Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.04.2021, Az.: 10 ME 44/21

Ratsherr; Ratsmitglied; Sachlichkeitsgebot; Unterlassung ehrverletzender Äußerungen; Unterlassungsanspruch, allgemeiner öffentlich-rechtlicher

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.04.2021
Aktenzeichen
10 ME 44/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70865
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 01.03.2021 - AZ: 1 B 5811/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Werturteil eines Ratsmitglieds ist jedenfalls dann zulässig, wenn es sich im sachlich gebotenen Rahmen hält.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer - vom 1. März 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im Eilverfahren auf Unterlassung einer ehrverletzenden Äußerung in Anspruch.

Die Antragstellerin ist ein in A-Stadt ansässiges Transport- und Logistikunternehmen, das insbesondere im Bereich der Automobillogistik tätig ist. Der Antragsgegner ist Ratsherr im Samtgemeinderat der Samtgemeinde A-Stadt. Der Samtgemeinderat befasste sich in seiner Sitzung am 3. September 2020 mit einer Beschlussvorlage zur Änderung des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde. Hintergrund für die später beschlossene Änderung des Flächennutzungsplans war ein genehmigungsbedürftiges Vorhaben der Antragstellerin, dass diese bereits ohne Vorliegen der erforderlichen Baugenehmigung errichtet hatte und für das durch die Änderungen des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde und eines Bebauungsplans die Voraussetzungen für eine nachträgliche Genehmigung geschaffen werden sollten. Die Abstimmung über die Beschlussvorlage zur Änderung des Flächennutzungsplans erfolgte in geheimer Abstimmung.

In der E. „Kreiszeitung“ wurde mit Artikel vom 8. September 2020 (https://bit.ly/3xjox8j, Abruf: 20.4.2021) über die Beschlussfassung des Samtgemeinderates berichtet. In dem Artikel wurden mehrere Ratsmitglieder, darunter auch der Antragsgegner, zitiert. Allgemein sei das von der Antragstellerin bereits in die Tat umgesetzte Bauvorhaben begrüßt worden, jedoch die Vorgehensweise der Antragstellerin auf Kritik gestoßen. Betreffend Äußerungen des Antragsgegners heißt es in dem Artikel unter anderem:

„Den Antrag der SPD auf geheimer Abstimmung begründet C. mit haftungsrechtlichen Aspekten. Es handele sich um ein rechtlich heikles Genehmigungsverfahren. So sei sichergestellt, dass einzelne Abgeordnete nicht in Regress genommen werden könnten.

Und als kleiner Nebeneffekt kann kein Ratsmitglied für sein Abstimmungsverhalten kritisiert werden. In der Vergangenheit seien Ratsmitglieder von SPD und Wählergemeinschaft wiederholt von Verantwortlichen und Mitarbeitern von F. angefeindet worden, weil sie kritisch nachgefragt hätten, so C..“

In Bezug auf den letztgenannten Satz forderte die Antragstellerin erfolglos den Antragsgegner mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Sie hat sodann beim Verwaltungsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens beantragt,

dem Antragsgegner bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten tritt, oder eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten gemäß §§ 123, 167 VwGO, 890 ZPO zu verbieten, gegenüber Dritten zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen und/oder der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich zu machen und/oder zugänglich machen zu lassen, dass beliebigen Dritten der Abruf der Darstellung zu einer Zeit und von einem Ort möglich ist, den diese selbst wählen können,

Ratsmitglieder von SPD und Wählergemeinschaft seien wiederholt von Verantwortlichen und Mitarbeitern von F. angefeindet worden, weil sie kritisch nachgefragt hätten,

wenn dies geschieht wie in der Veröffentlichung

„Elektromobilität ist Chance für A-Stadt“

in „Kreiszeitung“ vom 9.9.2020 und dem textlich identischen Beitrag vom 8.9.2020 mit demselben Titel wie online abrufbar unter ([es folgt die Internet-Adresse]).

Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, der Antragsgegner habe diese Äußerung im Nachgang zur erwähnten Samtgemeinderatssitzung gegenüber der Autorin des Artikels, Frau G. H., getätigt. Zur Glaubhaftmachung hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin anwaltlich versichert, dass die Autorin des Artikels ihm gegenüber in einem Telefonat am 5. Januar 2021 angegeben habe, im öffentlichen Teil der Samtgemeinderatssitzung anwesend gewesen zu sein. Sie habe im Anschluss mit einigen Ratsmitgliedern – darunter dem Antragsgegner – gesprochen. Zum Inhalt des Gesprächs mit dem Antragsgegner habe die Redakteurin ihm, dem Prozessbevollmächtigten, mitgeteilt, der Antragsgegner habe die streitgegenständliche Äußerung „so gesagt“.

Der Antragsgegner bestreitet, die streitgegenständliche Äußerung getätigt zu haben. Zur Glaubhaftmachung hat er einen Auszug des Protokolls besagter Gemeinderatssitzung sowie eine eidesstattliche Versicherung zu den Akten gereicht, in der er versichert, die in Rede stehende Äußerung weder in der Ratssitzung noch im Anschluss an diese noch in einem Telefonat mit der Autorin des Artikels getätigt zu haben. Die Autorin sei auch entgegen ihrer Darstellung nicht im öffentlichen Teil der Sitzung anwesend gewesen. Diesbezüglich verweist er auf eine eidesstattliche Versicherung eines weiteren Ratsherrn im Rat der Samtgemeinde A-Stadt.

Nach derselben Versicherung hat ein Mitarbeiter der Antragstellerin bei anderer Gelegenheit zudem angekündigt, dass der Geschäftsführer den Antragsgegner im Falle der Wiederholung kritischer Äußerungen „hart anpacken“ werde. Laut einer weiteren eidesstattlichen Versicherung eines anderen Kommunalpolitikers hat der Geschäftsführer, angesprochen darauf, wie er mit der Bepflanzung auf einem kürzlich von ihm erworbenen Grundstück verfahren werde, mit Beleidigungen reagiert. Zudem verweist er auf einen Leserbrief des Geschäftsführers der Antragstellerin im E. Kreisblatt vom 2. Juli 2019. Darin kritisierte der Geschäftsführer der Antragstellerin Forderungen der SPD-Fraktion einer Mitgliedsgemeinde der Samtgemeinde A-Stadt nach mehr Transparenz hinsichtlich von der Antragstellerin geschuldeten Kompensationsmaßnahmen für ein Bauvorhaben. Über diese Forderungen sei zuvor ebenfalls in der Lokalpresse berichtet worden. Für die Einzelheiten wird auf die genannten eidesstattlichen Versicherungen bzw. die betreffenden Artikel und den Leserbrief Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 1. März 2021 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt.

Dieser sei bereits unzulässig.

Der Verwaltungsrechtsweg sei allerdings eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte handele es sich bei Klagen auf Unterlassung oder Widerruf ehrverletzender Äußerungen, die von Bediensteten oder Organen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit abgegeben wurden, um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liege dagegen vor, wenn ein Amtsträger lediglich bei Gelegenheit seiner Amtswaltung eine nach Form oder Inhalt über die Amtsausübung hinausgehende und ihm daher insoweit als Privatperson zuzurechnende, die Ehre des Betroffenen selbstständig beeinträchtigende Äußerung abgegeben habe. Daran gemessen weise die Äußerung, in der sich der Beklagte als Ratsherr im Nachgang zu den Gründen dafür geäußert haben soll, warum seine Fraktion eine geheime Abstimmung beantragt habe, einen engen Bezug zu seiner hoheitlichen Tätigkeit als Abgeordneter auf.

Der Antragsgegner sei jedoch nicht passiv legitimiert. Ein Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben stehen, sei nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht gegen den Beamten persönlich, sondern aufgrund des im öffentlichen Recht geltenden Rechtsträgerprinzips gegen den Hoheitsträger zu richten, dem diese Äußerungen seines Amtswalters zugerechnet werden. Mit amtlichen Äußerungen werde die Auffassung der Anstellungskörperschaft rechtlich festgelegt, sodass auch nur diese selbst auf deren Korrektur in Anspruch genommen werden könne. Zwar stünden Ratsmitglieder nicht in einem dem Beamtenverhältnis vergleichbaren Verhältnis zur Gemeinde, da sie insbesondere nicht weisungsgebunden seien und ihr Amt im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl geleiteten Überzeugung ausübten (vgl. § 54 Abs. 1 NKomVG). Dieser Umstand führe aber nicht dazu, dass die skizzierten Grundsätze zur Passivlegitimation keine Geltung mehr beanspruchten, wenn ein geltend gemachter Unterlassungsanspruch die Äußerung eines Ratsmitglieds betreffe. Vielmehr sei auch bei Unterlassungsansprüchen, die Äußerungen von Ratsmitgliedern betreffen, soweit es sich nicht um rein kommunalverfassungsrechtliche Rechtsstreitigkeiten handele, im Einzelfall danach zu differenzieren, ob die Äußerung des Ratsmitglieds nach ihrem Inhalt und Kontext der Gemeinde als Körperschaft zuzurechnen ist, oder ob persönliche Momente derart überwiegen würden, dass die geforderte Unterlassungserklärung eine unvertretbare Handlung des einzelnen Ratsmitglieds darstelle. Sei dies – wie hier – nicht der Fall, sei hinsichtlich eines geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nur die Gemeinde passiv legitimiert.

Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet.

Die Antragstellerin habe die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Die Kammer habe bereits Zweifel, ob der Antragsgegner die streitgegenständliche Äußerung getätigt habe. Jedenfalls habe die Antragstellerin die notwendige Wiederholungsgefahr nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner habe unter Vorlage zweier eidesstattlicher Versicherungen bestritten, die streitgegenständliche Äußerung überhaupt abgegeben zu haben. Werde bereits die erstmalige Äußerung bestritten, könne von einer Wiederholungsgefahr ersichtlich nicht ausgegangen werden. Die Abstimmungen betreffend das Bauvorhaben der Antragstellerin seien zudem abgeschlossen. Dass weitere, die Antragstellerin betreffende Abstimmungen im Samtgemeinderat konkret anstünden, sei nicht ersichtlich. Aus denselben Gründen fehle es an einer Eilbedürftigkeit der erstrebten gerichtlichen Anordnung.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, Ansprüche stünden ihr nur gegenüber dem Antragsgegner in Person zu. Nur dieser habe sich geäußert, nicht die Gemeinde als solche. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts habe mittelbar eine Zensur zur Folge. Ein Ratsmitglied müsse sich im Falle einer Verurteilung der Gemeinde vorab erkundigen, ob eine beabsichtigte Äußerung mit dem Urteil in Konflikt stehe. An die Gerichtsentscheidung sei er selbst nicht gebunden, da diese ihm gegenüber keine Rechtskraftwirkung entfalte. Die Antragstellerin wendet sich überdies gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, sie habe ihren Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Sie wiederholt und vertieft in diesem Zusammenhang ihren Vortrag in erster Instanz. Entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts beschränke sich der Inhalt der dem Antragsgegner zugeschriebenen Äußerung auch nicht auf die konkret durchgeführte Abstimmung, sodass eine Wiederholungsgefahr bestehe. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes verweist die Antragstellerin auf die fortbestehende Veröffentlichung der dem Antragsgegner zugeschriebenen Äußerung im Internet.

Während des laufenden Beschwerdeverfahrens erschien am 30. März 2021 in der E. „Kreiszeitung“ ein Artikel mit der Überschrift „C. kritisiert juristisches Vorgehen von I.“. Darin heißt es: „C. hatte die fraglichen Aussagen, wonach Ratsmitglieder von I. - Mitarbeitern wegen kritischer Nachfragen angefeindet worden seien, im Nachgang der Sitzung in einem Telefongespräch mit dieser Zeitung getätigt.“

Am 1. April 2021 erschien in derselben Zeitung ein Leserbrief des Antragsgegners mit der Überschrift „Rechtsstreitigkeiten sollen ruhen“. Der 1. Absatz dieses Leserbriefs lautet: „In dem Zeitungsbericht vom 30. März (2. Absatz) kann der Eindruck entstehen, dass ich – als Sprecher für meine Fraktion – in der Ratssitzung vom 25. März eine konkrete Äußerung bzw. Wiederholung einer vermeintlich zuvor gemachten Aussage getätigt hätte. Dieses ist nicht der Fall.“

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen, insbesondere auf die Schriftsätze der Antragstellerin vom 9. März, 25. März, 31. März, 6. April und 13. April 2021.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 1. März 2021 hat keinen Erfolg. Aus den mit ihr dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt hat.

Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO ist vom Verwaltungsgericht ausdrücklich bejaht worden und vom Senat gemäß § 17a Abs. 5 GKG nicht zu prüfen, da auch der Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Entscheidung in der Hauptsache ist (s. hierzu Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 17a GVG Rn. 18).

Ob der Antragsgegner passivlegitimiert ist oder ob der Antrag der Antragstellerin gegen die Samtgemeinde A-Stadt hätte gerichtet werden müssen, lässt der Senat offen.

Denn das Verwaltungsgericht hat den Antrag jedenfalls im Ergebnis zutreffend als unbegründet zurückgewiesen. Der Antragstellerin steht bereits kein für eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendiger Anordnungsanspruch zu. Sie kann keine Unterlassung der Äußerungen verlangen.

Die Antragstellerin hat bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner die streitgegenständlichen Äußerungen tatsächlich getätigt hat, was auch vom Verwaltungsgericht bezweifelt worden ist.

Die Antragstellerin beruft sich zur Glaubhaftmachung dafür, dass der Antragsgegner die behauptete Äußerung gemacht habe, zulässig (vgl. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 294 ZPO Rn. 5) auf die anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 7. Januar 2021. Danach habe die Redakteurin explizit angegeben, dass der Antragsgegner sich ihr gegenüber zum Grund des Antrags, geheim abzustimmen, wie behauptet geäußert habe. Dem gegenüber steht allerdings die – ebenso als Mittel der Glaubhaftmachung zulässige (§ 123 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 936, 938 Abs. 1, 940, 294 Abs. 1 ZPO) – eidesstattliche Versicherung des Antragsgegners vom 27. Januar 2021, dass er der Redakteurin gegenüber den Antrag auf geheime Abstimmung nicht mit einem Verhalten der Antragstellerin in der Vergangenheit begründet habe, sondern allgemein darauf verwiesen habe, dass eine geheime Abstimmung den einzelnen Ratsherrn von vornherein nicht der Gefahr aussetze, sich Dritten gegenüber für sein Abstimmungsverhalten rechtfertigen zu müssen.

Welcher der gegensätzlichen Versicherungen der Vorzug zu geben ist, vermag der Senat nicht zu entscheiden. Für die Glaubhaftigkeit der eidesstattlichen Versicherung des Bevollmächtigten der Antragstellerin spricht, dass die Gesamtumstände (Abstimmung über Änderungen von Bauleitplänen für die nachträgliche Genehmigung eines Bauvorhabens der Antragstellerin) nahelegen, dass sich die Befürchtung von „Anfeindungen“ gerade auf die Antragstellerin bezog. Gegen deren Glaubhaftigkeit bzw. gegen die Glaubhaftigkeit der darin in Bezug genommenen Aussagen der Redakteurin spricht allerdings, dass der Antragsgegner „nach Belehrung über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen und unvollständigen Erklärung“ an Eides statt versicherte, er habe gegenüber der Redakteurin nur besagte allgemeine Ausführungen zum „Phänomen von Einfluss- und Einschüchterungsversuchen“ gegenüber Kommunalpolitikern gemacht. Der Antragsgegner hat somit in Kenntnis der Tatsache, dass mit der Redakteurin eine unabhängige Zeugin zur Verfügung steht, seinen Vortrag bekräftigt und dabei das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung bewusst in Kauf genommen. Der wiederholenden Darstellung in der „Kreiszeitung“ vom 30. März 2021 während des laufenden Beschwerdeverfahrens ist der Antragsgegner mit seinem Leserbrief vom 1. April 2021 sofort und – anders als die Antragstellerin es darstellt – trotz fehlerhaft verwendeter Daten in der Sache umfassend entgegengetreten.

Der Antragsgegner erklärte zudem, die Problematik von Einschüchterungsversuchen sei schon Gegenstand einer Veranstaltung des SPD-Ortsvereins gewesen, an der auch die Redakteurin teilgenommen habe. Damit hat der Antragsgegner eine schlüssige Erklärung dafür angeboten, dass die Redakteurin aufgrund eines Missverständnisses anders als von ihm beabsichtigt seine allgemein gehaltenen Erklärungen auf die Antragstellerin bezogen haben könnte.

Zudem muss der Senat in Rechnung stellen, dass die anwaltliche Versicherung des Bevollmächtigten der Antragstellerin – notwendigerweise – nur eine mittelbare Auskunft über den Gesprächsinhalt zum Inhalt haben konnte, nämlich die Angaben der Redakteurin darüber, was der Beklagte ihr gegenüber gesagt haben soll. Der Bevollmächtigte ist damit nur „Zeuge vom Hörensagen“. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine solche Beweisführung zwar zulässig, an ihre Würdigung sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen, weil derartigen Angaben eine besondere Unsicherheit anhaftet, die über die allgemeine Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises hinausgeht (BGH, Urteil vom 3.5.2006 – XII ZR 195/03 –, juris Rn. 21). Die daraus resultierenden Zweifel, die zumindest im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit den dort zulässigen Beweismitteln nicht zu beseitigen sind, gehen zulasten der Antragstellerin.

Der geltend gemachte Anordnungsgrund scheitert ferner daran, dass selbst wenn die Äußerung des Antragsgegners tatsächlich so – wie behauptet – gefallen wäre, sie gleichwohl nicht zu beanstanden wäre. Diese Frage hat das Verwaltungsgericht zwar offengelassen. Der Senat ist aber – auch in Hinblick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO – nicht daran gehindert, zugunsten des in erster Instanz obsiegenden Beschwerdegegners zu prüfen, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist dahingehend auszulegen, dass sich die Beschränkung der gerichtlichen Sachprüfung nur auf die vom Beschwerdeführer darzulegenden Gründe gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bezieht, aber nicht die tatsächlichen und rechtlichen Gründe erfasst, die für deren Richtigkeit (im Ergebnis) sprechen. Das Beschwerdegericht hat daher stets zu prüfen, ob eine nach den Darlegungen des Beschwerdeführers möglicherweise fehlerhaft begründete Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis gleichwohl richtig ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 3.7.2019 – 7 ME 27/19 –, juris Rn. 5 m. w. N.). Dies gilt zumindest dann, wenn der Beschwerdeführer spätestens im Beschwerdeverfahren Gelegenheit hatte, sich zu diesen Gründen zu äußern (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29b). Zur Zulässigkeit der Äußerung an sich hat die Antragstellerin aber im Beschwerdeverfahren in der Beschwerdebegründung vom 25. März 2021 (Seiten 9 f.) ihre erstinstanzliche Argumentation wiederholt und vertieft.

Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass amtliche Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d. h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen (Sachlichkeitsgebot; BVerwG, Beschluss vom 11.11.2010 – 7 B 54.10 –, juris Rn. 14).

Ob und inwiefern dieser allgemeine Sorgfaltsmaßstab bei Mitgliedern einer Vertretung aufgrund dessen abgeschwächt werden muss, dass diese keiner Neutralitätspflicht unterliegen und sich gegenüber dem Vorwurf der Ehrverletzung unter Umständen auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) berufen können (siehe hierzu Wefelmeier in KVR-Nds., NKomVG, Stand: Juni 2019, § 54 Rn. 16; Thiele, NKomVG, 2. Aufl. 2017, § 54 Rn. 6), kann offenbleiben. Der Senat verneint nämlich die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob die Äußerung als rechtswidrige, ehrverletzende Äußerung einzustufen wäre, und zwar selbst dann, wenn man diese an dem strengeren, für alle amtlichen Äußerungen geltenden Maßstab misst.

Die dem Antragsgegner zugeschriebene Äußerung, in der Vergangenheit seien Ratsmitglieder von SPD und Wählergemeinschaft wiederholt von Verantwortlichen und Mitarbeitern von F. angefeindet worden, weil sie kritisch nachgefragt hätten, ist überwiegend als Werturteil über die Antragstellerin bzw. deren Geschäftsführer und Mitarbeiter zu verstehen. Die Verwendung des Begriffs „Anfeindungen“ bzw. des „kritischen Nachfragens“ sind Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens. Ob eine Entgegnung in einer Diskussion oder in einem Gespräch als „Anfeindung“ aufgefasst wird, ist nicht objektiv bestimmbar oder dem Beweis zugänglich, sondern eine Frage der Wertung. Während der eine Empfänger einen Diskussionsbeitrag als „harte Kritik in der Sache“ wertet, sieht ein anderer Empfänger darin möglicherweise eine schon ins Persönliche gehende „Anfeindung“. Gleiches gilt für den Begriff des „kritischen Nachfragens“. Jedenfalls in Bezug darauf, dass derartige „Anfeindungen“ bzw. „kritischen Nachfragen“ „wiederholt“ vorgenommen worden seien, enthält die angebliche Äußerung des Antragsgegners die Tatsachenbehauptung, dass es mehrere Vorfälle (mindestens zwei) gegeben habe, die in dieser Weise gewertet werden können.

Notwendig – aber im konkreten Fall auch gegeben – ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des BVerwG ein Tatsachenkern, der im Wesentlichen zutrifft, und dessen Wertung sich im Rahmen des sachlich Gebotenen hält.

Der Antragsgegner benennt zwei jeweils durch eidesstattliche Versicherungen bekräftigte Ereignisse. In einem Fall, der sich mindestens vor dem Jahre 2017 ereignet hat, soll der Geschäftsführer der Antragstellerin den an Eides statt Versichernden, Herrn J. K., mit Sammelbegriffen wie „Scheiß Politiker!“ und „Arschlöcher!“ beleidigt haben, nachdem sich der Kommunalpolitiker in einem Kneipengespräch danach erkundigt hatte, wie der Geschäftsführer der Antragstellerin mit Bäumen verfahren wolle, die von Bürgerinnen und Bürgern in einer Gemeinschaftsaktion zu einem Zeitpunkt auf dem Grundstück angepflanzt worden waren, als dieses noch nicht im Eigentum der Antragstellerin stand (Eidesstattliche Erklärung vom 27.1.2021).

Unstreitig reagierte der Geschäftsführer der Antragstellerin auf eine Berichterstattung im E. „Kreisblatt“ vom 28. Juni 2019 mit einem in derselben Zeitung am 2. Juli 2019 abgedruckten Leserbrief. In dem Artikel vom 28. Juni 2019 mit der Überschrift F.: SPD wünscht mehr Transparenz“ wird darüber berichtet, dass der Samtgemeinderatsabgeordnete L. M. der Antragstellerin mangelnde Transparenz im Hinblick auf Kompensationsmaßnahmen für ein Bauvorhaben vorwarf. Daraufhin reagierte der Geschäftsführer der Antragstellerin in dem erwähnten Leserbrief. Darin heißt es unter anderem: „Als überaus erfahrener Kommunalpolitiker sollte Herr M. wissen, dass ein Vorhabenträger keinen Spielraum bei der Umsetzung von behördlichen Vorgaben zu Kompensationsmaßnahmen hat. [...] Hier disqualifiziert sich Herr M. selbst, wenn er derartige Forderungen aufstellt. Entweder hat er den entsprechenden Text nicht gelesen, oder es geht ihm um parteipolitische Provokation […]“. Dieselbe Lokalzeitung berichtete später davon, dass der Antragsgegner ihr gegenüber wiederum die Reaktion des Geschäftsführers der Antragstellerin als öffentlichen Angriff auf den Fraktionskollegen M. kritisierte (Artikel „M: Vertagung abgelehnt“, E. Kreisblatt, unbekannten Datums).

Der Samtgemeinderatsabgeordnete M. versicherte zudem an Eides statt, er sei in einem Telefonat von dem Bürgermeister der Mitgliedsgemeinde N., der zugleich Mitarbeiter der Antragstellerin ist, gewarnt worden, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin den Antragsgegner „hart anpacken“ würde, wenn dieser weiterhin bestimmte Äußerungen in Bezug auf die Antragstellerin tätige (Eidesstattliche Erklärung vom 25.1.2021).

Die Antragstellerin hat das behauptete Gespräch zwischen Herrn M. und dem Bürgermeister der Mitgliedsgemeinde insgesamt abgestritten. Das Gespräch mit dem früheren Kommunalpolitiker K. hat sie nicht vollständig bestritten, jedoch die behaupteten Beleidigungen in Abrede genommen. Soweit die Antragstellerin den Sachvortrag des Antragsgegners bestreitet, hat sie bzw. ihr Geschäftsführer ihre eigene Sachdarstellung nicht an Eides statt versichert. Der Inhalt der in der Lokalpresse geführten Auseinandersetzung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Damit hat aber der Antragsgegner zumindest für das vorliegende Eilverfahren hinreichend glaubhaft gemacht, dass es in der Vergangenheit wiederholt zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern und Vertretern der Antragstellerin und Ratsabgeordneten der SPD-Fraktion gekommen ist. Allein die unstreitige Auseinandersetzung, die über die Lokalpresse geführt worden ist, zeigt, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin Worte wählte, die den Bereich der Sachlichkeit verlassen. Jemandem vorzuwerfen, er disqualifiziere sich mit einer bestimmten Äußerung selbst, wird vom Kreis der Lesenden regelmäßig dahingehend aufgefasst, dass dieser Person die Sachkompetenz abgesprochen wird. Danach wäre es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner diese mit einiger Härte geführten Auseinandersetzungen als „Anfeindungen“, erst recht als „kritisches Nachfragen“ bezeichnet hätte. Darin läge jedenfalls keine den Rahmen des sachlich Gebotenen überschreitende Wertung.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zutreffend einen Anordnungsgrund verneint, da die Antragstellerin die konkrete Gefahr einer baldigen Wiederholung der angegriffenen Äußerung bzw. die Gefahr eines (unmittelbar bevorstehenden) Schadenseintritts im Wirtschaftsverkehr nicht glaubhaft gemacht hat. Denn sie hat nur eine „allgemein drohende Wiederholung“ behauptet, nicht aber den unmittelbar bevorstehenden Eintritt wesentlicher Nachteile konkret glaubhaft gemacht.