Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.06.2012, Az.: 13 LB 56/10

Vermittlung einer subjektiven Rechtsposition aufgrund objektiv-rechtlicher Verpflichtung des Herstellers eines Generikums zur Vorlage von eigenen Unterlagen zur Bewertung möglicher Umweltrisiken

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.06.2012
Aktenzeichen
13 LB 56/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 18226
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0607.13LB56.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 10.12.2008 - AZ: 5 A 127/07
nachfolgend
BVerwG - 19.09.2013 - AZ: 3 C 22.12
BVerfG - 27.04.2021 - AZ: 2 BvR 206/14

Fundstellen

  • DÖV 2012, 737
  • PharmaR 2012, 366-374

Amtlicher Leitsatz

Eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Herstellers eines Generikums, im generischen Zulassungsverfahren nach § 24b AMG und im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25b AMG aktuelle eigene Unterlagen zur Bewertung möglicher Umweltrisiken vorzulegen (§ 22 Abs. 3c AMG), vermittelt dem Hersteller des Referenzarzneimittels nach Ablauf der zehnjährigen Schutzfrist keine subjektive Rechtsposition mehr. Die Verwendung seiner im Verfahren der Verlängerung der Erstzulassung nachgereichten Unterlagen über die Umweltauswirkungen eines Tierarzneimittels (Ökotox-Daten) nach Ablauf des zehnjährigen Unterlagenschutzes führt im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht zu einem einklagbaren Anspruch des Erstantragstellers auf Aufhebung einer anerkennenden Zulassungsentscheidung.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen sind Tochtergesellschaften der H.. Die Klägerin zu 1 ist während des Klageverfahrens im Wege einer umwandlungsrechtlichen Abspaltung mit Gesamtrechtsnachfolge Rechtsnachfolgerin der früheren Klägerin zu 1 (der I.) geworden. Mit ihrer Klage wenden sich die Klägerinnen gegen die der Beigeladenen erteilte Zulassung der Beklagten für das Tierarzneimittel Enroxil, das in der Hähnchen- und Putenmast zur Behandlung von Infektionserkrankungen eingesetzt wird.

2

Das Bundesgesundheitsamt erteilte mit Bescheid vom 17. Januar 1990 der Klägerin zu 2 die Zulassung für das Tierarzneimittel Baytril 10% oral, Lösung, das den Wirkstoff Enrofloxacin enthält. Die Klägerin zu 2 war zu der Zeit eine Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1. Diese hatte die Unterlagen für die Zulassung von Baytril, bestehend aus Untersuchungen, Studien und Gutachten zur Beurteilung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Tierarzneimittels erstellt, die die Klägerin zu 2 im Zulassungsverfahren vorlegte.

3

Am 11. November 1993 erteilte die zuständige Behörde im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland der Firma J. - einer britischen Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 - eine nationale Zulassung für das Tierarzneimittel Baytril. Dieser Zulassung lagen die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 erstellten Unterlagen für das im Jahre 1990 in Deutschland durchgeführte Zulassungsverfahren zugrunde. Später erstellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 auf Verlangen der britischen Zulassungsbehörde Unterlagen zur Bewertung von Umweltrisiken (Ökotox-Daten), die sie im Jahre 2004 im Rahmen eines Verfahrens zur Verlängerung der britischen Zulassung des Tierarzneimittels Baytril an ihre Tochtergesellschaft in Großbritannien weitergab.

4

Die Beigeladene ist seit 1996 Inhaberin einer Zulassung für das Tierarzneimittel Enroxil in der Tschechischen Republik und seit 2001 in Ungarn. Außerdem besitzt sie eine entsprechende Zulassung in Polen.

5

Am 9. September 2005 erteilte die zuständige Behörde in Großbritannien der Firma K. eine nationale generische Zulassung für das Inverkehrbringen des Tierarzneimittels Enroxil, das den Wirkstoff Enrofloxacin enthält und mit dem Tierarzneimittel Baytril im Wesentlichen inhaltsgleich ist. Die Firma K. erwirkte diese Zulassung unter Bezugnahme auf die britische Zulassung für das Tierarzneimittel Baytril als Referenzarzneimittel und die Zulassungsunterlagen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 einschließlich ihrer im Jahre 2004 erstellten Ökotox-Daten.

6

Am 31. Mai 2006 beantragte die Firma K. bei der Beklagten die Zulassung des Tierarzneimittels Enroxil in Deutschland im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung der britischen Zulassung vom 09. September 2005 und bat die Beklagte, die Zulassung der Beigeladenen als Zulassungsinhaberin zu erteilen. Auf Anforderung der Beklagten übermittelte die zuständige britische Behörde aufgrund der Funktion Großbritanniens als Referenzmitgliedsstaat einen Beurteilungsbericht, den die Beklagte im Rahmen der Validierung zur Prüfung schwerwiegender Gefahren des Tierarzneimittels für die Umwelt nicht für ausreichend ansah. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte die britische Zulassungsbehörde ihren Beurteilungsbericht mit einem Bericht, der im Jahre 2004 anlässlich der britischen Verlängerung der Zulassung von Baytril erstellt worden war und auf von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 dort vorgelegten Daten über mögliche Umweltrisiken (Ökotox-Daten) basierte.

7

Am 10. November 2006 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die beantragte Zulassung.

8

Dagegen haben die Klägerinnen nach erfolglosem Vorverfahren am 30. Mai 2007 Klage erhoben. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, sie seien durch die Zulassung des Tierarzneimittels Enroxil unter Bezugnahme auf ihre Zulassungsunterlagen in ihren Grundrechten ausArt. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Auch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verbiete Eingriffe der Staatsgewalt, die nicht rechtmäßig seien. Der Zulassungsbescheid der Beklagten vom 10. November 2006 sei rechtswidrig, weil die ihm vorausgegangene nationale generische Zulassung in Großbritannien gegen die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung von Arzneimittelzulassungen verstoße. Ein Mitgliedstaat sei verpflichtet, den Antrag auf Erteilung einer Zulassung abzulehnen, wenn ein anderer Mitgliedstaat das Tierarzneimittel bereits zugelassen habe. In einem solchen Fall dürfe die Zulassung nur im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung erteilt werden. Da die Beigeladene für das Tierarzneimittel Enroxil bereits Zulassungen in Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik besessen habe, hätte die britische Zulassungsbehörde den Antrag der Firma K. im Rahmen des nationalen Zulassungsverfahrens ablehnen müssen. Die früher erteilten Zulassungen seien der Firma K. zuzurechnen, weil diese im Auftrag der Beigeladenen gehandelt habe. Die Beklagte hätte ihrer Zulassungsentscheidung die in Großbritannien erteilte Zulassung nicht zugrunde legen dürfen. Der angefochtene Zulassungsbescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Firma K. der Beklagten keine eigenen Ökotox-Daten vorgelegt habe. Sowohl die zuständige britische Behörde als auch die Beklagte hätten auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen nicht Bezug nehmen dürfen, weil sie diese nicht in Deutschland vorgelegt hätten. Das Gemeinschaftsrecht und das britische Recht sähe eine Bezugnahme auf die von ihnen in Großbritannien vorgelegten Ökotox-Daten nicht vor. Die Beklagte sei nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen, die nationale generische Erst-Zulassung der britischen Zulassungsbehörde für Enroxil hinsichtlich der dargelegten Verfahrensfehler zu überprüfen und deren Anerkennung abzulehnen.

9

Die Klägerinnen haben beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2006 über die Zulassung für das Tierarzneimittel Enroxil und deren Widerspruchsbescheid vom 11.05.2007 aufzuheben.

10

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerinnen seien durch den Zulassungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Die britische Zulassung sei nicht rechtswidrig. Sie - die Beklagte - sei schon nicht befugt, die Rechtmäßigkeit der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates zu überprüfen. Sie habe auch auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen nicht unmittelbar Bezug genommen. Diese hätten ihr nicht zur Verfügung gestanden, sondern nur die die Ökotox-Daten der Klägerinnen auswertenden britischen Beurteilungsberichte über die Tierarzneimittel Enroxin und Baytril. Im Übrigen habe sie den Beurteilungsbericht nur herangezogen, um die Entscheidung der britischen Zulassungsbehörde nachzuvollziehen und eine Gefahr für die Umwelt auszuschließen.

12

Die Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte habe nicht auf die Zulassungsunterlagen der Klägerinnen Bezug genommen, weil sie der Beigeladenen die Zulassung im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung erteilt und sie nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und des Gemeinschaftsrechts nur aufgrund des von Großbritannien übersandten Beurteilungsberichts die dortige Zulassung der Firma K. anerkannt habe. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die britische Zulassung anzuerkennen. Die Verfahrensregelungen für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung hätten im Übrigen keine drittschützende Wirkung, so dass es auf einen Verstoß gegen diese Regelung nicht ankomme.

14

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 10. Dezember 2008 die Klage abgewiesen. Die Klägerinnen seien zwar klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Denn sie könnten geltend machen, durch die Bezugnahme der Beklagten bzw. der britischen Zulassungsbehörde auf ihre Zulassungsunterlagen zum Tierarzneimittel Baytril in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Die Bezugnahme auf Zulassungsunterlagen des Vorantragstellers sei grundsätzlich geeignet, die Grundrechte ausArt. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG zu verletzen. Ihre Klage sei aber unbegründet. Ein möglicher Verfahrensfehler der britischen Zulassungsbehörde, die der Firma K. eine nationale generische Zulassung für das Tierarzneimittel Enroxil erteilt und sie nicht auf das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung verwiesen habe, habe keine eigenen Rechte der Klägerinnen verletzt. Aus dem gleichen Grund könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte oder die zuständige britische Behörde sich Ökotox-Daten von der Firma K. oder der Beigeladenen hätte vorlegen lassen müssen, denn selbst ein möglicher Verstoß gegen eine Pflicht zur Vorlage dieser Unterlagen verletze die Klägerinnen nicht in eigenen Rechten. Der Zulassungsbescheid sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die britische Zulassungsbehörde möglicherweise nicht auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen habe Bezug nehmen dürfen, denn die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, dies zu überprüfen. Auch die Beklagte selbst habe nicht auf diese Daten Bezug genommen.

15

Dagegen richtet sich die wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassene Berufung der Kläger.

16

Mit ihrer den erstinstanzlichen Vortrag weiter vertiefenden Berufungsbebegründung machen sie im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe mit der Verwendung von Zulassungsunterlagen, die das pharmakologisch-medizinische Know-how der Klägerinnen verkörperten und ihren Entwicklungs- und Marktvorsprung sicherten, gezielt, individuell und konkret in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen eingegriffen. Die der Beigeladenen erteilte Zulassung vom 10. November 2006 verletze sie in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG. Der Nutzwert des in den Zulassungsunterlagen verkörperten pharmakologisch-medizinischen Know-how's verringere sich nicht durch bloßen Zeitablauf. Das Eigentum daran bestehe nach Ablauf von 10 Jahren unverändert fort, das Know-how bleibe geheim. Wegen der Bezugnahme auf Zulassungsunterlagen des Erstantragstellers habe die die Beigeladene begünstigende Zulassung für sie den Charakter einer Duldungsverfügung. Die Nutzung der Zulassungsunterlagen durch die zuständige britische Behörde in dem Zulassungsverfahren, das in Großbritannien zu der Zulassung vom 9. September 2005 geführt habe, sei der Beklagten im Rahmen ihres hoheitlichen Handelns zurechenbar. In der Anerkennung der Zulassung durch die britische Behörde liege ferner eine eigene, mittelbare Nutzung der Zulassungsunterlagen der Klägerinnen durch die Beklagte. Die zwangsweise, hoheitliche und fremdnützige Verwendung ihrer Zulassungsunterlagen entziehe ihnen das Eigentum und stelle deshalb eine entschädigungspflichtige Enteignung dar, jedenfalls aber eine nur gegen Entschädigung verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Der Eingriff in das Eigentum sei formell und materiell rechtswidrig. Nach Gemeinschaftsrecht und nach dem nationalen britischen Recht hätte die Zulassung für Enroxil in Großbritannien zugunsten der Firma K. nicht im Verfahren auf Zulassung eines Generikums, sondern nur im Verfahren auf Anerkennung einer schon vorhandenen Zulassung ergehen dürfen, weil die Beigeladene bereits Zulassungen für dasselbe Tierarzneimittel in anderen Mitgliedstaaten der EU besessen habe. Diese Verletzung von Verfahrensrecht hätte die Beklagte veranlassen müssen, den Antrag der Firma K. abzulehnen. Die Zulassungsbehörde könne nach dem Gemeinschaftsrecht auch die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates verweigern, wenn die gemeinschaftsrechtlichen Regeln über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht eingehalten worden seien. Das Recht zur Versagung der Anerkennungs-Zulassung ergebe sich auch aus § 25a Abs. 4 und Abs. 5 AMG sowie aus § 25b Abs. 4 AMG und dem Gemeinschaftsrecht.

17

Die britische Zulassung vom 9. September 2005 sei wegen der unbefugten Nutzung von Unterlagen zur Bewertung möglicher Umweltrisiken auch materiell rechtswidrig. Diese Unterlagen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 seien erst im Jahr 2004 bei der zuständigen Behörde in Großbritannien eingereicht worden und hätten der Schutzfrist von acht oder zehn Jahren unterlegen. Die Nutzung sonstiger Zulassungsunterlagen verletze ebenfalls das Grundrecht der Klägerinnen aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die Zulassung von Enroxil in der Bundesrepublik Deutschland unter Verwendung von Zulassungsunterlagen der Klägerin zu 1 verletze die Klägerinnen auch in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG sowohl unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als auch unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in das Recht auf chancengleiche Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Die angegriffene Zulassung verletze sie schließlich in ihrem Grundrecht auf faire Chancen im Wettbewerb ausArt. 3 Abs. 1 GG und in ihrer durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheit, selbst über die Verwendung des von ihnen mit hohem finanziellen Aufwand angesammelten pharmakologisch-medizinischen Know-how's zu entscheiden. Im Übrigen diene die Pflicht zur Vorlage und Prüfung eines ordnungsgemäßen Antrags, insbesondere zur Vorlage eigener Ökotox-Daten im Rahmen des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung zumindest mittelbar auch den Interessen der Vorantragsteller und habe deshalb drittschützenden Charakter. Dies belege der Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2001/82/ EG. Weder die Beigeladene noch die Firma K. hätten im Rahmen des Zulassungsverfahrens sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der Bundesrepublik die geforderten Unterlagen zur Bewertung der Umweltrisiken vorgelegt. Dies sei ein offensichtlicher Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht (Art. 12 Abs. 3 lit. j) 4. Spiegelstrich RL 2001/82/EG) und gegen nationales Recht (§ 22 Abs. 3c Satz 1 AMG). Insoweit habe die Beklagte den Aspekt der formellen Gültigkeit des Antrages gemäß Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 bis 14 RL 2001/82/EG unter Verstoß gegen drittschützende Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen.

18

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 10. Dezember 2008 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2006 über die Zulassung für das Tierarzneimittel Enroxil - Zulassungsnummer 400962.00.00 - sowie deren Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2007 aufzuheben

und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

19

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

21

Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung ist unbegründet.

24

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klagebefugnis der Klägerinnen nach § 42 Abs. 2 VwGO liegt aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils, auf die insoweit gemäß § 130b Satz 2 VwGO verwiesen werden kann, zweifelsfrei vor. Der Bescheid der Beklagten vom 10. November 2006 verletzt die Klägerinnen jedoch nicht in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

25

Soweit die Klägerinnen geltend machen, die der Beigeladenen unter dem 10. November 2006 erteilte Zulassung der Beklagten sei in einem rechtsfehlerhaft geführten Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zustande gekommen, können sie sich darauf nicht mit Erfolg berufen, weil die hier maßgeblichen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des ihm zugrunde liegenden Gemeinschaftsrechts keine drittschützende Wirkung entfalten. Eine drittschützende Norm liegt nur vor, wenn sie nicht nur dem allgemeinen öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der individuellen Interessen zu dienen bestimmt ist und zwar derart, dass die Geschützten die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können (BVerwG, U. v. 17.06.1993 - 3 C 3/89 - BVerwGE 92, 313 <317>). Verfahrensvorschriften vermitteln in diesem Zusammenhang grundsätzlich keine selbstständig durchsetzbaren Rechtspositionen. Der Einzelne hat keinen Anspruch darauf, dass die richtige Verfahrensart eingehalten wird (BVerwG, U. v. 14.12.1973 - IV C 50.71 - BVerwGE 44, 235 <239>).

26

Aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben folgt nichts anderes. Zu der Frage, anhand welcher Kriterien die Existenz gemeinschaftsrechtlich eingeräumter Rechtspositionen zu ermitteln ist, besteht keine einhellige Meinung (vgl. dazu m. w. N.: OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 03.05.2006 - 13 B 2057/05 - [...]). Überwiegend wird angenommen, dass die europäische Norm zumindest den Schutz des Einzelnen bewirken und er ein schutzwürdiges Interesse geltend machen muss. Das europäische Recht kann dem Einzelnen subjektive Rechte zuweisen, wenn die jeweilige Vorschrift inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Norm den Schutz des Einzelnen bezweckt, sondern es reicht aus, dass sie den Schutz tatsächlich bewirkt, indem sie dem Interesse des Einzelnen förderlich ist und es begünstigt (vgl.: Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 42 Rn. 152; Couzinet, DVBl 2008, 754/760; Ruffert in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 249 Rn. 88; Herdegen, Europarecht, 3. Aufl., Rn. 255). Vertreten wird allerdings auch, dass nur auf die tatsächliche Belastung des Einzelnen abzustellen und unter diesem Aspekt auch der Schutz von Allgemeininteressen ausreichend ist (vgl. Ruffert, aaO., Art. 249 Rn. 90). Die Auslegung der Gemeinschaftsnormen und europarechtskonform auch der nationalen Vorschriften beurteilt sich ausschließlich nach Gemeinschaftsrecht, insbesondere nach den Erwägungsgründen der umzusetzenden Richtlinie.

27

Die Schutzwecke des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung betreffen ausschließlich allgemeine Interessen und sind daher nicht geeignet, ein Individualinteresse zu begründen. Sie bewirken nicht den Schutz der Rechte der Klägerinnen. § 25b AMG in der seit dem 6. September 2005 geltenden Fassung des 14. Gesetzes zur Änderung desArzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I S. 2570) regelt das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer tierarzneimittelrechtlichen Zulassung, die ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union erteilt hat. Ist das Arzneimittel zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union genehmigt oder zugelassen worden, ist diese Zulassung nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift auf der Grundlage des von diesem Staat übermittelten Beurteilungsberichts anzuerkennen, es sei denn, dass Anlass zu der Annahme besteht, dass die Zulassung des Arzneimittels eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit, bei Arzneimitteln zur Anwendung bei Tieren eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt darstellt. Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass diese Regelung ausschließlich dem allgemeinen Interesse dient, die öffentliche Gesundheit zu schützen und die Verfahren der einzelstaatlichen Zulassungen zu harmonisieren. § 25b Abs. 2 AMG begründet nicht das Recht eines Dritten, eine dem Antragsteller nach dieser Vorschrift erteilte Zulassung unter Berufung auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern anzufechten. Aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, die § 25b Abs. 2 AMG zugrunde liegen, ergibt sich nichts anderes.

28

Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung bei der Zulassung von Arzneimitteln dient dem freien und sicheren Verkehr mit Tierarzneimitteln und dem Abbau von Hemmnissen beim Handel mit diesen Arzneimitteln, wie sich aus dem 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/28/EG vom 31. März 2004 (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 58) zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 1) und dem 3. bis 5. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/82/EG ergibt. Weiteres Ziel ist neben dem ebenfalls bezweckten Schutz der öffentlichen Gesundheit auch die Harmonisierung von einzelstaatlichen Zulassungen und die Vermeidung von Doppelbelastungen. Damit sollen einheitliche Zulassungsentscheidungen auf dem gesamten europäischen Binnenmarkt garantiert werden (vgl. Mitteilung der Kommission über die gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren über Arzneimittel, 98/C 229/03, Abl. EG C 229 vom 22.07.1998, S. 4 ff unter E und E 2). Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beruht auf der Einheit des Rechts. Die Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen setzt voraus, dass zwischen den verschiedenen diese Genehmigung betreffenden nationalen Regelungen eine Konkordanz besteht. Das Arzneimittelrecht der Gemeinschaft enthält eine vollständige Harmonisierung der Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und insbesondere der Voraussetzungen der Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen. Es regelt die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und klinischen Normen und Protokolle, die die Mitgliedstaaten erlassen müssen, damit die zuständigen Behörden auf der Grundlage vereinheitlichter Tests und gemeinsamer Kriterien Entscheidungen treffen können, und enthält außerdem die Voraussetzungen für die Herstellung, Einfuhr und Etikettierung der Arzneimittel. Weiter beruht das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten. Im Rahmen dieses Verfahrens ist die Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht mehr eine Entscheidung, die aufgrund des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats erlassen wird. Dieser muss sich vielmehr auf die Prüfung und die wissenschaftliche Beurteilung der zuständigen Behörden des Referenzmitgliedstaats verlassen. So gesehen verfügt der betroffene Mitgliedstaat nur über einen sehr engen Ermessensspielraum (Schlussantrag des Generalanwalts Bot vom 10.7.2008 in dem Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache Synthon - C - 452/06 -, [...] Rn. 65 ff.).

29

Zu Unrecht berufen sich die Klägerinnen als inländische juristische Personen und damit als Träger von Grundrechten (Art. 19 Abs. 3 GG) in diesem rechtlichen Zusammenhang auf eine Verletzung von Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG. Sie meinen, bei dem Zulassungsbescheid der Beklagten vom 10. November 2006 handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Bei einer Verwaltungsentscheidung mit dieser Eingriffsqualität lässt sich die Frage, ob der Verwaltungsakt Rechte Dritter verletzt, regelmäßig nicht unter Bezugnahme auf Grundrechte beantworten, weil auch der von der Entscheidung Begünstigte für sich eine grundrechtliche Verbürgung in Anspruch nehmen kann. Für die Frage der Verletzung eines subjektiven Rechts ist deshalb die einfach gesetzliche Norm entscheidend, soweit eine solche - wie hier mit der Vorschrift des § 25b AMG - vorhanden ist (Eyermann/Happ, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 42 RdNr. 90). Treffen zwei grundrechtlich geschützte Rechtspositionen aufeinander, so ist es in erster Linie Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, eine sachgerechte ausgleichende Lösung des Konflikts zu finden (BVerwGE 81, 329, [BVerwG 16.03.1989 - BVerwG 4 C 36.85]<343>). Weil auch die Grundrechte regelmäßig einer gesetzlichen Ausformung bedürfen, besteht im Grundsatz ein Anwendungsvorrang des einfachen Rechts. Der unmittelbare Rückgriff auf die Grundrechte setzt im Übrigen voraus, dass eine rechtlich relevante Beeinträchtigung des Gewährleistungsbereichs eines Grundrechts vorliegt. Dies ist bei mittelbaren und faktischen Beeinträchtigungen nicht ohne weiteres anzunehmen.

30

Aber selbst bei einem Rückgriff auf grundgesetzlich geschützte Rechtspositionen als Anknüpfungspunkt für eine Rechtsverletzung können die Klägerinnen nicht mit Erfolg einwenden, die der Beigeladenen erteilte Zulassung sei rechtswidrig, weil die zugunsten der Firma Cyton in Großbritannien erwirkte Zulassung ihrerseits gemeinschaftsrechtliche Rechtsnormen und britische Bestimmungen über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung von Arzneimittelzulassungen verletzt. Dieser Auffassung halten die Beklagte und die Beigeladene zu Recht entgegen, die britische Zulassung vom 9. September 2005 sei rechtswirksam erteilt worden und einer materiell rechtlichen Überprüfung durch Behörden und Gerichte anderer Mitgliedstaaten der EU nicht zugänglich.

31

Ein Rechtsmittel gegen die Zulassung vom 9. September 2005 haben die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger oder ihre Tochtergesellschaften in Großbritannien nicht eingelegt. Der von den Klägerinnen im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (5 B 119/07) vorgelegte "Beschwerdebrief" vom 9. Oktober 2006 an die britische Zulassungsbehörde stellt keine Anfechtung oder einen "Widerspruch" gegen die Zulassung dar. Als Rechtsbehelf wäre das Schreiben vom 9. Oktober 2006 auch verfristet, weil nach der eigenen Darstellung der Klägerinnen gegen die Zulassung vom 9. September 2005 Klage innerhalb von drei Monaten ab Erteilung der Zulassung hätte Klage erhoben werden müssen. Ihr Einwand, sie hätten erst lange nach Ablauf dieser Frist Kenntnis von Umständen erhalten, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der Zulassung ergebe, überzeugt den Senat nicht. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erteilung einer Zulassung in Großbritannien - wie in der Bundesrepublik Deutschland - öffentlich bekanntgemacht wird. Das folgt ausArt. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG, wonach die zuständige Behörde der Öffentlichkeit unverzüglich die Genehmigung für das Inverkehrbringen zusammen mit der Zusammenfassung der Merkmale jedes von ihr genehmigten Tierarzneimittels zur Verfügung stellt.

32

Ist eine Zulassung - wie im vorliegenden Fall - in einem anderen Mitgliedstaat wirksam erteilt, nicht rechtzeitig vor dem dafür allein zuständigen Gericht des Ausstellerstaats angefochten und bisher auch nicht aufgehoben oder geändert worden, verpflichten weder die Vorschriften desArzneimittelgesetzes noch Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts die Beklagte, im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zu prüfen, ob die Erstzulassung in dem anderen Mitgliedstaat unter Verstoß gegen formelles und auch materielles nationales Recht des Mitgliedstaates bzw. gegen Gemeinschaftsrecht erteilt worden ist. Vielmehr ist die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erstzulassung als sog. transnationaler Verwaltungsakt (vgl. zum Begriff: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn 358; Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn 8a; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 35 Rn 34, 34e) mit gemeinschaftsweiter bindender Wirkung nach § 25b Abs. 2 Satz 1 AMG anzuerkennen, es sei denn, es besteht Anlass zu der Annahme, dass die Zulassung des Arzneimittels eine schwerwiegende Gefahr für die in der Vorschrift näher aufgeführten Rechtsgüter darstellt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor. Wäre es der Beklagten gestattet, den Antrag auf gegenseitige Anerkennung in der Sache rechtlich so zu beurteilen wie einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen, so wäre das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gegenstandslos. Bei einer solchen Auslegung bestünde die Gefahr, dass verschiedene nationale Behörden zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Zudem könnte die Vornahme neuer wissenschaftlicher Beurteilungen des Tierarzneimittels durch den betroffenen Mitgliedstaat als Zeichen des Misstrauens gegenüber den bereits von den zuständigen Behörden des Referenzmitgliedstaates vorgenommenen Kontrollen verstanden werden. Durch dieses Vorgehen würde das gegenseitige Vertrauen zerstört, das die Mitgliedstaaten in diesem Bereich leiten muss. Die Beklagte ist deshalb nicht berechtigt, die von einem anderen Mitgliedstaat in einem nationalen generischen Verfahren erteilte rechtswirksame Genehmigung, für deren Rechtmäßigkeit allein der Ausstellerstaat die Verantwortung trägt, im Rahmen eines Antrags auf gegenseitige Anerkennung materiell zu überprüfen. Der EuGH hat in der Rechtssache Synthon in einer Vorabentscheidung zu Art. 28 der Richtlinie 2001/83/EG (Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel) mit Urteil vom 16. Oktober 2008 - C - 452/06 -, ([...]) ausgeführt, dass die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung in strikter Weise geregelt ist. Gemäß dem Wortlaut der Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83/EG und ihrer Auslegung bildet das Bestehen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit den e i n z i g e n materiellen Grund, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen darf, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassung eines Humanarzneimittels die Anerkennung zu versagen. Dürfte ein Mitgliedstaat, bei dem die Anerkennung einer bereits von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung beantragt wird, diese Anerkennung von einer zweiten Prüfung des gesamten Genehmigungsantrags oder eines Teils davon abhängig machen, so liefe dies darauf hinaus, dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung jeden Sinn zu nehmen und die Verwirklichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele ernsthaft zu gefährden (EuGH, U. v. 16.10.2008, aaO, Rn 32).

33

Diese Ausführungen des EuGH können auf die im vorliegenden Fall maßgebliche Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG (Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel) zweifelsfrei übertragen werden, denn beide Richtlinien gleichen sich im Wesentlichen hinsichtlich des Wortlauts und des Zwecks des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung, wobei im Falle der Zulassung eines Tierarzneimittels allein das Bestehen einer schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt den einzigen materiellen Ablehnungsgrund bildet. Das vom EuGH erwähnte formelle Prüfungsrecht der Beklagten erstreckt sich gerade nicht auf die inhaltliche Überprüfung des Verfahrens der nationalen generischen Zulassung des Referenzmitgliedsstaats, sondern ausschließlich auf die formelle "Gültigkeit" des Antrags auf gegenseitige Anerkennung. Der EuGH führt dazu aus, dass sich das Prüfungsrecht nur auf die Gefahr für die öffentliche Gesundheit und auf die "Gültigkeit" des Antrags auf gegenseitige Anerkennung bezieht. Der Antrag ist dann der Form nach gültig, wenn er mit den notwendigen Angaben und Unterlagen versehen ist, das Dossier mit dem vom Referenzmitgliedstaat angenommenen Dossier identisch ist und im Antrag etwa enthaltende Ergänzungen oder Änderungen vom Antragsteller kenntlich gemacht worden sind (EuGH, U. v. 16.10.2008, aaO, Rn 27). Unter das formelle Prüfungsrecht der Beklagten fällt daher ausschließlich, ob die Firma K. ihren Antrag im Verfahren auf gegenseitige Anerkennung mit den notwendigen Angaben und Unterlagen gemäß Art. 12 und 13 der RL 2004/28/EG zur Änderung der RL 2001/82/EG versehen hat und er auf identischen Unterlagen beruht (§ 25b Abs. 1 AMG). Die Beklagte hatte sich daher nur zu vergewissern, ob der Antrag auf Zulassung im Rahmen des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung gültig und vollständig ist (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 10.07.2008, aaO, Rn 69), nicht aber, ob die britische Behörde im vorangegangenen nationalen generischen Verfahren die Verfahrensvorschriften eingehalten hat.

34

Wäre die Auffassung der Klägerinnen richtig, die Rechtswidrigkeit der Erstzulassung in dem Referenzstaat führe "automatisch" zur Rechtswidrigkeit der von der deutschen Zulassungsbehörde im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung erteilten Zulassung, verlöre das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung seinen Sinn. Dieser besteht darin, das Verfahren der Zulassung von Tierarzneimitteln in der Gemeinschaft zu harmonisieren und damit zu erleichtern. Mit der Anpassung der Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten auf der Ebene des Tierarzneimittelrechts soll unnötige Doppelarbeit bei der Prüfung von Anträgen auf Zulassung und Genehmigung von Tierarzneimitteln vermieden werden. Diesem gemeinschaftsrechtlichen Gesetzeszweck wird dadurch Rechnung getragen, dass im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung die zuständige Behörde grundsätzlich davon auszugehen hat, dass die Erstzulassung mit dem nationalen Recht des erteilenden Mitgliedstaates und mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht, wirksam ist und als transnationaler Verwaltungsakt, der eine Ausnahme vom Grundsatz der Wirksamkeit auf den Erlass-Staat bildet, von den Mitgliedstaaten beachtet werden muss. Nur in dem in § 25b Abs. 2 Satz 1 AMG geregelten Fall soll ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung zulässig sein.

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§ 25b Abs. 4 AMG bietet ebenfalls keine rechtliche Handhabe für die Beklagte, im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung die Anerkennung einer Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat zu verweigern, weil diese rechtswidrig ist. Nach der genannten Vorschrift findet für die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates im Tierarzneimittelrecht Kapitel 4 der Richtlinie 2001/82/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (Abl. L 311, S. 1) Anwendung. Die Richtlinie 2001/82/EG regelt in ihrem 4. Kapitel das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung von in den Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen. Auch diese Vorschriften begründen - neben dem alleinigen in § 25b Abs. 2 AMG genannten Grund - keine zusätzlichen Ablehnungsgründe für die Zulassungsbehörde in der Bundesrepublik Deutschland.

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Eine Verpflichtung der Beklagten zur Versagung der Anerkennungs-Zulassung wegen Verfahrensrechtswidrigkeit der der Firma K. in Großbritannien erteilten Zulassung ergibt sich auch nicht aus § 25a Abs. 4 und Abs. 5 AMG. Diese Vorschriften beziehen sich auf das in der Bundesrepublik Deutschland einzuhaltende Verfahren bei Zulassung eines Tierarzneimittels. § 25a Abs. 4 AMG bestimmt: Stellt die zuständige Bundesoberbehörde fest, dass ein gleichlautender Zulassungsantrag in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union geprüft wird, lehnt sie den Antrag ab und setzt den Antragsteller in Kenntnis, dass ein Verfahren nach § 25b AMG Anwendung findet. In Abs. 5 heißt es: Wird die zuständige Bundesoberbehörde nach § 22 AMG unterrichtet, dass sich ein Antrag auf ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits zugelassenes Arzneimittel bezieht, lehnt sie den Antrag ab, es sei denn, er wurde nach § 25b AMG eingereicht. Entgegen der Annahme der Klägerinnen hat die Beigeladene das richtige Verfahren gewählt, soweit sie einen Antrag nach § 25b AMG eingereicht hat. Auf das in der Bundesrepublik Deutschland einzuhaltende Verfahren hat es keinen Einfluss, ob bei der rechtswirksam erteilten Zulassung des in Bezug genommenen Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat die richtige Verfahrensart gewählt wurde. Ist das Arzneimittel in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen, so ist diese Zulassung im Verfahren nach § 25b Abs. 2 AMG bindend und damit anzuerkennen.

37

Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob der Firma K. in Großbritannien die Zulassung vom 9. September 2005 unter Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche und nationale Verfahrensvorschriften wegen unbefugter Nutzung von Ökotox-Daten der Klägerinnen zur Bewertung von Umweltrisiken, die der zuständigen Behörde in Großbritannien im Jahre 2004 vorgelegt wurden, erteilt worden ist. Soweit die Klägerinnen geltend machen, die Firma K. bzw. die Beigeladene hätten sowohl in dem britischen nationalen generischen Zulassungsverfahren als auch in dem hier streitigen Zulassungsverfahren der gegenseitigen Anerkennung eigene Ökotox-Daten vorlegen müssen, verletzt dieser gerügte Verstoß gegen das nach Art. 3 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG von den Mitgliedsstaaten spätestens bis zum 30. Oktober 2005 umzusetzende Gemeinschaftsrecht keine subjektiven Rechte der Klägerinnen. Der pharmazeutische Unternehmer hat zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 und Art. 32 Abs.1 i.V.m. Art. 12 Abs. 3 lit. j) 4. Spiegelstrich der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG und gemäß § 22 Abs. 3c AMG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) im Rahmen beider Zulassungsverfahren jeweils selbst Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird. Auch wenn§ 24b Abs. 1 Satz 1 AMG in der im Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung am 10. November 2006 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394) ausdrücklich ohne Zustimmung des Vorantragstellers eine Bezugnahme auch auf dessen Ökotox-Daten im Sinne von § 22 Abs. 3c AMG und damit abweichend vom Gemeinschaftsrecht zugelassen hat und nach den Ausführungen der Beklagten bei den beteiligten Behörden "weitgehend Unklarheit" über die Reichweite und Bedeutung der Regelung desArt. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG (durch das Weglassen des Textes des 4. Spiegelstrichs von Art. 12 Abs. 3 lit. j)) herrschte, die erst durch eine klarstellende Äußerung der Europäischen Kommission und in deren Folge mit dem Änderungsgesetz vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) bereinigt worden ist, kann es der Senat offen lassen, ob im Verfahren einer rechtswirksam erteilten und bisher nicht aufgehobenen nationalen generischen Erst-Zulassung in Großbritannien oder im hier streitigen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung bei formeller Prüfung der Gültigkeit und Vollständigkeit des Antrages durch die Beklagte unter Verletzung von Gemeinschaftsrecht von der Vorlage dieser Ökotox-Daten abgesehen werden durfte. Unabhängig davon, dass nach Art. 5 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG und der Grundregel des Art. 249 Abs. 3 EG eine Richtlinie nur für den Mitgliedstaat, an den sie sich richtet, verbindlich ist und deshalb grundsätzlich keine Pflichten für den Einzelnen begründen kann, verletzt auch der insoweit unterstellte objektive Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht keine subjektiven Rechte der Klägerinnen. Die in § 22 Abs. 3c AMG bzw. Art. 12 Abs. 3 lit. j) 4. Spiegelstrich der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG geregelte Verpflichtung zur Vorlage der Ökotox-Daten vermittelt zu Gunsten Dritter kein einklagbares subjektives Recht, sondern dient allein der Tierarzneimittelsicherheit im Hinblick auf mögliche Umweltrisiken oder der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen und damit einem Allgemeininteresse, auf das sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg berufen können (vgl. Amtliche Begründung zum 7. Änderungsgesetz, abgedruckt in: Kloesel/Cyran vor § 22 AMG). Das folgt insbesondere auch aus dem 4. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG. Danach sollen alle Vorschriften auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Tierarzneimitteln in erster Linie dem Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens der Tiere sowie der öffentlichen Gesundheit dienen. Mit den Vorschriften über die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Tierarzneimitteln und den Kriterien für die Erteilung dieser Genehmigungen soll der Schutz der öffentlichen Gesundheit verbessert werden. Dieses Ziel sollte jedoch mit Mitteln erreicht werden, die die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit Tierarzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft nicht hemmen. Letztere Erwägung vermag ein subjektives Recht der Klägerinnen auf Aufhebung der angefochtenen Zulassung wegen nicht eingereichter Ökotox-Daten der Beigeladenen bzw. der Firma K. im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auch unter Beachtung des Grundsatzes der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht zu begründen. Die Klägerinnen sind zwar unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2001/82/EG der Auffassung, dass die Pflicht zur Vorlage vollständiger Zulassungsunterlagen, insbesondere eigener Ökotox-Daten sowohl im Verfahren der nationalen generischen Zulassung als auch im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zumindest "mittelbar" auch den Interessen der Zulassungsinhaber (Vorantragsteller) diene und damit drittschützenden Charakter habe. Dass durch die Nichtvorlage von Ökotox-Daten eines Zweitantragstellers und dem sich daraus für ihn ergebenden Wettbewerbsvorteil die Entwicklung des mit ihm in Konkurrenz stehenden Erstantragstellers nachhaltig beeinträchtigt oder gar gehemmt sein könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Derartige faktische Beeinträchtigungen im Wettbewerb untereinander sind nicht geeignet, einen einklagbaren Drittschutz zugunsten der Klägerinnen zu begründen.

38

Ob die Zulassung von Enroxil im Großbritannien rechtswidrig erteilt worden ist, weil weder nationales Recht in Großbritannien noch Gemeinschaftsrecht eine Bezugnahme des Zweitantragstellers auf Ökotox-Daten des Erstantragstellers zulässt, kann ebenfalls offen bleiben. Denn selbst eine rechtswidrige Bezugnahme der britischen Behörde auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen im Rahmen der Erstzulassung von Enroxil mutiert im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht zu einer "mittelbaren" Verwendung der Ökotox-Daten durch die Beklagte. Zwar trifft es zu, dass Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2004/28/ EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG für das nationale generische Zulassungsverfahren u. a. lediglich auf die Vorlage der Ergebnisse der Unbedenklichkeits- und Rückstandsversuche verzichtet, nicht aber auf die Vorlage der Ökotox-Daten. Diese hätte die Firma K. gemäß Art. 12 Abs. 3 lit. j) 4. Spiegelstrich der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der RL 2001/82/EG vorlegen müssen. Ob die britische Zulassungsbehörde im Rahmen der Erstzulassung von Enroxil auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen Bezug genommen hat und Bezug nehmen durfte, unterlag im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung jedoch nicht der Prüfungsbefugnis der Beklagten. Sie durfte nur prüfen, ob eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt vorliegt.

39

Die Beklagte verwendete die von den Klägerinnen im Jahr 2004 in Großbritannien im Verfahren der Verlängerung der Zulassung für Baytril vorgelegten Ökotox-Daten auch nicht selbst im Sinne einer Bezugnahme nach § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG oder den dieser Regelung zugrunde liegenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. Diese Ökotox-Daten waren nicht unmittelbar Gegenstand des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung der in Großbritannien bereits erteilten Erstzulassung. Der Beklagten lag lediglich ein Beurteilungsbericht vor, den ihr Großbritannien als Referenzmitgliedstaat gemäß § 25b Abs. 4 AMG i.V.m. Art. 32 Abs. 2 Satz 4 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG übermittelte und den die Beklagte im Rahmen der Validierung des Zulassungsantrages hinsichtlich der Beurteilung der Umweltauswirkungen von Enroxil nicht für ausreichend erachtete, weil ihr zunächst keine eigenen Erkenntnisse zur Umweltverträglichkeit vorlagen und dort im Wesentlichen nur darauf verwiesen wurde, dass in Deutschland das Originalpräparat schon lange Zeit Verwendung finde. Auf weitere Aufforderung der Beklagten ergänzte die britische Zulassungsbehörde ihren Beurteilungsbericht durch eine gesonderte Bewertung des Umweltrisikos für das Tierarzneimittel Baytril (Injection und Oral Solution), die auf den von den Klägerinnen im Verfahren auf Verlängerung der Zulassung für das Tierarzneimittel Baytril in Großbritannien im Jahr 2004 vorgelegten Ökotox-Daten basierte. Die Unterlagen selbst, die der Bewertung zugrunde lagen, wurden der Beklagten nach ihren Angaben, an deren Richtigkeit zu zweifeln keine Veranlassung besteht, nicht zur Verfügung gestellt. Eine unmittelbare Bezugnahme auf Unterlagen im Sinne des § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG bzw. Art. 13 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG kann demnach ausgeschlossen werden. Der vom Referenzmitgliedstaatstaat erstellte Beurteilungsbericht und dessen Ergänzungen sind keine Unterlagen, auf die nach § 24b Abs. 1 AMG oder den ihm zugrunde liegenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften Bezug genommen werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28.11.2007 - 11 ME 291/07 -). Vielmehr stellt er eine Zusammenfassung der für die Zulassungsentscheidung wesentlichen Kriterien dar und ist dazu bestimmt, den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten die Anerkennung der bereits erteilten Zulassung zu ermöglichen (Kortland in: Kügel/Müller/Hofmann, Kommentar zum Arzneimittelgesetz, 1. Aufl. 2012, § 25b AMG Rn 15). Der Referenzmitgliedstaat hat nachArt. 32 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG den Beurteilungsbericht innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrages zu erstellen oder zu aktualisieren. Sodann hat nach Art. 32 Abs. 2 Satz 4 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG der Referenzmitgliedstaat den Beurteilungsbericht und die genehmigte Zusammenfassung der Merkmale des Tierarzneimittels, die Etikettierung und die Packungsbeilage den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller zu übermitteln. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Anerkennung. Spiegelbildlich zum Anerkennungsanspruch des Antragstellers haben gemäß Art. 32 Abs. 4 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG die vom Anerkennungsantrag betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von 90 Tagen nach Eingang den Beurteilungsbericht, die Zusammenfassung der Merkmale des Tierarzneimittels, die Etikettierung und die Packungsbeilage zu billigen und den Referenzmitgliedstaat hiervon in Kenntnis zu setzen. Dieser stellt das Einverständnis aller Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller. NachArt. 32 Abs. 5 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG haben die betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von 30 Tagen nach Feststellung des Einverständnisses eine (nationale) Zulassung in Übereinstimmung mit dem Beurteilungsbericht, der Zusammenfassung der Merkmale des Tierarzneimittels, der Etikettierung und der Packungsbeilage in ihrer genehmigten Form zu erteilen.

40

Unabhängig davon, dass der Beklagten die Ökotox-Daten der Klägerinnen selbst nicht vorlagen, sondern nur in der bearbeiteten Form des Beurteilungsberichts der britischen Zulassungsbehörde, sah die Beklagte diesen ein, um die britische Zulassungsentscheidung nachzuvollziehen und den im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung allein vorgesehenen materiellen Ablehnungsgrund der schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt in der Sache prüfen zu können. Dabei handelte es sich aber nicht um eine direkte Bezugnahme auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen, die die fehlende Vorlage von Ökotox-Daten der Firma K. bzw. der Beigeladenen in einem nationalen generischen Verfahren ersetzen sollte. Die Beklagte war - wie bereits ausgeführt - an die Entscheidung der britischen Zulassungsbehörde gebunden. Sie konnte daher über den allein vorgesehenen Ablehnungsgrund hinaus keine zusätzlichen Kontrollen verlangen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 10.07.2008, aaO, Rn 70). Dementsprechend konnte sie auch nicht überprüfen, ob die britische Zulassungsbehörde zu Recht die Ökotox-Daten der Klägerinnen ihrer Zulassungsentscheidung zugrunde gelegt hat oder selbst auf diese Bezug nehmen. Dieses wäre mit einer zusätzlichen Kontrolle verbunden gewesen, zu der die Beklagte nicht befugt war. Maßgebliche Grundlage für ihre Entscheidung sollte und konnte nur der Beurteilungsbericht des Referenzmitgliedstaats sein. Lediglich in diesem Rahmen konnte die Beklagte - wie geschehen - den Referenzmitgliedstaat um weitere Erläuterungen des Beurteilungsberichts bitten, um diesen besser nachvollziehen zu können und eine schwerwiegende Gefahr insbesondere für die Umwelt auszuschließen oder anderenfalls das gesetzlich vorgesehene Schiedsverfahren nach Art. 33 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG einzuleiten. Es handelt sich daher bei den von der britischen Zulassungsbehörde vorgelegten Unterlagen lediglich um ihr allein zuzurechnende Erläuterungen und Erklärungen zu dem von ihr erstellten Beurteilungsbericht, den die Beklagte nach Prüfung gebilligt hat.

41

Soweit die Klägerinnen meinen, die britische Zulassungsbehörde habe bei ihrer Bezugnahme auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen nicht hinreichend beachtet, dass die nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG zu gewährende Schutzfrist von zehn Jahren nach Erteilung der Erstgenehmigung für das Referenzarzneimittel wegen der Vorlage im Jahr 2004 zum Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung vom 9. September 2005 noch nicht abgelaufen gewesen sei, ist diese Einlassung nach dem Vorstehenden unerheblich. Abgesehen davon hat die Beigeladene diesem Vorbringen unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des EuGH zum gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelrecht (Urt. v. 3.12.1998 - C 368/96 -, Pharma Recht 1999, 45; Urt. v. 29.4.2004 - C 106/01 -, veröff. in [...]) die tragfähige Erwägung entgegengesetzt, dass die Vorlage von neuen Unterlagen zum Beleg für erweiterte Anwendungsgebiete bzw. Indikationen eines zugelassenen Arzneimittels, das wegen Ablaufs der Schutzfristen nicht dem Verwertungsverbot unterliege, nicht erneut die Schutzfrist in Gang setzt. Im Übrigen erschöpft sich der Schutzzweck der Vorschrift darin zu verhindern, dass ein durch die eigene Leistung des Zulassungsinhabers und "Originalherstellers" gebildeter Wert in Form der kostenaufwendigen Schaffung der Zulassungsvoraussetzungen durch eine behördliche Entscheidung zugunsten eines Konkurrenten, der sich entsprechende Aufwendungen durch die bloße Bezugnahme auf diese Unterlagen erspart, gleichsam "transferiert" und dadurch ökonomisch gemindert wird. Ein entsprechender Unterlagenschutz ist jedoch nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/28/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG nur bis zu zehn Jahren vorgesehen (§ 24b Abs. 1 AMG). Daraus folgt, dass die Rechte des innovativen Herstellers nur für diese begrenzte Zeit geschützt und die Unterlagen anschließend mehr oder weniger frei verfügbar sein sollen. Soweit sich ein innovativer Unternehmer nach Ablauf dieser Frist darauf beruft, ein generisches Tierarzneimittel sei ohne seine Zustimmung unter Bezugnahme auf seine im Verfahren zur Verlängerung der Erstzulassung vorgelegten Ökotox-Daten zugelassen worden, kann er damit nicht mehr den bereits ausgelaufenen Schutz seiner Unterlagen wieder herstellen. Soweit die Klägerinnen meinen, ihre im Jahr 2004 in Großbritannien vorgelegten Ökotox-Daten unterlägen nicht dem zehnjährigen Unterlagenschutz und seien deshalb auf Dauer gegen Zugriffe Dritter geschützt, folgt der Senat dem nicht. Der Schutz der Ökotox-Daten des Erstantragstellers hat sich an dem arzneimittelrechtlichen System des Unterlagenschutzes zu orientieren. Die subjektive Rechtsposition eines Herstellers von Originalpräparaten in Bezug auf die Ökotox-Daten geht nach Auffassung des Senats nicht weiter als diejenige, die ihm hinsichtlich der übrigen Unterlagen zusteht, die anlässlich eines ersten Zulassungsverfahrens vorzulegen sind (z.B. die Ergebnisse von klinischen und vorklinischen Untersuchungen). Der arzneimittelrechtliche Unterlagenschutz nach § 24b Abs. 1 AMG endet indessen nach exklusiver Vermarktung des Originalpräparats über einen Zeitraum von zehn Jahren, der hier bereits verstrichen war. Eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Herstellers des Generikums, im generischen Zulassungsverfahren und im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung aktuelle eigene Ökotox-Daten vorzulegen, vermittelt dem Hersteller des Originalpräparats nach Ablauf der zehnjährigen Schutzfrist auch unter Berücksichtigung einer effektiven Durchsetzung des Unionsrechts keine subjektive Rechtsposition mehr. Denn es ist nicht systemgerecht, dem Schutz der Unterlagen des Tierarzneimittels des Vorantragstellers, für die er als innovativer Unternehmer und Hersteller des Referenzarzneimittels weitaus höhere Investitionen aufgewendet hat, eine geringeres Gewicht zuzumessen als seinen im Verfahren der Verlängerung der Erstzulassung nachgereichten Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Tierarzneimittels. Deren Verwendung nach Ablauf des zehnjährigen Unterlagenschutzes führt im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht zu einem Anspruch des Erstantragstellers auf Aufhebung einer anerkennenden Zulassungsentscheidung.

42

Die Klägerinnen rügen deshalb auch vergeblich eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG wegen der aus ihrer Sicht kompensationslosen Nutzung von Zulassungsunterlagen und dem darin verkörperten pharmakologisch-medizinischen Know-how und von Art. 12 Abs. 1 GG wegen des vorgetragenen rechtswidrigen Eingriffs in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bzw. in das Recht auf chancengleiche Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Da hinsichtlich des von den Klägerinnen in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückten Schutzes von Ökotox-Daten die Voraussetzungen des § 24b AMG nach dem Vorgesagten nicht vorliegen, weil die Beklagte in dem von der Beigeladenen eingeleiteten Verfahren für die Anerkennung der Zulassung von Enroxil nicht unmittelbar auf Ökotox-Daten der Klägerinnen Bezug genommen hat und zudem der Unterlagenschutz bereits abgelaufen war, ist schon fraglich, ob ein tragfähiger Anknüpfungspunkt für eine Verletzung von Grundrechten der Klägerinnen durch die Zulassungsentscheidung der Beklagten überhaupt noch vorliegt.

43

Davon abgesehen hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 24b AMG die für einen Eingriff in den Schutzbereich der Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG erforderliche Rechtsgrundlage zur Verwertung der von dem Erstantragsteller vorgelegten Unterlagen geschaffen. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von § 24b AMG bestehen keine Bedenken. Die Vorschrift bringt die Interessen des Erstantragstellers und des Zweitantragstellers in einen gerechten Ausgleich. Der Vorantragsteller kann nach der aktuellen Rechtslage im Falle der (Neu-)Zulassung sein Arzneimittel, für das er unter Umständen hohe Entwicklungskosten aufgewendet hat, auf dem Markt platzieren, ohne innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren befürchten zu müssen, dass der Zweitantragsteller mit einem Nachahmerpräparat auf die Zulassungsunterlagen einschließlich der Unterlagen zur Bewertung möglicher Umweltrisiken des Erstantragstellers Bezug nimmt. Mit dieser "Zulassungssperre" wird dem Schutz der von den Klägerinnen angeführten Rechtsgüter aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG angemessen Rechnung getragen. Die vorgenannten Grundrechte gewähren nicht das Recht auf konkurrenzlosen Vertrieb des zuerst angemeldeten und zugelassenen Arzneimittels (OVG Berlin, Beschl. v. 10.11.1994 - 5 S 36.94 -, a.a.O., zu § 24 a AMG a.F.).

44

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die hier angegriffene Zulassungsentscheidung der Beklagten auch nicht die Grundrechte der Klägerinnen aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Die durch § 24b AMG grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Bezugnahme nach Ablauf der Schutzfrist beeinträchtigt nicht die Chancengleichheit im Wettbewerb in unfairer Weise, sondern gewährleistet einen sachgerechten Interessenausgleich. Dies gilt auch für die Verwendung von Ökotox-Daten nach Ablauf des Unterlagenschutzes.

45

Der Bescheid der Beklagten vom 10. November 2006 verletzt danach keine subjektiven Rechte der Klägerinnen, so dass ihrer Berufung insgesamt der Erfolg versagt bleiben muss.