Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
v. 20.06.2012, Az.: 7 LB 140/06
Vertreibung der armenischen Bevölkerungsgruppe Aserbaidschans durch das aserbaidschanische Staatsangehörigkeitsgesetz und dadurch begründete politische Verfolgung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.06.2012
- Aktenzeichen
- 7 LB 140/06
- Entscheidungsform
- Teilurteil
- Referenz
- WKRS 2012, 21493
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0620.7LB140.06.0A
Rechtsgrundlage
- § 60 Abs. 1 AufenthG
Fundstellen
- AUAS 2012, 252
- DVBl 2012, 1311
- DÖV 2012, 983
- ZAR 2013, 83
Amtlicher Leitsatz
Artikel 5 Abs. 1 Ziffer 1 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 ist aufgrund der in der aserbaidschanischen Rechtspraxis feststellbaren und mit der Intention des historischen Gesetzgebers übereinstimmenden objektiven Gerichtetheit seiner Handhabung als eine Ausbürgerungsregelung einzuordnen, die trotz ihrer neutralen Formulierung gezielt (allein) armenische Volkszugehörige trifft. Sie dient der juristischen Festschreibung der Ergebnisse einer zuvor staatlich geduldeten, fast vollständigen Vertreibung der armenischen Bevölkerungsgruppe Aserbaidschans. In ihrer Anwendung auf armenische Volkszugehörige kann politische Verfolgung durch eine Ausbürgerung de jure ohne inländische Fluchtalternative in Berg-Karabach liegen.
Tatbestand
Die Kläger sind aus Kirovabad [heute: Ganja] in Aserbaidschan stammende armenische Volkszugehörige mit unter den Beteiligten umstrittener Staatsangehörigkeit. Sie begaben sich Ende 1988 vor dem Hintergrund von Übergriffen auf armenische Volkszugehörige in Aserbaidschan aus der Aserbaidschanischen in die Armenische SSR und übersiedelten nach dem Eintritt des Klägers zu 1 in die sowjetischen Streitkräfte 1989 in die damalige DDR. Der Kläger zu 1 desertierte im April 1993 aus der russischen Armee und die Kläger stellten Asylanträge, die unter Androhung ihrer Abschiebung nach Armenien abgelehnt wurden. Nachdem das Verwaltungsgericht den Klägern Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG zugesprochen hatte und der Rechtsstreit durch das Bundesverwaltungsgericht mehrfach in die Berufungsinstanz zurückverwiesen worden ist, wird in dem Prozess vornehmlich noch um den Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestritten. Insoweit machen die Kläger in erster Linie eine politische Verfolgung in Anknüpfung an ihre Volkszugehörigkeit geltend, und zwar durch Ausbürgerung aus Aserbaidschan und durch ihnen dort drohende Übergriffe und Diskriminierungen.
Am 7. April 1993 stellte der Kläger zu 1 in Hannover einen Asylantrag. Im Rahmen der Ergänzung der Niederschrift dieses Asylantrages und seiner Anhörung am 15. April 1993 (Bl. 13 ff. Beiakte - BA - A) gab er unter anderem Folgendes an: Seine letzte Anschrift im Heimatland habe Aserbaidschan, Stadt Kirovabad, Straße Isaakian 70, gelautet [vgl. die Übersetzung des Inlandspasses, Bl. 404, Rückseite, Bd. III der Gerichtsakte - GA - zu 13 LB 13/05]. Er habe den Beruf eines Mechanikers für Textilanlagen erlernt und 1983 in Kirovabad seinen Berufsabschluss erworben. In Armenien gelte er als Flüchtling. Dort habe er auch kein Haus. Er sei in Armenien als Flüchtling geführt worden. Da er für seine Familie (Frau und drei Kinder) kein Zuhause gehabt habe, sei er freiwillig zur Armee gegangen. Seit 1989 sei er als Soldat in Leipzig gewesen; die letzten sieben Monate dann in Oschatz. Er sei in der russischen Armee Unteroffizier gewesen. Am 1. April 1993 habe er sich inoffiziell von der russischen Armee abgesetzt. Wenn er nach Armenien zurückkehre, müsse er in den Krieg ziehen.
Die Klägerin zu 2 stellte am 23. Februar 1993 für sich und die Kläger zu 3 bis 5 einen Asylantrag (Bl. 1 BA B), in dem sie angab, ihre letzte Anschrift im Heimatland habe Kirov-abad, Schirwanie Str. 12, [vgl. die Übersetzung des Inlandspasses - Bl. 405, Rückseite, Bd. III GA zu 13 LB 13/05] gelautet. Im Rahmen der Ergänzung der Niederschrift dieses Asylantrages und ihrer Anhörung am 4. Juli 1994 (Bl. 24 ff. BA B) ließ sich die Klägerin zu 2 unter anderem dahin ein, dass sie [die Kläger zu 2 bis 5] Ende August 1989 mit dem Flugzeug [ins heutige] Bundesgebiet eingereist seien. Ihr erlernter Beruf sei Musikerin (Klavier) und sie habe 1979 in Kirovabad die Fachschule abgeschlossen. Seit 1960 bis 1988 hätten sie in Aserbaidschan gelebt. Danach hätten sie noch bis zu ihrer Versetzung in die ehemalige DDR in Eriwan/Armenien in verschiedenen Wohnungen zur Miete gelebt. Die Einheit des Klägers zu 1 sei dort stationiert gewesen. Im Mai 1989 sei der Kläger zu 1 in die ehemalige DDR versetzt worden. Sie sei ihm als Familienangehörige mit den drei Kindern im August 1989 gefolgt. Nach Aserbaidschan hätten sie nicht zurückkehren können; dort wären sie umgebracht worden. Der Kläger zu 1 gelte jetzt als Deserteur; im Falle einer eventuellen Rückkehr drohe ihm der Tod.
Mit Bescheid vom 24. Mai 1996 lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger ab (Ziffer 1). Es stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Ziffer 2) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Ziffer 3) nicht vorlägen. Schließlich drohte es den Klägern die Abschiebung nach Armenien an und wies darauf hin, dass sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könnten, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Ziffer 4). Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus: GemäßArt. 16a Abs. 1 GG genössen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine begründete Furcht vor politischer Verfolgung im Heimatstaat sei dann zu bejahen, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Obwohl die Kläger aus Aserbaidschan stammten, besäßen sie als armenische Volkszugehörige ein Aufenthaltsrecht in Armenien, weil sie dort einen Wohnsitz begründet gehabt hätten. Nach der Verwaltungspraxis armenischer Behörden würden alle ehemaligen sowjetischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Armenien als armenische Staatsangehörige behandelt. Von armenischer Seite würden Deserteure der früheren Sowjetarmee nicht zur Rechenschaft gezogen oder anderweitig verfolgt. Nach diesem Sachverhalt bestehe auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG.
Gegen diesen den Klägern zu 1 und zu 2 jeweils am 14. Juni 1996 zugestellten Bescheid haben der Kläger zu 1 und die Kläger zu 2 bis 5 getrennt voneinander am 20. Juni 1998 zwei Klagen erhoben (GA zu 14 A 3802/98 bzw. zu 14 A 3803/98).
Zur Begründung dieser Klagen haben sie unter anderem Folgendes vorgetragen (Bl. 18 ff. GA zu 14 A 3802/98 i.V.m. Bl. 19 GA zu 14 A 3803/98): Sein, des Klägers zu 1, Vater I., sei in Karabach, staatsrechtlich zu Aserbaidschan gehörend, geboren. Vom 1. September 1982 bis 1985 habe er, der Kläger zu 1, parallel zu seiner Arbeit, die er von 1980 bis Juli/August 1988 in Kirovabad bei einem Zentralservice für Autoreparaturen abgeleistet habe, ein Technikum in Kirovabad absolviert. Zum Verlassen Aserbaidschans sei es wie folgt gekommen (Bl. 21 f. GA zu 14 A 3802/98): Die Klägerin zu 2 sei mit den Kindern von Mai 1988 bis September 1988 bei Verwandten in Russland, in Kislow[o]dsk, Kreis Stawropol, zu Besuch gewesen. Es sei damals sicherer erschienen, den Kläger zu 5 außerhalb des aserbaidschanischen Territoriums zur Welt kommen zu lassen. Die Geburtsurkunde des in Kislowodsk geborenen Klägers zu 5 [vom 11. September 1988 - Übersetzung Bl. 37 BA B], sei jedoch von der zuständigen und sich auch als zuständig ansehenden aserbaidschanischen Behörde ausgestellt worden [Personenstandsamt eines Bezirkes der Stadt Kirovabad - vgl. Bl. 37 BA B]. Nach der Rückkehr der Kläger zu 2 bis 5 nach Kirovabad habe es eine Zunahme der Feindseligkeiten zwischen Aseris und ethnischen Armeniern gegeben. Aus Armenien seien seinerzeit fünf Flugzeuge zur Evakuierung der armenischen Volkszugehörigen aus Kirovabad gekommen. An dieser Evakuierungsaktion hätten die Kläger zu 3 bis 5 teilgenommen, wohingegen er, der Kläger zu 1, in Kirovabad verblieben sei. Der Grund, warum er [wenig später] ebenfalls Aserbaidschan verlassen habe, sei, dass er keine Arbeit habe finden können und die Situation aufgrund der zunehmenden Feindseligkeiten zwischen aserischen und armenischen Volkszugehörigen auch für ihn bedrohlicher geworden sei. Einen regulären, geschweige denn dauerhaften Wohnsitz unter Anmeldung in Armenien hätten weder er noch die Kläger zu 2 bis 5 gehabt. Die kurze Stationierung bei der Einheit 74296 in Etschmiadsin habe keine nach armenischem Staatangehörigkeitsrecht erhebliche Wohnsitznahme bewirkt. Auch seien sie, die Kläger, in Armenien nie als Flüchtlinge geführt worden (Bl. 23 GA zu 14 A 3802/98). Sie seien aserbaidschanische Staatsangehörige und hätten diese Staatsangehörigkeit beibehalten, sodass für die Prüfung ihrer Asylbegehren auf Aserbaidschan als Verfolgerstaat abzustellen sei. Als armenische Volkszugehörige unterlägen sie in Aserbaidschan einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung. Berg-Karabach scheide für sie als inländische Fluchtalternative aus. Armenische Staatsangehörige seien sie nicht. Zum Beweis dafür beziehe er, der Kläger zu 1, sich auf eine dies (für seine Person) bestätigende Urkunde der Botschaft der Republik Armenien Bonn vom 26. Juni 1998 (Bl. 91 GA zu 14 A 3802/98).
Die Klägerin zu 2 hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung erster Instanz unter anderem angegeben (Bl. 166 f. GA zu 14 A 3802/98): Anfang Dezember 1988 hätten sie in Kirovabad in ständiger Angst gelebt. Sie selber habe sich mit den Klägern zu 3 bis 5 zu Hause verschanzt, das heiße alles verriegelt. Die sowjetische Armee habe die Flucht von armenischen Frauen, Kindern und alten Menschen aus Kirovabad organisiert. Sie, die Kläger zu 2 bis 5, seien mit Bussen zum Flugplatz gebracht und mit drei Flugzeugen nach Armenien geflogen worden. Sie hätten ihren Wohnsitz vorher nicht abgemeldet. Daran habe keiner gedacht. Etwa eine Woche vor dem Erdbeben seien sie in Eriwan angekommen. Sie hätten sich dort nicht angemeldet. Bekannte hätten ihnen eine Unterkunft in einem Wohnheim besorgt. Der Kläger zu 1 sei etwa drei bis vier Wochen nach ihnen gekommen; Ende Dezember 1988. Auf Befragen ihres Prozessbevollmächtigten haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung erster Instanz erklärt, dass sie in Berg-Karabach keine Verwandten hätten (Bl. 167 GA zu 14 A 3802/98).
Der Kläger zu 1 und die Kläger zu 2 bis 5 haben in den Verfahren 14 A 3802/98 bzw. 14 A 3803/98 jeweils beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24. Mai 1996 aufzuheben, soweit er den Kläger [zu 1] bzw. die Kläger [zu 2 bis 5] betrifft, und die Beklagte zu verpflichten den Kläger [zu 1] bzw. die Kläger [zu 2 bis 5] als Asylberechtigte anzuerkennen, ferner [die Beklagte zu verpflichten] festzustellen, dass bei ihm bzw. ihnen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte hat jeweils schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit zwei Urteilen vom 18. März 1999 - 14 A 3802/98 bzw. 14 A 3803/98 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, bei dem Kläger zu 1 bzw. bei den Klägern zu 2 bis 5 die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf das Gebiete der Republik Aserbaidschan - einschließlich Nagorny-Karabach - festzustellen. Es hat die Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24. Mai 1996 vollständig aufgehoben und die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des Bescheides insoweit, als darin Aserbaidschan als Zielland nicht ausgenommen worden ist. Im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen.
Zur Begründung dieser Urteile hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen übereinstimmend ausgeführt: Die Kläger könnten eine Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG nicht beanspruchen, weil sie nach ihrer Flucht aus Aserbaidschan Ende bzw. Anfang Dezember 1988 in Armenien vor Verfolgung sicher gewesen seien (§ 27 AsylVfG). Bei ihnen lägen jedoch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf Aserbaidschan vor. Für die Frage einer den Klägern drohenden politischen Verfolgung komme es nicht auf die Verhältnisse in Armenien, sondern auf die Situation in Aserbaidschan an. Die Kläger hätten die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit erworben und behalten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie auch die armenische Staatsangehörigkeit erworben hätten. Das Gericht sei aufgrund der Auskunftslage und der Befragung der Kläger in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass sie Aserbaidschan wegen begründeter Furcht vor politischer Verfolgung und damit vorverfolgt im Rechtssinne verlassen hätten. Zum jetzigen Zeitpunkt unterlägen in der Republik Aserbaidschan Angehörige der armenischen Minderheit - wie das Auswärtige Amt feststelle - "in hohem Maße einer mittelbaren staatlichen Verfolgung". Eine inländische Fluchtalternative stehe den Klägern als Angehörigen der armenischen Minderheit auch in Nagorny-Karabach nicht zur Verfügung. Ein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Ziellandes der Abschiebungsandrohung Armenien sei nicht gegeben. Die Ziffer 3 des ablehnenden Bescheides unterliege nicht der Aufhebung; denn Abschiebungshindernisse für das Zielland Armenien im Sinne des § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG seien nicht erkennbar. Dass den Klägern bei einer Abschiebung nach Armenien eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG drohe, lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des Bescheides des Bundesamtes vom 24. Mai 1996 sei allerdings insoweit rechtsfehlerhaft und aufzuheben, als darin Aserbaidschan als Zielland der Abschiebung nicht ausdrücklich ausgenommen worden sei (§ 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG).
Gegen diese ihm am 10. Mai 1999 zugestellten Urteile hat der Beteiligte am 21. Mai 1999 die Zulassung der Berufung beantragt (Bl. 145 ff. GA zu 14 A 3803/98). Diesem Begehren hat der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (nach Verbindung der beiden Zulassungsverfahren) mit Beschluss vom 22. Mai 2000 - 13 L 2630/99 -, berichtigt am 3. Juli 2000, entsprochen, weil er eine Divergenz u.a. zu seinem Beschluss vom 2. Dezember 1998 - 13 L 5253/98 - angenommen hat, mit dem er - ohne insoweit wegen vorliegender oder mangelnder Vorverfolgung zu differenzieren - generell eine inländische Fluchtalternative von "Armeniern aus Aserbaidschan" in Nagorny-Karabach bejaht habe.
Mit einem am 9. Juni 2000 eingegangenen Schriftsatz, hat der Beteiligte seine Berufung begründet. Er hat in dem ersten Berufungsverfahren u.a. geltend gemacht (Bl. 302 GA zu 13 L 1954/00), Art. 20 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrechts [von 1990] regele ausdrücklich den Verlust einer etwa erworbenen aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit. Mit der Annahme, der Verlust der Staatsangehörigkeit sein hiernach "formell" erst mit einer entsprechenden Registrierung eingetreten, sei nicht widerlegt, dass dieser Verlust in materieller Hinsicht bereits nach mehr als fünfjährigem Auslandsaufenthalt ohne Meldung bei den aserbaidschanischen Konsulardienststellen vorliege. Im Übrigen sei bei einer Rückkehrprognose zu berücksichtigen, dass im Zuge einer Rückkehr eine Kontaktaufnahme mit den aserbaidschanischen Behörden erforderlich wäre, die zu einer nachträglichen Registrierung der maßgeblichen Umstände führen müsste. Des Weiteren unterlägen armenische Volkszugehörige in Aserbaidschan keiner Gruppenverfolgung mehr. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass die Abschiebungsandrohung teilweise rechtswidrig sei, könne keinen Bestand haben.
Der Beteiligte hat beantragt,
unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover vom 18. März 1999 - 14 A 3802/98 und 14 A 3803/98 - die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Kläger haben beantragt (Bl. 323 GA zu 13 L 1954/00),
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung aufzuheben (hilfsweise die Beklagte zur erneuten Ermessensausübung nach Auffassung des Gerichts zu verpflichten) sowie unter teilweiser Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 24. Mai 1996 die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m.Art. 3 EMRK, hilfsweise § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bezüglich Aserbaidschans vorliegen.
Mit Beschluss vom 3. April 2002 - 13 L 1954/00 - (Bl. 372 ff. GA zu 13 L 1954/00) hat der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auf die Berufung des Beteiligten die Klagen insgesamt abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Er ist davon ausgegangen, dass die Kläger die Staatsangehörigkeit Aserbaidschans besäßen, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Aserbaidschans jedoch nicht vorlägen. Eine (Gruppen-) Verfolgung der Kläger als armenische Volkszugehörige sei in Aserbaidschan nicht (mehr) anzunehmen. Aserbaidschan habe nicht als Staat bezeichnet werden müssen, in den sie nicht abgeschoben werden dürften. Die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Androhung der Abschiebung nach Armenien sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, vielmehr bestandskräftig. Ihren Antrag, Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG festzustellen, hätten die Kläger auf Aserbaidschan bezogen, wohin sie nach dem angefochtenen Bescheid gar nicht abgeschoben werden sollten. Davon abgesehen seien auch hinsichtlich Aserbaidschans Abschiebehindernisse nicht festzustellen.
Den Beschluss vom 3. April 2002 hat das Bundesverwaltungsgericht auf eine Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger mitBeschluss vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 B 198/02 - (Bl. 450 ff. GA zu 13 L 1954/00) aufgehoben. Es hat die Sache zurückverwiesen und u.a. ausgeführt: Die Kläger hätten politische Verfolgung durch eine an ihre armenische Volkszugehörigkeit anknüpfende dauernde Einreiseverweigerung geltend gemacht sowie die Gefahr einer mittelbaren Gruppenverfolgung für aus dem Ausland zurückkehrende armenische Volkszugehörige, die aufgrund ihrer Sprache, ihrer Namensführung und ihrer christlichen Religion (sowie hinsichtlich der Kläger zu 3 bis 5 durch den Nichtgebrauch der aserischen Sprache) als solche erkennbar wären und verfolgt würden. Hierauf und auf die dazu gestellten Beweisanträge sei das Berufungsgericht unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger nicht eingegangen.
In dem daraufhin erneut anhängigen Berufungsverfahren (13 LB 179/03) hat der Beteiligte unter Bezugnahme auf ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2002 - 1 L 239/01 - sinngemäß ergänzend vorgetragen (Bl. 14 ff. Bd. I GA zu 13 LB 179/03): Die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit der Kläger sei zu bezweifeln. Es spreche ganz Überwiegendes dafür, dass sie nach der aserbaidschanischen Rechtspraxis, auf die es für die Beurteilung der Staatsangehörigkeit ankomme, nicht mehr als aserbaidschanische Staatsangehörige behandelt würden. Nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsrechts der Aserbaidschanischen Republik spreche bereits vieles dafür, dass die Kläger die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nie erworben hätten; denn sie hätten Aserbaidschan bereits zu einem Zeitpunkt verlassen, als es noch keine eigene aserbaidschanische Staatsangehörigkeit gegeben habe. Damals seien sie Staatsangehörige der Sowjetunion gewesen. Ein Erwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit käme allenfalls auf Grund des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 in Betracht. Ein Erwerb der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 11 dieses Gesetzes sei trotz anders lautender Auskünfte nicht plausibel. Überzeugend weise das Institut für Ostrecht (Auskunft vom 22. 11. 2000 an das VG Berlin) darauf hin, dass diese Vorschrift nur Personen betreffe, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geboren worden seien. Ein erstmaliger Erwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit könnte deshalb nur gemäß Art. 4 aserbaidschanisches Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1990, der gemäß Art. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 fortwirken würde, stattgefunden haben. Danach seien Staatsangehörige der Aserbaidschanischen SSR Personen, die sich am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes im Besitz der "Staatsangehörigkeit" - mit dem Begriff könne nur die Republikzugehörigkeit gemeint sein, weil es nur eine Staatsangehörigkeit der UdSSR gegeben habe - der aserbaidschanischen SSR befanden. Die Republikzugehörigkeit sei damals nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt gewesen. Allerdings hätte die obersten Verfassungsorgane der Aserbaidschanischen SSR in den 80er Jahren eine Reihe von Ausführungsbestimmungen zum Unionsangehörigkeitsgesetz der UdSSR erlassen. Im Ergebnis sei es so gewesen, dass die Republikangehörigkeit durch den ständigen Wohnsitz vermittelt worden sei. Dies habe bedeutet, dass die Kläger bis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise im Jahr 1988 die aserbaidschanische Republikzugehörigkeit gehabt hätten. Die aserbaidschanische Republikzugehörigkeit könnten sie aber durch ihre dauerhafte Ausreise aus Aserbaidschan im Jahr 1988 verloren haben. Laut Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 22. November 2000 (s. o.) habe sich die Republikzugehörigkeit mit der Verlagerung des Wohnsitzes von einer Sowjetrepublik in die andere geändert. Dies habe auch dann gegolten, wenn die amtliche Meldung bestehen geblieben sei und der Aufenthalt lediglich faktisch geendet habe. Treffe dies zu, so hätten die Kläger bereits 1988 ihre Republikzugehörigkeit zu Aserbaidschan verloren und demgemäß nicht gemäß Art. 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 28. November 1991 die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit erwerben können. Selbst wenn die Republikzugehörigkeit erst mit Beendigung der förmlichen Anmeldung geendet hätte, so könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die amtliche Meldung am früheren Wohnort in Aserbaidschan bis zum Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 aufrecht erhalten worden sei. Die Gutachterin des Instituts für Ostrecht (s. o.) gehe von einer Tilgung nach 1 1/2 Monaten Abwesenheit vom gemeldeten Wohnsitz aus. Angesichts der Unruhen und der Vertreibungsmaßnahmen im Zeitraum von 1988 bis 1991 liege es nahe, dass solche Tilgungen stattgefunden hätten. Selbst wenn die Kläger bei Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 noch die aserbaidschanische Republikzugehörigkeit gehabt und demgemäß die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1 dieses Gesetzes erworben hätten, spreche alles dafür, dass sie sie gemäß Art. 20 Nr. 2 dieses Gesetzes wieder verloren hätten. Danach trete der Verlust der Staatsangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR ein, sofern eine Person mit ständigem Aufenthaltsort im Ausland ihrer Meldepflicht gegenüber dem Konsulat ohne wichtigen Grund fünf Jahre lang nicht nachkomme. Diese Voraussetzungen seien ohne weiteres erfüllt. Es sei zwar nicht geklärt, ob die für den Verlust der Staatsangehörigkeit erforderliche Registrierung (Art. 20 letzter Satz) erfolgt sei. Selbst wenn es daran fehle und die Kläger theoretisch noch die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besäßen, so liege es nahe, dass sie diesen Status verlören, wenn sie sich an eine diplomatische Vertretung ihres Landes wendeten. Zusammenfassend spreche alles dafür, dass die Kläger nicht die Staatsangehörigkeit der aserbaidschanischen Republik besäßen, diese jedenfalls nicht mehr realisieren könnten. Selbst für den Fall einer formal weiter bestehenden aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft dürfte hiernach geklärt sein, dass einer Ausbürgerung, etwaigen Einreiseverweigerung oder fehlenden Aufnahmebereitschaft Aserbaidschans im Hinblick auf die Kläger keine Asylerheblichkeit zuzumessen wäre. Nach der mit der Berufung vertretenen Rechtsauffassung dürften diese Fragen aber letztlich nicht entscheidungserheblich werden, weil von einer zumutbaren Fluchtalternative in Berg-Karabach auszugehen sei, wobei es auf besondere Kenntnisse der armenischen Sprache nicht ankomme, da die Kläger auf den Gebrauch des Russischen verwiesen werden könnten.
Der Beteiligte hat sich auf seinen in dem vorangegangenen Berufungsverfahren gestellten Antrag bezogen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Kläger haben auf ihr gesamtes bisheriges Vorbringen Bezug genommen (Bl. 83 Bd. I GA zu 13 LA 179/03) und hilfsweise "gebeten" (Bl. 41 Bd. I GA zu 13 LA 179/03)
festzustellen, dass die Abschiebungsandrohung nach Aserbaidschan sich nicht bezieht auf das zum völkerrechtlichen Territorium Aserbaidschan gehörende Gebiet außerhalb Berg-Karabachs,
und hilfsweise beantragt (Bl. 166 Bd. I GA zu 13 LA 179/03),
festzustellen, dass eine Abschiebung in ein anderes als in das vom Bundesamt bezeichnete Zielland nicht zulässig ist, bevor nicht in Bezug auf ein solches Land das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51, 53 AuslG geprüft und beschieden ist.
Ihres Erachtens seien eine etwaige Ausbürgerung und Einreiseverweigerung in Bezug auf Aserbaidschan sehr wohl asylerheblich (Bl. 39 Bd. I GA zu 13 LB 179/03). Wer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 de jure die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit (z.B. nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz vom 26. 6. 1990) besessen habe, sei nach dem Art. 5 Abs. 1 dieses Gesetzes von 1998 aserbaidschanischer Staatsangehöriger geblieben; eine zusätzliche Voraussetzung dahingehend, dass der Ort des amtlich gemeldeten Wohnsitzes zugleich der Ort des tatsächlichen ständigen Aufenthalts sei, sei darin nicht enthalten. Das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 26. Juni 1990 habe an den ständigen Wohnsitz angeknüpft, wobei dieser nach allen diesbezüglichen Regelungen und in der Rechtspraxis rein formal bestimmt worden sei. Die Republikzugehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR sei bei Wohnsitzverlagerung/Umzug in eine andere SSR nicht etwa durch einen tatsächlich dauerhaften Aufenthalt in einer anderen Unionsrepublik verloren gegangen; erforderlich dazu wäre vielmehr eine formelle Wohnsitzverlegung gewesen, indem einerseits eine förmliche Abmeldung in der Aserbaidschanischen SSR notwendig gewesen wäre und andererseits eine förmliche Anmeldung in der "neuen" Sowjetrepublik, und zwar durch Erteilung einer so genannten Propiska in den damaligen sowjetischen Inlandspass (Bl. 96 Bd. I GA zu 13 LA 179/03). Eine förmliche amtliche Abmeldung sei in ihrem Falle nicht erfolgt, und es habe weder der sowjetischen Praxis noch derjenigen der Aserbaidschanischen SSR entsprochen, nach 11/2 Monaten tatsächlicher Abwesenheit vom gemeldeten Wohnort (an dem die Propiska bestehe) eine Abmeldung vorzunehmen oder den Verlust der Republikzugehörigkeit anzunehmen. Ein Auslandsaufenthalt von mehr als fünf Jahren habe ohne Registrierung des Verlusttatbestandes nach Art. 20 Nr. 2 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von vom 26. Juni 1990 nicht zum Verlust der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit geführt. In Berg-Karabach bestehe keine inländische Fluchtalternative. Es könne ihnen nicht angesonnen werden, eine neue Staatsangehörigkeit anzunehmen. Anträge auf Erwerb der russischen oder armenischen Staatsangehörigkeit hätten sie nicht gestellt und diese Staatsangehörigkeiten beide nicht erworben. Für sie, die Klägerin zu 2, hätten dies die armenischen Behörden zwischenzeitlich ebenfalls geprüft und die armenische Staatsbürgerschaft in einer Bescheinigung vom 19. August 2003 verneint (Kopie Bl. 116 Bd. I GA zu 13 LA 179/03). Umso weniger bestünden Anhaltspunkte für eine armenische Staatsangehörigkeit für sie, die Kläger zu 3 bis 5, die eine solche nicht von ihren Eltern ableiten könnten.
Mit Beschluss vom 24. November 2003 - 13 LB 179/03 - (Bl. 197 ff. Bd. II GA zu 13 LB 179/03) hat der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auf die Berufung des Beteiligten die Klagen wiederum insgesamt abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht seien Feststellungen des § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich Aserbaidschans schon deshalb nicht zu treffen, weil die Kläger die Staatsangehörigkeit dieses Landes nicht (mehr) besäßen, sodass Aserbaidschan auch nicht als Staat bezeichnet werden müsse, in den sie nicht abgeschoben werden dürften.
Auf weitere Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 12.04 - (Bl. 292 ff. Bd. II GA zu 13 LB 179/03) auch den Beschluss vom 24. November 2003 aufgehoben und die Sache erneut zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs und Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es die Frage der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit der Kläger nur anhand der zitierten ausländischen Rechtsvorschriften aus eigener Rechtskunde beurteilt habe, ohne die ausländische Rechtslage und Rechtspraxis zu ermitteln.
In dem weiteren Berufungsverfahren (13 LB 13/05) hat der Beteiligte unter ergänzender Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen vorgetragen: Nach der Rechtsprechung etwa des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Urt. v. 5. 11. 1998 - 3 A 3139/98 -) wäre in Fällen der vorliegenden Art davon auszugehen, dass früher in der Aserbaidschanischen SSR beheimatetet Personen bei einem über fünf Jahre dauernden Aufenthalt außerhalb Aserbaidschans schon die - etwa - nach der staatlichen Selbständigkeit des Landes erworbene "ursprüngliche" aserbaidschanische Staatsangehörigkeit verloren hätten, und zwar ungeachtet einer Registrierung des Verlusttatbestandes bei den aserbaidschanischen Behörden. Jedenfalls dürfte aber die Erwägung zutreffen, dass vor dem Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 im Zuge einer Flucht oder Evakuierung dauerhaft ausgereiste Personen regelmäßig nicht die mit diesem Gesetz neu geschaffene Staatsangehörigkeit erworben hätten, weil sie nach der Auskunftslage von Amts wegen abgemeldet worden seien. Die Staatsangehörigkeit knüpfe aber an die Registrierung in einem Wohnort in der aserbaidschanischen Republik an. Der nach den tatsächlichen Wohn- und Meldeverhältnissen 1998 sich bemessende gesetzlich geregelte Nichterwerb werde als asylrechtlich unerheblich anzusehen sein, weil er keine Ausbürgerung darstelle. In Bezug auf Aserbaidschan gehegte Verfolgungsbefürchtungen der Kläger wären somit gegenstandlos geworden. Selbst wenn von einer aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit der Kläger auszugehen sein sollte, sei auf die ständige Spruchpraxis des Thüringer Oberverwaltungsgerichts seit dessen Grundsatzentscheidung vom 26. August 2003 - 2 KO 155/03 - zu verweisen (Bl. 367 Bd. III GA zu 13 LB 13/05), wonach armenische Volkszugehörige oder deren Abkömmlinge in Aserbaidschan keiner Gruppenverfolgung mehr unterlägen und zumindest seit 1999 vor an ethnische Merkmale anknüpfender Verfolgung in Aserbaidschan hinreichend sicher seien. Schließlich stünde den Klägern aber auch in Berg-Karabach eine inländische Fluchtalternative offen. Damit sei auch nicht feststellbar, dass etwaige Ansprüche im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf Aserbaidschan bestünden.
Der Beteiligte hat konkludent an seinem Berufungsantrag festgehalten.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt, aber die Auffassung vertreten, dass die Kläger nicht die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besäßen (Bl. 383 f. Bd. III GA zu 13 LB 13/05).
Die Kläger haben beantragt (Bl. 453 Bd. III GA zu 13 LB 13/05),
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die Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise festzustellen, dass eine Abschiebung nicht zulässig ist in einen Staat, in Bezug auf welchen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1, 2 bis 7 AufenthG nicht zuvor geprüft und beschieden ist.
Sie haben unter Hinweis darauf, dass die Ereignisse inzwischen etwa 17 Jahre zurücklägen und sie sich beim besten Willen nicht mehr an genaue Daten erinnern könnten, unter anderem ergänzend vorgetragen (Bl. 372 ff. Bd. III GA zu 13 LB 13/05): Sie, die Kläger zu 2 bis 5, hätten in Eriwan bei einer Familienangehörigen gewohnt. Sie, die Klägerin zu 2, sei gar nicht auf die Idee gekommen, sich von Kirovabad ab- und in Eriwan anzumelden. Er, der Kläger zu 1, habe sich ungefähr im Monat Dezember 1988 alleine von Kirovabad nach Eriwan begeben. Sie hätten sich sodann nicht in einer gemeinsamen Wohnung aufgehalten. Vielmehr habe er, der Kläger zu 1, eine Unterkunft bei einem Bekannten (Freund) genommen. Auch er sei nicht auf die Idee gekommen, sich ab- und anzumelden, da er davon ausgegangen sei, dass sich die Lage möglicherweise ändern werde und er schließlich in Kirovabad noch ein Haus, ein Grundstück und seine nächsten Familienangehörigen, wie seinen Vater, gehabt habe. Im August 1989 seien für sie, die Kläger zu 2 bis 5, die sich (ohne dort angemeldet oder förmlich registriert zu sein) in der Armenischen SSR aufgehalten hätten, in der Aserbaidschanischen SSR, in Baku, blaue, den Angehörigen von Militärpersonen vorbehaltene Auslandsreisepässe ausgestellt worden, die ihnen nach Eriwan geschickt worden seien (Bl. 393 Bd. III GA zu 13 LB 13/05). Mit diesen Pässen seien sie dem Kläger zu 1 in die damalige DDR nachgereist, hätten die Pässe dann aber bei der Militäreinheit in Leipzig abgeben müssen.
Die Staatsangehörigkeit der Republik Aserbaidschan gemäß dem Gesetz vom 30. September 1998 stelle nach dem staatsrechtlichen Verständnis Aserbaidschans im Verhältnis zu der Staatsangehörigkeit gemäß dem Gesetz vom 26. Juni 1990 keine neue Staatsangehörigkeit dar, sondern es handele sich insoweit lediglich um eine modifizierende Neuregelung (Bl. 316 Bd. III GA zu 13 LB 13/05). De jure hätten Personen wie sie selbst, die nach dem Gesetz vom 26. Juni 1990 Staatsangehörige Aserbaidschans gewesen seien, unter dem Schutz der Aserbaidschanischen Verfassungen von 1991 (Art. 18 und 19 Abs. 1) bzw. vom 12. November 1995 (Art. 53 Abs. 1) gestanden, die den Fortbestand ihrer Staatsangehörigkeit garantiert hätten (Bl. 317 GA Bd. III zu 13 LB 13/05). In der Praxis sei es ihnen jedoch verwehrt, effektiv ihre diesbezüglichen Rechte und Vorteile geltend zu machen, weil sie armenische Volkszugehörige seien. Die Auslegung und aserbaidschanische Praxis der Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 stelle eine gezielte Diskriminierung armenischer Volkszugehöriger dar, die sie, die Kläger, anhaltend verletze und dauerhaft aus dem aserbaidschanischen Staatsvolk und den staatlichen Gewährleistungen ausschließe. Die aserbaidschanischen Behörden würden politisch verfolgten armenische Volkszugehörigen, die geflüchtet seien und sich nicht mehr an ihrem registrierten Wohnsitz aufhielten, keine Pässe oder Personenstandsurkunden ausstellen, sondern sie gezielt abmelden und ihnen eine Neuanmeldung an anderem Ort verwehren. Es habe in der Intention des Gesetzgebers des Gesetzes vom 30. September 1998 über die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit gelegen, nicht mehr in Aserbaidschan lebende, aber dort noch gemeldete armenische Volkszugehörige aus der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit zu entlassen und ihnen auf unspektakuläre Weise die Staatsangehörigkeit zu entziehen (Bl. 480 Bd. IV GA zu 13 LB 13/05). Im Wissen um die Pogrome sowie die Verfolgung und Vertreibung ethnischer Armenier habe er so das Ergebnis dieser Vertreibung staatsangehörigkeitsrechtlich abgesichert. Das Auswärtige Amt würde es feststellen, wenn sie, die Kläger, die sich - ausweislich (Bl. 363 Bd. III GA zu 13 LB 13/05) insoweit fehlender Eintragungen in den Inlandpässe der Kläger zu 1 und zu 2 sowie in dem Militärausweis des Klägers zu 1 - nicht selbst abgemeldet hätten, behördlicherseits in Aserbaidschan abgemeldet worden seien, wovon sie jedoch nicht ausgingen. Eine jetzige Einzelfallüberprüfung würde jedoch dazu führen, dass die aserbaidschanischen Behörden sie, die Kläger, jedenfalls abmeldeten oder wie abgemeldet behandelten, und zwar als Personen ohne aserbaidschanische Staatsangehörigkeit und ohne jene Möglichkeit der Wiedereinbürgerung, die aserische Volkszugehörige unter vergleichbarer Umständen durchaus hätten (Bl. 318 Bd. III GA zu 13 LB 13/05). Vor diesem Hintergrund könnte letztlich sogar dahinstehen, ob sie, die Kläger, de jure noch nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz vom 26. Juni 1990 und den Artikeln 18 und 53 der Verfassungen von 1991 bzw. 1995 aserbaidschanische Staatsangehörige seien, und ihnen [nur] nach der einfachgesetzlichen Konzeption des Art. 5 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit entzogen worden sei (Bl. 319 Bd. III GA zu 13 LB 13/05). In Aserbaidschan unterlägen sie weiterhin einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung. In Berg-Karabach stehe ihnen eine erreichbare inländische Fluchtalternative nicht offen.
Der Berichterstatter des 13. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Verfügungen vom 28. Januar 2005 (Bl. 303 Bd. III GA zu 13 LB 13/05) und 21. Juni 2005 (Bl. 355 Bd. III GA zu 13 LB 13/05) amtliche Auskünfte des Auswärtigen Amtes eingeholt, die mit Schreiben vom 11. März 2005 bzw. 14. September 2005 (Bl. 337 bzw. 388 f. Bd. III GA zu 13 LB 13/05) erteilt worden sind.
Durch Beschluss vom 5. Dezember 2005 - 13 LB 13/05 - (Bl. 504 ff. Bd. IV GA zu 13 LB 179/03), berichtigt mit Beschluss vom 23. Dezember 2005 - 13 LB 13/05 - (Bl. 518 Bd. IV GA zu 13 LB 13/05), hat der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auf die Berufung des Beteiligten die Klagen erneut insgesamt abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Urteile des Verwaltungsgerichts vom 18. März 1999 seien schon deshalb zu ändern, weil sie auf das Land Aserbaidschan abstellten (Aufhebung und Verpflichtung des Beklagten zu den Nrn. 2 und 4 des Bescheides vom 24. Mai 1996). Asylrelevante Feststellungen nach§ 60 AufenthG seien in Bezug auf Aserbaidschan als Zielstaat der Abschiebung nicht zu treffen, da die Kläger die Staatsangehörigkeit dieses Staates nicht mehr besäßen. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob sie die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit erworben hätten, sei ab dem 1. Januar 1991 das aserbaidschanische Gesetz vom 26. Juni 1990 gewesen. Nach Art. 4 dieses Gesetzes hätten solche Personen die Staatsangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR besessen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit (offensichtlich im Sinne der vorher bestehenden Republikzugehörigkeit) gehabt hätten. Das möge auf die Kläger zutreffen, wenn sie - wovon auszugehen sei - an ihrem ursprünglichen Wohnort Kirovabad polizeilich gemeldet gewesen seien. Nach dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz vom 30. September 1998 seien die Kläger [aber] nicht mehr aserbaidschanische Staatsangehörige, und zwar aufgrund einer vorher erfolgten Abmeldung von Amts wegen. Indem nach Art. 5 Nr. 1 des neuen Gesetzes die Staatsangehörigkeit an die tatsächlichen Wohn-/ Meldeverhältnisse zum Zeitpunkt 1998 anknüpfe, ordne sie diese neu. Es sei davon auszugehen, dass damit gerade auch im Hinblick auf abgewanderte Personen (wie die Kläger) eine Übereinstimmung zwischen der amtlichen Registrierung und der Staatsangehörigkeit erreicht werden sollte. Voraussetzung der Neuregelung sei gewesen, dass die betreffende Person am 30. September 1998 (oder am 1. Januar 1999, falls das Gesetz erst an diesem Tag in Kraft getreten sei) in Aserbaidschan einen Wohnort gehabt oder dort jedenfalls behördlich erfasst (registriert) gewesen sei. Hinsichtlich der Kläger sei das nicht mehr der Fall gewesen. Das Auswärtige Amt habe in Erfahrung bringen können, dass bei armenischen Volkszugehörigen in der Regel sieben Jahre, nachdem sie sich an ihrem Wohnsitz nicht mehr aufgehalten hätten, eine Abmeldung von Amts wegen erfolgt sei. Das wäre hier bereits 1995/1996 geschehen, wenn angenommen werde, dass die Kläger der "Regel" unterfallen seien. Die Frage der bestrittenen polizeilichen Abmeldung der Kläger sei nicht weiter aufklärungsbedürftig. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes erkenne die Republik Aserbaidschan vor 1991 ausgereiste Armenier nicht (mehr) als aserbaidschanische Staatsangehörige an. Dabei könne offen bleiben, was aus ihrer vor dem Gesetz vom 30. September 1998 etwa bestehenden Staatsangehörigkeit geworden sei, da diese jedenfalls nicht mehr relevant sei.
Der festzustellende Nichterwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit nach dem Gesetz von 1998 stehe nicht in Widerspruch zu Art. 53 Abs. 1 der Verfassung Aserbaidschans, wonach die "Aberkennung der ... Staatsangehörigkeit ... unter keinen Umständen zulässig" sei. Denn den Klägern sei nicht eine aserbaidschanische Staatsangehörigkeit "aberkannt" (entzogen), sondern eineneue Staatsangehörigkeit nicht zuerkannt worden. Wenn das Auswärtige Amt angebe, es liege die Vermutung nahe, dass das Gesetz von 1998 lediglich den Zweck haben sollte, sich der noch in Aserbaidschan gemeldeten, das heiße in den Registern erfassten armenischen Volkszugehörigen, die schon längst abgewandert, aber formell noch aserbaidschanische Staatsangehörige gewesen seien, auf unspektakuläre Weise zu entledigen, indem man ihnen die Staatsangehörigkeit mit Hilfe des neuen Gesetzes entzogen habe, werde dabei verkannt, dass der (angebliche) "Entzug" der Staatsangehörigkeit das Ende der Registrierung voraussetze und es durchaus üblich sei, unrichtige Meldeverhältnisse von Amts wegen zu berichtigen. Der Nichterwerb der Staatsangehörigkeit durch die Kläger sei asylrechtlich unerheblich, da sie nicht etwa wegen ihrer Volkszugehörigkeit "ausgebürgert" worden seien, sondern schlicht mangels Aufenthalts in Aserbaidschan die neu geregelte Staatsangehörigkeit nicht erworben hätten. Der Nichterwerb sei keineswegs auf Armenier beschränkt, wenn er auch vor allem diese betreffen möge, und danach nicht politisch motiviert, sondern trage lediglich der Tatsache Rechnung, dass ein ehemaliger Staatsbürger seinem Land den Rücken gekehrt und so die in Art. 52 der Verfassung Aserbaidschans vorausgesetzten Beziehungen einseitig von sich aus gelöst habe.
Danach sei hinsichtlich Aserbaidschans zugunsten der Kläger weder ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen noch dieses Land ausdrücklich als Zielstaat einer Abschiebung auszunehmen. Nach dem Vorbringen der Kläger könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Staatsangehörigkeit Armeniens besäßen, wofür es auch sonst keinen Anhalt gebe. Unzulässig sei ihr hilfsweises Begehren, eine Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass eine Abschiebung erst nach Prüfung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG bezüglich des "Zielstaates" zulässig sei.
Auf erneute Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 10.06 - (Bl. 591 ff. Bd. IV GA zu 13 LB 13/05) den Beschluss des 13. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2005 aufgehoben, soweit darin die Klage auch hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG abgewiesen worden ist, und die Sache an einen anderen Senat des Oberverwaltungsgerichts zurückverwiesen. Im Übrigen hat es die Beschwerde der Kläger verworfen.
Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht unter anderem ausgeführt: Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Hilfsantrags der Kläger richte, sei sie unzulässig. Die in erster Instanz bestätigte Abschiebungsandrohung nach Armenien sei durch die Nichtanfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung seitens der Kläger unanfechtbar geworden. Hinsichtlich des Hauptantrags auf Anerkennung der Kläger als Flüchtlinge nach § 60 Abs. 1 AufenthG habe die Beschwerde hingegen wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger sowie der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht Erfolg. Dem Berufungsgericht hätte sich eine weitere Aufklärung dazu aufdrängen müssen, ob die Kläger tatsächlich abgemeldet worden seien; denn nur dann hätten die Kläger nach den zugrunde gelegten rechtlichen Bedingungen des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrechts ihre Staatsangehörigkeit verloren bzw. nicht wieder neu erworben. Insoweit habe sich das Berufungsgericht schon deshalb nicht auf die "bestehende Auskunftslage" berufen können, weil die Kläger substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt hätten, dass in einem vergleichbaren Einzelfall eines 1988 aus Aserbaidschan geflüchteten armenischen Volkszugehörigen eine Abmeldung von Amts wegen über den genannten Zeitpunkt hinaus faktisch unterblieben, mithin die vom Oberverwaltungsgericht unterstellte Praxis nicht ausnahmslos umgesetzt worden sei (Schriftsatz vom 24. 11. 2005, S. 13 mit Beweisantrag 46 - Bl. 485 Bd. IV GA zu 13 LB 13/05). Das Berufungsgericht habe ferner die Beweisanträge Nr. 27 und Nr. 28 [die sich u.a. auf die Zielsetzung des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 bezogen] im Schriftsatz vom 24. November 2005 (Bl. 480 f. Bd. IV GA zu 13 LB 13/05) nicht beschieden, obwohl es sich damit zur Frage einer faktischen Ausbürgerung in Anknüpfung an die armenische Volkszugehörigkeit (durch die herangezogenen gesetzlichen Regelungen des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrechts) hätte befassen müssen. Die Entscheidung über die Kosten bleibe der Schlussentscheidung vorbehalten.
In dem fortgesetzten Berufungsverfahren (7 LB 140/06) macht der Beteiligte im Wesentlichen geltend (Bl. 741 ff. Bd. I GA zu 7 LB 140/06 sowie Bl. 1089 f. und Bl. 1128 f. Bd. III GA zu 7 LB 140/06):
Aufgrund der zurückverweisenden Entscheidung desBundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 10.06 - dürfte sich der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens nicht mehr auf subsidiäre Ansprüche im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG erstrecken. Die Fragen einer etwaigen Verfolgungsgefahr seien allein im Hinblick auf den Staat der tatsächlichen Staatsangehörigkeit zu prüfen oder - bei Staatenlosen - hinsichtlich des Landes des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vor der Einreise ins Bundesgebiet. Keinen Anspruch habe, wer in zumindest einem Land seiner Staatsangehörigkeit Schutz finden könne. Mit der nun wohl allgemeinen berufungsgerichtlichen Sicht (OVG MV, Urt. v. 1. 3. 2012 - 3 L 56/05, Bay. VGH, Urt. v. 14. 4. 2011 - 2 B 07.30242 - und Sch-H OVG, Urt. v. 8. 12. 2005 - 1 LB 202/01 und v. 30. 11. 2006 - 1 LB 66/03 -) sei in den Fällen, in denen der Betreffende das Gebiet der heutigen Republik Aserbaidschan dauerhaft verlassen habe, bevor "das aserbaidschanische Staatsangehörigkeitsrecht von 1991" in Kraft getreten sei, die Nichtzuerkennung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit lediglich als eine ordnungsrechtliche Sanktion zu betrachten. Entscheidend komme es auf den faktischen tatsächlichen Aufenthalt an. Es erscheine fernliegend, dass das aserbaidschanische Staatsangehörigkeitsrecht von 1991 die Folge des Erwerbs der Staatsangehörigkeit an einen rechtswidrigen Zustand habe knüpfen wollen, der darin bestanden habe, dass in Ermangelung einer Abmeldung eine Meldung an demjenigen Ort fortbestanden habe, den der Betreffende - entgegen den Bestimmungen des sowjetischen Pass- und Melderechts - ohne die erforderliche Abmeldung verlassen habe. Aus der Quellenlage sei vielmehr mit den zitierten Obergerichten zu folgern, dass nach aserbaidschanischem Rechtsverständnis und aserbaidschanischer Rechtspraxis für den Staatsangehörigkeitserwerb nicht nur eine formal noch bestehende Registrierung erforderlich gewesen sei, sondern als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zudem der tatsächliche dauerhafte Aufenthalt oder - bei dessen Fehlen - ein individuell-konkretes Bemühen um den Erhalt der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit in ausreichender zeitlicher Nähe zu deren Schaffung. Im Falle der Kläger sei beides nicht erkennbar. Hätten die Kläger die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nicht erworben, so hätte die Nichtzuerkennung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit mit dem 1. Januar 1991 nicht zu ihrer Staatenlosigkeit geführt; denn sie seien zunächst noch sowjetische Staatsangehörige geblieben. Es sei nicht ersichtlich, worin in solchen Fällen die Asylerheblichkeit einer späteren Aufrechterhaltung der Staatenlosigkeit auf der Grundlage des [aserbaidschanischen] Gesetzes von 1998 liegen und wieso die Verweigerung der Wiedereinreise asylerheblich sein sollte. Es sei mehr als zweifelhaft, ob nach 1989 und jedenfalls im Zeitpunkt der Eigenstaatlichkeit Aserbaidschans dort noch eine förmliche Registrierung der Kläger vorgelegen habe. Denn die Kläger hätten sich zuletzt in Armenien aufgehalten, und der Kläger zu 1 habe von dort aus die Formalitäten für seine Verpflichtung als Berufssoldat zu erledigen vermocht. Bis zur Auflösung der Sowjetunion habe jedoch ein durchorganisiertes Meldewesen bestanden, das einer Beibehaltung der ursprünglichen bzw. vorherigen Republikzugehörigkeit bei tatsächlicher Abwesenheit entgegengestanden und verhindert habe, dass jemand seinen Wohnsitz ohne Neuanmeldung in eine andere Republik hätte verlegen können. Es stelle sich nach alledem im vorliegenden Falle nicht die Frage, wie die Verhältnisse in Berg-Karabach im Sinne des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG zu bewerten wären. Außerdem müsse sich zumindest der Kläger zu 1 darauf verweisen lassen, dass er sich im Besitz der russischen Staatsangehörigkeit befinde und schon deshalb keinen Anspruch auf die Flüchtlingsstellung habe, weil er damit zumindest in einem Land seiner Staatsangehörigkeit Schutz finden könnte. Anhaltspunkte für relevante Gefährdungen, insbesondere für eine Gruppenverfolgung armenischer Volkszugehöriger in der Russischen Föderation, bestünden - ungeachtet etwaiger Diskriminierungen und Behinderung bei der Registrierung in großen Städten - nicht. Auf Angehörige des sowjetischen Militärs im Ausland habe die Regelung des Art. 13 [Abs. 1] des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Russischen Föderation vom 28. November 1991 [Übersetzungen Bl. 783 Bd. I GA zu 7 LB 140/06 und Bl. 957 Rückseite Bd. II GA zu 7 LB 140/06] entsprechende Anwendung gefunden. Aufgrund dieser entsprechenden Anwendung hätten Militärangehörige im Ausland innerhalb eines Jahres eine Erklärung abgeben müssen, dass sie nicht russische Staatsangehörige bleiben wollten. Falls sie keine Erklärung abgegeben hätten, seien diese Militärangehörigen russische Staatsangehörige. Die bezüglich des Klägers zu 1 kurzfristig beim Generalkonsulat der Russischen Föderation in Hamburg eingeholte Bescheinigung (Bl. 875 Bd. II GA zu 7 LB 140/06, Übersetzung Bl. 1082 Bd. III GA zu 7 LB 140/06) dürfte mit dieser Rechtslage nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen sein, die der Erlass vom 17. Juni 1993 des Obersten Sowjet der Russischen Föderation (Bl. 1009 Bd. II GA zu 7 LB 140/06, Übersetzung Bl. 1084 Bd. III GA zu 7 LB 140/06) vorgegeben habe und auch das Auswärtige Amt in der eingeholten Auskunft [vom 12. 6. 2012 - Bl. 1007 f. Bd. II GA zu 7 LB 140/06] mitteile. Gleichwohl dürfte diese neu hinzutretende Unklarheit letztlich dahinstehen können, weil die Gefährdungsprognose nicht für Aserbaidschan aufzustellen sei.
Der Beteiligte hält weiter an seinem schriftsätzlichen Berufungsantrag fest,
unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover vom 18. März 1999 - 14 A 3802/98 und 14 A 3803/98 - die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.
Die Beklagte hat nach Klarstellung ihres anders lautenden Schriftsatzes vom 19. Juni 2012 keinen Antrag gestellt und sich den Ausführungen des Beteiligten angeschlossen. Sie gehe davon aus, dass die Kläger armenische Volkszugehörige seien, die aufgrund ihrer letzten Wohnsitznahme einen Anspruch auf die armenische Staatsangehörigkeit hätten und zu keinem Zeitpunkt aserbaidschanische Staatsbürger gewesen und als solche in Aserbaidschan registriert gewesen seien.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen
hilfsweise
Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG für Aserbaidschan und - hilfsweise - Russland - festzustellen.
Sie bleiben bei ihrer Auffassung, dass sie de jure aserbaidschanische Staatsangehörige seien, weil sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vom 26. Juni 1990 (der Aserbaidschanischen SSR über deren Staatsangehörigkeit) und der Gründung der Republik Aserbaidschan im Oktober 1991 an ihrem vormaligen Wohnort in Kirovabad noch formal registriert gewesen seien, deshalb ungeachtet ihrer Ausreise aus der Aserbaidschanischen SSR noch deren Republikzugehörigkeit besessen hätten und dies für einen Erwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit ausgereicht habe. Durch Dokumente wie etwa den sowjetischen Binnenpass und den Militärausweis sei ihre Registrierung in Aserbaidschan nachgewiesen. Das Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 22. Oktober 2000, auf das sich mehrere Obergerichte stützten, die hinsichtlich des Erwerbs der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit eine gegenteilige Auffassung verträten, repräsentiere eine Mindermeinung. Es überzeuge unter anderem deshalb nicht, weil es juristisch grob methodenwidrig sei, das zu Sowjetzeiten und unter den in dieser Zeit geltenden juristischen Rahmenbedingungen erlassene Gesetz der Aserbaidschanischen SSR vom 26. Juni 1990 im Lichte des Gesetzes der Aserbaidschanischen Republik vom 30. September 1998 auszulegen. In der Folgezeit (nach der Verselbständigung Aserbaidschans) hätten sie ihre aserbaidschanische Staatsangehörigkeit de jure nicht verloren, insbesondere nicht durch das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 30. September 1998, das keinen Verlusttatbestand enthalte. Soweit versucht werde, ihre Staatenlosigkeit mit einer "Nichtzuerkennung" der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit nach dem Gesetz vom 30. September 1998 zu begründen, sei dies eine künstliche Rechtsfigur, die dem aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrecht fremd sei. De facto könnten sie aber im Hinblick auf ihre armenische Volkszugehörigkeit ihre Rechte aus der aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft nicht effektiv geltend machen und staatlichen Schutz in Anspruch nehmen: Am 13. Februar 2008 habe sie, die Klägerin zu 3, mit ihrer Geburtsurkunde, den Binnenpässen ihrer Eltern und deren Heiratsurkunde bei der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin vorgesprochen, um auf Betreiben der Ausländerbehörde (Region Hannover) zu versuchen, einen aserbaidschanischen Nationalpass zu erhalten. Obwohl ihr seitens des dortigen Botschaftsmitarbeiters erklärt worden sei, dass ihr Begehren keine Erfolgsaussichten habe, habe sie auf einer Bearbeitung und schriftlichen Mitteilung des Ergebnisses bestanden. Daraufhin habe man ihr ein Passersatzpapierantragsformular ausgehändigt, das sie ausgefüllt und abgegeben habe. Die Dokumente ihrer Eltern habe die Botschaft kopiert und erklärt, man müsse die Staatsangehörigkeit der ganzen Familie überprüfen. Nach mehrfachen Sachstandsanfragen habe sie, die Klägerin zu 3, ein Schreiben der aserbaidschanischen Botschaft (Bl. 708 Bd. I GA zu 7 LB 140/06) erhalten, das über die Antragstellung für ein Passersatzpapier belehrte. Daraufhin hätten sie, die Kläger zu 1 und zu 3, sich mit dem Zeugen J. am 26. Mai 2008 zur aserbaidschanischen Botschaft nach Berlin begeben, um unter Vorlage der vorhandenen Dokumente der Familie die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsdokuments oder eine verbindliche schriftliche Stellungnahme hierüber zu erhalten. In einem Gespräch in unfreundlicher Atmosphäre, während dessen Verlauf der Zeuge J. aufgefordert worden sei, den Raum zu verlassen, da er dabei nichts zu suchen habe, sei ihnen, den Klägern zu 1 und zu 3, erklärt worden, dass es völlig klar sei und es entsprechende Anweisungen "von oben" gebe, dass armenische Volkszugehörige aus Aserbaidschan keine Papiere erhielten, die ein Staatsangehörigkeitsverhältnis zu Aserbaidschan bestätigten, auch keinen Pass oder ein Passersatzpapier. Diese Mitteilung würden sie aber nicht schriftlich erhalten, sondern nur mündlich. Das sei auch jedem Armenier bekannt. Der Botschaftsmitarbeiter habe erklärt, politische Vorgaben müsse und werde er beachten. Sie, die Klägerin zu 3, habe erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapiers ausgefüllt, er, der Kläger zu 1, habe eine entsprechende Antragstellung für sich und die übrigen Kläger aus Verärgerung unterlassen und zunächst den Verlauf der Angelegenheit seiner Tochter abwarten wollen. Der Mitarbeiter der Botschaft habe erklärt, wenn eine Antwort aus Baku vorläge, würde die Botschaft schriftlich antworten. Eine solche Antwort habe sie, die Klägerin zu 3, jedoch trotz zweier telefonischer Sachstandsanfragen, bei denen sie vertröstet worden sei, nicht erhalten.
Eine andere als die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besäßen sie nicht, sodass zu ihren Lasten Art. 4 Abs. 3 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie nicht eingreife. Sie hätten insbesondere nicht die russische Staatsangehörigkeit, was sich aus den für sie, die Kläger zu 1 und zu 2, vorgelegten Bescheinigungen des russischen Generalkonsulats in Hamburg ergebe, die nach Vorlage der Binnenpässe (Kläger zu 1 und zu 2), des Militärausweises (Kläger zu 1) sowie der Anfrage des Berichterstatters vom 28. Mai 2012 an das Auswärtige Amt erstellt worden seien. Diese Bescheinigungen seien maßgeblich, weil sich in ihnen die nach russischem Recht zuständige Stelle zu ihrer, der Kläger zu 1 und zu 2, Staatsangehörigkeit geäußert habe und es auf die Rechtsauffassung eines anderen Staates (hier etwa des Auswärtigen Amtes ihn, den Kläger zu 1 betreffend, nicht ankomme. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass er, der Kläger zu 1, die russische Staatsangehörigkeit nicht nach Ziffer 3 des Erlasses Nr. 5206/1-I des Obersten Sowjets der Russischen Föderation erworben haben könne, weil dies nach der Praxis russischer Behörden bei der Auslegung und Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vorausgesetzt hätte, dass er bereits vor dem 6. Juni 1992 oder zumindest vor dem 17. Juni 1993 einen Wohnsitz in der Russischen Föderation gehabt hätte oder nach dem 6. Juni 1992 in deren Staatsgebiet zur Ableistung des Dienstes an einem Dienstort in der russischen Föderation eingereist wäre. Sie, die Kläger zu 2 bis 5, seien keine Militärangehörigen gewesen und hätten schon deshalb nicht auf der Grundlage des von dem Beteiligten angeführten Erlasses Nr. 5206/1-I des Obersten Sowjets der Russischen Föderation die russische Staatsangehörigkeit erwerben können. Gegenteilige Annahmen fänden in der Auskunftslage keinen Halt.
Im aserbaidschanischen Kernland bestehe für sie, die Kläger, als armenische Volkszugehörige noch heute eine hohe Wahrscheinlichkeit von Gefahren für Leib, Leben und Freiheit, zumal bereits ihre Vor- und Nachnamen Rückschlüsse auf ihre armenische Volkszugehörigkeit erlaubten.
Sie verfügten in Berg-Karabach über keine inländische Fluchtalternative. Das Gebiet komme hierfür schon aufgrund der politisch instabilen Lage nicht in Betracht. Außerdem sei es nicht erreichbar, und ihr dortiger Aufenthalt wäre wegen unzureichender wirtschaftlicher und medizinischer Verhältnisse sowie der Auferlegung militärischer Pflichten unzumutbar. Nach der Qualifikationsrichtlinie (Art. 8 Abs. 2) komme es für die Fluchtalternative nicht nur auf objektive Gesichtspunkte, sondern auch auf die persönlichen Umstände der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an, mithin auf die persönliche Zumutbarkeit. An dieser fehle es für sie, die Kläger zu 1 und zu 2, hinsichtlich eines Aufenthalts in Berg-Karabach, weil sie angesichts ihres fortgeschrittenen Alters und ihres eingeschränkten Erwerbsvermögens ihre Existenz dort nicht sichern könnten. Für sie, die Kläger zu 3 bis 5, sei eine Aufenthaltnahme in Berg-Karabach schon angesichts der hiesigen Aufenthaltsdauer und Prägung durch die Verhältnisse in Deutschland ausgeschlossen (Art. 8 EMRK).
Sie, die Kläger zu 1 bis 4, litten unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die es ausschlössen, dass sie in Berg-Karabach einer Arbeit in der Land- oder Bauwirtschaft nachgingen, die ihnen ein Leben jenseits des Existenzminimums ermöglichte. Sie beriefen sich hierfür u.a. auf Kopien ärztlicher Atteste ihres Hausarztes, des Facharztes für Allgemeinmedizin K., vom 26. Mai 2010 (Bl. 628 f. Bd. I GA zu 7 LB 140/06), 30. April 2012 (Bl. 687 f. und 691 f. Bd. I GA zu 7 LB 140/06), 16. Mai 2012 (Bl. 731 Bd. I GA zu 7 LB 140/06) und 18. Juni 2012 (Bl. 1138 Bd. III GA zu 7 LB 140/06). Außerdem hätten sie u.a. Ablichtungen von Arztberichten des L. stifts vom 14. Juni 2004 und der M. stiftung vom 20. Juni 2005 vorgelegt, die den Kläger zu 4 beträfen. Nach den Attesten leide er, der Kläger zu 1, unter anderem an einer Depression, COPD (Chronic obstructive pulmonal disease) und einem Hinterwandinfarkt des Herzens. Die durchschnittlichen monatlichen Medikamentenkosten für ihn in Deutschland betrügen ca. 40 EUR. Es bestehe nach Auffassung des Hausarztes ein GdB von 50%, und eine schwere körperliche Arbeit sei ihm gesundheitlich nicht zumutbar. Sie, die Klägerin zu 2, leide nach den Attesten unter anderem an einer Depression, einer Angststörung, an Diabetes mellitus Typ 2, an einer lumbalen Wurzelreizung und an einer Funktionslosigkeit der Beugesehne des Mittelfingers der rechten Hand. Ihr GdB betrage nach Auffassung des Hausarztes 30%. Die durchschnittlichen monatlichen Medikamentenkosten für sie in Deutschland betrügen ca. 10 EUR. Wegen der Erkrankungen des Bewegungsapparates seien ihr keine schweren körperliche Arbeiten möglich und keine Arbeiten im Freien bei Kälte. Die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand sei eingeschränkt. Klavier zu spielen, sei unmöglich. Sie, die Klägerin zu 3, leide nach dem sie betreffenden hausärztlichen Attest u.a. an einer beidseitigen Hüftdysplasie und Struma. Die durchschnittlichen monatlichen Medikamentenkosten für sie in Deutschland betrügen unter 10 EUR. Der GdB betrage nach Auffassung des Hausarztes 30%. Wegen der Hüftdysplasie seien ihr keine schweren körperlichen Arbeiten möglich, auch keine Arbeiten bei Kälte. Nach der Bescheinigung des Hausarztes, der laut dieser zuletzt am 23. Juni 2011 mit dem Kläger zu 4 Kontakt gehabt habe, bestehe bei ihm, dem Kläger zu 4, keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Er mache jedoch - gestützt auf die Arztberichte von 2004 und 2005, welche die operative Behandlung einer Kreuzbandinsuffizienz im linken Knie beträfen, geltend, sein Arbeitsvermögen sei zwar aktuell nicht eingeschränkt, sehr wohl aber bei einer Vollbelastung auf Dauer.
Zu ihrer Bildung und ihren Sprachkenntnissen, sei - unter erbetener Selbstbewertung mit Schulnoten - u.a. auszuführen: Sie, die Klägerin zu 3, verfüge über einen Realschulabschluss und eine zweijährige Berufsausbildung als Kosmetikerin. Ihre über längere Zeit ausgeübte Arbeit als Kosmetikerin habe sie jedoch wegen ihrer Hüftdysplasie sowie Wirbelsäulen- und Steißbeinproblemen nicht fortsetzen können; denn die Tätigkeit sei sowohl im Sitzen als auch im Stehen auszuüben und für sie mit ständigen zunehmenden Schmerzen verbunden gewesen. Er, der Kläger zu 4, verfüge über einen Hauptschulabschluss und sei seit Anfang 2011 beschäftigungslos. Er, der Kläger zu 5, habe nach dem Besuch der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen (Sonderschule) einen Schulabschluss nicht zu erwerben vermocht. Sie, die Klägerin zu 3, spreche Russisch (gut). Armenisch könne sie mit Dialekt, fehlerhafter Grammatik und ständigen russischen Einfügungen einigermaßen sprechen, jedoch die armenische Schriftsprache weder lesen noch schreiben (mangelhaft). Er, der Kläger zu 4, verstehe Russisch etwas, beherrsche aber die russische Schriftsprache nicht (mangelhaft). Armenisch spreche und verstehe er bezüglich einiger Worte, könne es jedoch weder lesen noch schreiben (ungenügend). Er, der Kläger zu 5, spreche weder Russisch noch Aserbaidschanisch oder Armenisch. Auch sie, die Kläger zu 3 und zu 4, sprächen nicht Aserbaidschanisch.
Hiernach fehlten ihnen, den Klägern zu 3 bis 5, bereits die sprachlichen Voraussetzungen dafür, um in Berg-Karabach ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Sie, die Kläger zu 4 und zu 5, könnten dort nicht einmal ihren eigenen Unterhalt erwirtschaften, geschweige denn zusätzlich denjenigen der übrigen Familienangehörigen.
Die armenische Staatsangehörigkeit besäßen sie nicht. Dem Gutachten des Transkaukasus-Instituts vom 28. März 2007 für das Verwaltungsgericht Braunschweig könne hinsichtlich der Ausführungen und Hypothesen zu einem Erwerb der armenischen Staatsangehörigkeit durch die im dortigen Fall Betroffenen nicht gefolgt werden. Ihre Vorsprachen bei der armenischen Botschaft hätten nach Durchsicht der mitgeführten Ausweise (Kläger zu 1 und zu 2) und Geburtsurkunden (Kläger zu 3 bis 5) ergeben, dass die Ausstellung armenischer Nationalpässe nicht in Betracht komme. Sie seien keine Republikzugehörigen der Armenische SSR gewesen und hätten die armenische Staatsangehörigkeit zu keinem Zeitpunkt erworben. Sie würden auch keine Anträge auf Erwerb der Staatsangehörigkeit der Republik Armenien stellen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 25. Mai 2009 eine "Untätigkeitsbeschwerde" der Kläger verworfen. Am 8. Februar 2012 haben die Kläger eine Verzögerungsrüge erhoben.
Mit Verfügung vom 16. April 2012 (Bl. 643 f. Bd. I GA zu 7 LB 140/06) hat der Berichterstatter eine amtliche Auskunft der Region Hannover eingeholt. Wegen der Ergebnisse der Anfrage bei der Region Hannover wird auf die Antwortschreiben vom 3. und 8. Mai 2012 (Bl. 666 ff., 670 f. und 711 ff. Bd. I GA zu 7 LB 140/06) Bezug genommen. Hiernach hat sich der Kläger zu 3 mehrfach (Verbotenes Führen einer Waffe bei einer öffentlichen Veranstaltung; Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr; Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Körperverletzung; Falsche Verdächtigung; Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis) und der Kläger zu 5 einmalig (Urkundenfälschung) einer Straftat im Bundesgebiet schuldig gemacht.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 28. Mai 2012 (Bl. 756 Bd. I GA zu 7 LB 140/06) eine ergänzende Auskunft des Auswärtigen Amtes betreffend den Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit durch Militärangehörige und ihre Familie erbeten. Diese Auskunft ist unter dem 12. Juni 2012 erteilt worden (Bl. 1007 ff. Bd. II GA zu 7 LB 140/06) und geht dahin, dass gemäß der Verordnung des Obersten Sowjet der Russischen Föderation vom 17. Juni 1993 Soldaten, die am 6. Februar 1992 ihren Dienst (im Ausland) verrichtet hätten, entsprechend Art. 13 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Russischen Föderation vom 28. November 1991 die russische Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes erworben hätten. Auf Soldaten, die vor dem Stichtag desertiert seien, sei Art. 13 Abs. 1 i.V.m. der Verordnung vom 17. Juni 1993 ebenfalls anzuwenden, da eine Desertion nicht das Dienstverhältnis beende. Die Vorschrift gelte jedoch nicht für mitgereiste Familienangehörige.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A und B) sowie die beigezogenen Gerichtsakten [VG Schwerin] 5 A 2919/02 As verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung und der Beratung im Senat gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet zunächst durch Teilurteil (§ 125 Abs. 1 Satz 1 und § 110 VwGO) über die verbliebene Berufung des Beteiligten lediglich insoweit, als dieser unter Änderung des Urteils vom 18. März 1999 - 14 A 3803/98 - eine vollumfängliche Abweisung der Klagen der Klägerinnen zu 2 und zu 3 erstrebt.
Hinsichtlich dieses Teils des Rechtsstreits ist die verbliebene Berufung des Beteiligten entscheidungsreif.
Sie ist zulässig, aber unbegründet und daher mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen, die ihrerseits nur dem Erfordernis der Berücksichtigung des aktuellen Rechts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylVfG) geschuldet ist. Denn die Klägerinnen zu 2 und zu 3 haben Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Diese Flüchtlingsanerkennung, d.h. der asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, ist an die Stelle des ihnen erstinstanzlich zugesprochenen Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG getreten.
Zu beachten ist, dass es sich bei dem Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, auch wenn mehrere Staaten als Verfolgerstaaten in Betracht kommen, grundsätzlich um einen unteilbaren Streitgegenstand handelt, über den nur einheitlich entschieden werden kann. Daraus folgt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass der asylrechtliche Abschiebungsschutz - anders als der subsidiäre aufenthaltsrechtliche Abschiebungsschutz - nicht isoliert bezogen auf einen einzelnen Abschiebezielstaat geprüft und abgeschichtet werden kann. Vielmehr sind alle Staaten in die Prüfung einzubeziehen, deren Staatsangehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Stadium des asylrechtlichen Verfahrens sich der Betroffene auf die Staatsangehörigkeit eines Staates und eine ihm dort drohende politische Verfolgung beruft (BVerwG, Urt. v. 8. 2. 2005 - BVerwG 1 C 29.03 -, BVerwGE 122, 376 ff., [BVerwG 08.02.2005 - 1 C 29/03] hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 15). Ein Rechtsschutz- bzw. Sachentscheidungsinteresse an der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit Blick auf Aserbaidschan kann den Klägerinnen zu 2 und zu 3 daher nicht deshalb abgesprochen werden, weil sich die (negativen) Feststellungen zu den §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes nur auf Armenien beziehen und auch lediglich Armenien in der Abschiebungsandrohung ausdrücklich als Zielstaat der Abschiebung genannt wird (vgl. BVerwG, a.a.O., [...], Langtext Rn. 11).
Die Klägerinnen haben Anspruch auf die Flüchtlingsanerkennung, weil sie durch Ausbürgerung aus der Republik Aserbaidschan politisch verfolgt werden (dazu unter I.), gegenüber dieser Verfolgung über keine inländische Fluchtalternative verfügen (dazu unter II.) und keine evidente Möglichkeit des Erwerbs einer anderen Staatsangehörigkeit haben (dazu unter III.).
I.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine staatliche Verfolgungsmaßnahme kann nicht nur in Eingriffen in Leib, Leben und Freiheit bestehen. Auch Verletzungen anderer Schutz- und Freiheitsrechte können je nach den Umständen des Falles den Tatbestand einer Verfolgung erfüllen. Von der Eingriffsintensität her ist Verfolgung grundsätzlich auch darin zu sehen, dass der Staat einem Bürger durch Ausbürgerung die wesentlichen staatsbürgerlichen Rechte entzieht und ihn so aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzt (BVerwG, Urt. v. 26. 2. 2009 - BVerwG 10 C 50.07 -, BVerwGE 133, 203 ff., [BVerwG 26.02.2009 - BVerwG 10 C 50.07] hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 18). Dies gilt auch unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 (sogenannte Qualifikationsrichtlinie), dessen Anwendung § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG anordnet. Danach gelten als asylerhebliche Verfolgung solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denenArt. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässt. Zwar wird durch die Ausbürgerung kein notstandsfestes Recht im Sinne der EMRK verletzt. Dies ist aber nicht erforderlich, da Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie dies nur als Regelbeispiel nennt. Verletzt wird Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948. Maßgeblich für die Schwere der mit einer Ausbürgerung bewirkten Rechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie ist, dass der Staat der betroffenen Person ihren grundlegenden Status als Staatsbürger entzieht und ihr damit zwangsweise den Aufenthaltsschutz versagt, sie also staaten- und schutzlos macht - mit anderen Worten: sie aus der staatlichen Schutz- und Friedensordnung ausgrenzt (BVerwG, Urt. v. 26. 2. 2009 - BVerwG 10 C 50.07 -, a.a.O., [...], Langtext Rn. 19). Bei der Beurteilung der Schwere der durch eine Ausbürgerung bewirkten Rechtsverletzung sind nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie auch die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Betroffenen zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass er auch persönlich schwer von der Ausbürgerung betroffen sein muss. Für die Beurteilung der Schwere der Rechtsverletzung im Einzelfall kann auch von Bedeutung sein, ob und in welchem Maße sich der Betroffene um die Aufhebung der Ausbürgerung und die Wiedererlangung der ihm entzogenen Staatsangehörigkeit bemüht hat, ggf. auch welche Gründe ihn hiervon abgehalten haben. Asylerheblich können auch De-facto-Ausbürgerungen sein, bei denen der Staat dem betroffenen Bürger die formale Rechtsposition belässt, ihm aber tatsächlich die daraus abzuleitenden staatsbürgerlichen Rechte und insbesondere den staatlichen Schutz nicht gewährt. Allerdings stellt eine Ausbürgerung nur dann eine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG dar, wenn sie in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale im Sinne dieser Vorschrift erfolgt. Eine Ausbürgerung, die lediglich eine ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht darstellt, kann nicht als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden (BVerwG, Urt. v. 26. 2. 2009, - BVerwG 10 C 50.07 -, a.a.O., [...], Langtext Rn. 24). Bei der Prüfung, ob ein Ausländer politische Verfolgung durch Entzug der Staatsangehörigkeit erlitten hat, ist auf den Staat abzustellen, dessen Staatsangehörigkeit der von dem Entzug Betroffene bis zu dem Entzugsakt besaß.
1.
Die Klägerinnen zu 2 und zu 3 waren Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan.
Die Republik Aserbaidschan erklärte am 30. August 1991 ihre Unabhängigkeit von der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und trennte sich mit einem Verfassungsakt vom 18. Oktober 1991 von der UdSSR (Transkaukasus Institut, Gutachten v. 28. 3. 2007 für das VG Braunschweig, S. 20, 2.1). Mit der erfolgreichen Sezession erstarkte die Republik-Staatsangehörigkeit der vormaligen Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik im Außenverhältnis zu fremden Staaten zu einer vollwertigen Staatsangehörigkeit. Auch die Klägerinnen zu 2 und zu 3 wurden damals Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan, weil sie die Republik-Staatsangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR besaßen.
Nach Art. 4, 1. Alternative, des Gesetzes der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik über die Staatsangehörigkeit [d.h. die Republik-Staatsangehörigkeit im Sinne einer Republikzugehörigkeit] der Aserbaidschanischen SSR vom 26. Juni 1990 waren Staatsangehörige der Aserbaidschanischen SSR Personen, die sich im Besitz der Staatsangehörigkeit [gemeint ist die Republikzugehörigkeit] der Aserbaidschanischen SSR am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes [am 1. Januar 1991] befanden (Transkaukasus-Institut, Gutachten v. 28. 3. 2007 für das VG Braunschweig, S. 19, 1.3). Dies traf auch auf die Klägerinnen zu 2 und zu 3 zu, obwohl sie am 1. Januar 1991 bereits in Deutschland wohnten und sich außerhalb der Aserbaidschanischen SSR aufhielten.
Auf der Grundlage des Art. 4, 1. Alternative, des Gesetzes der Aserbaidschanischen SSR über die Staatsangehörigkeit vom 26. Juni 1990 sind allerdings in amtlichen Auskünften und sachverständigen Stellungnahmen sowie der an diese anknüpfenden Rechtsprechung durchaus unterschiedliche Schlussfolgerungen hinsichtlich des Erwerbs der aserbaidschanischen Republik-Staatsangehörigkeit durch solche Personen gezogen worden, die - so wie die Klägerinnen zu 2 und zu 3 - zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes am 1. Januar 1991 ihren tatsächlichen Aufenthalt nicht auf dem Territorium der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik hatten: Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist in seinen die Kläger betreffenden Entscheidungen (vgl. zuletzt Beschl. v. 5. 12. 2005 - 13 LB 13/05 -, Bl. 504 [508] Bd. IV GA zu 13 LB 13/05) davon ausgegangen, es möge ein Erwerb der Republik-Staatsangehörigkeit schon dann stattgefunden haben, wenn die Betreffenden an ihrem ursprünglichen Wohnort (hier: Kirovabad) am 1. Januar 1991 polizeilich gemeldet gewesen seien. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 6. 3. 2006 - 9 B 02.30792 -, [...], Langtext Rn. 27) war dieser Rechtsauffassung in der Vergangenheit noch eindeutiger gefolgt. Dagegen ist dem Beteiligten zuzugeben, dass die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung in eine andere Richtung weist: In Anknüpfung an die Judikatur des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Urt. v. 4. 12. 2002 - 8 A 546/01 -, [...], Langtext Rn. 26) vertreten inzwischen das Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht (rechtskräftige Urteile v. 30. 11. 2006 - 1 LB 66/03 -, siehe Bl. 772 ff. [775 - Rückseite - ff. Bd. I GA zu 7 LB 140/06], v. 27. 4. 2006 - 1 LB 66/03 - und vom 8. 12. 2005 - 1 LB 202/01 -), der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 1. 12. 2011 - 2 ZB 08.30013 -, [...], Langtext Rn. 12 und rechtskräftiges Urt. v. 14. 4. 2011 - 2 B 07.30242 -, [...], Langtext Rn. 23 ff. Letzteres unter Aufgabe der Rechtsprechung im Urt. v. 6. 3. 2006 - 9 B 02.30792 -) sowie das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 1. 3. 2012 - 3 L 56/05 -, Bl. 760 ff. [766 f.] Bd. I GA zu 7 LB 140/06) die Auffassung, dass der Erwerb der aserbaidschanischen Republik-Staatsangehörigkeit auf der Grundlage des Art. 4, 1. Alternative, des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 einen tatsächlichen Aufenthalt auf dem aserbaidschanischen Territorium am 1. Januar 1991 erforderte.
Dies wird am intensivsten durch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht begründet, und zwar im Wesentlichen wie folgt: Die Republikzugehörigkeit einer Unionsrepublik der UdSSR sei in erster Linie durch den ständigen Wohnsitz vermittelt worden. Dies sei zwar im Staatsangehörigkeitsgesetz der UdSSR und in anderen Unionsgesetzen nicht ausdrücklich geregelt gewesen. Es hätten aber die sowjetische Rechtswissenschaft und vor allem die Verwaltungsbehörden diese Schlussfolgerung aus der Zusammenschau bzw. Auslegung verschiedener Vorschriften des Unionsrechts gezogen. Sei der ständige Wohnsitz aus der einen in die andere (Sowjet-) Republik verlegt worden, habe sich auch die Republikzugehörigkeit geändert (Institut für Ostrecht, Gutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin). Die bloße fortbestehende formale Registrierung in Aserbaidschan - bei tatsächlich anderweitigem Wohnsitz außerhalb Aserbaidschans - habe für die Begründung der Staatsangehörigkeit nach Art. 4, 1. Alternative, des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 nicht ausgereicht, sondern dafür sei - neben der Registrierung als melderechtlichem Vollzug der (maßgeblichen) Wohnsitznahme - erforderlich gewesen, dass der Betreffende seinen ständigen Wohnsitz tatsächlich auf aserbaidschanischem Territorium gehabt habe (Institut für Ostrecht, Gutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin). Dafür, dass nur diese Auslegung richtig und nur eine solche Handhabung dieser Bestimmung durch die zuständigen aserbaidschanischen Behörden gewollt gewesen sei, spreche ferner - und vor allem -, dass der faktisch identischen Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Aserbaidschanischen Republik vom 30. September 1998, welches das Gesetz vom 26. Juni 1990 ersetzt habe ("Staatsbürger der Aserbaidschanischen Republik sind Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft besaßen"), der folgende (Klammer-) Zusatz beigefügt sei: "Grundlage: Registrierung der betreffenden Person in seinem Wohnort in der Aserbaidschanischen Republik zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes". Mit diesem Zusatz [der in anderer Übersetzung auch wie folgt ins Deutsche übertragen wird: "Grundlage: Meldung der Person an ihrem Wohnsitz in der Republik Aserbaidschan zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes] habe der Gesetzgeber unmissverständlich klargestellt, dass Staatsangehöriger der Aserbaidschanischen Republik nur derjenige sein solle, der nicht nur in Aserbaidschan formal gemeldet bzw. registriert gewesen sei, sondern am Ort der Registrierung auch tatsächlich gewohnt habe. Davon, dass es sich bei diesem Zusatz nicht um eine Neuregelung, sondern um eine bloße Klarstellung der Rechtslage gehandelt habe, die bereits der Auslegung und Handhabung des Art. 4, 1. Alternative, des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 zugrunde zu legen gewesen sei, gehe auch das Institut für Ostrecht in seinem Gutachten für das Verwaltungsgericht Berlin vom 22. November 2000 aus. Das erscheine angesichts des (ansonsten) faktisch identischen Wortlauts beider Bestimmungen auch unmittelbar einleuchtend. Richtig erscheine es ferner aus folgenden Gründen: Nach dem zum Zeitpunkt der Flucht des in Rede stehenden Personenkreises aus Aserbaidschan noch gültigen sowjetischen Pass- und Melderecht sei jeder, der seinen amtlich gemeldeten Wohnsitz für mehr als eineinhalb Monate verlassen wollte, verpflichtet gewesen, sich vor der Abreise bei der zuständigen Meldebehörde abzumelden. Dies habe dem Zweck gedient, die Übereinstimmung zwischen amtlich gemeldetem ständigen Wohnsitz und tatsächlichem ständigen Wohnsitz sicherzustellen; denn nach sowjetischem Recht habe jeder Bürger nur einen ständigen Wohnsitz haben dürfen (Institut für Ostrecht, Gutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin). Das habe bedeutet, dass derjenige, der seinen tatsächlichen ständigen Wohnsitz an einen anderen Ort - außerhalb Aserbaidschans - verlegte, ohne sich ab- bzw. umzumelden, rechtswidrig handelte, damit einen rechtswidrigen Zustand herbeiführte. Es sei fernliegend, dass der aserbaidschanische Gesetzgeber bei Erlass des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 an diesen rechtswidrigen Zustand, die Beibehaltung der Registrierung ohne tatsächlichen Aufenthalt am Ort der Registrierung, die Rechtsfolge der Begründung der Staatsangehörigkeit habe knüpfen wollte. Die Annahme, der aserbaidschanische Gesetzgeber habe allen Emigranten lediglich in Anknüpfung an eine formal noch bestehende Registrierung am letzten Wohnort in Aserbaidschan die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit zuerkennen wollen, liege auch angesichts der Definition der Staatsangehörigkeit in Art. 1 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990, die in Art. 52 der Verfassung und Art. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 übernommen worden sei, fern. Danach sei die Staatsangehörigkeit als eine ständige politisch-rechtliche Verbindung einer Person mit dem aserbaidschanischen Staat, die in deren gegenseitigen Rechten und Pflichten ihren Ausdruck finde, definiert. Eine Person, die in Aserbaidschan nur noch formal registriert sei, aber dort tatsächlich nicht mehr (ständig) wohne, stehe im Regelfall in keiner politisch-rechtlichen Verbindung mit dem aserbaidschanischen Staat (mehr), sie habe aus dessen Sicht, die noch durch das alte sowjetische Pass- und Melderecht und das danach maßgebliche Kriterium des ständigen tatsächlichen Wohnsitzes geprägt gewesen sei, durch die Verlegung des ständigen Wohnsitzes an einen Ort außerhalb Aserbaidschans die Verbindung gelöst. Die vorgenannte Annahme liege auch vor dem Hintergrund der bei Erlass des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 bestehenden politischen und historischen Situation fern: Die Begründung der Staatsangehörigkeit schon aufgrund der formal bestehen gebliebenen Registrierung am letzten Wohnort hätte bedeutet, dass die zahlreichen armenischen Volkszugehörigen, die im Zusammenhang mit dem Konflikt um Berg-Karabach aus Aserbaidschan vertrieben worden bzw. geflohen seien, (jedenfalls zunächst) aserbaidschanische Staatsangehörige geworden wären. Daran aber habe der neue aserbaidschanische Staat kein Interesse gehabt.
Dieser Einschätzung des Regelungsgehalts des Art. 4, 1. Alternative, des Gesetzes der Aserbaidschanischen SSR über die Staatsangehörigkeit vom 26. Juni 1990 vermag sich der erkennende Senat jedoch nicht anzuschließen.
Trotz aller Zustimmung, die sie inzwischen in der Rechtsprechung gefunden hat, ist nicht zu verkennen, dass sie sich im Grunde nur auf die Sachkunde des Instituts für Ostrecht, München, stützen lässt, während diverse Erkenntnismittel in eine andere Richtung weisen. So vertritt beispielsweise Lorenz (in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, Stand: Februar 2012, Aserbaidschan, Stand der Bearbeitung: 30. 9. 2003, II. Staatsangehörigkeit, A.) die Auffassung, dass nach Art. 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1990 diejenigen Personen, die die Staatsangehörigkeit der aserbaidschanischen SSR vor dem Auseinanderbrechen der UdSSR besessen hätten, Teil des Staatsvolkes gewesen seien. Weitere Anforderungen, wie etwa ein Wohnsitz im Inland, seien nicht gestellt worden. Im Ergebnis denselben Standpunkt nimmt Prof. Dr. Luchterhandt, Universität Hamburg, ein (vgl. etwa Gutachten v. 15. 12. 1997 für das VG Augsburg, S. 3 [Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]). In dieselbe Richtung weisen ferner verschiedene Auskünfte des Auswärtigen Amtes: So heißt es etwa in der Auskunft vom 7. Februar 1996 - Az.: 514-516.00/22502 [Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03], dass Art. 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 alle am 1. Januar 1991 legal mit Wohnsitz in der Aserbaidschanischen SSR registrierten sowjetischen Staatsangehörigen de jure auch zu aserbaidschanischen Staatsangehörigen machte. In seiner Auskunft vom 7. April 1999 (Az.: 514-516.80/32 503 an das VG Osnabrück [Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 1. 3. 2002, in 13 L 1954/00]) führt das Auswärtige Amt des Weiteren aus, dass aufgrund des Gesetzes der ehemaligen UdSSR "Über die Staatsangehörigkeit" in der UdSSR eine einheitliche Unions-Staatsangehörigkeit existierte. Darüber hinaus habe jeder Staatsangehörige der UdSSR jedoch noch die Staatsangehörigkeit einer der Unionsrepubliken besessen. Diese Republik-Staatsangehörigkeit sei nach dem Recht der UdSSR rein formal nach dem ständigen Wohnsitz der betreffenden Person bestimmt worden. Sobald der ständige Wohnsitz in eine andere Unionsrepublik verlegt und darüber hinaus bei den dortigen Behörden angemeldet worden sei, habe sich die Republik-Staatsangehörigkeit geändert; das heiße die betreffende Person habe die Staatsangehörigkeit der neuen Wohnsitzrepublik erworben und die bis dahin ausschlaggebende Republik-Staatsangehörigkeit verloren. Der Nachweis über die behördliche Anmeldung werde durch einen entsprechenden Stempel im Personalausweis der betreffenden Person geführt.
Der erkennende Senat würdigt die einander widerstreitenden Auffassungen in Auseinandersetzung mit der vorliegenden obergerichtlichen Rechtsprechung wie folgt:
Auszugehen ist davon, dass auch im Rahmen der Prüfung einer Staatsangehörigkeit als Vorfrage der Flüchtlingsanerkennung der prüfende Aufenthaltsstaat nach völkerrechtlichen Grundsätzen nicht seine eigene Rechtsansicht über die Bedeutung einer innerstaatlichen Norm des Staatsangehörigkeitsrechts eines fremden Staates an die Stelle dessen innerstaatlichen Rechts setzen darf (Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, Köln 2009, Seite 302 [Kap 4 § 18] Rn. 102). Daher ist grundsätzlich die Auslegung des fremden Staatsangehörigkeitsrechts durch die Behörden und Gerichte des jeweiligen fremden Staates und nicht diejenige durch deutsche Behörden und Gerichte maßgebend (OVG Münster, Urt. v. 7. 7. 1987 - 18 A 2810/84 -, InfAuslR 1988, 68 [70]; OVG Berlin, Urt. v. 18. 4. 1991 - OVG 5 B 41.90 -, InfAuslR 1991, 228 [OVG Berlin 18.04.1991 - 5 B 41/90] [230]; a. A. VG Berlin, Urt. v. 23. 10. 1990 - VG 18 A 277.86 -, InfAuslR 1991, 162 [LG Hagen 14.02.1991 - 10 S 533/90] [166]). Die Frage, ob die Klägerinnen zu 2 und zu 3 die Staatsangehörigkeit Aserbaidschans auf der Grundlage des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 erworben haben, lässt sich daher nicht schon deshalb bejahen, weil deutsche Rechtsgelehrte oder deutsche staatliche Stellen anhand einer vermeintlich "objektiven" Auslegung des damaligen aserbaidschanischen Rechts zu diesem Ergebnis gelangen. Vielmehr scheidet grundsätzlich eine politische Verfolgung durch Ausbürgerung aus, wenn der als Verfolger in Betracht kommende Staat (schon de jure) den möglicherweise Ausgebürgerten zu keinem Zeitpunkt seiner Existenz als eigenen Staatsbürger anerkannte - selbst wenn dies objektiv juristisch fragwürdig sein mag.
Anders ist jedoch die Rechtslage zu beurteilen, wenn - wie im vorliegenden Falle - ein Wandel in der Rechtsauffassung des potentiellen Verfolgerstaates hinsichtlich der Staatsangehörigkeitsfrage festzustellen ist. Steht ein Staat in der von ihm selbst akzeptierten Rechtsnachfolge eines im Außenverhältnis nicht souveränen Gliedstaates eines Bundesstaates, so können aus der Beurteilung der gliedstaatlichen Staatsangehörigkeit durch seinen Rechtsvorgänger - und zwar auch unter Berücksichtigung des rechtlichen Rahmens der Regelungen des Bundesstaates - Schlussfolgerungen auf einen ehedem sehr wohl gegebenen, später dann aber von staatlicher Seite geleugneten Bestand jener Staatsangehörigkeit gezogen werden, in der sich die vormaligen gliedstaatliche Staatsangehörigkeit fortsetzte. Das gilt insbesondere für die Republik Aserbaidschan, weil Art. 4 des Verfassungsaktes vom 18. Oktober 1991, mit dem sich die Republik Aserbaidschan von der UdSSR trennte, unter anderem bestimmte, dass die Verfassung der Republik Aserbaidschan von 1978 gültig bleibe, soweit nicht Regelungen dem Verfassungsakt widersprächen, dass alle Akte der Republik Aserbaidschan vor der Erklärung der Unabhängigkeit gültig blieben, wenn sie nicht der Souverainität und territorialen Integrität der Republik Aserbaidschan widersprächen, und dass bis zum Erlass einschlägiger Gesetze der Republik Aserbaidschan Gesetze der UdSSR in der Republik Aserbaidschan gültig blieben (Transkaukasus-Institut, Gutachten vom 28. 3. 2007 für das VG Braunschweig, S. 21).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, wie die Frage der Republikzugehörigkeit der Klägerinnen zu 2 und zu 3 am 1. Januar 1991 auf der Grundlage des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Aserbaidschanischen SSR vom 26. Juni 1990 und vor dem Hintergrund der Rechtspraxis in der damaligen UdSSR zu beurteilen gewesen ist. Dagegen ist nicht maßgeblich, wie erst zu wesentlich späteren Zeitpunkten die Republik Aserbaidschan die Rechtslage des Jahres 1991 verstanden wissen wollte. Darauf abzustellen verbietet sich nicht nur, weil ein Verfolgerstaat nicht dadurch über die Flüchtlingsanerkennung eines Verfolgten im Bundesgebiet zu disponieren vermag, dass er nachträglich eine außer Kraft getretene Vorschrift seines eigenen Staatsangehörigkeitsrechts durch angebliche "Klarstellungen" (um-)interpretiert - und damit steuern könnte, ob politische Verfolgung durch Ausbürgerung in Betracht kommt. Sondern es verbietet sich auch deshalb, weil sich zu wesentlich späteren Zeitpunkten als dem Jahre 1991 die politische Situation in Aserbaidschan bereits so erheblich gewandelt hatte, dass aus dieser gewandelten Situation gezogene Rückschlüsse auf die Rechtslage des Jahres 1991 unhistorisch sind.
Entgegen der vorherrschenden obergerichtlichen Auffassung und den Annahmen des Instituts für Ostrecht, München, darf dementsprechend das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 26. Juni 1990 nicht im Lichte des späteren Gesetzes über die Staatsangehörigkeit vom 30. September 1998 interpretiert und verstanden werden. Denn das letztgenannte Gesetz ist erst vor einem zwischenzeitlich erheblich veränderten rechtlichen und politischen Hintergrund ergangen. Zwar hatten bereits bis zum Juni 1990 die Flüchtlingsbewegungen im Rahmen des Berg-Karabach-Konflikts erschreckende Ausmaße angenommen. Bis September 1989 waren 180.000 Armenier aus Aserbaidschan und etwa 100.000 Aseri aus Armenien geflohen. Zu Beginn des Jahres 1990 stiegen die Flüchtlingsströme weiter an (vgl. Wikipedia, Schlagwort: Berg-Karabach-Konflikt, 2.2 Erneuter Ausbruch des Konflikts nach 1985). Es hatte zum damaligen Zeitpunkt aber der August-Putsch in Moskau (18. bis 21. 8. 1991) noch nicht stattgefunden, währenddessen eine Gruppe sowjetischer Funktionäre den Staatspräsidenten Michael Gorbatschow absetzte und versuchte, die Kontrolle über das Land zu erlangen. Erst mit dem Scheitern dieses Putsches zerschlugen sich endgültig die Hoffnungen hinsichtlich des Fortbestehens einer, wenn auch dezentralisierten Staatenunion, und beschleunigte sich der Zerfall der Sowjetunion (vgl. Wikipedia, Schlagwort: August-Putsch in Moskau). Auch der Krieg der Jahre 1992 bis 1994 (vgl. Wikipedia, Schlagwort: Berg-Karabach-Konflikt, 2.3 Krieg 1992 bis 1994) mit dem Ergebnis einer umfänglichen Besetzung aserbaidschanischen Territoriums hatte im Jahre 1990 noch nicht stattgefunden. Deshalb ist davon auszugehen, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 26. Juni 1990 der Aserbaidschanischen SSR noch darauf angelegt war, sich in die Rechtsordnung der UdSSR einzufügen und noch keine juristische Ausgrenzung armenischer Volkszugehöriger bezweckte. Dafür spricht insbesondere auch Art. 2 dieses Gesetzes, der die "Gleichheit der Staatsangehörigkeit" betrifft und in dem unter anderem ausdrücklich geregelt ist, dass die Bürger der Aserbaidschanischen SSR vor dem Gesetz gleich seien, unabhängig von ihrer Rassen- und Volksgruppenzugehörigkeit, ihrem Wohnort, ihrer Aufenthaltsdauer am jeweiligen Ort und anderen Umständen. In Art. 2 ist zudem ausdrücklich ausgeführt, dass Staatsangehörige der Aserbaidschanischen SSR zugleich Staatsangehörige der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken seien.
Hinsichtlich der Rechtsordnung der UdSSR, die als Hintergrund des Staatsangehörigkeitsgesetz vom 26. Juni 1990 zu sehen ist, legt indessen Prof. Dr. Luchterhandt (Universität Hamburg) in seinem Gutachten vom 15. Dezember 1997 für das VG Augsburg, S. 2 [Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]) überzeugend dar, dass gemäß dem Staatsangehörigkeitsgesetz der UdSSR vom 1. Dezember 1978 zwar die Staatsangehörigkeit grundsätzlich im Wege der Geburt erworben wurde. Die Republikangehörigkeit richtete sich dann aber nach dem Wohnsitz, was zwar nicht definitiv geregelt war, sich aber aus der Zusammenschau bzw. Interpretation einer Reihe von Vorschriften ergab. Hierzu führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 2. April 2003 - Az.: 508-516.80/41 090 - an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht [Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03] weiter aus, dass das Personenregistrierungssystem in der ehemaligen Sowjetunion eine behördliche Abmeldung nur dann vorsah, wenn eine Person ihren Wohnsitz in eine andere Sowjetrepublik verlegte und sich an ihrem neuen Wohnort bei den dortigen Behörden neu anmeldete. Die Meldebehörde am neuen Wohnsitz verständigte daraufhin die Meldebehörde des alten Wohnortes, z.B. in der damaligen Aserbaidschanischen SSR, welche daraufhin eine Abmeldung der betreffenden Person vornahm. Dieses Verfahren sei auch nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion und der Gründung ihrer Nachfolgestaaten zwischen der Republik Aserbaidschan und den anderen Nachfolgestaaten, mit Ausnahme von Armenien, bis 1998 praktiziert worden. Das Verfahren muss auch dem aserbaidschanischen Gesetzgeber des Jahres 1990 vor Augen gestanden haben. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er sich schon damals mit der Regelung des § 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 hiervon lösen wollte, indem er neben der förmlichen Registrierung am Wohnort (Propiska) auch den tatsächlichen Aufenthalt zur Voraussetzung für den Erwerb der Republik-Staatsangehörigkeit machte. Selbst in dem Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 22. November 2000 wird eingeräumt, dass der dortige Kläger bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan wahrscheinlich gute Chancen auf eine Anerkennung als aserbaidschanischer Staatsangehöriger gehabt hätte, wenn seine Eintragung im Melderegister am 1. 1. 1991 nicht gelöscht gewesen sei. Als Nachweis für den ständigen Wohnsitz in Aserbaidschan hätte der gültige Meldevermerk in einem gültigen Inlandspass ausgereicht. Die durch mehrere Erkenntnismittel bestätigte, auf die Registrierung abhebende Rechtspraxis erachtet der Senat für entscheidend.
Man hat sich im Übrigen vor Augen zu halten, dass ein Verständnis des Art. 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 dahin, dass zum Erwerb der Republik-Staatsangehörigkeit neben der förmlichen Registrierung auch der tatsächliche Aufenthalt auf dem Territorium Aserbaidschans erforderlich gewesen sei, nicht nur armenische Volkszugehörige betroffen hätte. Vielmehr hielten sich zum damaligen Zeitpunkt zahlreiche noch förmlich auf aserbaidschanischem Territorium registrierte aserische Volkszugehörige als Flüchtlinge außerhalb Aserbaidschans in anderen Unionsrepubliken auf, ohne dort förmlich gemeldet zu sein. Auch für sie hätte das in dem Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 22. November 2000 vertretene Rechtsverständnis die Folge gehabt, dass sie die aserbaidschanische Republik-Staatsangehörigkeit aufgrund ihres erzwungenen Aufenthalts in anderen Unionsrepubliken nicht erworben hätten. Ein politisches Interesse des Gesetzgebers der Aserbaidschanischen SSR des Jahres 1990 an dieser Rechtsfolge ist jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr spricht der Umstand, dass nach Art. 6 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 ein dauerhafter Aufenthalt eines Staatsangehörigen der Aserbaidschanischen SSR auf dem Territorium einer anderen Unionsrepublik kein Erlöschen der Staatsangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR begründete, dafür, dass die Aserbaidschanische SSR den in andere Unionsrepubliken Geflüchteten die aserbaidschanische "Republik-Staatsangehörigkeit" nicht nur erhalten, sondern - als Voraussetzung für diesen Erhalt - erst einmal zukommen lassen wollte. Es steht der Annahme, dass dabei in erster Linie an aserische Volkszugehörige gedacht worden sein mag, nicht entgegen, dass die daraufhin geschaffene Rechtslage armenischen Volkszugehörigen ebenfalls zugute kommt - zumal damals keineswegs feststand, dass die Vertriebenen langfristig nicht zurückkehren würden. Zieht man Letzteres ins Kalkül, so deutet des Weiteren der Gesichtspunkt einer größere Praktikabilität darauf hin, dass in grundsätzlich auf Beständigkeit angelegten Staatsangehörigkeitsfragen an Registereintragungen angeknüpft werden sollte, statt an die Zufälligkeiten eines nicht selten nur für provisorisch gehaltenen, erzwungenen tatsächlichen Aufenthalts.
Schließlich überzeugt den Senat auch nicht das Argument, es sei nicht anzunehmen, dass Art. 4, 1. Alternative, des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 für den Erwerb der Republik-Staatsangehörigkeit an einen rechtswidrigen Zustand habe anknüpfen wollen, der in einer fortbestehenden formalen Registrierung bei anderweitigem tatsächlichen Aufenthalt bestanden habe. Denn in der Staatspraxis der ehemaligen Sowjetunion herrschte keine Freizügigkeit, sondern diente das System der Registrierung nicht zuletzt dazu, unerwünschten Bevölkerungsverschiebungen und Wohnsitzwechseln durch Verweigerung der Propiska entgegenzutreten. Vor diesem Hintergrund spricht mehr dafür, das Rechtswidrige an dem Auseinanderfallen von förmlicher Registrierung und tatsächlichem Aufenthalt nicht in der formal fortbestehenden Registrierung, sondern in dem ungenehmigten tatsächlichen anderweitigen Aufenthalt zu sehen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die formale Registrierung durch das Fehlen eines gleichzeitigen entsprechenden Aufenthalts als Anknüpfungspunkt für einen Staatsangehörigkeitserwerb nicht diskreditiert.
Auf der Grundlage der Eintragungen in den von den Klägern vorgelegten Dokumenten, insbesondere den Inlandspässen und Geburtsurkunden, und der glaubhaften Angaben der Kläger ist der Senat davon überzeugt, dass namentlich die Klägerinnen zu 2 und zu 3 bis zum Verlassen der Aserbaidschanischen SSR in Kirovabad förmlich gemeldet waren und dies infolge einer unterlassenen Anmeldung in der Armenischen SSR auch während ihres dortigen Aufenthalts blieben. Nicht verwunderlich ist insbesondere, dass die Klägerin zu 2 nach ihrer glaubhaften Flucht aus Kirovabad, wo es nachweislich 1988 zu Pogromen gegen die armenische Bevölkerung gekommen ist (vgl. Tessa Hoffmann, Annäherung an Armenien, Verlag C. H. Beck, S. 130 [Bl. 990 Bd. II GA zu 7 LB 140/06]), andere Sorgen hatte, als sich um eine Ummeldung ihres und ihrer Kinder Wohnsitzes zu bemühen. Vielmehr handelt es sich um ein aus verschiedenen späteren Nachfolgestaaten der UdSSR bekanntes Problem, dass die Flüchtlinge so zahlreich waren, dass sie auch ohne förmliche Anmeldung eine faktische Aufnahme fanden.
Es ist nicht davon auszugehen, dass die förmliche Wohnsitzanmeldung der Klägerinnen zu 2 und zu 3 in Kirovabad bereits bis zum 1. Januar oder 18. Oktober 1991 entfallen sein könnte. Zu späteren Zeitpunkten haben allerdings auf der Grundlage verschiedener ministerieller Anweisungen Löschungen armenischer Volkszugehöriger in den Melderegistern stattgefunden (vgl. etwa die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 2. 4. 2003 - Gz.: 508-516.80/41 090 - und v. 28. 4. 2003 - Gz.: 508-516.80/41 123 - an das VG Schleswig [jeweils Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]). Es bestehen jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte für eine derartige Praxis in Kirovabad bis zum 1. Januar oder 18. Oktober 1991 (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 6. 3. 2006 - 9 B 02.30792 -, [...], Langtext Rn. 27). Zwar wird in dem Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 22. November 2000 die Vermutung geäußert, es habe schon vor dem Inkrafttreten des aserbaidschanischen Meldegesetzes von 1996, das in Art. 9 Fall 2 eine Annullierung der Anmeldung am früheren Wohnort bei "Wahl des Wohnortes in einem anderen Land" vorsah, eine Praxis behördlicher Streichungen aus den Melderegistern gegeben und hierzu bereits eine mehr als 11/2-monatige Abwesenheit vom gemeldeten Wohnsitz ausgereicht. Überzeugende Indiztatsachen, die diese Vermutung stützen, sind für Kirovabad aber nicht ersichtlich. Vielmehr geht aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. 4. 2003 - Gz.: 508-516.80/41 090 - an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht (Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03) hervor, dass das Personenregistrierungssystem in der ehemaligen Sowjetunion, das im hier interessierenden Zeitraum des Jahres 1991 in Aserbaidschan noch Gültigkeit besaß, eine Abmeldung nur dann vorsah, wenn eine Person ihren Wohnsitz in eine andere Sowjetrepublik verlegte und sich an ihrem neuen Wohnort bei den dortigen Behörden neu anmeldete. Einer einseitigen Abmeldung der Kläger in Aserbaidschan hätte daher die Rechtsgrundlage gefehlt. Davon abgesehen hätte erst der Doppeltatbestand einer Anmeldung in Armenien mit nachfolgender Abmeldung in Aserbaidschan einen Änderung des registrierten Wohnsitzes und damit den Wechsel von der Aserbaidschanischen zur Armenischen Republikzugehörigkeit bewirkt (vgl. AA, Auskunft v. 16. 9. 1998 - Az.: 514-516.80/32 632 - an das BAFl [Anlagen zum Schriftsatz der Kl. vom 1. 3. 2002, in 13 L 1954/00]).
Unabhängig davon stellt für den vorliegenden Einzelfall der hervorzuhebende Umstand, dass den Klägern zu 2 bis 5 nach ihren glaubhaften Angaben die blauen Auslandspässe für die Ausreise in die damalige DDR aus Baku zugesandt wurden, ein durchschlagendes Indiz dafür dar, dass jedenfalls sie weiter als aserbaidschanische Republikzugehörige betrachtet wurden, sodass deshalb aserbaidschanische Stellen für die Ausstellung ihrer Pässe zuständig blieben.
Hiernach ist festzuhalten, dass die Klägerinnen zu 2 und 3 am 1. Januar 1991 die Republik-Staatsangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR erworben haben und diese Republik-Staatsangehörigkeit mit der Verselbständigung Aserbaidschans im Außenverhältnis zu einer Staatsangehörigkeit erstarkte.
2.
Die Klägerinnen zu 2 und zu 3 haben bis zur Neuregelung des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrechts durch das Gesetz vom 30. September 1998 ihre aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nicht verloren.
Dies ist insbesondere nicht auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 aus ordnungsrechtlichen Gründen geschehen. Nach der genannten Vorschrift trat ein Verlust der Staatsangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR (Entlassung) ein, "sofern eine Person mit ständigem Aufenthaltsort im Ausland ihrer Meldepflicht gegenüber dem Konsulat ohne wichtigen Grund fünf Jahre lang nicht nachkommt". Nach Art. 20 Abs. 2 des genannten Staatsangehörigkeitsgesetzes trat der Verlust der Staatsangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR (Entlassung) jedoch erst im Moment der Registrierung des jeweiligen Tatbestandes durch die in den Artikeln 32 und 33 des vorliegenden Gesetzes genannten zuständigen staatlichen Organe in Kraft. Wie sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift erschließt, hatte diese Registrierung konstitutive Wirkung. Erst mit ihr schied die betroffene Person aus der Staatsangehörigkeit Aserbaidschans aus (Universität Hamburg [Prof. Dr. Luchterhandt], Gutachten v. 15. 12. 1997 für das VG Augsburg, S. 4, und Gutachten v. 17. 10. 2000, für das VG Würzburg, S. 4 [jeweils Anlagen zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]; AA, Auskunft v. 10. 4. 2000 - Az.: 514-516.80/35 758 - an das VG Oldenburg [Anlage zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]). Dementsprechend beansprucht die Republik Aserbaidschan auch Personen, welche mehr als fünf Jahre ohne Registrierung bei der zuständigen aserbaidschanischen Auslandsvertretung abwesend gewesen sind, als aserbaidschanische Staatsangehörige. Eine Entziehung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit von staatlicher Seite wurde nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes bislang nicht durchgeführt (AA, Auskunft vom 2. 4. 2003 - Az.: 508-516.80/41 090 - an das Schlesw.-Holst. VG, S. 2, Nr. 3, [Anlage zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]). De facto ist es offenbar zu einer Nichtanwendung des Art. 20 Abs. 2 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 gekommen, wofür auch spricht, dass sich nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes die aserbaidschanischen Auslandsvertretungen geweigert haben, Meldungen aserbaidschanischer Staatsangehöriger im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 anzunehmen, wenn die Ausreise der Betroffenen illegal, d.h. ohne vorherige Genehmigung durch das zuständige Innenministerium zur ständigen Wohnsitznahme im Ausland erfolgte (AA, Auskunft v. 7. 2. 1996 - Az.: 514-516.00/22 502 - an das VG Ansbach [Anlage zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]). Es kann somit nicht angenommen werden, dass auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 2 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 ein Verlust der aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft der Klägerinnen registriert worden ist. Nach dem 30. Juni 1998 konnte eine solche Registrierung schon deshalb nicht mehr vorgenommen werden, weil Art. 20 Satz 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der aserbaidschanischen SSR mit dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes der aserbaidschanischen Republik am 30. September 1998 abgeschafft wurde (AA, Auskunft v. 10. 4. 2000 - Az.: 514-516.80/35 758 - an das VG Oldenburg [Anlage zum Schriftsatz der Kl. v. 17. 11. 2003 in 13 LB 179/03]).
3.
Die Klägerinnen zu 2 und zu 3 sind allerdings nach Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des aserbaidschanischen Gesetzes über die Staatsangehörigkeit vom 30. September 1998 in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, nämlich ihrer armenische Volkszugehörigkeit, de jure aus Aserbaidschan ausgebürgert worden.
Der Unterschied zwischen einer De-jure-Ausbürgerung und einer De-facto-Ausbürgerung besteht darin, dass der betroffene Staat im erstgenannten Falle dem vormaligen Staatsbürger auch die formale Rechtsposition der Staatsbürgerschaft entzieht, während er im zweitgenannten Falle ihm diese formale Rechtsposition belässt, ihm aber tatsächlich die daraus abzuleitenden staatsbürgerlichen Rechte und insbesondere den staatlichen Schutz nicht gewährt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 2. 2009 - BVerwG 10 C 50.07 -, a.a.O., [...], Langtext, Rn. 23).
Wie bereits oben ausgeführt, ist zur Beantwortung der Frage, ob ein Asylantragsteller die Staatsangehörigkeit eines ausländischen Staates besitzt, grundsätzlich auf die Rechtspraxis der zuständigen Stellen dieses ausländischen Staates abzuheben und nicht auf die Deutung des ausländischen Rechtes durch deutsche Stellen oder Wissenschaftler. Steht die Rechtspraxis der Exekutive des ausländischen Staates im Widerspruch zu gerichtlichen Entscheidungen der Justiz dieses Staates, mag fraglich sein, auf wessen Rechtsauffassung insoweit abzuheben ist. Diese Problematik stellt sich jedoch im vorliegenden Falle nicht. Denn aus der im vorliegenden Rechtsstreit eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. September 2005 (Az.: 508-516.50/2659 -, Bl. 388 f. Bd. III GA zu 13 LB 13/05) ergibt sich, dass es in Aserbaidschan eine ähnlich entwickelte Rechtsprechung wie in Deutschland, bei der die Gerichte und die Rechtsforschung aktiv an der Interpretation des Gesetzes mitarbeiten, nicht gibt. Dies gilt speziell für das Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts. Es gibt keine Kommentare oder Urteile, sondern es existiert nur der Gesetzestext. Vor diesem Hintergrund ist maßgeblich auf die Rechtspraxis der aserbaidschanischen Exekutive, namentlich der Auslandsvertretungen, abzustellen. Sofern durch diese Stellen einem Personenkreis die staatsbürgerlichen Rechte verweigert werden, ist von der De-jure-Ausbürgerung dieses Personenkreises auszugehen, es sei denn, es bestehen in der Rechtspraxis des ausländischen Staates hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass trotz der Verweigerung der staatsbürgerlichen Rechte die formale Rechtsposition der Staatsbürgerschaft nicht in Abrede gestellt wird. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der betreffende Staat die betroffenen Personen in irgendeinem Zusammenhang weiter als eigene Staatsangehörige in Anspruch nimmt, etwa indem er auf die Erfüllung bestimmter staatsbürgerlicher Pflichten besteht. Lässt sich dagegen keine derartige "Doppelgesichtigkeit" der Handhabung der Staatsangehörigkeitsfrage feststellen, ist eine De-jure-Ausbürgerung anzunehmen. So liegt es im vorliegenden Falle.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des aserbaidschanischen Gesetzes über die Staatsangehörigkeit vom 30. September 1998 sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan Personen, die die Staatsangehörigkeit der Republik Aserbaidschan im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes besaßen (Grundlage: Meldung der Person an ihrem Wohnsitz in der Republik Aserbaidschan am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes). Obwohl diese Legaldefinition (hier zitiert nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, Stand: Februar 2012, Aserbaidschan, II. B., Die gesetzlichen Bestimmungen) gesetzessystematisch betrachtet keine Verlustgründe enthält (diese Frage ist vielmehr in Art. 16 des Staatsangehörigkeitsgesetzes geregelt), wurde sie armenischen Volkszugehörigen gegenüber konsequent wie ein Verlusttatbestand angewandt (AA, Lagebericht Aserbaidschan v. 13. 10. 2011, V. 3., S. 23; Transkaukasus-Institut, Gutachten vom 12. 12. 2008 für das VG Wiesbaden, 1.3.5.1, S. 8 f.). Für andere Volkszugehörige mit Herkunft aus Aserbaidschan lässt sich eine gleichartige Handhabung dagegen nicht feststellen. Die aserbaidschanische Regierung betrachtet vielmehr die zahlreichen Aserbaidschaner anderer, insbesondere aserischer Volkszugehörigkeit, die sich dauerhaft in Russland niedergelassen haben, weiterhin als Staatsangehörige, denen durch die aserbaidschanischen Konsulate in Russland Pässe ausgestellt werden und die konsularischen Schutz in Anspruch nehmen können, es sei denn, es wird gemutmaßt, sie seien armenische Volkszugehörige mit Wohnsitz im Ausland (AA, Lagebericht Aserbaidschan v. 13. 10. 2011, V. 3., S. 23). Dementsprechend weigern sich aserbaidschanische Behörden - auch die Botschaft in Berlin - systematisch, die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit von in Deutschland lebenden Personen mit armenischen Namen anzuerkennen, selbst wenn diese angeben, Aserbaidschaner zu sein und dies mit alten aserbaidschanischen oder sowjetisch/aserbaidschanischen Dokumenten belegen können (AA, Lagebericht Aserbaidschan v. 13. 10. 2011, II. 1.3., S. 13, 3. Absatz). Diese Erfahrung haben auch die Kläger im Zuge der eigenen glaubhaften Bemühungen, insbesondere derjenigen der Klägerin zu 3, um eine Klärung der Frage ihrer etwaigen aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit gemacht. Das Verhalten der aserbaidschanischen Botschaft fügt sich im Übrigen nahtlos in die allgemeine Staatspraxis Aserbaidschans ein, in der eine "Aserbaidschanisierung" des Alltaglebens angestrebt wird (vgl. AA, Lagebericht Aserbaidschan v. 13. 10. 2011, II. 1.3., S. 13), für die die Anerkennung und Aufnahme ehedem vertriebener oder geflüchteter armenischer Volkszugehöriger als aserbaidschanische Staatsangehörige nur hinderlich sein könnte.
Es ist deshalb eine an die tatsächliche oder vermutete armenische Volkszugehörigkeit anknüpfende einseitige Handhabung des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrechts von 1998 zu konstatieren, die nur bei armenischen Volkszugehörigen zu einem Verlust der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit führt (ebenso: Bay. VGH, Urt. v. 6. 3. 2006 - 9 B 02.30792 -, [...], Langtext Rn. 31).
Der Senat hält es zwar nicht für entscheidend, ob diese Handhabung nur auf der Machtvollkommenheit der aserbaidschanischen Exekutive beruht, oder auch den Intentionen des aserbaidschanischen Gesetzgebers entspricht. Vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit durch den aserbaidschanischen Staat geduldeten (vgl. Tessa Hoffmann, Annäherung an Armenien, Verlag C. H. Beck, S. 130 [Bl. 990 Bd. II GA zu 7 LB 140/06]) Vertreibung fast der gesamten in Aserbaidschan lebenden Bevölkerungsgruppe armenischer Volkszugehörigkeit rechtfertigen jedoch die vorliegenden sachkundigen Stellungnahmen sogar die letztgenannte Einschätzung.
Denn nicht nur in der im hiesigen Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. September 2005 - Az.: 508-516.50/2659 - (Bl. 388 f. Bd. III GA zu 13 LB 13/05) wird mitgeteilt, es liege die Vermutung nahe, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 30. September 1998 seinerzeit lediglich den Zweck hätte haben sollen, sich der noch in Aserbaidschan gemeldeten, d.h. in den Registern erfassten, armenischen Volkszugehörigen, die schon längst ausgewandert, aber formell noch aserbaidschanische Staatsangehörige gewesen seien, auf unspektakuläre Weise zu entledigen, indem man ihnen mit Hilfe dieses neuen Gesetzes die Staatsangehörigkeit entzog.
In dem Gutachten des Transkaukasus-Instituts vom 28. März 2007 für das VG Braunschweig (S. 27, Anhang 2) wird ebenfalls dargelegt, dass die Klammer-Regelung in Art. 5 Abs.1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 ihrem Wortlaut nach als eine einfachgesetzliche Ausbürgerungsregelung verstanden werden könnte, nach der denjenigen Staatsangehörigen der Republik Aserbaidschan, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 nicht ihren Wohnsitz in der Republik hatten oder aber an diesem nicht gemeldet waren, automatisch ihre Staatsangehörigkeit entzogen werde. Es sei nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass der historische Gesetzgeber des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 beabsichtigt haben könnte, die abwesenden Staatsangehörigen amtlich armenischer Volkszugehörigkeit auszubürgern.
In dieselbe Richtung weisen schließlich Teile der Ausführungen in dem Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 22. November 2000 für das VG Berlin. Obwohl sich der Senat wie dargelegt - nicht der in diesem Gutachten vertretenen Auffassung anzuschließen vermag, dass Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 rückbezüglich als Klarstellung des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1990 zu wirken vermöge, teilt er nämlich die Einschätzung der Gutachterin, dass (jedenfalls für armenische Volkszugehörige) nach Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 ein Erwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit allein in Anknüpfung an eine formal bestehende Meldung ohne tatsächlichen Aufenthalt in Aserbaidschan nicht möglich war. Zu Recht führt die Gutachterin aus, dass aufgrund des Klammerzusatzes in Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 klar sei, dass der aserbaidschanische Gesetzgeber von 1998 die Anerkennung von Personen, die sich ohne amtlich gemeldeten Wohnsitz in Aserbaidschan aufhielten, als aserbaidschanische Staatsangehörige ausschließen wollte. Der umgekehrte Fall - amtlich gemeldeter Wohnsitz ohne faktischen Aufenthalt in Aserbaidschan - sollte nach der ratio legis des Gesetzes ebenfalls nicht zu einem Erwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit (durch armenische Volkszugehörige) führen. Die sich hieraus ergebende Eignung der Vorschrift, potentiell als Verlusttatbestand zu wirken, wird auch in dem genannten Gutachten des Instituts für Ostrecht erkannt. Denn es heißt dort an anderer Stelle, dass es aufgrund des Zusatzes zu Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 passieren könnte, dass für Personen, die zwar die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nach dem 1. Januar 1991 durch Geburt erworben hätten, aber bei Inkrafttreten des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 ihren ständigen Wohnsitz nicht in Aserbaidschan hatten, die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit "streng genommen nicht fortgesetzt" werde.
Demgegenüber ist die Annahme, dass die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit der Klägerinnen de jure fortbestehe, nicht deshalb gerechtfertigt, weil ein Verständnis und eine Handhabung des Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 als Verlusttatbestand gegen Art. 53 der aserbaidschanischen Verfassung verstoßen dürfte und viel dafür spricht, dass dies im Hinblick auf deren Art. 147, 148 Abs. 1, 149 Abs. 1 und Abs. 3 zur Unwirksamkeit der einfach-gesetzlichen Norm führen müsste (Transkaukasus-Institut, Gutachten v. 28. 3. 2007 für das VG Braunschweig, S. 27). In der insoweit maßgeblichen aserbaidschanischen Rechtspraxis werden diese Folgerungen nämlich offensichtlich nicht gezogen. Deshalb ist unerheblich, zu welchen Ergebnissen eine "objektive" Auslegung des aserbaidschanischen Rechts durch deutsche Juristen gelangt, welche die Argumentation der aserbaidschanischer Auslandsvertretungen als "pseudojuristisch" (vgl. Transkaukasus-Institut, Gutachten vom 12. 12. 2008 für das VG Wiesbaden, 1.3.5.1, S. 8 f.) betrachten. Die offenkundige Fragwürdigkeit der juristischen Rechtfertigung aserbaidschanischer Stellen gegenüber armenischen Volkszugehörigen stellt allerdings ein weiteres Indiz für das Vorliegen politischer Verfolgung dar.
Die gegen die soeben dargelegte Rechtspraxis und Rechtslage seit dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 erhobenen Einwände der Klägerinnen zu 2 und zu 3, die darauf hinauslaufen, dass sie lediglich als de facto ausgebürgert zu betrachten seien, sind nicht begründet. Die Klägerinnen haben unter anderem den Wortlaut der Übertragung des Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 ins Deutsche problematisiert. Wie sich aus der Übersetzung bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, ergebe, laute der in dieser Vorschrift enthaltene Klammerzusatz: "Meldung der Person an ihrem Wohnsitz [und eben nicht - wie nach anderer Übersetzung - "Wohnort"] in der Republik Aserbaidschan am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes". Dieser Streit um Worte führt indessen nicht weiter. Denn auch bei Bevorzugung der Übersetzung als "Wohnsitz" ist darunter im Zusammenhang des Gesetzes von 1998 nicht der Ort zu verstehen, an dem die betreffende Person nur noch formal gemeldet gewesen ist. Hätte nämlich der aserbaidschanische Gesetzgeber von 1998 als Grundlage für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch armenische Volkszugehörige die formale Meldung allein ausreichen lassen wollen, so hätte er den Klammerzusatz einfach wie folgt formulieren können: "Grundlage: Wohnsitz der Person in der Republik Aserbaidschan am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes" oder: "Grundlage: Meldung der Person in der Republik Aserbaidschan am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes". Daraus, dass er das nicht getan hat, sondern die "Kombinationslösung" (Meldung der Person an ihrem Wohnsitz) gewählt hat, ist zu schließen, dass er 1998 die bloße formelle Meldung für einen Neuerwerb der Staatsangehörigkeit gerade nicht ausreichen lassen, sondern den Erwerb der Staatsangehörigkeit zusätzlich von einem tatsächlichen Aufenthalt am Ort der Meldung abhängig machen wollte. Dementsprechend ist auch unerheblich, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 die formale Anmeldung der Klägerinnen zu 2 und zu 3 mit ihrem Wohnsitz in Aserbaidschan noch fortbestand. Zugunsten eines Staatsangehörigkeitserwerbs ohne faktischen Wohnsitz auf der Grundlage des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 lässt sich im Übrigen nicht erfolgreich mit der noch allein auf die Innehabung einer förmlichen Registrierung (Propiska) abhebenden Rechtspraxis in der vormaligen UdSSR argumentieren. Denn die Propiska ist in Aserbaidschan bereits 1996 abgeschafft worden (Transkaukasus-Institut, Gutachten vom 12. 12. 2008 für das VG Wiesbaden, 1.3.5.3.1, S. 9 f.).
Indessen vermag der erkennende Senat der seitens des 13. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 5. Dezember 2005 - 13 LB 13/05 - (Bl. 504 ff. Bd. IV GA zu 13 LB 179/03) vertretene Rechtsaufassung nicht beizutreten, dass die Klägerinnen zu 2 und zu 3 auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 n u r vom einem (asylrechtlich unerheblichen) Nichterwerb einer neuen Staatsbürgerschaft betroffen gewesen seien und offenbleiben könne, was aus ihrer vor diesem Gesetz etwa bestehenden alten aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit geworden sei, da diese nicht mehr "relevant" sei. Die Aufspaltung des Verlusts der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit in einen asylrechtlich unerheblichen Nichterwerb einer neuen und die Irrelevanz der alten Staatsangehörigkeit ist eine Konstruktion, der nicht nur eine gewisse Künstlichkeit anhaftet, sondern die auch dem tatsächlichen Vorgang nicht gerecht wird. Sie entspricht allerdings der Argumentation aserbaidschanischer Behörden (vgl.: Dr. Savvidis, Gutachten v. 10. 8. 2009 für den Hess. VGH, S. 4, m.w.N.), die versuchen, die in Wahrheit stattfindende "kalte Ausbürgerung" (Dr. Savvidis, Gutachten v. 10. 8. 2009, a.a.O., m.w.N.) juristisch zu verblenden. Solche Selbstrechtfertigung ist aber weiter zu hinterfragen, selbst wenn nur eine Rechtsnorm angewendet wird, die keinen der einschlägigen juristische Begriffe (wie Ausbürgerung, Entziehung oder Aberkennung der Staatsbürgerschaft) enthält und deren neutraler Wortlaut eine an die Volkszugehörigkeit anknüpfende Gerichtetheit noch nicht erkennen lässt. Denn das Vorliegen politischer Verfolgung ergibt sich im vorliegenden Falle aus der Würdigung der geübten Rechtspraxis vor dem Hintergrund der Vertreibungen, die in der Vergangenheit staatlich geduldet wurden. Die allein gegenüber armenischen Volkszugehörigen geübte Rechtspraxis Aserbaidschans, bei fehlendem tatsächlichen Wohnsitz auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 einen Verlust der Staatsangehörigkeit anzunehmen, lässt es nicht zu, darin lediglich eine ordnungsrechtliche Sanktion zu sehen, mit der im Wege einer "Neuordnung" den tatsächlichen Verhältnissen in der Beziehung zu "abgewanderten" Bürgern Rechnung getragen wird. Vielmehr ergibt der Vergleich mit der Behandlung anderer Volkszugehöriger, dass nicht einer Anzahl von aus individuellen Gründen "abgewanderten" Bürgern eine überlebte formale Rechtsposition entzogen wird, sondern einer mit staatlicher Duldung vertriebenen oder geflüchteten Bevölkerungsgruppe (vgl. Tessa Hoffmann, Annäherung an Armenien, Verlag C. H. Beck, S. 130 [Bl. 990 Bd. II GA zu 7 LB 140/06]) aufgrund ihrer ethnischen Herkunft das Heimatrecht weiter vorenthalten bleibt und der staatliche Schutz versagt wird.
4.
Die mit dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 und der hieran anknüpfenden Rechtspraxis der aserbaidschanischen staatlichen Stellen zu verzeichnende De-jure-Ausbürgerung der Klägerinnen zu 2 und zu 3 weist die nachArt. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) vom 29. April 2004 erforderliche Schwere auf, um als Verfolgungshandlung zu gelten.
a)
An dieser Schwere fehlt es nicht deshalb, weil Art. 15 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 nur das Recht auf "eine" Staatsangehörigkeit gewährt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 2. 2009 - BVerwG 10 C 50.07 -, a.a.O., [...], Langtext Rn. 20 dort allerdings letztlich offen gelassen) und die Klägerinnen zum Zeitpunkt ihrer Ausbürgerung eine weitere Staatsbürgerschaft gehabt hätten. Denn das ist nicht der Fall. Auf der Grundlage der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 13. August 1998 - Gz.: 514-516.80/32 072 - (Bl. 798 ff. Bd. I GA zu 7 LB 140/06) ist zwar davon auszugehen, dass auf Angehörige des sowjetischen Militärs im Ausland gemäß der Verfügung Nr. 5206/1-I des Obersten Sowjets der Russischen Föderation vom 17. Juni 1993 der Art. 13 Abs. 1 des russischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 28. November 1991 (Bl. 783 Bd. I GA zu 7 LB 140/06) entsprechende Anwendung fand, sodass diese unter bestimmten Voraussetzungen russische Staatsbürger wurden und dies in Ermangelung der Abgabe einer entgegenstehenden Erklärung (binnen eines Jahres) blieben. Das galt nach der dem Senat erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 12. Juni 2012 - Gz.: 508-9-516.80/47298 - (Bl. 1007 f. Bd. II GA zu 7 LB 140/06) aber nicht für mitgereiste Familienangehörige wie die Klägerinnen zu 2 und zu 3. Diese hätten, weil sie am 6. Februar 1992 nicht nur vorübergehend außerhalb Russlands lebten, die russische Staatsangehörigkeit vielmehr nur auf Antrag erwerben können (AA, Auskunft v. 17. 5. 1994 - Az.: 514-516/15 032 -, [Bl. 796 f. Bd. I GA zu 7 LB 140/06]).
Es ergibt sich bereits aus den entsprechenden Bescheinigungen der armenischen Botschaft hinsichtlich der Kläger zu 1 und zu 2 und dem Umstand, dass hinsichtlich der Klägerin zu 3 keine anderen Erwerbstatbestände in Betracht kämen als im Falle ihrer Eltern, dass die Klägerinnen zu 2 und zu 3 auch die armenische Staatsangehörigkeit nicht besitzen.
b)
Bei der Beurteilung der Schwere der durch eine Ausbürgerung bewirkten Rechtsverletzung sind allerdings nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie auch die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Betroffenen zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass er auch persönlich schwer von der Ausbürgerung betroffen sein muss. Für die Beurteilung der Schwere der Rechtsverletzung im Einzelfall kann auch von Bedeutung sein, ob und in welchem Maße sich der Betroffene um die Aufhebung der Ausbürgerung und die Wiedererlangung der ihm entzogenen Staatsangehörigkeit bemüht hat, ggf. auch welche Gründe ihn hiervon abgehalten haben (BVerwG, Urt. v. 26. 2. 2009 - BVerwG 10 C 50.07 -, a.a.O., [...], Langtext Rn. 21). Im vorliegenden Falle scheitert die Flüchtlingsanerkennung nicht an fehlenden Bemühungen der ausgebürgerten Klägerinnen zu 2 und zu 3. Ihnen ist zunächst zugute zu halten, dass sie Aserbaidschan unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure verlassen haben, gegen die der Rechtsvorgänger des aserbaidschanischen Staates, nämlich die Aserbaidschanische SSR, nicht eingeschritten ist. Es mag dahinstehen, ob 1998 armenische Volkszugehörige in Aserbaidschan noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vom Ausbruch erneuter Pogrome oder einer Einzelverfolgung kraft Gruppenzugehörigkeit bedroht waren. Jedenfalls ist damals die Befürchtung, in Aserbaidschan von politischer Verfolgung bedroht zu sein, aus der Perspektive der Klägerinnen nicht derart abwegig gewesen, dass ihr die Eignung abgesprochen werden könnte, die Klägerinnen von einer Kontaktaufnahme mit aserbaidschanischen Behörden abzuhalten. Im Jahre 2008 hat sich sodann die Klägerin zu 3 wiederholt, aber erfolglos um die Wiedererlangung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit bemüht. Angesicht der Erfolglosigkeit dieser Bemühungen und der ohnehin seit langem bekannten Rechtspraxis aserbaidschanischer Stellen konnten von der Klägerin zu 2 keine eigenen Bemühungen in dieser Richtung mehr erwartet werden. Denn sie hätte lediglich dieselben familiären Dokumente wie ihre Tochter vorlegen können, ohne dass dies Aussicht auf Erfolg versprochen hätte.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 30. September 1998 aufgrund der in der aserbaidschanischen Rechtspraxis feststellbaren und mit der Intention des historischen Gesetzgebers übereinstimmenden objektiven Gerichtetheit seiner Handhabung als eine Ausbürgerungsregelung eingeordnet werden muss, die trotz ihrer neutralen Gesetzesformulierung gezielt allein armenischen Volkszugehörige trifft. Sie dient der juristischen Festschreibung der Ergebnisse einer zuvor staatlich geduldeten, fast vollständigen Vertreibung der armenischen Bevölkerungsgruppe Aserbaidschans. In ihrer Anwendung auf die Klägerinnen zu 2 und zu 3 liegt politische Verfolgung durch eine Ausbürgerung de jure.
Auf der Grundlage der durch den Senat festgestellten Tatsachen würde man allerdings, was das Vorliegen politischer Verfolgung der Klägerinnen anbetrifft, zu keinem anderen Ergebnis gelangen, wenn man die auf Art. 5 Abs. 1 Ziffer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1998 gestützte Praxis aserbaidschanischer Stellen, aserbaidschanischen Staatsbürgern armenischer Volkszugehörigkeit Personalpapiere, diplomatischen Schutz und die Einreise zu verweigern - entgegen der Auffassung des Senats - zur Annahme einer De-jure-Ausbürgerung nicht hinreichen lassen wollte. Die Klägerinnen zu 2 und zu 3 wären dann nämlich als im Wege einer De-facto-Ausbürgerung politisch verfolgt anzusehen.
II.
Gegenüber ihrer politischen Verfolgung durch Ausbürgerung aus Aserbaidschan verfügen die Klägerinnen zu 2 und zu 3 nicht über eine inländische Fluchtalternative.
Mit dem Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 22. 3. 2007 - BVerwG 1 B 97.06 -, Buchholz 402.242, § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 32, hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 15) und nunmehr auch dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 14. 4. 2011 - 2 B 07.30242 -, [...], Langtext, Rn. 28) geht der Senat davon aus, dass einem Flüchtling, der durch Ausbürgerung politisch verfolgt wird, Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG nur dann zuerkannt werden darf, wenn der Betroffene über keine inländische (d.h. innerstaatliche) Fluchtalternative auf dem Territorium desjenigen Staates verfügt, der ihn ausgebürgert hat. Eine solche innerstaatliche Fluchtalternative setzt unter anderem voraus, dass dem Ausländer am Ort der Fluchtalternative keine sonstigen unzumutbaren Gefahren und Nachteile drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer erheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG gleichkommen. Ob diese sonstige Gefahren und Nachteile an seinem Herkunftsort so nicht bestünden, ist dagegen für die Flüchtlingsanerkennung nicht mehr maßgeblich (BVerwG, Urt. v. 29. 5. 2008 BVerwG 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff., hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 31; Bay. VGH, Urt. v. 14. 4. 2011 - 2 B 07.30242 -, [...], Langtext Rn. 29, m.w.N.), weil § 60 Abs. 1 Satz 4 - letzter Gliedsatz - AufenthG so auszulegen ist, dass er mit Art. 8 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie übereinstimmt. Die letztgenannte Vorschrift sieht zwar vor, dass die Mitgliedstaaten bei der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz feststellen können, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, fordert aber darüber hinaus (ohne an den Herkunftsort anknüpfende Einschränkungen), dass von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Nach Art. 8 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie gilt ferner, dass die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslands die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag berücksichtigen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative setzt deshalb voraus, dass im jeweiligen Einzelfall auch das wirtschaftliche Existenzminimum des Ausländers am Ort der Fluchtalternative gewährleistet ist (BVerwG, Urt. v. 29. 5. 2008 - BVerwG 10 C 11.07 -, a.a.O., [...], Langtext Rn. 32).
Nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse, insbesondere der Lageberichte des Auswärtigen Amtes zu Armenien vom 11. August 2009, 8. November 2010 und 18. Januar 2012, der Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 15. Januar 2008 - GZ.: 508-516.80/45 275 - an das Verwaltungsgericht Düsseldorf und vom 26. Oktober 2009 - GZ.: 508-516.80/46 079 - an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, der Gutachten des Transkaukasus-Instituts vom 18. Oktober 2005 für das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern sowie der Gutachten der Dr. Savvidis vom 10. August 2009 und des Prof. Dr. Luchterhandt vom 20. August 2009 für den Hessischen Verwaltungsgerichtshof ist der erkennende Senat der Auffassung, dass die Klägerinnen zu 2 und zu 3 in Berg-Karabach keine innerstaatlichen Fluchtalternative haben.
1.
Das wirtschaftliche Existenzminimum der Klägerinnen zu 2 und zu 3 wäre in Berg-Karabach nicht durch eigene zumutbare Arbeit oder das Sozialsystem sichergestellt.
Im Grundsatz bietet ein verfolgungssicherer Ort dem Ausländer das wirtschaftliche Existenzminimum regelmäßig dann, wenn er durch eigene, notfalls auch wenig attraktive oder seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von "Anfangsschwierigkeiten" das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenden Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (Bay. VGH, Urt. v. 14. 4. 2011 - 2 B 07.30242 -, [...], Langtext, Rn. 36).
Nach dem Gutachten des Transkaukasus-Instituts vom 18. Oktober 2005 für das OVG Mecklenburg-Vorpommern (S. 16 unter 8.a. 3.2 und 8.a 3.3) stellte sich die damalige Lage so dar, dass Berg-Karabach zwar die Zuwanderung förderte. Bei einer Zuwanderung jenseits der "Hauptstadt" Stepanakert würde aber landwirtschaftliche Erfahrung erwartet, auch eine Wehrbauern-Mentalität. Eine Arbeit mit einer das Überleben sichernden Entlohnung sei für einen Außenstehenden ohne enge Beziehungen nicht erhältlich. Eine Zuwanderung in die sowieso nur rudimentären Sozialsysteme sei nicht möglich; dazu sei Berg-Karabach weder willens noch in der Lage. Demgegenüber haben sich nach dem Gutachten Prof. Dr. Luchterhandts vom 20. August 2009 (für den Hess. VGH) die ökonomischen Verhältnisse in der Republik Berg-Karabach inzwischen eher verbessert als verschlechtert. In dem Gutachten wird daher eine Existenzmöglichkeit in Berg-Karabach für einen 43-jährigen armenischen Volkszugehörigen mit langjähriger Erfahrung als Kfz-Mechaniker bejaht. Dagegen führt Dr. Savvidis in ihrem Gutachten für den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 10. August 2009 (ebenfalls im Fall des genannten 43 jährigen armenischen Volkszugehörigen) aus, die sozioökonomische Lage Berg-Karabachs sei noch immer durch Kriegszerstörungen und eine vorangegangene Jahrzehnte lange Vernachlässigung und Unterentwicklung der Region gekennzeichnet. Sollte der [damalige] Kläger zur Subsistenzwirtschaft nicht bereit oder fähig sein, drohe ihm Arbeitslosigkeit und damit ein Leben unterhalb des Existenzminimums. Unter ergänzender Heranziehung der eingangs bereits zitierten Lageberichte und Auskünfte des Auswärtigen Amtes geht der Senat zwar mit der vorherrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 14. 4. 2011 - 2 B 07.30242 -, [...], Langtext, Rn. 30 m.w.N. aus der obergerichtlichen Judikatur) für voll arbeitsfähige jüngere Personen davon aus, dass sie durch eigene Tätigkeit ihr Existenzminimum in Berg-Karabach sichern können. Der Lebensstandard in Berg-Karabach entspricht in etwa dem in den unabhängigen Republiken der ehemaligen UdSSR. Es herrscht ein Mangel an Arbeitskräften. Neuankömmlingen wird durch die "Regierung" Berg-Karabachs unentgeltlich Wohnraum zur Verfügung gestellt und sie werden bei der Arbeitssuche unterstützt (vgl. AA, Lageberichte Armenien v. 11. 8. 2009, 8. 11. 2010 und 18. 1. 2012, Auskünfte v. 15. 1. 2008 - Gz.: 508-516.80/45 275 - an das VG Düsseldorf und v. 26. 10. 2009 - Gz.: 508-516.80/46 079 - an den Hess. VGH).
Die Klägerin zu 2 ist aber inzwischen fast 52 Jahre. Nach den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen ist davon auszugehen, dass sie nicht mehr Klavier spielen kann, nicht mehr voll arbeitsfähig ist und insbesondere auf Grund ihrer Erkrankungen auf Dauer keine schweren körperlichen Arbeiten, namentlich im Freien, auszuführen vermag. Sie leidet unter anderem an der Versteifung zweier Glieder des Mittelfingers einer Hand, unter einer lumbalen Wurzelreizung, Diabetes mellitus Typ 2 beim Erwachsenen und Hypertonie. Außerdem werden ihr Depressionen und eine Angststörung bescheinigt. Schließlich ist sie beidseitig durch Krampfadern und Plattfüße beeinträchtigt. Die Klägerin zu 3 ist wegen ihrer Hüftdysplasie ebenfalls zu keinen schweren körperlichen Arbeiten, auch keinen Arbeiten bei Kälte, in der Lage. Infolge unter anderem ihrer Hüftdysplasie hat sie sich, obwohl sie in Deutschland fachkundig behandelt werden konnte, gesundheitlich nicht in der Lage gesehen, ihren erlernten Beruf weiter auszuüben. Trotz ihres guten Russisch fehlen der Klägerin zu 3 zudem Kenntnisse der armenischen Schriftsprache und ist sie, da sie ganz überwiegend in Deutschland aufwuchs, mit den Lebensverhältnissen, insbesondere der Frauen, im ländlich geprägten Berg-Karabach nicht vertraut.
Hiernach erscheint es dem Senat nicht realistisch, dass die Klägerinnen zu 2 und zu 3 die Möglichkeit haben, in Berg-Karabach durch eigene Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es begegnet bereits erheblichen Zweifeln, ob in Berg-Karabach ein Bedarf an Klavierlehrerinnen und Kosmetikerinnen bestünde. Davon abgesehen ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen diese Berufe aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mit hinreichendem Erfolg versehen könnten. Die für Zuwanderinnen nach Berg-Karabach ohnehin in erster Linie in Betracht zu ziehenden körperlichen Arbeiten in der Landwirtschaft (z.B. als Erntehelferinnen usw.) vermögen sie physisch ohnehin nicht auszuüben. Ihr Existenzminimum selbst zu erwirtschaften würde den Klägerinnen erst recht nicht gelingen, weil sie zusätzlich die Mittel für Zahlungen oder zumindest Zuzahlungen zu den Kosten für ihre erforderliche ärztliche und medikamentöse Behandlung in Berg-Karabach aufzubringen hätten. Eine hinreichende Unterstützung durch das "Sozialsystem" Berg-Karabachs haben sie ebenfalls nicht zu erwarten.
Zwar mögen sich die gegenwärtigen Verhältnisse der Gesundheitsversorgung in Berg-Karabach gegenüber dem ehedem (vgl. Transkaukasus-Institut, Gutachten v. 18. 10. 2005 für das OVG Mecklenburg-Vorpommern, S. 22, 13.6) als verheerend beschrieben Zustand verbessert haben. Namentlich ist inzwischen die "Verfassung" der "Republik Berg-Karabach" vom 10. Dezember 2006 in Kraft getreten, die in ihrem Grundrechtsteil eine Reihe sozialer Rechte enthält (Prof. Dr. Luchterhandt, Gutachten v. 20. 8. 2009 für den Hess. VGH, S. 40), die als Menschenrechte gefasst sind ("jeder"). Ihr Artikel 37 garantiert das Recht auf das Existenzminimum in folgender Formulierung: "Jeder hat für sich und seine Familie das Recht auf einen hinreichenden Lebensstandart." Artikel 39 enthält darüber hinaus weitreichende Garantien sozialen Schutzes: "Jeder hat das Recht auf soziale Sicherstellung in Alter, Invalidität, Krankheit, bei Verlust des Ernährers, bei Arbeitslosigkeit und sonstigen durch Gesetz vorgesehenen Fällen. Umfang und Formen der sozialen Sicherstellung werden durch Gesetz bestimmt." Zudem gelten in Berg-Karabach den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung (vgl. AA, Lagebericht Armenien v. 18. 1. 2012, VI. Exkurs: Berg-Karabach, S. 20). Es sind jedoch weiterhin durchgreifende Skepsis und Zweifel daran angebracht, dass die Republik Berg-Karabach im Hinblick auf ihre wirtschaftliche und finanzielle Leistungskraft tatsächlich in der Lage ist, solche speziellen sozialen Rechte und auf ihnen beruhende gesetzliche Ansprüche wenigstens auf einem Mindestniveau zu befriedigen (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt, Gutachten v. 20. 8. 2009 für den Hess. VGH, S. 40).
2.
Das wirtschaftliche Existenzminimum der Klägerinnen zu 2 und zu 3 wäre in Berg-Karabach nicht durch eine etwaige Unterstützung der Kläger zu 1, zu 4 und zu 5 gewährleistet.
Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 8. 9.1992 - BVerwG 9 C 8.91 -, BVerwGE 90, 364 ff., hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 14 und 15) ist im Rahmen der Rückkehrprognose für die Klägerinnen zu 2 und zu 3 allerdings deren Aufenthalt in Berg-Karabach zusammen mit den Klägern zu 1, zu 4 und zu 5 zu unterstellen, die mit ihnen auch im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft leben. Auf Grund dieses Zusammenlebens und des Umstandes, dass auch diese Kläger nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels sind, stellt eine Rückkehrprognose die einen gemeinsamen Aufenthalt aller Kläger in Berg-Karabach zugrunde legt, insbesondere keinen Verstoß gegen das Gebot der Wirklichkeitsnähe solcher Prognosen dar (vgl. hierzu Hess. VGH, Urt. v. 1. 11. 1993 - 12 UE 680/93 -, [...], Langtext Rn. 55). Es besteht ferner eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Familienmitglieder nach der Lebenserfahrung einander in Notsituationen nicht mutwillig im Stich lassen und einem unsicheren Schicksal preisgeben, dessen erkennbar bedrohliche Folgen sie ohne eigene Gefährdung oder übermäßige Anstrengung abwenden können (Hess. VGH, Urt. v. 1. 11. 1993 - 12 UE 680/93 -, [...], Langtext Rn. 51). Vor diesem Hintergrund ist daher ergänzend die Frage aufzuwerfen, ob das erforderliche Existenzminimum der Klägerinnen zu 2 und zu 3 in Berg-Karabach nicht durch die Unterstützung der Kläger zu 1, zu 4 und zu 5 sichergestellt werden könnte.
a)
Was eine Unterstützung durch den Kläger zu 1 anbetrifft, ist diese Frage eindeutig zu verneinen. Der Kläger zu 1 verfügt zwar über eine Ausbildung als Mechaniker und eine Berufserfahrung in der Kfz-Branche Aserbaidschans. Er dürfte damit noch immer über einige in Berg-Karabach beruflich nützliche Kenntnisse verfügen. Zumal im Hinblick auf den dortigen geringeren Technisierungsgrad ist aber davon auszugehen, dass eine Berufstätigkeit als Kfz-Mechaniker schon deshalb ausscheidet, weil sie einen erheblichen körperlichen Einsatz erfordert, zu dem der Kläger zu 1 heute nicht mehr im Stande ist. Denn er ist nicht nur bereits 52 Jahre alt, sondern es wird ihm in den vorgelegten Attesten auch glaubhaft bescheinigt, dass er auf Grund der vorliegenden Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, schwere körperliche Arbeiten auszuführen. An der Richtigkeit dieser Einschätzung hat der Senat keinen Zweifel, da aus den vorgelegten Attesten unter anderen hervorgeht, dass der Kläger zu 1 unter einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung, eine koronare Herzkrankheit sowie einem Hinterwandinfarkt des Herzens leidet und ständiger medikamentöser Behandlung bedarf. Hiernach könnte der Kläger zu 1 auch nicht durch andere einfache körperliche Arbeiten, z.B. als Erntehelfer oder Bauhelfer, zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, sondern wäre voraussichtlich selbst finanziell hilfsbedürftig.
b)
Was eine Unterstützung der Klägerinnen zu 2 und zu 3 durch die Kläger zu 4 und zu 5 angeht, verkennt der Senat nicht, dass das Auswärtigen Amtes in seiner Auskunft vom 15. Januar 2008 - GZ. 508-516.80/45 275 - an das Verwaltungsgericht Düsseldorf, die den Fall einer im Jahre 2000 ins Bundesgebiet eingereisten Familie betraf, welche aus 1956 geborenen Eltern und zwei 1988 und 1986 geborenen Söhnen bestand, die Auffassung vertreten hat, dass erwachsene Söhne durch ihre Arbeitstätigkeit auch den Unterhalt nicht mehr arbeitsfähiger Eltern in Berg-Karabach sicherstellen könnten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Kläger zu 4 und 5 - anders als in dem durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu entscheidenden Fall - nahezu ausschließlich die Verhältnisse in Deutschland kennen, dass sie keine Berufsausbildung haben, dass sie praktisch kein Armenisch sprechen, und dass auch nur der Kläger zu 3 etwas Russisch versteht. Das dürfte es ihnen erschweren, auf dem Arbeitsmarkt in Berg-Karabach Fuß zu fassen. Es mag zwar viel dafür sprechen, dass es ihnen gleichwohl gelingen würde, als Ernte- oder Bauhelfer ihr eigenes Existenzminimum zu sichern. Zur Überzeugung des Senats wären sie aber damit überfordert, ihre Mutter und ihre Schwester finanziell ausreichend zu unterstützen. Das gilt erst recht, weil sie gleichzeitig ihrem Vater beizustehen hätten, dessen besonders angeschlagene Gesundheit ständige zusätzliche Kosten verursachen würde.
III.
Die Klägerinnen zu 2 und zu 3 verfügen über keine evidente Möglichkeit des Erwerbs einer anderen Staatsangehörigkeit.
Ein Anspruch der Klägerinnen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert nicht an Art. 4 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist bei der individuellen Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz unter anderem die Frage zu berücksichtigen, ob von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er den Schutz eines anderen Staates in Anspruch nimmt, dessen Staatsangehörigkeit er für sich geltend machen könnte (vgl. Urt. v. 26. 2. 2009 - BVerwG 10 C 50.07 -, a.a.O., [...], Langtext Rn. 42). Die Vorschrift setzt an anderer Stelle geregelte materielle Voraussetzungen in einen behördlichen Prüfungsauftrag um, der sich insbesondere auf das Erfordernis von Ermittlungen hinsichtlich des Besitzes mehrfacher Staatsangehörigkeiten bezieht (vgl. Art. 1A Nr. 2 GFK). Das Fehlen der Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie in innerstaatliches Recht ist nach Ablauf der Umsetzungsfrist jedenfalls insoweit unschädlich, als sich die Vorschrift auf den genannten Prüfungsumfang beschränkt. Mit diesem beschränkten Gehalt wäre sie für den vorliegenden Fall ohnehin nicht weiter erheblich. Denn wie bereits oben unter I. 4. a) ausgeführt worden ist, besitzen die Klägerinnen zu 2 und zu 3 keine weiteren Staatsangehörigkeiten, insbesondere nicht die russische oder armenische.
Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 26. 2. 2009 - BVerwG 10 C 50.07 -, a.a.O., [...], Langtext Rn. 42) hat jedoch offen gelassen, ob sich aus Art. 4 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ein über den genannten Prüfungsauftrag hinausreichender materieller Normgehalt ergibt, nach dem - insbesondere mit Blick auf die Situation eines Staatenzerfalls - auch die evidente Möglichkeit des Erwerbs der Staatsangehörigkeit eines Nachfolgestaates, z.B. durch bloße Registrierung, der Flüchtlingsanerkennung entgegenstehen kann.
Selbst wenn man Letzteres zugrunde legt, ist jedoch den Klägerinnen zu 2 und zu 3 die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen. Denn die Klägerinnen besitzen keine evidenten Möglichkeiten, z.B. durch bloße Registrierung, die Staatsangehörigkeit eines Nachfolgestaates der UdSSR zu erwerben.
1.
Es kann von den Klägerinnen nicht erwartet werden, dass sie vernünftigerweise versuchen, die Staatsangehörigkeit der Republik Armenien zu erwerben. Zwar ist es nicht völlig auszuschließen, dass ihnen dieses langfristig gelingen könnte, dies aber nicht in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren, etwa durch bloße "Registrierung" oder "Anmeldung" (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt, Gutachten v. 20. 8. 2009 für den Hess. VGH, Seite 11).
Der Erwerb der armenischen Staatsangehörigkeit kann im Wege der Anerkennung oder der Einbürgerung erfolgen. Hierfür ist ein persönlicher Antrag auf freiwilliger Basis bei den zuständigen armenischen Behörden in Armenien zu stellen; eine Antragstellung bei der armenischen Botschaft in Berlin ist nach deren Information nicht möglich (vgl. UNHCR, Auskunft v. 2. 3. 2010 an den Hess. VGH, Nr. 4). Staatenlose oder Personen, welche zuvor die Staatsangehörigkeit eines Landes der ehemaligen UdSSR innehatten, werden auf Antrag nach Art. 10 Abs. 2 des armenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes anerkannt, wenn sie ihren ständigen Aufenthalt/Wohnsitz in der armenischen Republik haben und der entsprechende Antrag vor dem 31. Dezember 2009 gestellt wurde. In der Vergangenheit wurde die Frist bereits mehrfach verlängert. Nach Erkenntnissen des UNHCR ist eine weitere Fristverlängerung geplant und eine entsprechende Gesetzesänderung bereits in die Wege geleitet worden (UNHCR, Auskunft v. 2. 3. 2010 an den Hess. VGH). Eine Anerkennung für Personen, die im Ausland leben, ist indessen nur für ehemalige Staatsangehörige der Armenischen Sozialistischen Sowjetrepublik, die keine andere Staatsangehörigkeit angenommen haben, vorgesehen (vgl. Art. 10 Abs. 3 des armenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes). Hiernach scheitert ein unkomplizierter Staatsangehörigkeitserwerb der Klägerinnen zu 2 und zu 3 jedenfalls daran, dass sie keinen ständigen Aufenthalt/Wohnsitz in der armenischen Republik haben und auch keine ehemaligen [Republik-] Staatsangehörigen der Armenischen Sozialistischen Sowjetrepublik sind. Denn die [Republik-] Staatsangehörigkeit dieser Sowjetrepublik haben sie während ihres dortigen Aufenthalts im Jahre 1989 schon deshalb nicht erworben, weil sie sich damals im Eriwan nicht haben förmlich registrieren lassen (Propiska). In Betracht käme daher nur die Verleihung der Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung nach den Voraussetzungen des Art. 13 des armenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes durch Dekret des Staatpräsidenten. Danach kann jede arbeitsfähige Person über 18 Jahren die Einbürgerung beantragen, wenn sie zuvor mindestens drei Jahre ihren Wohnsitz in der armenischen Republik gehabt hat, die armenische Sprache beherrscht und mit der armenischen Verfassung vertraut ist. Für armenische Volkszugehörige sieht Art. 13 des armenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes ein vereinfachtes Einbürgerungsverfahren vor. Diese sind von der sonst bestehenden dreijährigen Aufenthaltspflicht und den Sprachnachweisen befreit. Nach Einschätzung des UNHCR (Auskunft v. 2. 3. 2010 an den Hess. VGH), der der Senat folgt, handelt es sich bei der Einbürgerung gemäß Art. 13 des armenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes jedoch um ein langwieriges Verfahren, in dessen Verlauf die Identität und das Vorhandensein von Vorstrafen überprüft werden. Die Klägerinnen zu 2 und zu 3 dürften unter dem letztgenannten Blickwinkel nichts zu befürchten haben, es ist im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand jedoch zweifelhaft, ob man sie als arbeitsfähige Personen im Sinne des armenischen Einbürgerungsrechts betrachten würde. Zwar existiert ein vereinfachtes und schnelleres Verfahren für Flüchtlinge aus Aserbaidschan, die bereits zu Beginn des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan auf prima facie Basis anerkannt worden sind. Flüchtlinge armenischer Volkszugehörigkeit, die nicht bereits bei einem früheren Aufenthalt in Armenien registriert wurden, werden jedoch als neu ankommende Asylbewerber behandelt und müssen im regulären individuellen Asylverfahren um Schutz nachsuchen. Es findet keine Anerkennung auf prima facie Basis mehr statt (UNHCR, Auskunft vom 2. 3. 2010 an den Hess. VGH). Mittlerweile sind die armenischen Behörden bei Asylsuchenden aus Aserbaidschan eher zurückhaltend mit der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus. Es gibt auch kein spezielles Verfahren zur Flüchtlingsanerkennung für Personen aus Aserbaidschan mit armenischer Volkszugehörigkeit (UNHCR, Auskunft vom 2. 3. 2010 an den Hess. VGH). Trotz insoweit unklarer Angaben des Klägers zu 1, der in seiner Anhörung bei dem Bundesamt angegeben hat, er sei in Armenien "als Flüchtling geführt worden" geht der Senat davon aus, dass keine förmliche Registrierung der Klägerinnen zu 2 und zu 3 als Flüchtlinge in Armenien stattgefunden hat. Denn dies entspricht nicht nur den späteren Angaben der Kläger. Vielmehr ist auch die Aussage, dass er in Armenien als Flüchtling "geführt" worden sei, dem Kläger zu 1 durch die vorangegangene Fragestellung bei dem Bundesamt gleichsam "in den Mund gelegt worden". Von sich aus hatte er lediglich angegeben, dass er in Armenien als Flüchtling "gelte", was eine formelle Registrierung nicht einschließt.
Nach alledem besteht für die Klägerinnen zu 2 und zu 3 keine sich aufdrängende vereinfachte Möglichkeit, die armenische Staatsangehörigkeit zu erlangen.
2.
Es kann von den Klägerinnen auch nicht erwartet werden, dass sie vernünftigerweise versuchen, die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation zu erwerben.
Für die Klägerinnen zu 2 und zu 3 kommt derzeit auf der Grundlage keiner der zahlreichen Tatbestandsvarianten des Art. 14 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit vom 31. 5. 2002 der Russischen Föderation (abgedruckt bei Lorenz: in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Russische Föderation, Stand der Bearbeitung: 1. 3. 2010, II. B) ein vereinfachter Staatsangehörigkeitserwerb in Betracht.
Dies gilt insbesondere für Art. 14 Abs. 1 lit. b. Diese Vorschrift bestimmt unter anderem, dass Staatenlose, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und handlungsfähig sind, berechtigt sind, Anträge auf Verleihung der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation in einem vereinfachten Verfahren ohne Beachtung der Gründe gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a dieses Föderalen Gesetzes zu stellen, wenn die genannten Personen, im Besitz der Staatsangehörigkeit der UdSSR gewesen sind, in Staaten, die zur UdSSR gehörten, lebten und leben, nicht die Staatsangehörigkeit dieser Staaten erhalten haben und infolge dessen Staatenlose bleiben. Sie erfasst die Klägerinnen nicht, weil diese nicht in einem Staat leben, der zur UdSSR gehörte.
Hinsichtlich der Klägerin zu 2 scheidet auch der vereinfachte Staatsangehörigkeitserwerb gemäß Art. 14 Abs. 2 lit. b des genannten Gesetzes aus. Gemäß dieser Vorschrift sind zwar Staatenlose, die auf dem Gebiet der Russischen Föderation wohnen, berechtigt, die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation in einem vereinfachten Verfahren ohne Beachtung der in Art. 13 Abs. 1 lit. a dieses Föderalen Gesetzes festgelegten Aufenthaltsdauer zu erhalten, wenn sie mit einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation nicht weniger als drei Jahre verheiratet sind. Selbst wenn der Kläger zu 1 russischer Staatsangehöriger sein sollte, so wohnt jedoch die Klägerin zu 2 nicht auf dem Gebiet der Russischen Föderation. Außerdem bestreitet das zuständige Generalkonsulat der Russischen Föderation in Hamburg ausweislich der erteilten Bescheinigung vom 6. Juni 2012, dass es sich bei dem Kläger zu 1 um einen russischen Staatsangehörigen handelt.
Die Klägerinnen zu 2 und zu 3 haben daher keine evidente Möglichkeit, die russische Staatsangehörigkeit zu erlangen, die wahrzunehmen sie gehalten sein könnten.