Celle zu richten gewesen, sei es hinsichtlich des Ratsbeschlusses (vgl. Bad.-Württ. VGH, Urt. v. 22.7.1991 - 1 S 1258/90 -, NVwZ 1992, 196 ff [OVG Schleswig-Holstein 01.08.1991 - 3 L 143/91]; Schoch, a.a.O., 348, Fn. 52, 54, m. w. N.) oder gegen den Umsetzungsakt (vgl. Senatsbeschl. v. 13.1.2011 - 10 LA 158/10 -, [...] = NdsVBl. 2011, 143 f.). Hiervon hat der Kläger bewusst abgesehen.