Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.04.2021, Az.: 11 ME 48/21

Aufbewahrungsvorschriften, waffenrechtliche; Diabolos; Gegenstände, waffenrechtliche; Geschosse; Munition; Sicherstellung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.04.2021
Aktenzeichen
11 ME 48/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70859
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.02.2021 - AZ: 1 B 1021/21

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Aufgrund von Verstößen gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften durch die ungesicherte Lagerung von Schusswaffen und Patronen kann eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 2 NPOG vorliegen, die eine Sicherstellung dieser Gegenstände nach § 26 Nr. 1 NPOG erforderlich macht.

2. Die Sicherstellung von Gegenständen, die den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften nicht unterliegen (z.B. Geschosse wie Stahlrundkugeln und Diabolos für Druckluftwaffen), kann nicht mit einer Gefahr von Verstößen gegen solche Vorschriften begründet werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 15. Februar 2021 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. November 2020 wird wiederhergestellt, soweit sich die vorläufige Sicherstellung auf die in Ziffer 1 des Bescheides in den Unterziffern 44, 45, 59, 64, 130 - 148, 152 - 155, 168 - 183, 185 - 187, 193 - 218, 220, 235, 245 - 266 und 276 genannten Gegenstände sowie die in Unterziffer 31 genannten 2 Pistolengriffschalen und 4 Pistolenmagazine und die in Unterziffer 159 genannten 5 Exerzierpatronen, 9 Deko-Patronen und 2 Geschosse bezieht.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die vorstehend bezeichneten Gegenstände an den Antragsteller herauszugeben.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 15. Februar 2021 zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat überwiegend Erfolg.

Der Antragsteller ist Inhaber verschiedener Waffenbesitzkarten, eines kleinen Waffenscheins, einer Waffenhandelserlaubnis und weiterer waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse. Den Handel mit Waffen und Munition betreibt er als Nebenerwerb in den Räumen seines Wohnhauses. Am 27. Juni 2019 wurden das Wohnhaus des Antragstellers und angrenzende Nebengebäude wegen des Verdachts der Jagdwilderei in Bezug auf die von ihm mit einem Geschäftspartner im Internet beworbene „Marderhilfe-Ostfriesland“ polizeilich durchsucht. Dabei wurden in verschiedenen Zimmern des Wohnhauses sowie in der Werkstatt des Nebengebäudes zahlreiche, frei zugängliche Waffen sowie diverse Munitions- und Geschosspackungen aufgefunden. Weitere Waffen des Antragstellers befanden sich im Wohnhaus seines Geschäftspartners. Der von der Polizei hinzugezogene Antragsgegner stellte wegen der Vielzahl an Waffen und Munition, die aus seiner Sicht nicht ordnungsgemäß aufbewahrt wurden, sämtliche Waffen und Munition sowie die vorhandenen waffenrechtlichen Erlaubnisse zwecks Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers sofort sicher.

Am 7. Januar 2020 wurde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Jagdwilderei von der Staatsanwaltschaft C. nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (NZS D.). Das weitere strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des Verstoßes gegen waffenrechtliche Vorschriften ist noch nicht abgeschlossen (NZS E.).

Am 18. März 2020 ersuchte der Antragsgegner das Landeskriminalamt Niedersachsen um waffenrechtliche und waffentechnische Überprüfung von elf Waffen und Munition, die bei dem Antragsteller sichergestellt worden waren. Nach Eingang des Untersuchungsberichts vom 15. Juni 2020 nahm der Antragsgegner ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vermerks vom 19. November 2020 eine rechtliche Bewertung der Waffen- und Munitionsfunde vor. Mit Schreiben vom 24. November 2020 teilte er der Staatsanwaltschaft Aurich den sich aus seiner Sicht wegen Verstößen gegen das Waffengesetz ergebenden Verdacht mehrerer Straftaten mit.

Weiterhin verfügte der Antragsgegner mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 24. November 2020 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die vorläufige Sicherstellung waffenrechtlicher Erlaubnisse und waffenrechtlicher Gegenstände des Antragstellers. Die Sicherstellung umfasst nach Ziffer 1 des Bescheides vier Waffenbesitzkarten, einen Europäischen Feuerwaffenpass, eine Waffenhandelserlaubnis, einen kleinen Waffenschein, eine Erlaubnis zum Verbringen von Schusswaffen und Munition aus der Bundesrepublik und eine Erlaubnis nach dem Sprengstoffgesetz sowie in den Unterziffern 10 bis 278 im Einzelnen bezeichnete Waffen, Waffenteile, Munition, Geschosse und sonstige Gegenstände. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass nach § 26 Nr. 1 NPOG Sachen sichergestellt werden könnten, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Vorliegend sei im Rahmen polizeilicher Durchsuchungsmaßnahmen festgestellt worden, dass insgesamt 38 erlaubnisfreie Schusswaffen, neun erlaubnisfreie Schalldämpfer sowie 1001 Patronen erlaubnispflichtiger und 2.795 Patronen erlaubnisfreier Munition unzulässig aufbewahrt worden seien, obgleich dem Antragsteller die geltenden Aufbewahrungsvorschriften als Inhaber mehrerer waffenrechtlicher Erlaubnisse bekannt gewesen seien. Demgemäß sei damit zu rechnen, dass der Antragsteller in Zukunft wieder Schusswaffen und Munition unsicher aufbewahren könnte, so dass diese abhandenkommen könnten. Die Maßnahme sei geeignet, um zu erreichen, dass sich aktuell keine Schusswaffen und Munition im Zugriffsbereich einer Person befänden, die nicht gewillt oder in der Lage sei, die erforderlichen Vorkehrungen nach § 36 WaffG zu treffen. Hierfür sei die Sicherstellung das mildeste Mittel. Aufgrund des erheblichen Gefahrenpotentials, das mit dem Besitz von Schusswaffen und Munition einhergehe, sei die Maßnahme zudem angemessen.

Der Antragsteller hat am 1. Dezember 2020 gegen den Bescheid vom 24. November 2020 Klage erhoben (1 A 130/21). Mit seinem am 29. Januar 2021 gestellten Eilantrag hat er die teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und die Herausgabe der in Ziffer 1 des Bescheides in den Unterziffern 31, 44, 45, 59, 64, 130 - 148, 152 - 155, 159, 168 - 183, 185 - 187, 193 - 218, 220, 235, 245 - 266 und 276 genannten, sichergestellten Gegenstände begehrt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt.

Die von dem Antragsteller vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Antrag des Antragstellers auf teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die mit Bescheid vom 24. November 2020 verfügte Sicherstellung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, weil sich die Sicherstellung nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage insofern voraussichtlich als rechtswidrig erweisen wird. Im Übrigen, d.h. in Bezug auf die Sicherstellung von drei Patronen (Ziffer 1, Unterziffern 31 und 159 des angefochtenen Bescheides), ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen und der Antrag abzulehnen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziffer 1 des Bescheides in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, genügt die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Bescheides den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ob die von der Behörde angeführte Begründung die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Sache trägt, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts. Die Beschwerdebegründung des Antragstellers gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

Weiter begegnet es keinen Bedenken, dass der Antragsgegner die Sicherstellung auf der Grundlage von § 26 Nr. 1 NPOG vorgenommen hat. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden auch für Waffen und Munition auf die Vorschriften des NPOG zurückgegriffen werden kann und diese nicht durch waffenrechtliche Spezialregelungen ausgeschlossen sind. Das Waffenrecht im weiteren Sinne ist speziell geregeltes Sicherheitsrecht und dient wegen der Gefährlichkeit von Waffen und Munition für die Allgemeinheit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch eine umfassende Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen. Seit der spezialgesetzlichen Regelung des Waffenrechts im Waffengesetz, Kriegswaffenkontrollgesetz und Sprengstoffgesetz gehen diese Sonderregelungen dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht grundsätzlich vor. Der Rückgriff auf dessen Bestimmungen setzt voraus, dass die jeweilige Sonderregelung eine unbeabsichtigte planwidrige Lücke aufweist (vgl. Sailer/Gerster, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Teil VIII, I.1, Rn. 2 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

§ 46 WaffG trifft Regelungen im Zusammenhang mit der Rücknahme und dem Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse (Abs. 2), dem unberechtigten Besitz von Waffen und Munition, einem vollziehbaren Waffenverbot sowie der Annahme, dass Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen (Abs. 3 und Abs. 4). Unter diese Sonderregelungen fällt nicht die vorliegende Konstellation, in der Waffen und Munition aufgrund einer sich aus anderen Gründen ergebenden gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sichergestellt werden sollen. Für einen solchen im Waffengesetz nicht geregelten Fall liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, so dass der Rückgriff auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht und damit auf § 26 Nr. 1 NPOG möglich ist.

Die Sicherstellung ist jedoch in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang voraussichtlich materiell-rechtlich rechtswidrig.

Nach § 26 Nr. 1 NPOG kann eine Sache sichergestellt werden, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Unter einer Gefahr ist nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 1 NPOG eine Sachlage zu verstehen, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird. Die Gefahr ist nach § 2 Nr. 2 NPOG gegenwärtig, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. In den Fällen, in denen der Schaden noch nicht eingetreten ist, bedarf es zur Feststellung einer gegenwärtigen Gefahr einer Wahrscheinlichkeitsprognose, der das Tatsachenwissen, das der Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt ihres Einschreitens bekannt war, zugrunde zu legen ist. Anhand dieses Tatsachenwissens muss aus Sicht eines objektiven, besonnenen Amtswalters das Vorliegen einer Gefahr bejaht werden können. Hieran wird deutlich, dass der Begriff "gegenwärtige Gefahr" hohe Anforderungen an die zeitliche Nähe und den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts stellt. Es kommt insoweit auch auf die Schwere des drohenden Schadens und die Intensität des Eingriffs an. Maßgeblicher Zeitpunkt sowohl für die Tatsachenfeststellung als auch für die Prognoseentscheidung ist dabei der Zeitpunkt des Erlasses der Sicherstellungsverfügung (Senatsurt. v. 25.6.2015 - 11 LB 34/14 -, juris, Rn. 34, m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Antragsgegner mit der Sicherstellung der in dem Bescheid vom 24. November 2020 genannten Gegenstände inklusive der waffenrechtlichen bzw. sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 2 NPOG abgewendet habe. Ohne die Sicherstellung hätte der Antragsteller als Eigentümer der in der Verfügung genannten Gegenstände einen Herausgabeanspruch. Befänden sich die sichergestellten Gegenstände hingegen in der Hand des Antragstellers, würde hieraus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest eine Gefahr für die objektive Rechtsordnung durch einen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 WaffG entstehen. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung sei nicht zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller seine Waffen und Munition - bei unterstellter Sachherrschaft - so lagern würde, dass sie nicht abhandenkommen oder Dritte darauf nicht unbefugt Zugriff nehmen könnten. Vielmehr sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen gewesen, dass der Antragsteller sein vorangegangenes Verhalten ändern und sämtliche Waffen und Munition zukünftig konsequent den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften entsprechend aufbewahren würde. Die Art und Weise, wie der Antragsteller seine Waffen, Waffenteile und Munition bei der Kontrolle vor Ort gelagert habe, habe - auch wenn der Ortstermin bereits am 27. Juni 2019 stattgefunden habe - eine derart augenfällige Gleichgültigkeit gegenüber den Vorgaben einer sachgerechten Aufbewahrung gezeigt, dass noch heute davon auszugehen sei, dass der Antragsteller die waffenrechtlichen Vorschriften nicht hinreichend ernst nehme.

Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist grundsätzlich zu folgen. Wie der Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid angeführt und in seinem Schreiben an die Staatsanwaltschaft C. vom 24. November 2020 näher erläutert hat, wurde anlässlich der Durchsuchung bei dem Antragsteller am 27. Juni 2019 festgestellt, dass dieser 38 erlaubnisfreie Schusswaffen, neun erlaubnisfreie Schalldämpfer sowie 1001 Patronen erlaubnispflichtiger und 2.795 Patronen erlaubnisfreier Munition nicht den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften entsprechend aufbewahrt hat. Die einzelnen Verstöße gegen die Aufbewahrungsvorschriften hat der Antragsgegner in dem mit Lichtbildern versehenen Vermerk vom 19. November 2020 über die rechtliche Bewertung der Waffen- und Munitionsfunde dokumentiert (Bl. 628 ff., Beiakte 001). Danach wurden die erlaubnisfreien Schusswaffen und Schalldämpfer sowie die erlaubnisfreien Patronen entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV i.V.m. § 36 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 WaffG jeweils außerhalb eines verschlossenen Behältnisses aufbewahrt. Die erlaubnispflichtigen Patronen wurden entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 AWaffV i.V.m. § 36 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 WaffG nicht in einem entsprechenden Sicherheitsbehältnis (mindestens in einem Stahlblechbehältnis mit Schwenkriegelschloss oder einer gleichwertigen Verschlussvorrichtung oder einem gleichwertigen Behältnis) verwahrt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellungen unzutreffend sein könnten, sind nicht ersichtlich und von dem Antragsteller auch nicht substantiiert vorgetragen worden. Aufgrund der zahlreichen Verstöße gegen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften durch die ungesicherte Lagerung von Schusswaffen und Patronen im gesamten Wohnhaus des Antragstellers ist der Antragsgegner zu Recht von einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 2 NPOG ausgegangen, die eine Sicherstellung dieser Gegenstände nach § 26 Nr. 1 NPOG erforderlich machen kann.

Die vorstehenden Erwägungen rechtfertigen allerdings nicht die Sicherstellung der im Tenor dieses Beschlusses angeführten Gegenstände. Bei diesen Gegenständen handelt es sich, wie der Aufstellung unter Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides im Einzelnen zu entnehmen ist, zu einem großen Teil um Diabolos verschiedenster Arten wie z.B. Hohlspitz-, Rundkopf-, Spitzkopf- und Kunststoff-Diabolos sowie sonstige Geschosse (insgesamt 57.150 Geschosse, siehe Übersicht Bl. 665, Beiakte 001). Geschosse wie Stahlrundkugeln und Diabolos für Druckluftwaffen sind aber keine Munition im Sinne des § 36 Abs. 1 WaffG und fallen daher nicht unter die Aufbewahrungsvorschriften des Waffengesetzes (siehe Nr. 36.2.2 Satz 2 AWaffVwV; vgl. Gade, in: Gade, Waffengesetz, 2. Aufl., 2018, § 36 Rn. 23). Davon ist zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides offensichtlich auch der Antragsgegner ausgegangen. Während der Antragsgegner bei der Erstellung einer ersten Übersicht der bei dem Antragsteller sichergestellten Gegenstände hinsichtlich der Diabolos noch eine „unsichere Aufbewahrung erlaubnisfreier Munition“ angenommen hat (siehe Vermerk vom 1.3.2020, Bl. 528 ff., Beiakte 002), hat er ausweislich seines Vermerks vom 19. November 2020 über die rechtliche Bewertung der Waffen- und Munitionsfunde Diabolos waffenrechtlich nicht als Munition, sondern als erlaubnisfreie Geschosse eingestuft, die nicht den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften unterliegen (siehe z.B. Anmerkungen zu Ziffer 50, Bl. 614, Ziffer 121, Bl. 627, Ziffern 124 - 139, Bl. 628 ff., Beiakte 001).

Entsprechendes gilt, wie sich aus dem Vermerk des Antragsgegners vom 19. November 2020 über die rechtliche Bewertung der Waffen- und Munitionsfunde ergibt, auch für die weiteren im Beschlusstenor angeführten Gegenstände. Nach seiner rechtlichen Bewertung hat der Antragsgegner die sichergestellten Pistolengriffschalen (Unterziffern 31 und 246) sowie die Pistolenmagazine und Rundmagazine (Unterziffern 31, 240 und 246) in der vorliegenden Ausführung als nicht vom Waffengesetz erfasst angesehen und festgestellt, dass kein Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften vorliegt. Die sichergestellten CO²-Kartuschen (Unterziffern 148, 182 und 183) hat der Antragsgegner als in der vorliegenden Form ebenfalls nicht den waffenrechtlichen Bestimmungen unterfallend eingestuft. Zu den in einem Plastikbeutel aufgefundenen Exerzierpatronen und Deko-Patronen (Unterziffer 159) hat der Antragsgegner angegeben, dass diese keinen waffen- und sprengstoffrechtlichen Vorschriften unterliegen. Die sichergestellten Hülsen (Unterziffern 178 - 181, 218 und 247) fallen nach der Bewertung des Antragsgegners als separater Gegenstand nicht unter das Waffengesetz und unterliegen nicht den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften. Hinsichtlich der sichergestellten Zündhütchen (Unterziffern 44, 45, 64, 185 -187, 235) hat der Antragsgegner aufgrund der Erlaubnis nach § 27 SprengG einen rechtmäßigen Besitz und keinen Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften angenommen. Zu dem Waffenkoffer, der Reinigungsbürste, dem Magazin Schnellader, den Ersatzgriffrücken und den Bedienungsanleitungen (Unterziffer 276) hat der Antragsgegner angegeben, dass diese Gegenstände keinen waffenrechtlichen Bestimmungen unterliegen.

Diese waffenrechtlichen Bewertungen sind für den Senat nachvollziehbar und von den Beteiligten nicht in Frage gestellt worden.

Der Antragsgegner hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, dass der Antragsteller Schusswaffen, Schalldämpfer und Munition unzulässig aufbewahrt habe und aufgrund der Vielzahl der waffenrechtlichen Aufbewahrungsverstöße nach einer Herausgabe der im Bescheid unter Ziffer 1 aufgeführten waffenrechtlichen Gegenstände davon auszugehen sei, dass der Antragsteller diese waffenrechtlichen Gegenstände erneut nicht im Sinne des § 36 WaffG aufbewahren werde. Eine Differenzierung hinsichtlich der im Beschlusstenor angeführten, den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften nicht unterliegenden Gegenstände hat der Antragsgegner nicht vorgenommen. Wenn aber für die im Tenor genannten sichergestellten Gegenstände wie beispielsweise Diabolos und sonstige Geschosse die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften gar nicht anzuwenden sind, kann der Antragsteller in Bezug auf die Aufbewahrung dieser Gegenstände weder waffenrechtliche Verstöße begangen haben, noch liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Herausgabe dieser Gegenstände an den Antragsteller zu der konkreten Gefahr von Verstößen gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften führen würde.

Soweit das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung darauf abgestellt hat, dass die Gefahrenlage im Rahmen des § 26 Nr. 1 NPOG nicht in einer Eigenschaft der sicherzustellenden Sache begründet sein müsse (wie beispielsweise bei Waffen), sondern sich auch aus dem Verhalten des Besitzers ergeben könne, trifft dies zwar zu. Den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts, es sei in Bezug auf die sichergestellten Gegenstände nicht auszuschließen, dass der Antragsteller aus den Waffenteilen (u.a. Magazine) sowie Munitionsteilen (z.B. leere Patronenhülsen, Zündhütchen, Projektile bzw. Geschosse) funktionsfähige Schusswaffen bzw. Munition (etwa Patronenmunition), z.B. durch das Wiederladen von Hülsen, herstellen und - jedenfalls im Nachgang dazu - auch pflichtwidrig lagern würde, vermag der Senat aber nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass es sich bei den Zündhütchen und Geschossen nicht um Munitionsteile handelt, hat weder der Antragsgegner die Sicherstellung der im Beschlusstenor genannten Gegenstände mit der Gefahr begründet, dass der Antragsteller daraus funktionsfähige Schusswaffen und Munition herstellen könnte, noch lassen sich den Verwaltungsvorgängen irgendwelche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Antragsteller in der Vergangenheit derartige Herstellungsarbeiten bereits vorgenommen oder zumindest vorbereitet hat. Allein der Umstand, dass der Antragsteller in der Vergangenheit mit Waffen und Munition Handel getrieben hat und insofern ein finanzielles Interesse an den sichergestellten Gegenständen haben dürfte, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts noch nicht die Annahme, dass er über den Handel hinausgehend ungenehmigte Herstellungsarbeiten vornehmen würde.

Soweit das Verwaltungsgericht darauf verweist, dass der Antragsteller waffenrechtliche Pflichten nicht hinreichend beachtet und im Rahmen seiner gewerblichen Interessen wenig gewissenhaft gehandelt habe, indem er die von ihm so bezeichnete „Marderhilfe“ als „Jäger“ betrieben habe, obgleich er keinen Jagdschein gehabt habe, fehlen konkrete Indizien für die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr, die die Sicherstellung der hier streitigen, im Tenor genannten Gegenstände erforderlich machen würde. Dies gilt entsprechend für die Begründung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe deutlich gezeigt, dass ihm der Besitz seiner sichergestellten Waffen, Waffenzubehör und Munition sowie Geschossen derzeit (weiterhin) nicht überlassen werden könne, da er eine gewisse Blindheit gegenüber dem Gefahrenpotential derartiger Gegenstände entwickelt zu haben scheine. Ausreichend gesicherte Tatsachen, die gerade im Hinblick auf die im Tenor angeführten Gegenstände die Prognose einer gegenwärtigen Gefahr begründen, lassen sich diesen allgemeinen Ausführungen nicht entnehmen.

Eine andere Beurteilung ist lediglich geboten, soweit nach Ziffer 1, Unterziffern 31 und 159 des angefochtenen Bescheides insgesamt drei Patronen sichergestellt worden sind. Hierbei handelt es sich nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Antragsgegners um Munition, die den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften unterliegt (siehe Vermerk vom 1.3.2020, Anmerkungen zu Ziffer 22, Bl. 609, und Ziffer 153, Bl. 633, Beiakte 001). Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist die mit Bescheid vom 24. November 2020 angeordnete Sicherstellung dieser Patronen auf der Grundlage von § 26 Nr. 1 NPOG rechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stattgegeben worden ist, sind die Folgen der vorläufigen Sicherstellung rückgängig zu machen und der Antragsgegner hat die entsprechenden Gegenstände an den Antragsteller herauszugeben (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, § 29 Abs. 1 Satz 2 NPOG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da der Antragsteller mit seinem Eilantrag nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, werden die Kosten des Verfahrens insgesamt dem Antragsgegner auferlegt.