Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.04.2021, Az.: 1 MN 6/21

Abwägungsfehler; Bebauungsplan, vorhabenbezogener; Ermittlungs- und Bewertungsdefizit; Normenkontrolleilverfahren; Rechtsmissbräuchlichkeit; Rechtsschutzbedürfnis; Verwirkung; widersprüchliches Verhalten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.04.2021
Aktenzeichen
1 MN 6/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71189
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Einbeziehung einzelner Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans in einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 Abs. 4 BauGB.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragsteller zu 1. und 2. tragen die Kosten des Normenkontrolleilverfahrens gesamtschuldnerisch. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Normenkontrolleilverfahren wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren als Eigentümer eines in den Planbereich einbezogenen Grundstücks die vorläufige Außervollzugsetzung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 „Scheeßeler Straße 2“ der Antragsgegnerin.

Die Antragsteller sind gemeinschaftlich Eigentümer des im Zentrum der Antragsgegnerin gelegenen Grundstücks „Scheeßeler Straße 2 A“ (Gemarkung C-Stadt Flur 2 Flurstück 126/3; auf diese Gemarkung/Flur beziehen sich auch die folgenden Flurstückangaben). Das 184 m² große, annähernd quadratische Grundstück grenzt mit seiner Ostseite an die Scheeßeler Straße und mit seiner Nordseite unmittelbar an den die Antragsgegnerin querenden Fluss Oste an. An der Westseite des Grundstücks liegt das Flurstück 126/46, das im Eigentum eines Schützenvereins steht und in West-Ost-Richtung u.a. mit einem offenen Schießstand bebaut ist. Mit seiner Südseite schließt das Grundstück der Antragsteller an das von der Beigeladenen im Jahr 2018 erworbene Grundstück „Scheeßeler Straße 2“ (Flurstück 126/44) an. Das ca. 2.800 m² große Grundstück zieht sich auf einer Länge von etwa 50 m mit unterschiedlichen rückwärtigen Tiefen (von 30 m bis etwa 60 m) an der Scheeßeler Straße nach Süden bis zur Querstraße Ladisweg, an dessen Südseite sich das Flurstück 130/4 befindet, auf dem eine Kfz-Werkstatt betrieben wird.

Für die Grundstücke der Antragsteller und der Beigeladenen, die der Flächennutzungsplan der Samtgemeinde C-Stadt als gemischte Bauflächen darstellt, galt bisher der 1987 in Kraft gesetzte Bebauungsplan Nr. 17d „Ortskern-Süd“. Dieser legte sowohl für das Grundstück der Antragsteller als auch für den straßenseitigen Bereich des Grundstücks der Beigeladenen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung MK = Kerngebiete (§ 7 BauNVO [1977]) fest. Rückwärtig war auf dem Grundstück der Beigeladenen eine Fläche mit der Zweckbestimmung Stellplätze ausgewiesen, die nach Norden bis auf das heutige Flurstück 126/46 reichte. Ergänzend war textlich festgesetzt, dass im Kerngebiet Wohnungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO [1977] oberhalb Erdgeschoss allgemein zulässig und Ausnahmen gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO [1977] auch im Erdgeschoss nicht zulässig sind. Das Maß der baulichen Nutzung war für beide Grundstücke mit höchstens zwei Vollgeschossen sowie einer Grundflächenzahl von 1,0 und einer Geschossflächenzahl von 1,8 bestimmt. Die Bauweise war jeweils mit geschlossen festgelegt. Für das Grundstück der Antragsteller war sowohl zur Scheeßeler Straße als auch zur Oste hin - dort im Abstand von ungefähr 3 m - eine Baugrenze festgesetzt. Auf dem Grundstück der Beigeladenen waren ebenfalls zur Straße hin sowie südlich zum Ladisweg und rückwärtig mit Abstand von der Stellplatzfläche Baugrenzen festgelegt.

Diesen Vorgaben entsprechend ist das Grundstück der Antragsteller mit einem an der südlichen und an der westlichen Grundstücksgrenze grenzständigen und im Übrigen die Baugrenzen (weitgehend) ausschöpfenden Gebäude mit zwei Vollgeschossen und einem zur Oste hin frei liegenden Untergeschoss bebaut. Das früher im Erdgeschoss durch ein Friseurgeschäft und im Obergeschoss zum Wohnen genutzte Haus steht schon seit längerem leer und weist inzwischen erhebliche Beschädigungen durch Vandalismus auf. Auf dem Grundstück der Beigeladenen war ehemals der Niedersachsenhof, ein Landgasthaus mit Festsaal, Kegelbahn, Kino und Hotelbetrieb, ansässig. Die zur Scheeßeler Straße ausgerichteten Gebäude grenzten gemäß der festgesetzten geschlossenen Bauweise unmittelbar an das Haus auf dem Grundstück der Antragsteller an. Die Nutzung des Gaststätten- und Hotelbetriebs wurde schon 2001 aufgegeben; nach jahrelangem Leerstand erfolgte der Abriss der Gebäude im Oktober 2020.

Die Beigeladene erwarb das Grundstück des ehemaligen Niedersachsenhofs in der Absicht, auf ihm eine Seniorenwohn-/Pflegeresidenz (betreute Seniorenwohnanlage) zu errichten. Zur Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen fasste der Rat der Antragsgegnerin am 30. August 2018 den Beschluss zur Aufstellung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 „Scheeßeler Straße 2“. Am 24. Oktober 2019 beschloss er die - sodann im Zeitraum 11. November bis einschließlich 11. Dezember 2019 durchgeführte - öffentliche Auslegung eines überarbeiteten Entwurfs, der das Grundstück hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als Sondergebiet Alten- und Pflegeheim auswies. Mit der Auslegungsbekanntmachung vom 25. Oktober 2019 wurde auch der Aufstellungsbeschluss ortsüblich bekannt gemacht, wobei zugleich darauf hingewiesen wurde, dass die Aufstellung im beschleunigten Verfahren gemäß § 13a BauGB durchgeführt werde, sodass von einer Umweltprüfung abgesehen werde. Als umweltrelevante Information liege eine schalltechnische Untersuchung vor.

Im Rahmen der gleichzeitig durchgeführten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange stellten sowohl der Landkreis Rotenburg als auch die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade und die Industrie- und Handelskammer Stade die Richtigkeit der Annahme in der schalltechnischen Untersuchung, dass dem Sondergebiet immissionsschutzrechtlich der Schutzanspruch eines Mischgebiets zukomme, in Frage. Lege man den näherliegenden höheren Schutzanspruch eines Allgemeinen Wohngebiets zugrunde, könne dies zu Konflikten mit den gewerblichen und freizeitlichen Aktivitäten in der Umgebung führen. Der Landkreis Rotenburg führte zudem an, dass die beabsichtigte städtebauliche Ordnung nicht gänzlich nachvollziehbar sei. Der Planbegründung sei nicht zu entnehmen, wie sich die Planung auf den verbleibenden Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 17d auswirke.

Bis in das Frühjahr 2020 führten die Beigeladene und die Antragsteller Verkaufsverhandlungen hinsichtlich des Grundstücks „Scheeßeler Straße 2 A“, die jedoch an unterschiedlichen Preisvorstellungen scheiterten. Nach dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Entwurf eines notariellen Grundstückskaufvertrags (dem auch die genaue Größe des Grundstücks der Antragsteller zu entnehmen ist) war die Beigeladene wegen der erheblichen Vandalismusschäden nur zur Zahlung eines Kaufpreises von 50.000,00 EUR bereit. Auch dem „Kompromissvorschlag“ der Antragsteller mit E-Mail vom 20. Mai 2020, das Eigentum an ihrem Grundstück der Beigeladenen zur Einbeziehung in das Alten- und Pflegeheim zu überlassen und im Gegenzug (unter Erstattung der Baukosten) das Eigentum an den dort errichteten Pflegeappartements übertragen zu bekommen, trat die Beigeladene nicht näher, wobei sie darauf verwies, dass das Vorhaben zwischenzeitlich ohne das Grundstück der Antragsteller umgeplant worden sei. Daraufhin wandten sich die Antragsteller mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2. Juni 2020 an das Bauamt der Samtgemeinde C-Stadt, an das nach der Auslegungsbekanntmachung Stellungnahmen zum Bebauungsplanentwurf zu richten waren. Sie vertraten die Ansicht, dass der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 54 nicht den gesetzlichen Vorgaben genüge. Insbesondere bestehe zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung die Pflicht, ihr Grundstück in seinen räumlichen Geltungsbereich einzubeziehen.

Am 4. Juni 2020 beschloss der Rat der Antragsgegnerin, die weitere Planung in den Ausschuss für Planung und Ortsgestaltung zu geben, und ermächtigte den Verwaltungsausschuss, den erneuten Auslegungsbeschluss zu fassen. Auf Empfehlung des Ausschusses für Planung und Ortsgestaltung nahm der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin am 2. Juli 2020 das Grundstück der Antragsteller in den Geltungsbereich des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 auf und beschloss nach Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen die erneute öffentliche Auslegung. Den Einwänden aus der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange wurde durch Ausweisung des Plangebiets als MU = Urbanes Gebiet (mit näherer Bestimmung durch Textliche Festsetzung) begegnet. Dazu heißt es in der ab dem 6. Juli 2020 ausgehängten Auslegungsbekanntmachung vom 3. Juli 2020 ergänzend, dass u.a. eine entsprechende Anpassung der schalltechnischen Untersuchung erfolgt sei. Im Rahmen der erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung, die wie die erneute Beteiligung der Träger öffentlicher Belange im Zeitraum 20. Juli bis einschließlich 20. August 2020 durchgeführt wurde, erhoben die Antragsteller unter dem 19. August 2020 Einwendungen. Sie machten geltend, dass ihr Grundstück schon mangels städtebaulich erforderlicher Ergänzung nicht in den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden dürfe. Darüber hinaus seien die für ihr Grundstück vorgesehene Grundflächenzahl von 0,8 wegen der zugleich bestimmten, hinsichtlich des Abstandes zur Oste auf 5 m zurückgesetzten Baugrenze nicht vollzugsfähig und ihr Interesse an dem Erhalt der bisherigen Nutzungssituation mit einem zu geringen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden.

Mit Zustimmungsbeschluss ihres Rates vom 26. November 2020 wurde der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen am 24. November 2020 geschlossene Durchführungsvertrag zum Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 rechtswirksam. Ebenfalls in seiner Sitzung vom 26. November 2020 beschloss der Rat nach Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 als Satzung. In der Stellungnahme zu den Einwendungen der Antragsteller wurde u.a. darauf hingewiesen, dass schon § 6 Abs. 1 der Satzung des Unterhaltungs- und Landschaftspflegeverbandes Obere Oste die Einhaltung eines Abstandes der Bebauung auf ihrem Grundstück zur Oste von 5 m verlange. Nach Ausfertigung des Plans durch den Gemeindedirektor am 11. Dezember 2020 machte die Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss im Amtsblatt für den Landkreis Rotenburg vom 15. Dezember 2020 bekannt.

Der Geltungsbereich des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 umfasst die Grundstücke der Beigeladenen und der Antragsteller und setzt für beide hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung MU = Urbanes Gebiet fest. Dazu ist textlich bestimmt, dass die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen i.S. des § 6a Abs. 3 Nr. 1 und 2 BauNVO (Vergnügungsstätten und Tankstellen) nicht Bestandteil des Bebauungsplans und dass Gewerbebetriebe nicht zulässig sind, soweit sie folgenden Nutzungen entsprechen: Spielhallen, Spielkasinos, Spielbanken, Wettbüros, alle Arten von Diskotheken und Nachtlokalen wie Varietés, Nacht- und Tanzbars, alle anderen Tanzlokale und -cafés, Stripteaselokale und Sex-Kinos einschließlich der Lokale mit Video-Kabinen sowie Einrichtungen, die Film- bzw. Video-Vorführungen mit sexuellem Charakter wie z.B. Sexkinos und Räumlichkeiten mit entsprechenden Videovorführungen aufweisen, Bordelle und bordellähnliche Betriebe. Der Geltungsbereich des Vorhaben- und Erschließungsplans als Bestandteil des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans beschränkt sich auf das Grundstück der Beigeladenen. Nach der Vorhabenbeschreibung ist eine betreute Seniorenwohnanlage mit insgesamt 75 Pflegezimmern vorgesehen. Den Bewohnern werde ein Kantinenbetrieb durch Service-Mitarbeiter angeboten. Zudem werde externen Dienstleistern (z.B. Friseur oder Fußpflege) ein Raum zur Verfügung gestellt, in dem diese ihre Leistungen (ausschließlich) intern im Haus anbieten könnten. Zum Maß der baulichen Nutzung ist sowohl für das Grundstück der Antragsteller als auch für das der Beigeladenen eine Höchstzahl der Vollgeschosse von drei sowie ein Höchstmaß der Oberkante der Gebäude von 41 m ü. NN bestimmt, wobei der untere Bezugspunkt (Kanaldeckel in der Scheeßeler Straße) mit 29,04 m ü. NN in der Planzeichnung festgesetzt ist. Für das Grundstück der Antragsteller ist eine Grundflächenzahl von 0,8 und für das Grundstück der Beigeladenen ist eine Grundflächenzahl von 0,6 festgelegt. Ergänzend ist textlich bestimmt, dass die Grundflächenzahl durch Nebenanlagen, Garagen und Stellplätze mit ihren Zufahrten bis zum Wert 0,9 überschritten werden darf. Für das Grundstück der Antragsteller ist geschlossene und für das Grundstück der Beigeladenen ist abweichende Bauweise festgesetzt, in der Gebäudelängen über 50 m zulässig sind. Hinsichtlich der Grenzbebauungen und -abstände wird auf den Vorhaben- und Erschließungsplan verwiesen. Dieser zeigt innerhalb der zudem für das Grundstück der Beigeladenen festgelegten Baugrenzen ein dreigeschossiges Gebäude in der Form eines seitenverkehrten L. Weiter ist im westlichen Bereich des Grundstücks zwischen Ladisweg und dem Flurstück 126/46 eine mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit und der Versorgungsträger zu belastende Fläche festgesetzt. Die östliche Baugrenze auf dem Grundstück der Beigeladenen verläuft im Abstand von 1,5 m parallel zur Scheeßeler Straße und setzt sich nach Norden auf das Grundstück der Antragsteller fort. Dort verschwenkt sie im Abstand von 5 m von der nördlichen Grundstücksgrenze im rechten Winkel nach Westen. Der Grundstückstreifen zwischen Oste und Baugrenze ist zudem ausdrücklich als Fläche, die von Bebauung frei zu halten ist, bestimmt und der überwiegende Teil davon als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen. Sowohl auf dem Grundstück der Beigeladenen als auch auf dem Grundstück der Antragsteller ist in einer Tiefe von ungefähr 10 bis 11 m in etwa parallel zur Scheeßeler Straße eine Fläche für - durch textliche Festsetzung insbesondere für Außenwohnbereiche näher geregelte - Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen festgesetzt. Für beide Grundstücke ist entlang der Scheeßeler Straße ein Zu- und Abfahrtsverbot für Kraftfahrzeuge festgelegt, das nach textlicher Bestimmung allerdings nicht für Grundstücke gilt, deren Erschließung nur über diese Straße gesichert werden kann. Schließlich enthält der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 54 Örtliche Bauvorschriften zu Dächern, Fassaden und der Höhenlage der Gebäude.

Am 7. Januar 2021 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 54 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über ihren gleichzeitig gestellten Normenkontrollantrag (1 KN 5/21) außer Vollzug gesetzt wird. Die Antragsteller vertreten in der Sache die Auffassung, dass der Plan aufgrund etlicher formeller und materieller Fehler unwirksam sei. Zur Begründung der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung verweisen sie darauf, dass die Beigeladene bereits einen Bauantrag für ihr Vorhaben einer betreuten Seniorenwohnanlage gestellt habe.

Sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene sind dem Normenkontrolleilantrag jeweils mit ausführlicher Begründung entgegengetreten.

II.

Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Zulässigkeit des Normenkontrolleilantrags ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin keinen Bedenken ausgesetzt.

Die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gleichermaßen wie im Hauptsacheverfahren erforderliche Normenkontrollantragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO steht den Antragstellern als Eigentümern eines im räumlichen Geltungsbereich des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 gelegenen Grundstücks zweifelsfrei zur Seite (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.2018 - 4 BN 17.17 -, BauR 2018, 814 = juris Rn. 5). Dagegen betrifft die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage, ob der Einwand der Antragsteller, dass ihr Grundstück nicht in den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 habe einbezogen werden dürfen, verwirkt ist, nicht, wie sie meint, schon die Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Denn für die Bejahung der Antragsbefugnis kommt es nicht darauf an, ob sämtliche der geltend gemachten Rechtsverletzungen tatsächlich in Betracht kommen.

Auch ein Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses aufgrund weitgehender Ausnutzung der Planfestsetzungen (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 11.9.2019 - 1 MN 94/19 -, NordÖR 2019, 527 = juris Leitsatz 2 und Rn. 17) liegt nicht vor. Nach aktueller Mitteilung der Beigeladenen ist mit einer Erteilung der beantragten Baugenehmigung nicht vor Ablauf des Monats April 2021 zu rechnen. Zudem verbliebe selbst bei vollständiger Realisierung der Seniorenwohn-/Pflegeresidenz auf dem Grundstück der Beigeladenen die Betroffenheit der Antragsteller in ihrem Eigentumsrecht.

2. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht zur Abwehr schwerer Nachteile für die Antragsteller oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.

Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes für Anträge nach § 47 Abs. 6 VwGO hat sich der Senat bereits vor mehr als einem Jahr (Senatsbeschl. v. 28.2.2020 - 1 MN 153/19 -, BauR 2020, 978 = juris Leitsätze 1 und 2 sowie Rn. 15) der ständigen Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 = BauR 2015, 968 = juris Rn. 12; v. 16.9.2015 - 4 VR 2.15 -, BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4; v. 30.4.2019 - 4 VR 3.19 -, BauR 2019, 1442 = juris Rn. 4) angeschlossen. Zu prüfen sind danach zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist.

Nach diesen Maßgaben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor. Denn der Normenkontrollantrag der Antragsteller (1 KN 5/21) wird aller Voraussicht nach in der Sache erfolglos bleiben. Nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, BRS 83 Nr. 190 = juris Rn. 14; Senatsbeschl. v. 5.1.2011 - 1 MN 178/10 -, BauR 2011, 990 = juris Rn. 29) weist der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 54 entgegen der Auffassung der Antragsteller keine zu seiner Unwirksamkeit führende Fehler auf. Einer Interessen- oder Folgenabwägung bedarf es daher nicht mehr. Das Argument der Antragsgegnerin, gewichtige Nachteile für die Antragsteller seien schon deswegen zu verneinen, weil ihnen die Möglichkeit offenstehe, nach Erteilung der für das Vorhaben der Beigeladenen noch ausstehenden Baugenehmigung gegen diese im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vorzugehen, hätte allerdings wohl nicht überzeugt. Zutreffend weisen die Antragsteller darauf hin, dass der Senat von einem selbständigen und gleichberechtigten Nebeneinanderstehen der Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO und §§ 80 f. VwGO ausgeht (vgl. Senatsbeschl. v. 30.8.2001 - 1 MN 2456/01 -, BauR 2002, 447 = juris Rn. 8). Zudem bezieht sich die von der Antragsgegnerin für ihre Position angeführte Rechtsprechung ausdrücklich auf Fallgestaltungen, in denen sich der betreffende Antragsteller in der Sache nur gegen solche Nachteile wendet, die sich aus dem Vollzug einer aufgrund des angegriffenen Bebauungsplans erteilten Baugenehmigung ergeben können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2009 - OVG 2 S 50.09 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Vorliegend beanstanden die Antragsteller aber auch Festsetzungen des Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54, die ihr eigenes Grundstück betreffen.

a) Die von den Antragstellern bei der Berücksichtigung ihrer Stellungnahme vom 2. Juni 2020 (bzw. im Zusammenhang damit) monierten Fehler lassen sich nicht feststellen.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller war der Rat der Antragsgegnerin rechtlich nicht gehindert, nicht nur ihre Stellungnahme vom 19. August 2020, sondern auch ihre Stellungnahme vom 2. Juni 2020 in seine Abwägung einzubeziehen. Die Antragsteller führen selbst an, dass § 4a Abs. 6 BauGB lediglich die Möglichkeit eröffnet, nicht aber dazu verpflichtet, verspätet eingegangene Stellungnahmen zu präkludieren. Ob sich, wie die Antragsteller meinen, aus § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB, nach dem dann, wenn der Entwurf des Bauleitplans nach dem Verfahren nach § 3 Absatz 2 oder § 4 Absatz 2 geändert oder ergänzt wird, er erneut auszulegen und die Stellungnahmen erneut einzuholen sind, im Wege eines Umkehrschlusses grundsätzlich ein Argument für ein Verbot der Berücksichtigung von während der ursprünglichen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung eingegangener Stellungnahmen ergeben kann, kann dahinstehen. Jedenfalls im vorliegenden Fall hat der Rat der Antragsgegnerin zur Begründung der Einbeziehung zu Recht darauf abgestellt, dass das Abwägungsmaterial ohne die Stellungnahme der Antragsteller vom 2. Juni 2020 unvollständig gewesen wäre, weil auf sie in der Stellungnahme vom 19. August 2020 - S. 4 Abs. 2 des Schriftsatzes - ausdrücklich Bezug genommen wird (Abwägungstabelle S. 28).

Worauf der weitere Vorwurf der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe in den erneut ausgelegten Unterlagen die Stellungnahme vom 2. Juni 2020 eindeutig nicht in ihre Abwägung eingestellt, eine derartige Einstellung in die Abwägung hätte unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB erfolgen müssen, genau zielt, ist nicht ganz deutlich. Festzustellen ist dazu zunächst, dass dem Rat der Antragsgegnerin bei Fassung seiner Beschlüsse vom 4. Juni 2020, die weitere Planung in den Ausschuss für Planung und Ortsgestaltung zu geben, und den Verwaltungsausschuss zu ermächtigen, den erneuten Auslegungsbeschluss zu fassen, die Stellungnahme der Antragsteller vom 2. Juni 2020 bekannt war. Denn in der Niederschrift über die Sitzung heißt es, dass - zusätzlich zu den von der Beigeladenen neu vorgelegten geänderten Planunterlagen - zu dem Vorhaben kurzfristig eingereichte Eingaben vorlägen, die ebenfalls in der Ausschusssitzung zu thematisieren seien. Dem (damaligen) Anliegen der Antragsteller, ihr Grundstück in den Geltungsbereich des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 einzubeziehen, kam der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin auf Empfehlung des Ausschusses für Planung und Ortsgestaltung sodann am 2. Juli 2020 nach. Richtig ist, dass den Antragstellern das Ergebnis der Prüfung ihrer Stellungnahme vom 2. Juni 2020 zum damaligen Zeitpunkt nicht ausdrücklich mitgeteilt worden ist. Die Behandlung ihrer (gesamten) Einwendungen ist ihnen aber mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2020 zur Kenntnis gegeben worden. Im Übrigen wäre ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 BauGB unbeachtlich (vgl. Senatsurt. v. 17.2.2005 - 1 KN 7/04 -, BauR 2005, 1520 = juris Leitsatz 2 und Rn. 19). Soweit die Antragsteller (anscheinend) die Ansicht vertreten, ihre Stellungnahme vom 2. Juni 2020 hätte im erneuten Beteiligungsverfahren mit ausgelegt werden müssen, damit die Öffentlichkeit und die Träger öffentlicher Belange hierzu hätten Stellung nehmen können, ist eine rechtliche Grundlage für diese Forderung nicht ersichtlich. Im Übrigen ist in der Auslegungsbekanntmachung vom 3. Juli 2020 ausdrücklich auf die im Hinblick auf die erste Beteiligung erfolgten Änderungen hingewiesen worden. Dabei ist auch die Anpassung des Geltungsbereiches genannt worden. Die von den Antragstellern behauptete Irreführung des Rates der Antragsgegnerin, weil diesem „mit der Abwägung zu der Stellungnahme der Antragsteller vom 2. Juni 2020 ein Entgegenkommen der Gemeinde gegenüber den Antragstellern suggeriert wurde“, die Einwände der Antragsteller jedoch tatsächlich nicht berücksichtigt worden seien, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 als Satzung war dem Rat der Antragsgegnerin das gesamte Vorbringen der Antragsteller zu der Planung zur Kenntnis gelangt, insbesondere der Umstand, dass die Antragsteller mittlerweile die Auffassung vertraten, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 BauGB für eine Einbeziehung ihres Grundstückes nicht vorlägen.

Hinsichtlich ihrer Beanstandung, dass ihnen von der Antragsgegnerin lediglich die Abwägung zu den eigenen Stellungnahmen vom 2. Juni 2020 und 19. August 2020 zugesandt, die weiteren Stellungnahmen, insbesondere die des Landkreises Rotenburg, aber „vorenthalten“ worden seien, legen die Antragsteller wiederum nicht dar, worauf sich der geltend gemachte Anspruch stützen soll. § 3 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 BauGB, nach dem das Ergebnis der Prüfung der fristgemäß abgegebenen Stellungnahmen mitzuteilen ist, kommt als Grundlage nicht in Betracht. Die Vorschrift verlangt (in Ergänzung zu § 9 Abs. 8 BauGB), dass Beteiligte, die Anregungen vorgebracht haben, darüber unterrichtet werden, ob und wie sich die Gemeinde mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.11.2002 - 4 BN 52.02 -, Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 9 = juris Rn. 6; Hervorhebung nicht im Original). Auch ansonsten ist für eine Verpflichtung der Gemeinde, Einwender über die weiteren Äußerungen der sich im Planaufstellungsverfahren beteiligenden Öffentlichkeit und die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange zu informieren, nichts ersichtlich.

Soweit die Antragsteller schließlich eine Irreführung des Rates der Antragsgegnerin in Äußerungen eines Mitarbeiters des von der Beigeladenen beauftragten Planungsbüros in der Sitzung des Ausschusses für Planung und Ortsgestaltung am 9. November 2020 sehen, ist schon festzustellen, dass sich die behaupteten Ausführungen der als Anlage ASt 9 vorgelegten Sitzungsniederschrift nicht entnehmen lassen. Dort heißt es nur zusammenfassend, dass die betreffende Person auf einzelne Stellungnahmen (aus der erneuten öffentlichen Auslegung) eingehe (Bl. 75 GA); eine inhaltliche Darlegung fehlt. Selbst wenn aber, wie die Antragsteller vortragen, der Mitarbeiter des Planungsbüros zu dem Hinweis des Landkreises Rotenburg in seiner Stellungnahme vom 21. August 2020 erklärt hat, dass die als erforderlich angesehene Baulast „jetzt den Bebauungsplan nicht betreffe“, ergeben sich keine rechtlichen Bedenken. Die Anmerkung des Landkreises Rotenburg richtete sich konkret darauf, dass zusätzlich zu der erfolgten Festsetzung einer mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastenden Fläche im Bebauungsplan (im westlichen Bereich des Grundstücks der Beigeladenen zwischen Ladisweg und dem Flurstück 126/46) eine Absicherung durch eine Baulast gemäß § 4 Abs. 2 NBauO erforderlich sei, um die Erschließung des Schießstandgeländes baurechtlich zu sichern. Um, wie die Antragsteller meinen, nicht zulässige oder nicht mögliche Baulasten, wegen der die durch den Bebauungsplan Nr. 54 vorgesehene Grenzbebauung nicht verwirklicht werden könne, ging es daher nicht. Die in die Abwägung des Rates übernommene Stellungnahme, dass der Hinweis des Landkreises auf die Erforderlichkeit von Baulasten die nachfolgende Durchführung der Planung betreffe und sich Auswirkungen auf den Bebauungsplan nicht ergeben (Abwägungstabelle S. 5), ist nicht zu beanstanden.

b) Der von den Antragstellern geltend gemachte Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB liegt nicht vor. Ihre Ansicht, ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit - sowie zudem eine Irreführung des Rates der Antragsgegnerin - ergebe sich daraus, dass die Gebäude des Niedersachsenhofs im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 am 26. November 2020 bereits abgerissen waren, dieser Umstand in die Abwägung aber nicht (zu ihren Gunsten) eingeflossen sei, überzeugt nicht.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Rat der Antragsgegnerin der Abriss der Gebäude tatsächlich nicht bekannt war, was allerdings zweifelhaft ist. Denn abgesehen von der zentralen Lage des Grundstücks der Beigeladenen wurde über das Vorhaben von Beginn an in der örtlichen Presse berichtet (vgl. z.B. den im Planaufstellungsvorgang befindlichen Artikel „Adieu Niedersachsenhof“) und sein Fortgang begleitet. Demgemäß wurde auch über den Abriss informiert (vgl. etwa die Artikel „Flüchtlinge erhalten Möbel aus dem ‚Niedersachsenhof‘“ vom 14.9.2020 im Nachrichtenportal der Nordsee-Zeitung, „Niedersachsenhof: Ausräumung für einen guten Zweck“ vom 15.9.2020 und „Specht-Gruppe übergibt Zuwendungen“ vom 7.10.2020, jeweils in der Onlinezeitung Treffpunkt C-Stadt). Im Übrigen musste dem Rat der Antragsgegnerin seit dem Aufstellungsbeschluss zum Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 bewusst gewesen sein, dass es sich bei der von der Beigeladenen geplanten Seniorenwohn-/Pflegeresidenz um einen Ersatzbau zum Gebäudebestand handelt.

Jedenfalls lässt sich ein Fehler bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials schon deswegen nicht feststellen, weil es sich bei dem Abriss des Niedersachsenhofes nicht um einen Belang handelt, der nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden musste (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.6.2018 - 4 BN 40.17 -, BRS 86 Nr. 11 = juris Rn. 3). Diesem Umstand kommt nämlich nicht die Relevanz zu, die die Antragsteller ihm beimessen. Ihre Ausführung, nach Abriss des Bestandsgebäudes auf dem Vorhabengrundstück sei die vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung durch eine offene Bauweise geprägt, übersieht, worauf auch die Antragsgegnerin zu Recht hinweist, dass das Grundstück der Beigeladenen nicht im unbeplanten Innenbereich lag. Der für es geltende Bebauungsplans Nr. 17d mit seiner Festsetzung einer geschlossenen Bauweise und nicht der dort vorhandene Gebäudebestand rechtfertigte die von den Antragstellern für sich und den Schützenverein als nachteilig angesehene Grenzbebauung zu ihrem Grundstück bzw. zum Flurstück 126/46. Das muss auch dem Rat der Antragsgegnerin bekannt gewesen sein, so dass es zu dessen von den Antragstellern behaupteten bewussten Irreführung nicht gekommen sein kann.

c) Der von den Antragstellern bereits mit Schriftsatz vom 19. August 2020 erhobene und im gerichtlichen Verfahren wiederholte Einwand, ihr Grundstück hätte in den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 nicht einbezogen werden dürfen, greift nicht durch.

Allerdings ist diese Rüge nicht schon, wie die Antragsgegnerin zusätzlich zu ihren Zulässigkeitsbedenken geltend macht, materiellrechtlich verwirkt.

Denn zwar trifft zu, dass der auch im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Befugnis zur Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans beschränken kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.2.2019 - 4 B 28.18 -, juris Rn. 6 ff.). Auch liegt auf der Hand, dass sich die Antragsteller mit ihrem Schriftsatz vom 19. August 2020 insoweit in Widerspruch zu ihrem Schriftsatz vom 2. Juni 2020 gesetzt haben, als sie darin eine rechtliche Verpflichtung zur Einbeziehung ihres Grundstücks nach § 12 Abs. 4 BauGB propagiert hatten. Allerdings lässt die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu; die Parteien dürfen ihre Rechtsansichten im Rechtsstreit ändern (BGH, Urt. v. 5.6.1997 - X ZR 73/95 -, NJW 1997, 3377 = juris Rn. 25). Widersprüchliches Verhalten wird daher erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.2.2019 - 4 B 28.18 -, juris Rn. 13 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 5.6.1997 - X ZR 73/95 -, juris Rn. 25). Keine der beiden Alternativen liegt indes vor. Insbesondere reicht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin der Schriftsatz der Antragsteller vom 2. Juni 2020 allein nicht zur Begründung eines schutzwürdigen Vertrauens aus.

Den darin enthaltenen Ausführungen war nämlich deutlich zu entnehmen, dass, was der Antragsgegnerin ausweislich der Planaufstellungsvorgänge (vgl. Auszug aus den Niederschrift der 23. Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 2.6.2020 und Auszug aus der Niederschrift der 15. Sitzung des Ausschusses für Planung und Ortsgestaltung vom 2.7.2020) zudem ohnehin bekannt war, die Verhandlungen über einen Verkauf des Grundstücks der Antragsteller an die Beigeladene gescheitert waren und diese auch nicht bereit war, dem „Kompromissvorschlag“ der Antragsteller mit E-Mail vom 20. Mai 2020 nachzukommen, ihnen für eine Überlassung des Grundstücks das Eigentum an dort errichteten Pflegeappartements zu übertragen. Der Schriftsatz vom 2. Juni 2020 diente daher ersichtlich maßgeblich dem Zweck, nach Abbruch der Verhandlungen mit der Beigeladenen die Interessen der Antragsteller weiter einbringen zu können. Dies bestätigt auch die zum Abschluss geäußerte Bereitschaft, zur Abwendung eines Normenkontrollverfahrens und Erreichung einer einvernehmlichen Lösung, „die sich gerne an dem genannten Kompromiss orientieren“ könne, ein gemeinsames Gespräch zu führen. Für ein Vertrauen darauf, dass die Antragsteller mit einer Einbeziehung ihres Grundstücks in den Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 unabhängig von einer Einigung über eine Einbindung ihres Grundstücks in das Vorhaben der Beigeladenen einverstanden gewesen seien, findet sich hiernach keine tragfähige Grundlage.

Im Übrigen haben die Antragsteller im gerichtlichen Verfahren unwidersprochen vorgetragen, dass sie, nachdem die angeregte Gesprächsrunde mit Antragsgegnerin und Beigeladener zwar am 29. Juni 2020 stattfand, aber ohne Ergebnis blieb, (mündlich) ausdrücklich noch einmal klargestellt haben, dass sie in diesem Fall die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 17d für ihr Grundstück erhalten wissen wollen.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Aufnahme ihres Grundstücks in den Geltungsbereich des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 jedoch durch § 12 Abs. 4 BauGB gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift können einzelne Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden. Das bedeutet, dass das Plangebiet nicht durch das "Vorhaben" begrenzt ist, sondern darüber hinausgehen darf, allerdings nur mit einzelnen Flächen. Nicht zwingend ist, dass die Einbeziehung notwendig ist, um das Vorhaben überhaupt durchführen zu können. Denn jedenfalls ist eine Abrundung um einzelne Flächen zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003 - 4 CN 3.02 -, BVerwGE 119, 45 = juris Rn. 28). Der sich aus § 12 Abs. 4 BauGB ergebende quantitative Aspekt ist hier angesichts der gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen nur geringen Größe des Grundstücks der Antragsteller ersichtlich erfüllt; 2.800 m² ist mehr als das 15fache von 184 m². Allerdings ist zusätzlich in qualitativer Hinsicht zu fordern, dass die Überplanung der Fläche eine für die städtebauliche Entwicklung sachnotwendige Ergänzung darstellt (vgl. aus der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung z.B. Hessischer VGH, Urt. v. 25.9.2014 - 4 C 1328/12.N -, juris Rn. 96 m.w.N.; aus der Kommentarliteratur Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 140. EL Oktober 2020, § 12 Rn. 122 ff.). An diesem Maßstab hat der Rat der Antragsgegnerin seine Entscheidung, trotz der im Rahmen der erneuten Auslegung geäußerten Einwände der Antragsteller eine Einbeziehung ihres Grundstücks in den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 vorzunehmen, aber auch ausgerichtet. Seine insoweit angestellten Erwägungen (Abwägungstabelle S. 29 ff.) halten, anders, als die Antragsteller es vertreten, einer rechtlichen Überprüfung stand.

Eine Einbindung des Grundstücks der Antragsteller in das Vorhaben der Beigeladenen ist aufgrund seiner geringen Größe, der für es schon bisher durch den Bebauungsplan Nr. 17d festgesetzten geschlossenen Bauweise und seiner Lage, insbesondere seine nördliche Begrenzung durch die Oste, naheliegend. Das haben die Antragsteller (zunächst) auch nicht anders gesehen; sie konnten sich lediglich mit der Beigeladenen über die Modalitäten der Einbindung nicht einig werden. Dass die Antragsgegnerin mit der Einbeziehung des Grundstücks der Antragsteller nach § 12 Abs. 4 BauGB diese Option für die Zukunft offenhalten will (Abwägungstabelle S. 30), wirft keine Bedenken auf. Zwar haben die Antragsteller im gerichtlichen Verfahren erklärt, demnächst mit der Sanierung des auf ihrem Grundstück befindlichen Gebäudes beginnen zu wollen, „um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen“. Sowohl Absichten als auch äußere Umstände können sich aber jedenfalls langfristig ändern. Nicht erheblich ist entgegen der Ansicht der Antragsteller auch, dass die Beigeladene ihr Vorhaben nach Scheitern der Verkaufsverhandlungen ohne das Grundstück der Antragsteller umgeplant hat. Die Beigeladene selbst hat deswegen von ihrem Einbeziehungswunsch nicht wieder Abstand genommen. Zudem ist eine Erweiterung der grenzständig vorgesehenen Errichtung der Seniorenwohn-/Pflegeresidenz durch einen Anbau auch nicht ausgeschlossen.

Darüber hinaus hat der Rat der Antragsgegnerin die Einbeziehung des Grundstücks der Antragsteller in den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 auch deswegen als erforderlich angesehen, weil ansonsten ein Widerspruch zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung eintreten würde. Aufgrund der durch den Bebauungsplan Nr. 17d für das Grundstück getroffenen Festsetzung Kerngebiet seien dort (nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1977) Vergnügungsstätten allgemein zulässig und könnten (gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1977) Tankstellen ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Nutzungen könnten sich negativ auf das geplante Vorhaben der Beigeladenen auswirken, zumal diese aufgrund der geschlossenen Bauweise direkt an das Vorhaben angebaut werden müssten. Eine Bebauung mit Grenzabstand sei auf dem Grundstück der Antragsteller auch nicht möglich, da dieses aufgrund seiner geringen Größe dann nicht mehr baulich genutzt werden könnte. Außerdem seien bereits im übrigen Ortskern entsprechende Regelungen zu Vergnügungsstätten und Tankstellen getroffen worden. Aufgrund dieser besonderen Situation werde die Nutzung auf dem Grundstück der Antragsteller an die bereits vollzogene städtebauliche Entwicklung im Ortskern angepasst, um eine Verträglichkeit der Nutzungen sicherzustellen, die angesichts der geplanten betreuten Seniorenwohnanlage besonderes Gewicht besitze. Die Einbeziehung von Flächen nach § 12 Abs. 4 BauGB sei berechtigt, wenn das Ziel verfolgt werde, zu erwartende Konflikte zu lösen. In Vorgesprächen habe der Landkreis Rotenburg eine Überplanung des Grundstücks als Urbanes Gebiet bereits befürwortet (Abwägungstabelle S. 29).

Die Plausibilität dieser Erwägungen haben die Antragsteller nicht zu erschüttern vermocht. Ihr Vortrag, sie würden durch einzelne der für ihr Grundstück getroffenen Festsetzungen wie etwa die Örtliche Bauvorschrift zur Fassadengestaltung, die ihre Grundlage im Übrigen in § 84 Abs. 3 Nr. 1 NBauO findet, ungerechtfertigt belastet, betrifft schon nicht die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung ihres Grundstücks in den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 an sich. Auch der Vorwurf der Antragsteller, die von der Antragsgegnerin genannten Gründe seien nur vorgeschoben, um „ihre berechtigten Einwände gegen eine grenzständige Bebauung zu umgehen“, verfängt nicht. Erneut lassen sie außer Acht, dass die Berechtigung der Beigeladenen, ihr Grundstück bis an die Grenze zum Grundstück der Antragsteller zu bebauen, schon unter der Geltung des Bebauungsplans Nr. 17d bestand. Schließlich überzeugt auch das Vorbringen der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin zur Vermeidung eines „unübersichtlichen Flickenteppichs“ gehalten gewesen wäre, anstelle der Inanspruchnahme von § 12 Abs. 4 BauGB zusätzlich zu dem Vorhabenbezogenen Bebauungsplan für das Grundstück der Beigeladenen einen (nichtvorhabenbezogenen) Bebauungsplan zu erlassen, der sich neben ihrem Grundstück mindestens auf das ebenfalls als Kerngebiet ausgewiesene Flurstück 126/46 zu erstrecken hätte, nicht. Aufgrund der Stellungnahme des Landkreises Rotenburg im Rahmen der ursprünglichen Beteiligung der Träger öffentlicher Belange hat sich die Antragsgegnerin mit den Auswirkungen der Planung auf den verbleibenden Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 17d auseinandergesetzt, im Ergebnis aber keinen Handlungsbedarf gesehen. Die vorhandenen Nutzungen entsprächen in ihrem Bestand dem bisherigen Planungsrecht. Sollte es zukünftig erforderlich werden, werde die Gemeinde entsprechende Bauleitpläne aufstellen (Planbegründung S. 8). Hierdurch beantwortet sich auch die nach Auffassung der Antragsteller „ernsthaft“ aufgeworfene Frage, warum die nach Einschätzung der Antragsgegnerin mit dem Vorhaben der Beigeladenen nicht vereinbaren Nutzungen Vergnügungsstätten und Tankstellen gerade auf ihrem kleinen Grundstück und nicht auf dem (weitaus größeren) Grundstück des Schützenvereins verwirklicht werden sollten. Dafür, dass auf dem Flurstück 126/46 die Vereinsnutzung aufgegeben werden soll, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Demgegenüber steht das Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller schon seit längerem leer und ist inzwischen, wie die von der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Fotos zeigen, in einem Zustand, der, wenn nicht einen Abriss, jedenfalls eine (auch beabsichtigte) Sanierung nahelegt, mit der auch eine Änderung der Nutzung verbunden sein könnte. Ob sich auf dem Grundstück der Antragsteller, was diese angesichts seiner geringen Größe und des damit verbundenen Zu- und Abfahrtverkehrs in Zweifel ziehen, tatsächlich eine Tankstelle errichten ließe, kann dahinstehen. Hinsichtlich der Nutzung als Vergnügungsstätte ist jedenfalls kein faktisches Hindernis ersichtlich. Das weitere Argument der Antragsteller, durch den Erlass eines eigenständigen Bebauungsplans für das Grundstück der Antragsteller und das Flurstück 126/46 hätte auch eine Gesamtbetrachtung der Lärmemissionen für die gesamte im Bebauungsplan Nr. 17d als Kerngebiet ausgewiesene Fläche vorgenommen werden können, trifft ebenfalls nicht zu. Auch für das Flurstück 130/4 ist hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung Kerngebiet festgesetzt. Im Übrigen berücksichtigt die im Planaufstellungsverfahren eingeholte schalltechnische Untersuchung sowohl den Lärm aus der Schießanlage als auch den durch die Kfz-Werkstatt verursachten Lärm.

d) Die Argumente gegen die Erforderlichkeit der Planung sind nicht stichhaltig.

Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ergibt nicht deswegen, weil der Verwirklichung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 dauerhafte Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen (vgl. zu dieser „Fallgruppe“ BVerwG, Urt. v. 30.8.2001 - 4 CN 9.00 -, BVerwGE 115, 77 = juris Rn. 25). Zwar lässt sich den Antragstellern, anders als die Antragsgegnerin und die Beigeladene meinen, nicht schon entgegenhalten, dass sie nicht die Vollzugsunfähigkeit des Plans an sich, sondern nur der für ihr Grundstück bestimmten Grundflächenzahl von 0,8 rügen. Denn das sich nicht nur auf den Anlass, sondern auch den Inhalt des Bebauungsplans beziehende Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit gilt für jede einzelne Festsetzung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 55.20 -, juris Rn. 4). Die Annahme der Antragsteller, eine Grundflächenzahl könne in tatsächlicher Hinsicht nicht verwirklichungsfähig sein, übersieht aber, dass es sich bei diesem Kriterium des Maßes der baulichen Nutzung (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) um einen Höchstwert handelt. Nach § 19 Abs. 1, 2 BauNVO gibt die Grundflächenzahl vor, in welchem Umfang das Baugrundstück durch bauliche Anlagen überdeckt werden darf. Verpflichtend ist die Ausschöpfung der Grundflächenzahl nicht. Das Vorbringen der Antragsteller, innerhalb des durch den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 vorgegebenen Baufensters sei nur eine Fläche von etwa 100 m² ihres insgesamt 184 m² großen Grundstücks bebaubar, was einer Grundflächenzahl von 0,53 entspreche, steht der Erforderlichkeit der Festsetzung daher nicht entgegen. Darüber hinaus hat der Rat der Antragsgegnerin zu dem bereits mit Schriftsatz vom 19. August 2020 erhobenen Einwand in seiner Stellungnahme nachvollziehbar erläutert, dass sich die Festlegung einer Grundflächenzahl von 0,8 aus einer eventuellen Möglichkeit der Veräußerung (von Teilen) des Gewässerräumstreifens ergebe, da dieser baulich nicht genutzt werden könne. Durch die gewählte Grundflächenzahl, die stets auf die jeweilige Grundstücksfläche zu beziehen sei, solle weiterhin eine Bebaubarkeit des Grundstücks der Antragsteller gewährleistet werden, auch wenn dieses sich in seiner Fläche verkleinern sollte. Die Festsetzung werde somit im Sinne einer nachhaltigen Planung getroffen. Sollte die Situation so bleiben wie bisher und das Grundstück zukünftig nicht in Teilen veräußert werden, entstünden dem Eigentümer keine Nachteile (Abwägungstabelle S. 33). Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Ob die Antragsteller, was sie verneinen, ein Interesse daran haben und/oder es für sinnvoll erachten, die nicht überbaubaren Flächen entlang der Oste zu veräußern, musste der Rat der Antragsgegnerin nicht in seine Erwägungen einbeziehen. Die Realisierbarkeit einer bauplanerischen Festsetzung hängt nicht von der Einstellung des gerade aktuellen Eigentümers des betreffenden Grundstücks ab.

Die Erforderlichkeit der Planung ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil es sich um eine reine „Gefälligkeitsplanung“ handelt (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 = juris Rn. 5). Ein Vorhabenbezogener Bebauungsplan wie der hier angegriffene kann nach § 12 Abs. 1 BauGB ohne privates Investoreninteresse schon nicht zustande kommen. Zudem hat die Antragsgegnerin ausführlich dargelegt, warum sie die Errichtung einer betreuten Seniorenwohnanlage als städtebauliches Ziel verfolgt (Planbegründung S. 7-8). Der Vortrag der Antragsteller, der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 54 diene ersichtlich der Förderung von Zielen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt seien, bezieht sich maßgeblich auch nur auf die Einbeziehung ihres Grundstücks, die aber, wie oben dargelegt (2.c.), durch § 12 Abs. 4 BauGB gerechtfertigt ist. Hiernach wird die Position der Antragsteller auch nicht dadurch gestützt, dass nach dem von ihnen vorgelegten Protokoll über die Sitzung des Ausschusses für Planung und Ortsgestaltung vom 2. Juli 2020 von Seiten der Beigeladenen vorgeschlagen wurde, ihr „Grundstück im Hinblick auf zukünftige Nutzung in die Planung einzubeziehen“ (Bl. 26 GA).

Ein im Hinblick auf die Ausweisung des Plangebiets als Urbanes Gebiet nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB unzulässiger „Etikettenschwindel“ (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 8.2.2000 - 4 BN 1.00 -, Buchholz 406.11 § 5 BauGB Nr. 11 = juris Rn. 10) liegt ebenfalls nicht vor. Entgegen der Ansicht der Antragsteller lässt sich nicht feststellen, dass die nach § 6a Abs. 1 BauNVO erforderliche (nicht zwingend gleichgewichtige) Nutzungsmischung von Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören, von der Antragsgegnerin gar nicht beabsichtigt, sondern die Festsetzung ausschließlich erfolgt ist, um eine Verträglichkeit hinsichtlich der Lärmimmissionen mit der umliegenden Gewerbenutzung sowie der Scheeßeler Straße herbeizuführen. Zutreffend ist, dass im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans keine eigenständigen Nutzungen, die einem nicht störenden Gewerbe entsprechen, geplant sind. Das Gebiet des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 umfasst aber zusätzlich auch das Grundstück der Antragsteller, auf dem vor dem Leerstand des Gebäudes gerade eine nicht störende gewerbliche Nutzung durch den Betrieb eines Friseurgeschäfts stattfand. Zudem hat die Antragsgegnerin bei der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung einen noch größeren Bereich in den Blick genommen. In der Begründung des Bebauungsplans heißt es dazu, dass erst kürzlich der Großteil der Flächen entlang der Scheeßeler Straße als Urbane Gebiete ausgewiesen worden seien, sodass diese Entwicklung mit dem Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 in Richtung Süden fortgeführt werde (Planbegründung S. 9). Für die Befürchtung der Antragsteller, sie seien gezwungen, einen gewerblichen Anteil auf ihrem Grundstück zu verwirklichen, besteht daher kein Anhalt.

e) Entgegen der Auffassung der Antragsteller ergeben sich keine zur Unwirksamkeit des Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 führenden Abwägungsfehler.

Die privaten Belange der Antragsteller sind im Rahmen der Abwägung hinreichend berücksichtigt worden. Ihre Annahme, durch die Festsetzung eines Räumstreifens entlang der Oste mit 5 m Breite als Fläche, die von Bebauung frei zu halten sei, bei gleichzeitiger Zurücksetzung der Baugrenze um ca. 2 m von der Oste werde in die bislang bestehende Möglichkeit einer baulichen Nutzbarkeit eingegriffen, trifft nicht zu. Bereits in der Stellungnahme zu den Einwendungen der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass schon § 6 Abs. 1 der Satzung des Unterhaltungs- und Landschaftspflegeverbandes Obere Oste die Einhaltung eines Abstandes der Bebauung auf ihrem Grundstück zur Oste von 5 m verlangt. Nr. 4 der Vorschrift bestimmt, dass innerhalb der bebauten Ortslage Ufergrundstücke grundsätzlich nicht näher als 5 m bis an das Gewässer heran bebaut werden dürfen. Und nach Nr. 5 darf die Errichtung von sonstigen Anlagen jeglicher Art nicht näher als 5 m bis an das Gewässer heran erfolgen. Zwar weisen die Antragsteller zu Recht darauf hin, dass gemäß § 6 Abs. 2 der Satzung der Vorstand in begründeten Fällen Ausnahmen von den Beschränkungen der Vorschrift zulassen kann. In seiner im Rahmen der erneuten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange abgegebenen Stellungnahme vom 20. Juli 2020 hat der Unterhaltungsverband Nr. 19 Obere Oste aber ausdrücklich betont, dass ein 5 m breiter Räumstreifen entlang der Oste von jeglichen Anlagen freizuhalten ist. Zudem könnte der Zulassung einer Ausnahme nach § 6 Abs. 2 der Satzung des Unterhaltungs- und Landschaftspflegeverbandes Obere Oste durch Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB Rechnung getragen werden. Eine über das Bisherige hinausgehende Beschränkung der flächenmäßigen Bebaubarkeit des Grundstücks der Antragsteller enthalten die Festsetzungen des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 daher nicht. Nur ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass der ganz überwiegende Teil des zwischen Oste und Baugrenze gelegenen Grundstücksstreifens als Überschwemmungsgebiet gekennzeichnet ist, in dem § 78 Abs. 4 WHG die Errichtung baulicher Anlagen untersagt.

Darüber hinaus wird die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Antragsteller in anderer Hinsicht erweitert. Gegenüber dem Bebauungsplan Nr. 17d erhöht der Vorhabenbezogene Bebauungsplan die Höchstzahl der Vollgeschosse von zwei auf drei (bei gleichzeitiger Festsetzung einer Gebäudehöhe von knapp 12 m) und hebt das Verbot einer Wohnnutzung im Erdgeschoss auf. Nach dem Vortrag im gerichtlichen Verfahren wollen die Antragsteller mit der beabsichtigten Gebäudesanierung gerade neuen Wohnraum schaffen. Demgegenüber haben sie zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, eine Nutzung anzustreben, die nur in dem bisher festgesetzten Kerngebiet, nicht aber in einem Urbanen Gebiet zulässig wäre.

Dass im Rahmen der Abwägung die Auswirkungen der Planung auf die Nachbargrundstücke nicht genügend beachtet worden seien, wodurch zugleich gegen das Gebot der Konfliktbewältigung verstoßen werden, lässt sich nicht feststellen. Aus dem von den Antragstellern zum Beleg vorgelegten Lichtbild (Bl. 34 GA) ergibt sich in Einklang mit dem Liegenschaftskataster, dass die baulichen Anlagen auf dem Flurstück 126/46 die für es durch den Bebauungsplan Nr. 17d festgesetzte offene Bauweise zum Grundstück der Antragsteller hin einhalten. An das eingeschossige Gebäude auf dem Grundstück des Schützenvereins schließt ein Hofbereich an. Hierüber erfolgte offensichtlich auch bislang schon die Belichtung der mit Fenstern versehenen Ostseite des Gebäudes der Antragsteller. Denn anders als auf dem Foto ersichtlich, war der südlich an den Hofbereich auf dem Grundstück der Beigeladenen anschließende Bereich nicht unbebaut. Auch dorthin erstreckte sich, wie Luftbilder (etwa bei Google maps) zeigen, der Niedersachsenhof. Die durch den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 bewirkte Veränderung beschränkt sich mithin auf die Erhöhung der dortigen Bebauung um ein Geschoss. Eine maßgebliche Einschränkung der Belichtung ihres Hauses ergibt sich daher entgegen der Ansicht der Antragsteller durch das Vorhaben der Beigeladenen nicht. Zudem steht ihnen selbst die Möglichkeit einer entsprechenden Aufstockung ihres Gebäudes offen. Anders, als die Antragsteller meinen, liegt eine erhebliche Konfliktsituation, die bauleitplanerisch von der Antragsgegnerin hätte gelöst werden müssen, auch nicht im Hinblick auf das Flurstück 126/46 vor. Richtig ist, dass der dortige eingeschossige Gebäudebestand entgegen der festgesetzten offene Bauweise zum Grundstück der Beigeladenen hin grenzständig errichtet wurde. Hieraus folgen aber keine abstandrechtlichen Verpflichtungen für das Vorhaben der Beigeladenen. Insbesondere greift entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht § 5 Abs. 5 Satz 2 NBauO ein. Wie durch Textliche Festsetzung im Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 zu der für das Grundstück der Beigeladenen festgelegten abweichenden Bauweise bestimmt ist, ergeben sich die Grenzbebauungen und -abstände nach Maßgabe des Vorhaben- und Erschließungsplans. Danach ist das Vorhaben der Beigeladenen ohne Abstand zum Grundstück des Schützenvereins zu errichten, so dass § 5 Abs. 5 Satz 1 NBauO einschlägig ist. Eine übermäßige Belastung des Flurstücks 126/46 ist damit nicht verbunden. Gegenüber der Bebauung durch den Niedersachsenhof wird die Grenzbebauung erheblich reduziert. Der Lageplan des Vorhaben- und Erschließungsplans zeigt, dass die Seniorenwohn-/ Pflegeresidenz nur in geringem Umfang direkt an die östliche bauliche Anlage auf dem Grundstück des Schützenvereins anschließen wird, an den weiteren mehr als 8 m gemeinsamer Grenze soll eine Grünanlage realisiert werden. Gegen einen das Flurstück 126/46 betreffenden Abwägungsfehler spricht schließlich auch, dass dessen Eigentümer im gesamten Aufstellungsverfahren keine Einwände gegen die Planung erhoben hat.

Der von den Antragstellern geltend gemachte Verstoß gegen § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB liegt nicht vor. Die Vorschrift bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf den Fall, dass in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans durch Festsetzung eines Baugebiets auf Grund der Baunutzungsverordnung oder auf sonstige Weise eine bauliche oder sonstige Nutzung allgemein festgesetzt wird. Demgegenüber bestimmt der Vorhaben- und Erschließungsplan, der nach Textlicher Festsetzung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 auf dem Grundstück der Beigeladenen zur Anwendung kommt, mit der Errichtung einer betreuten Seniorenwohnanlage ein konkretes Vorhaben.

Die im Rahmen der ursprünglichen Behördenbeteiligung abgegebene Stellungnahme des Landkreises Rotenburg vom 11. Dezember 2019, aus der die Antragsteller eine nicht hinreichende Berücksichtigung auftretender Lärmimmissionen ableiten wollen, ist überholt. In seiner Stellungnahme vom 21. August 2020 hat der Landkreis unter Würdigung der weiteren schalltechnischen Untersuchung keine immissionsschutzrechtlichen Bedenken mehr geltend macht. Dagegen haben die Antragsteller nichts vorgetragen.

Die von den Antragstellern behauptete abwägungsfehlerhafte Nichtberücksichtigung der Erschließung ihres Grundstücks lässt sich nicht feststellen. Soweit geltend gemacht wird, dass die Antragsgegnerin die sich im vorderen Bereich des Grundstücks der Antragsteller befindlichen, von Bebauung freizuhaltenden Versorgungsleitungen außer Acht gelassen habe, ist darauf hinzuweisen, dass mit der durch den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 54 näher an die Scheeßeler Straße herangerückten Baugrenze - anders als bei der Festsetzung einer Baulinie - keine Verpflichtung einhergeht, bis dorthin zu bauen (§ 23 Abs. 2, 3 BauNVO). Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist ihr Grundstück verkehrlich auch nicht über den Ladisweg zu erschließen, zu dem es keinerlei Verbindung hat. Die in der Textlichen Festsetzung ausdrücklich vorgesehene Ausnahme von dem Zu- und Abfahrtsverbot für Kraftfahrzeuge entlang der Scheeßeler Straße für Grundstücke, deren Erschließung nur über diese Straße gesichert werden kann, bezieht sich offensichtlich auf das Grundstück der Antragsteller. Ob die Antragsteller einen Zu- und Abfahrtsverkehr mit Kraftfahrzeugen von der Scheeßeler Straße aus auf ihr Grundstück für nicht verkehrssicher halten und deswegen bislang davon abgesehen haben, ist nicht erheblich. Für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen eine alternative verkehrliche Erschließung zu schaffen, ist nichts ersichtlich. Soweit die Antragsteller in den Planunterlagen die Darlegung vermissen, dass das Vorhaben der Beigeladenen den Anforderungen an den Brandschutz genügt, sind sie auf das Baugenehmigungsverfahren zu verweisen.

Schließlich ergibt sich eine Irreführung des Rates der Antragsgegnerin nicht dadurch, dass deren Bürgermeister den Verwaltungsausschuss in der Sitzung vom 24. November 2020 darüber informierte, dass die Inhalte des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 54 von einem Fachanwalt begutachtet worden sein. Mehr als eine Tatsachenmitteilung liegt darin nicht. Dass über Inhalt und/oder Ergebnis des Gutachtens getäuscht worden ist, behaupten die Antragsteller selbst nicht. Auch liegt auf der Hand, dass das Ergebnis einer Begutachtung durch einen Fachanwalt eine „Rechtsmeinung“ und nicht ein „tatsachenbezogenes Gutachten“ ist; einer entsprechenden ausdrücklichen Aufklärung des Verwaltungsausschusses und des Rates der Antragsgegnerin bedurfte es daher entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht. Im Übrigen stand es deren Mitgliedern frei, die genauen Inhalte des Gutachtens zu erfragen oder sich dieses vorlegen zu lassen, wenn sie es als relevant für ihr Abstimmungsverhalten angesehen hätten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG; der Senat hat den im Hauptsacheverfahren 1 KN 5/21 vorläufig festgesetzten Streitwert von 30.000,00 EUR für das Eilverfahren halbiert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).