Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.06.2012, Az.: 8 PA 65/12
Zumutbarkeit von Bemühungen um die Ausstellung eines Passes durch einen Ausländer albanischer Staatsangehörigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.06.2012
- Aktenzeichen
- 8 PA 65/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 18227
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0607.8PA65.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 08.03.2012 - AZ: 5 A 307/11
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 AufenthV
- § 6 S. 1 Nr. 1 AufenthV
Redaktioneller Leitsatz
Eine im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthV bestehende Unzumutbarkeit des Erlangens eines Nationalpasses des Heimatstaates kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wobei die den Ausnahmefall begründenden Umstände vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen sind. Je gewichtiger die vom Ausländer plausibel vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit.
Gründe
Die gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Recht abgelehnt.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hier fehlt der Rechtsverfolgung der Klägerin die erforderliche Erfolgsaussicht. Nach der im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362) steht ihr der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer voraussichtlich nicht zu.
Nach §§ 5 Abs. 1, 6 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsverordnung - AufenthV - vom 25. November 2004 (BGBl. I S. 2945), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044), wird einem im Bundesgebiet lebenden Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG innehat.
Der im Bundesgebiet lebenden Klägerin ist hier zwar eine Niederlassungserlaubnis erteilt worden und sie besitzt nachweislich keinen gültigen Pass oder Passersatz. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sie einen Pass oder Passersatz der Republik Albanien nicht auf zumutbare Weise erlangen kann.
Als zumutbar gilt es nach § 5 Abs. 2 AufenthV insbesondere, derart rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit eines Passes oder Passersatzes bei den zuständigen Behörden im In- und Ausland die erforderlichen Anträge für die Neuerteilung oder Verlängerung zu stellen, dass mit der Neuerteilung oder Verlängerung innerhalb der Gültigkeitsdauer des bisherigen Passes oder Passersatzes gerechnet werden kann (Nr. 1), in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates nach dem Recht des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt (Nr. 2), die Wehrpflicht, sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar ist, und andere zumutbare staatsbürgerliche Pflichten zu erfüllen (Nr. 3) oder für die behördlichen Maßnahmen die vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren zu zahlen (Nr. 4).
Welche konkreten Anforderungen an das - gerichtlich vollständig überprüfbare (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.2.1996 - 11 S 2744/95 -, InfAuslR 1996, 304, 305) - Vorliegen einer Unzumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist es im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passes regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reiseauweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind. Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen. Dabei ist bei den Anforderungen an den Nachweis zu differenzieren. Je gewichtiger die vom Ausländer plausibel vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit (vgl. Senatsbeschl. v. 11.4.2012 - 8 ME 224/11 -, [...] Rn. 4; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 -, [...] Rn. 14 m.w.N.).
Hieran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Klägerin zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch die Republik Albanien verwiesen hat.
Die Klägerin ist voraussichtlich albanische Staatsangehörige. Sie hat nach der Einreise in das Bundesgebiet im Jahre 1985 behauptet, diese Staatsangehörigkeit zu besitzen. Sie ist ausweislich ihrer Geburtskurkunde in das Grundregister der Staatsangehörigen der Republik Albanien eingetragen (vgl. Bl. 20 f. Beiakte B). Für den Zeitraum vom 28. April 1999 bis zum 28. April 2004 war ihr zudem ein gültiger Pass der Republik Albanien erteilt worden. Die Klägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass die von ihr im Rahmen des Verfahrens auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erstrebte Entlassung aus der albanischen Staatsangehörigkeit bereits erfolgt ist. Von ihr im Jahre 2004 vorgelegte Bescheinigungen über den Verlust der albanischen Staatsangehörigkeit stellten sich nach Mitteilung der Botschaft der Republik Albanien als Fälschungen heraus. Auch aus dem vorgelegten Schreiben der Republik Albanien - Institucioni i Presidentit të Republikës Drejtoria Juridike dhe e Koordinimit - vom 18. November 2009 (Bl. 46 der Gerichtsakte) ergibt sich lediglich ein Hinweis auf die in Albanien für Staatsangehörigkeitsfragen zuständige Behörde und die Möglichkeit der Entlassung aus der albanischen Staatsangehörigkeit auf Antrag. Zugleich wird der Klägerin bescheinigt, bis dahin keinen Antrag auf Entlassung aus der albanischen Staatsangehörigkeit gestellt zu haben.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einen Pass der Republik Albanien nicht auf zumutbare Weise erlangen kann. Nach dem Schreiben der Botschaft der Republik Albanien in Berlin vom 10. Februar 2009 (Bl. 45 der Gerichtsakte) können albanische Staatsangehörige dort einen Reisepass der Republik Albanien beantragen. Der Antragsteller hat hierzu persönlich eine Geburtsurkunde und mehrere Lichtbilder vorzulegen. Die Kosten betragen insgesamt 130 EUR. Abweichendes ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Schreibens der Botschaft der Republik Albanien in Berlin vom 12. März 2012 (Bl. 47 der Gerichtsakte) nicht. Dieses Schreiben betrifft lediglich die Gültigkeitsdauer der bisher ausgestellten nicht-biometrischen Reisepässe und die Ausstellung von Passersatzpapieren, nicht aber die Ausstellung neuer Reisepässe. Die Ausstellung dieser ist auch nach den aktuellen Angaben im Internetauftritt der Botschaft der Republik Albanien in Berlin möglich (vgl. www.botschaft-albanien.de, dort pasaporta biometrike, Stand: 5.6.2012).
Ernsthafte Bemühungen der Klägerin, die genannten Voraussetzungen für die Erteilung eines neuen Reisepasses zu erfüllen, nachdem ihr Pass abgelaufen war oder sie diesen, wie behauptet, verloren hatte, sind nicht ersichtlich. Sie hat insbesondere nicht nachgewiesen, dass sie bei der Botschaft der Republik Albanien in Berlin persönlich einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses gestellt und die vorhandene Geburtsurkunde (vgl. Bl. 20 f. Beiakte B) nebst Lichtbildern dort vorgelegt hat. Ihre unsubstantiierte Behauptung, "mehrfach bei der Botschaft vorgesprochen" zu haben, ist durch nichts belegt. Weder hat die Klägerin ein konkretes Datum genannt, zu welchem sie dort vorgesprochen haben will, noch hat sie eine durchaus übliche Bestätigung der Botschaft beigebracht, welche die dortige Vorsprache und Antragstellung dokumentiert.