Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.04.2021, Az.: 3 LD 1/20
Recht auf Beweisteilnahme; Reichsbürger; Reichsbürgerideologie; Reichsbürgerszene; Staatsangehörigkeitsausweis; Treuepflicht; Verbotsirrtum
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.04.2021
- Aktenzeichen
- 3 LD 1/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71136
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 17.12.2019 - AZ: 11 A 5/17
Rechtsgrundlagen
- § 33 Abs 1 S 3 BeamtStG
- § 34 S 3 BeamtStG
- § 25 Abs 4 S 1 DG ND
- § 50 Abs 1 DG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Verstoß gegen § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG durch die konkreten Angaben einer Polizeibeamtin (des vormals gehobenen Dienstes) bei Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises sowie dadurch, dass diese Beamtin im Rahmen eines zivilgerichtlichen Rechtsstreits gegenüber der zur Entscheidung dieses Rechtsstreits berufenen Richterin am Amtsgericht deren grundsätzliche Legitimität durch schriftliche und mündliche Äußerungen in Frage gestellt und es unter Verweis auf die fehlende Legitimität der Amtsrichterin abgelehnt hat, mit dieser mündlich zu verhandeln.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 11. Kammer - vom 17. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
Die am … 1970 geborene Beklagte trat nach Erlangung ihres Realschulabschlusses (1989) und Absolvierung einer Ausbildung zur Außenhandelskauffrau (1990 bis 1993) zunächst im … 1993 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den Vorbereitungsdienst des vormals mittleren Dienstes der Schutzpolizei des Landes Niedersachsen ein, verließ diesen jedoch auf eigenen Antrag nach etwa zwei Wochen wieder. Auf entsprechenden Antrag wurde sie mit Wirkung vom … 1994 erneut als Widerrufsbeamtin in den Vorbereitungsdienst des vormals mittleren Dienstes der niedersächsischen Schutzpolizei eingestellt. Mit Wirkung vom … 1997 wurde sie unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Polizeimeisterin z. A. (Besoldungsgruppe A 7) ernannt; die Ernennung zur Polizeimeisterin erfolgte mit Wirkung vom … 1999. Zum … 2000 wurde der Beklagten die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen; im … 2002 wurde sie zur Polizeiobermeisterin (Besoldungsgruppe A 8) befördert.
Im Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 absolvierte die Beklagte erfolgreich den Aufstiegslehrgang für den vormals gehobenen Vollzugsdienst der Schutz- und Kriminalpolizei des Landes Niedersachsen und wurde mit Wirkung vom … 2007 zur Polizeikommissarin (Besoldungsgruppe A 9) befördert. Seither war sie der Klägerin zur Dienstleistung zugewiesen, die sie überwiegend im Einsatz- und Streifendienst, aber auch im Zentralen Kriminaldienst und dem Kriminalermittlungsdienst einsetzte.
Ab dem … 2016 war die Beklagte aus persönlichen Gründen an die Polizeidirektion G. abgeordnet, die sie dem Polizeikommissariat H. zur Dienstleistung zuwies. Hintergrund des Abordnungswunsches der Beklagten war die teilweise Pflegebedürftigkeit ihrer Eltern gewesen, die im Landkreis I. leben. Seit dem Juni 2016 war die Beklagte durchgehend dienstunfähig erkrankt.
Die Beklagte ist seit … 2013 geschieden; sie ist Mutter zweier volljähriger Kinder. Zeitlich vor den hier in Rede stehenden Vorwürfen ist sie disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
Am 10. Mai 2016 stellte die Beklagte - ebenso wie ihr seinerzeitiger Lebensgefährte, Herr J. - beim Landkreis I. einen „Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis)“. In dem entsprechenden Antragsformular (Bl. 28ff./Beiakte 001) gab die Beklagte bei Punkt 3 „Angaben zum Erwerb meiner deutschen Staatsangehörigkeit“, Unterpunkt 3.8 „Sonstiges“, an:
„Abstammung gemäß RuStAG Stand 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1)“.
Bei Punkt 4 des Antragsformulars - „Angaben zu meiner anderen Staatsangehörigkeit“ -versah die Beklagte die Option „Ich besitze/besaß neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch folgende weitere Staatsangehörigkeiten“ mit einem Kreuz und trug sodann als weitere Staatsangehörigkeit
„Königreich Preußen“
in das Formular ein. In der Spalte „seit wann (bis zum)“ erklärte sie, sie besitze diese weitere Staatsangehörigkeit seit der
„Geburt“;
in der weiteren Spalte „erworben durch“ gab sie an:
„Abst. gem. RuStAG Stand 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1)“.
Der Landkreis I. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 2. August 2016 (Bl. 37/Beiakte 001) mit, sie könne ihr Begehren nicht auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) vom 22. Juli 1913 stützen; Rechtsgrundlage sei vielmehr das Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 28. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1802). Hiervon ausgehend könne der Beklagten ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt werden, den sie nach vorheriger Terminvereinbarung persönlich abholen könne; eine Übersendung sei nicht möglich. Zum vereinbarten Abholtermin am 15. August 2016 teilte die Beklagte dem zuständigen Sachbearbeiter des Landkreises I. mit, inzwischen habe sich privat für sie eine Veränderung ergeben, die dazu führe, dass sie den Antrag auf Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises zurücknehme. Daraufhin wurde der vorbereitete Staatsangehörigkeitsausweis vom Landkreis I. als ungültig gekennzeichnet.
Am 16. August 2016 wurde vor dem Amtsgericht K. eine zivilrechtliche Streitigkeit mündlich verhandelt, in der die Beklagte Passivpartei war. Mit Blick auf diesen Verhandlungstermin hatte die Beklagte - wie aus der entsprechenden Prozessakte … hervorgeht - an die zuständige Richterin am Amtsgericht (Ri´inAG) K., Frau L., unter dem 8. August 2016 ein Schreiben mit der Betreff-Zeile „Ihre Legitimation“ gerichtet, in dem es wörtlich heißt (Bl. 58f./Beiakte 001):
„Sehr geehrte Frau L., |
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jedes Gesetz muss einen Geltungsbereich haben, sonst gilt es nicht. Diese wichtige Regel ist ausnahmslos, das hat das Bundesverwaltungsgericht eindeutig festgelegt. |
'Jedermann muss, um sein eigenes Verhalten darauf einrichten zu können, in der Lage sein, den räumlichen Geltungsbereich eines Gesetzes ohne weiteres feststellen können' […] |
Seit dem Bundesgesetzblatt von 2006 Teil 1 Nr. 18 S866ff vom 24.04.2006 ist der Artikel 1 des EGGVG aufgehoben worden: |
Artikel 14, Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (300-1): |
Das Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 300-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 5 Abs. 5 des Gesetzes von 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390), wird wie folgt geändert: |
1. Die §§ 1, 3 Abs. 2, §§ 4, 4a Abs. 2 und § 11 werden aufgehoben[.] |
Damit ist das GVG, die ZPO und die StPO ungültig! Diese Gesetze existieren zwar noch, aber können ohne Geltungsbereich nicht angewendet werden. Wenn ein ungültiges Gesetz angewendet wird, dann nennt man das Rechtsbeugung. |
Der § 15 des GVG, wurde ebenfalls im Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 40 vom 20.09.1950 aufgehoben. Dort stand vorher: |
Alle Gerichte sind Staatsgerichte. |
So sieht der Ausschnitt aus dem Bundesgesetzblatt Teil 1 Nr. 40 vom 20.09.1950 auf der Seite 2 aus: |
[…] § 15 wird aufgehoben. […] |
Das bedeutet das ab 1950 alle Gerichtsverhandlungen nur noch privat sind, und damit freiwillig. Außerdem bezugnehmend auf Grundgesetz Art. 101: |
(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. |
(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden. |
Zu Ihrer freundlichen Kenntnisnahme: |
vor dem juristischen Handeln am 16. August 2016, 9.15 Uhr, werde ich Sie um Ihre Legitimation bitten, bzw. darauf bestehen! |
Sollten sie den o. g. Nachweis nicht erbringen können, werde ich auf die 'Tätigkeitsbescheinigung der Alliierten nach Militärgesetz Nummer 2, Artikel V.9' bestehen! |
Mit freundlichen Grüßen“ |
In der am 16. August 2016 terminierten mündlichen Verhandlung ließ sich die Beklagte den Dienstausweis der zuständigen Ri´inAG L. zeigen, erklärte daraufhin, das Dienstsiegel nicht zu akzeptieren und verließ den Sitzungssaal. Hierzu heißt es im Sitzungsprotokoll wörtlich (Bl. 42/Beiakte 001):
„Der Beklagten wird sodann der Dienstausweis Nr. 23 von mir gezeigt. Diese hat Einwendungen dagegen und erklärt, dass dieses ein Amtsausweis sein müsse und dass nicht das richtige Amtssiegel sei und aus diesen Gründen sei sie nicht bereit mit mir hier zu verhandeln und verlässt sodann den Raum“.
Am 8. Dezember 2016 informierte die Polizeidirektion G. die Klägerin darüber, dass die Beklagte im Verdacht stehe, der sogenannten Reichsbürgerszene anzugehören. Dabei gab die Polizeidirektion G. auch an, der Direktor des Amtsgerichts K. habe am Tag zuvor mitgeteilt, dass sich der seinerzeitige Lebensgefährte der Beklagten als Prozesspartei in einer vor dem Amtsgericht K. mündlich verhandelten zivilrechtlichen Streitigkeit „reichsbürgertypisch“ verhalten habe, indem er während der Verhandlung - trotz der Aufforderung, sich zu setzen - stehen geblieben sei und den Dienstausweis des zuständigen Richters, des Direktors am Amtsgericht, habe sehen wollen. Die Beklagte sei in jenem Verfahren als Zeugin aufgetreten, habe sich aber unauffällig/korrekt benommen.
Die Abordnung der Beklagten an die Polizeidirektion G., die zuvor mit Bescheid vom … 2016 bis zum … 2017 verlängert worden war, wurde mit Ablauf des … 2016 aufgehoben.
Am 12. Januar 2017 erklärte die Beklagte in einem Telefonat mit der Klägerin, sie habe den Staatsangehörigkeitsausweis beantragen wollen, weil sie in die Landespolitik habe gehen wollen und man ihr gesagt habe, dass sie dafür einen solchen Ausweis brauche. Diese Aussage wiederholte sie in einem persönlichen Gespräch mit der Klägerin am 26. Januar 2017, in dem es u. a. um den Verdacht einer möglichen Nähe der Beklagten zu „reichsbürgertypischem“ Gedankengut ging, und erläuterte zudem, sie habe für die CDU kandidieren wollen, das Ganze habe sich allerdings zerschlagen, so dass sie auch den Ausweis nicht mehr benötigt habe. Man benötige einen solchen Ausweis ja auch, wenn man zum Beispiel einen Franzosen heiraten wolle. Auch ihre Freundin, die eine Apotheke führe, habe einen solchen Ausweis zur Eröffnung der Apotheke benötigt. Sie habe nichts gegen diesen Staat und dieses Land, sie sei Deutsche und habe auch kein Problem damit. Schließlich sei sie ja auch Beamtin des Landes Niedersachsen. Vor Gericht sei sie nur so aufgetreten, weil sie sich nichts mehr bieten lassen würde, sie lasse sich nicht mehr „kleinmachen“. Es verstehe ja kaum noch einer, wie das vor Gericht funktioniere, man bekomme kein Recht, weil die Richter das alles nicht richtig läsen.
Mit Verfügung vom 9. Februar 2017 leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagte ein und teilte ihr diesen Umstand mit Schreiben vom selben Tage mit. Aufgrund der Angaben der Beklagten in ihrem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gegenüber dem Landkreis I., des Inhaltes ihres Schreibens an Ri´inAG L. vom 8. August 2016 sowie aufgrund ihres Verhaltens gegenüber Ri´inAG L. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht K. am 16. August 2016 bestehe der Verdacht, dass die Beklagte den „Reichsbürgern“ nahestehe. Hierbei handle es sich um Personen, welche die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als souveränem Staat leugneten. Wer - wie die Beklagte dies getan habe - als Beamtin weite Teile der Gerichtsbarkeit wegen vorgeblich fehlender rechtlicher Grundlagen ablehne und die Legitimität von Richtern in Abrede stelle, begründe den Verdacht, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Prinzipien des Rechtsstaates, auf die er vereidigt worden sei, nicht mehr anerkenne. Es bestehe daher der Verdacht, dass die Beklagte gegen ihre Treuepflicht aus § 33 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) sowie gegen ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen habe. Außerdem enthob die Klägerin die Beklagte mit der Verfügung vom 9. Februar 2017 unter Verweis auf § 38 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes (NDiszG) und Sofortvollzugsanordnung vorläufig des Dienstes. Rechtsmittel hiergegen legte die Beklagte nicht ein.
Der seinerzeitige Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt M., äußerte sich unter dem 14. März 2017 dahingehend, dass im Schreiben der Klägerin vom 9. Februar 2017 „durchweg Textkonserven verwendet“ worden seien, die auf Ausführungen selbsternannter Experten zurückgingen und bei denen es sich „bestenfalls um persönliche tendenziöse Meinungen [handle], die sich am Rande der Volksverhetzung“ bewegten; diese „Textkonserven“ enthielten „generelle Behauptungen“ und seien für den konkreten Streitfall „ohne jede Relevanz“. Mit weiterem Schreiben vom 27. März 2017 beantragte Rechtsanwalt M. die zeugenschaftliche Vernehmung von insgesamt 9 Kollegen der Beklagten zum Beweis der Tatsache, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt „als Reichsbürgerin gebrüstet“ oder Äußerungen getätigt habe, „die unter das angebliche Gedankengut der 'Reichsbürgerbewegung' subsumiert“ werden könnten; sie habe sich im Kollegenkreis vielmehr politisch vollkommen neutral verhalten.
Daraufhin vernahmen die Klägerin und die Polizeidirektion G. die benannten 9 Beamten als Zeugen; hinsichtlich der näheren Einzelheiten der jeweiligen Aussagen wird auf die entsprechenden Niederschriften Bezug genommen (Bl. 105 bis 108/Beiakte 001 [KHK’in N.]; Bl. 109 bis 111/Beiakte 001 [PHK O.]; Bl. 112 bis 114/Beiakte 001 [KOK’in P.]; Bl. 115 bis 117 [EPHK Q.]; Bl. 118 bis 120 [EKHK R.]; Bl. 121 bis 123 [POK’in S.]; Bl. 150 bis 152/Beiakte 001[EKHK T.; Bl. 153 bis 155/Beiakte 001 [KHK U.]; Bl. 168 bis 170 [KHK V.]). Alle Zeugen bekundeten, dass sich die Beklagte im Dienst über Politik bzw. ihre politischen Ansichten nicht geäußert und insbesondere auch keine „reichsbürgertypischen“ Aussagen getätigt habe; auf die Zeugen hatte die Beklagte den Eindruck eines „völlig unpolitischen Menschen“ gemacht.
Die Beklagte nahm durch Rechtsanwalt M. unter dem 21. April 2017 dahingehend Stellung, sie trete nach wie vor für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein. Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsnachweises sei reine Privatsache gewesen; dasselbe gelte für die Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht K.. Insoweit sei davon auszugehen, dass bereits im Jahr 1950 die Vorschrift des § 15 GVG, wonach alle Gerichte Staatsgerichte seien, gestrichen worden sei. Für jeden Bürger müsse sich daher die Frage aufdrängen, „welche Qualität denn nun die amtierenden Gerichte haben sollen und ob etwa eine 'freiwillige Gerichtsbarkeit' im wahrsten Sinne des Wortes eingeführt“ worden sei. In diesem Zusammenhang sei die Frage erlaubt, welche Lehrgänge und Schulungen der Dienstherr zu dieser Thematik durchgeführt habe. Erst wenn nachgewiesen sei, dass die Beklagte trotz entsprechender Schulungen in der in Rede stehenden Weise agiert habe, komme ein vorsätzliches Handeln in Betracht.
Recherchen der Klägerin in einschlägigen Internetforen in Bezug auf etwaige „reichsbürgertypische“ Äußerungen der Beklagten und ihres seinerzeitigen Lebensgefährten blieben ergebnislos.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 teilte die Klägerin der Beklagten ihr Ermittlungsergebnis mit und gab Gelegenheit zur abschließenden Äußerung. Die Beklagte ließ durch Rechtsanwalt M. unter dem 4. August 2017 und dem 2. September 2017 vortragen, ein Dienstvergehen liege nicht vor. Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass sie sich im Dienst stets beanstandungsfrei geführt habe. In privater Hinsicht sei sie eine politisch interessierte und „konsequent akzentuierte“ Persönlichkeit, die Dienst und Privates sehr gut auseinanderhalte. Bei der Polizei könne man „keine Duckmäuser ohne Rückgrat gebrauchen“, sondern habe durchaus Interesse an „aufgeweckten und kritischen Mitarbeitern“. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die Bundesrepublik Deutschland als Staat in Frage gestellt; sie habe sich vielmehr intensiv mit der Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland befasst und habe „wie jeder andere aufgeweckte Zeitgenosse“ auf Fragen stoßen müssen, deren Beantwortung keinen Aufschub dulde. Nach Streichung des § 15 GVG bereits im Jahr 1950 müsse sich „jedem wachen Bürger“ die Frage der Staatlichkeit der Gerichte aufdrängen, zumal alle Gerichte und Behörden „seit einigen Jahren ausnahmslos bei D & B in deren weltweiter List als 'private company' gelistet seien. Es werde wohl einer „aufgeweckten Beamtin nicht zu verübeln sein, wenn sie diesen Fragen auf den Grund“ gehe. Da die Beklagte „ein berechtigtes Problem mit dem § 15 GVG“ gehabt habe, habe es nahegelegen, denjenigen zu fragen, den es unmittelbar betreffe; insoweit sei es „ein Musterbeispiel an Zivilcourage“, dass die Beklagte die Ri´inAG L. „auf dieses Problem angesprochen“ habe und einen Nachweis der Amtlichkeit des Gerichts habe sehen wollen. Auch könne man nicht aus dem Umstand, einen Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises gestellt zu haben, auf eine etwaige „Reichsbürgernähe“ schließen. Die „ganze Problematik [liege] in der Tatsache begründet, dass es keine Staatsangehörigkeit der BRD“ gebe. Umso mehr müsse es den Bürger interessieren, in welchem Staat er denn eine Staatsangehörigkeit habe. Nach alledem liege ein Dienstvergehen nicht vor; die Beklagte sollte „stattdessen für eine Auszeichnung wegen Zivilcourage nominiert werden“, weil sie „schwerste Mängel in der Ausbildung zum gehobenen Dienst aufgedeckt“ habe.
Die Klägerin hat am 19. September 2017 bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig Disziplinarklage erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Beklagte habe durch ihre Angaben im Rahmen der Beantragung des Staatangehörigkeitsausweises, durch den Inhalt ihres an Ri´inAG L. gerichteten Schreibens vom 8. August 2016 sowie durch ihr Verhalten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht K. am 16. August 2016 schuldhaft gegen ihre Pflicht verstoßen, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Das Verhalten der Beklagten beweise, dass sie sich die Ideologie der „Reichsbürger“ zu eigen gemacht habe und diese Ideologie „lebe“.
Für die „Reichsbürger“ gebe es kein Ende des Deutschen Reiches. Ihr Erscheinungsbild sei oft heterogen; sie setzten sich aus autark handelnden Einzelpersonen sowie Gruppierungen zusammen, die sich in ihrem Wesen zum Teil deutlich unterschieden. Alle bestritten indes die Legitimität der heutigen Behörden und der Justiz sowie die Geltung des Grundgesetzes und der Bundes- und Landesgesetze; die Bundesrepublik Deutschland werde als „Besatzungskonstrukt“ verunglimpft, und ihre Gesetze und die Rechtsordnung würden für nicht verbindlich erklärt. Zentrales und tragendes Element der „Reichsbürgerideologie“ sei die Leugnung der Bundesrepublik Deutschland als Staat. Die Konfrontation erfolge gegenüber der öffentlichen Verwaltung auf Landes- und Bundesebene, vor allem jedoch auf kommunaler Ebene; exemplarisch sei hier die Konfrontation gegenüber unabhängigen Gerichten zu nennen. Das geschichtsrevisionistische Vorbringen, das Deutsche Reich oder ein anderes Preußisches Königreich bestehe fort, sei niemals untergegangen usw. sei typisch für das Agieren der Reichsbürger. Ein weiteres Motiv bestehe darin, Aufmerksamkeit zu erlangen oder staatliche Stellen vorzuführen.
Das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises sei typisch für die „Reichsbürgerbewegung“. Unter der Internetadresse „www.gelberschein.org“ werde mittels einer Ausfüllhilfe erläutert, wie man den Staatsangehörigkeitsausweis bei den zuständigen Behörden beantragen solle und an welcher Stelle Interessenten dort das Königreich Preußen einsetzten sollten. Durch die Antragstellung dokumentiere die Beklagte eindrucksvoll, dass sie immer noch in dem Glauben sei, das Königreich Preußen existiere weiterhin oder habe zumindest zum Zeitpunkt ihrer Geburt noch existiert. Die Beklagte sei jedoch im Jahr 1970 - und damit nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland - geboren. In der „Reichsbürgerszene“ habe der sog. „Gelbe Schein“ einen hohen Stellenwert und gelte als Ausdruck der „richtigen Gesinnung“. Typisch sei, dass sich die Beklagte auf das „RuStAG von 1913“ berufen habe, als die von den „Reichsbürgern“ geschmähte Bundesrepublik Deutschland noch nicht existiert, sondern das Kaiserreich noch bestanden habe. Die schriftliche und mündliche Ablehnung der zuständigen Ri´inAG L. und die Negierung staatlichen (Prozess-)Rechts (Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung) seien ebenfalls typisch für die „Reichsbürgerideologie“.
Durch ihr Verhalten habe die Beklagte schuldhaft gegen ihre Dienstpflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Die Treuepflicht gehöre zu den Kernpflichten des Beamten und betreffe sowohl sein dienstliches als auch sein außerdienstliches Verhalten. Die Pflicht zur Verfassungstreue sei nicht teilbar in eine dienstliche und außerdienstliche Qualität. Die Beklagte habe zudem ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten außerhalb des Dienstes (§ 34 Satz 3, 2. Fall BeamtStG) schuldhaft verletzt. Soweit sie sich auf einen Verbotsirrtum berufe, sei dieser vermeidbar gewesen.
Die Dienstpflichtverletzung wiege schwer und rechtfertige die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Die Rücknahme des Antrags auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises entlaste die Beklagte nicht. Erschwerend komme hinzu, dass die Beklagte eine Beamtin des gehobenen Polizeivollzugsdienstes sei, die noch vor wenigen Jahren im Rahmen ihrer Aufstiegsausbildung die Grundlagen des Staats- und Verfassungsrechts vermittelt bekommen habe. Ihr habe - wie jedem Polizeivollzugsbeamten - die Verbindlichkeit und Unabänderlichkeit der staatlichen Ordnung unter der Geltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in besonderer Weise präsent sein müssen. Auch ihr Nachtatverhalten lasse keine wirkliche Abkehr von dem „reichsbürgertypischen“ Gedankengut erkennen. Die Schriftsätze ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 21. April 2017 und vom 2. September 2017 enthielten vielmehr ebenfalls die Position, dass Gerichtsverfahren freiwillig seien und verstiegen sich sogar noch dahingehend, dass der Beklagten ein Preis für Zivilcourage verliehen werden solle, weil sie schwerste Mängel in der Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst aufgedeckt habe. Gewichtige Milderungsgründe lägen nicht vor. Die Einlassungen der Beklagten nach der Eröffnung des Disziplinarverfahrens, die Handlungen seien durchaus zulässig und sogar rechtlich geboten gewesen, seien indiskutabel und ließen den dort ebenfalls enthaltenen Vortrag, die Beklagte bekenne sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, als Schutzbehauptung erscheinen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen,
hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
Sie hat zur Begründung auf ihre vorprozessualen Ausführungen verwiesen und durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten ergänzend vorgetragen, die Klage erscheine „stark tendenziös“, denn es werde mit großem Aufwand und unter Zitierung von Passagen aus Handbüchern u. ä. versucht, die Beklagte als aktive und überzeugte „Reichsbürgerin“ hinzustellen. Der Begriff „Reichsbürger“ sei indes keine kodifizierte gesetzliche Norm mit klar umrissenen Tatbestandsmerkmalen, unter die das Verhalten einer Person lückenlos und zwingend subsumiert werden könne. Hieraus folge, dass der Beklagten nicht alles zugeschrieben werden könne, was irgendwelche Einzelpersonen, Gruppierungen oder Handbücher für das Gedankengut dieser Bewegung hielten. Es stehe der Verwaltung nicht zu, sich ihre eigenen Normen zu schaffen. Die Klägerin stelle zahlreiche Behauptungen auf, was die Beklagte alles nicht anerkenne, ablehne, bekämpfe usw.. Die entsprechenden Passagen bezögen sich indes auf „Reichsbürger“, mit denen die Beklagte schlicht nichts zu tun habe.
Betrachte man den Fall ohne den gesamten „Reichsbürgerhintergrund“, so seien zwei Vorfälle zu betrachten, die kaum als schweres Dienstvergehen anzusehen seien. Der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises sei keine negative Bedeutung zuzumessen. Die Ri´inAG L. sei bereits durch den Brief der Beklagten vom 8. August 2016 über die Fragen informiert worden, welche die Beklagte habe geklärt wissen wollen; die Richterin habe sich offenbar auch darauf eingestellt, indem sie ihren Dienstausweis mit in die Verhandlung genommen habe. Hätte die Richterin vor der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten angerufen, hätte dies mit Sicherheit dazu beigetragen, „den späteren Eklat im Gerichtssaal zu vermeiden“. Die Beklagte habe auch nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt; sie sei vielmehr voll konzentriert auf ihr jeweiliges Anliegen gewesen. Es werde „ein Fall zur Anklage gebracht, der mit der Beklagten nur bedingt etwas zu tun“ habe. Sie stehe zu ihrem Amtseid und erkenne die freiheitliche demokratische Grundordnung an. Jeder habe das Recht zu hinterfragen und daraus zu lernen, wie der vorliegende Fall eindrücklich vor Augen führe.
Nach dem Tod ihres seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt M., hat die Beklagte ihren jetzigen Bevollmächtigten mit der Prozessvertretung beauftragt und durch diesen - unter Verweis auf das gesamte bisherige Vorbringen - gerügt, sie sei den Anschuldigungen schutzlos ausgesetzt gewesen, ohne dass die Klägerin auch zu ihrer - der Beklagten - Entlastung ausreichend ermittelt hätte. So hätte die Disziplinarbehörde überprüfen müssen, ob die Beklagte den Staatsangehörigkeitsausweis aus einer inneren politischen Überzeugung heraus oder lediglich durch Anregung aus dem weiteren Bekanntenkreis beantragt habe. Letztgenanntes sei hier der Fall gewesen. Das Verhalten gegenüber der Ri´inAG L. im Zusammenhang mit dem dort anhängigen Zivilrechtsstreit sei vom Wunsch der Beklagten getragen gewesen, unberechtigte Ansprüche auch von ihrem Sohn abzuwenden. Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, das Verlangen der Vorlage eines Amtsausweises und die Behauptung, verschiedene Gesetze seien unwirksam, stellten für sich genommen weder Straftaten noch Ordnungswidrigkeiten dar. Sowohl dienstlich als auch privat habe sich die Beklagte stets an Gesetz und Recht gehalten. Selbst wenn ein Dienstvergehen bejaht würde, sei jedenfalls die Höchstmaßnahme nicht gerechtfertigt. Zu berücksichtigen sei insbesondere der Gesichtspunkt der tätigen Reue, der durch die Rücknahme des Antrags auf Erstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zum Ausdruck komme. Außerdem werde die Beklagte von den als Zeugen befragten Kollegen als eher unpolitisch, gar naiv und mit einem Hang zur Esoterik geschildert. Bei einer Gesamtschau aller Umstände sei daher die von der Klägerin beabsichtigte Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig.
Mit Urteil vom 17. Dezember 2019 hat das Veraltungsgericht die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die Disziplinarklage sei zulässig. Die von der Beklagten gerügten Mängel des Disziplinarverfahrens (vgl. § 50 NDiszG) lägen nicht vor. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass weitere Disziplinarermittlungen angezeigt gewesen wären, könne dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte habe die Vernehmung zahlreicher Zeugen beantragt, und die Klägerin sei diesem Begehren nachgekommen. Der Sachverhalt sei hinreichend ermittelt worden und unstreitig.
Die Disziplinarklage sei auch begründet. Die Beklagte habe durch die Abgabe des Antrags auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, die Übersendung des Schreibens an das Amtsgericht K. und ihr Verhalten in der dortigen mündlichen Verhandlung schuldhaft gegen ihre Pflichten aus §§ 33 Abs. 1 Satz 3, 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Die Treuepflicht sei verletzt, wenn ein Beamter die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und ihrer verfassungsmäßigen Organe in Frage stelle. Dies habe die Beklagte getan, indem sie unter dem 8. August 2016 ein Schreiben an das Amtsgericht K. verfasst habe, in dem es ausdrücklich heiße, das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozessordnung und die Strafprozessordnung seien ungültig und Gerichtsverhandlungen ab dem Jahr 1950 privat und freiwillig. Diese Auffassung habe die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2016 bestätigt, in der sie der Ri´inAG L. die Legitimation abgesprochen und die Sitzung verlassen habe. Damit habe die Beklagte die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich abgelehnt, insbesondere die in Art. 92 GG u. a. den Gerichten der Länder anvertraute rechtsprechende Gewalt. Die Beklagte habe durch ihr außerdienstliches Verhalten zudem gegen § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Auch wenn der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises für sich genommen nichts Verwerfliches anhafte, erweckten die Angaben der Beklagten im Antragsformular ebenfalls bereits den Anschein, dass sie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkenne. Nur vor dem Hintergrund der „Reichsbürgerbewegung“ sei erklärlich, dass die Beklagte, an deren Staatsangehörigkeit keine Zweifel bestanden hätten und die seit über 20 Jahren Landesbeamtin gewesen sei, überhaupt einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe. Ihre Behauptung, sie habe in die Landespolitik gewollt, werde als Schutzbehauptung gewertet, zumal die Beklagte von den vernommenen Zeugen durchgängig als unpolitisch beschrieben worden sei. Ein die Schuld ausschließender Verbotsirrtum liege nicht vor.
Das Dienstvergehen wiege schwer und rechtfertige die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Ein gewichtiger Milderungsgrund sei nicht ersichtlich.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 4. Februar 2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat der Prozessbevollmächtige der Beklagten für diese vorgetragen. Die Disziplinarklage sei bereits unzulässig, weil das Disziplinarverfahren an diversen formellen Mängeln leide. So sei schon fraglich, ob die Klägerin im Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht wirksam vertreten gewesen sei. Denn Aktivpartei sei ausweislich des Rubrums des erstinstanzlichen Urteils „das Land Niedersachsen, “. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sei jedoch nicht der Polizeipräsident, sondern Herr der Leitende Regierungsdirektor W. aufgetreten. Fraglich erscheine auch, warum die mündliche Verhandlung öffentlich gewesen sei; die Klägerin hätte aus Fürsorgegründen auf eine nichtöffentliche Verhandlung hinwirken müssen. Gerügt werde auch, dass die Gleichstellungsbeauftragte vor Einleitung des Verfahrens nicht beteiligt worden sei. Außerdem habe die Klägerin es unterlassen, in umfassender Weise auch mögliche, die Beklagte entlastende Umstände zu ermitteln. Soweit die Beklagte die Vernehmung zahlreicher Zeugen - unter anderem ihrer Vorgesetzten - beantragt habe, sei die Klägerin diesen Anträgen nicht nachgekommen und habe damit fürsorgepflichtwidrig gehandelt. Hinzu komme, dass der Beklagten der Termin für die Zeugenvernehmungen, soweit die Zeugen aus der A. betroffen seien, nicht bekanntgegeben worden sei. Ihr sei auch das diesbezügliche Vernehmungsergebnis nicht bekanntgemacht worden; dieses Ergebnis sei vielmehr erst durch die genommene Akteneinsicht in Erfahrung gebracht worden. Der Beklagten habe aber nicht nur zum Vernehmungsergebnis Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müssen, sondern sie habe auch ein Recht darauf gehabt, bei der Zeugenvernehmung anwesend zu sein. Die Unterlassungen führten zur Befangenheit der ermittelnden Beamten und stellten Verfahrensfehler dar, auf die hin das Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen sei; hilfsweise müsse die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden. Die Aussage der Zeugin P., die Beklagte sei im dienstlichen Bereich immer sehr unzuverlässig gewesen, sei diffamierend und wahrheitswidrig und widerspreche der Bewertung in den dienstlichen Beurteilungen der Beklagten. Bei Herrn J. handle es sich nicht um den Lebensgefährten der Beklagten.
Ungeachtet dessen liege ein Dienstvergehen nicht vor. Die außerdienstlichen Handlungen der Beklagten - nämlich die Abgabe eines Antrags auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, die Übersendung eines Schreibens an das Amtsgericht K. und die Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht K. - verstießen weder einzeln noch in ihrer Gesamtschau gegen §§ 33 Abs. 1 Satz 3, 34 Satz 3 BeamtStG. Die Beklagte habe in Anwendung gesetzlicher Vorschriften einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und diesen Antrag im Übrigen wieder zurückgenommen. Ihr Verhalten im Rahmen des Zivilprozesses vor dem Amtsgericht K. sei in Ausübung ihres grundgesetzlich geschützten Rechtes auf Anhörung erfolgt. Der Staat benötige Beamte, die nicht lediglich gedankenlos ihren Dienst verrichteten. Der Beklagten sei daher nicht vorzuwerfen, sondern vielmehr zugutezuhalten, dass sie sich mit Staats- und Verfassungsrecht beschäftigt und eigene Gedanken entwickelt habe, ohne bloße Vorgaben zu übernehmen. Unbestritten führe das bloße Haben oder auch die schlichte Mitteilung einer Überzeugung noch nicht zur Verletzung der Pflicht eines Beamten zur Verfassungstreue. Die Beklagte habe sich weder allein noch in Gruppen aggressiv oder gar kämpferisch mit Außenwirkung für die „Reichsbürgerbewegung“ eingesetzt. Es sei in keiner Weise verifiziert, dass die in Rede stehenden Verhaltensweisen der politischen Überzeugung der Beklagten entsprächen. Ob eine entsprechende Überzeugung vorliege, sei nie geprüft, sondern stets unterstellt worden. Die Beklagte stelle in keiner Weise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung in Frage, wenn sie einen Staatsangehörigkeitsausweis beantrage, den Antrag wieder zurücknehme und im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits „Denkanstöße“ gebe, die nicht Grundlage einer dauerhaften Überzeugung, sondern lediglich temporäres Verteidigungsverhalten im konkreten Einzelfall eines Zivilrechtsstreits darstellten. Sie lehne in keiner Weise in Absolutheit die Kompetenz der Judikative ab, letztverbindlich und rechtskräftig Recht sprechen zu dürfen. Wäre dem so, würde sie sich nicht erst- und zweitinstanzlich vor den Verwaltungsgerichten gegen ihre Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wehren.
Jedenfalls aber sei das außerdienstliche Verhalten der Beklagten nicht in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Denn es sei ohne mittelbare dienstrechtliche Relevanz. Die in Rede stehenden Verhaltensweisen hätten behörden- bzw. gerichtsintern - und nicht in der Öffentlichkeit - stattgefunden. In diesem Zusammenhang sei auch von Bedeutung, dass die Beklagte seit dem Jahr 2008 aus gesundheitlichen Gründen keinen Einsatz- und Streifendienst und keinen Außendienst mehr verrichte, nicht an Einsatzhundertschaften teilnehme, sondern nur im Innendienst, seit dem Jahr 2011 im Geschäftszimmer und im KED, tätig sei. Seit Jahren habe die Beklagte daher eine nur höchst eingeschränkte Möglichkeit, als Beamtin in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Zudem sei die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts widersprüchlich. Denn es habe einerseits die Angabe der Beklagten, sie habe den Staatsangehörigkeitsausweis benötigt, weil sie in die Landespolitik habe einsteigen wollen, als Schutzbehauptung angesehen und diese Würdigung darauf gestützt, dass die vernommenen Zeugen die Beklagte durchgängig als unpolitisch beschrieben hätten. Andererseits aber habe die Vorinstanz angenommen, die Beklagte habe den Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, weil sie der „Reichsbürgerbewegung“ nahestehe. Die Einschätzung der Zeugen, die Beklagte sei unpolitisch, müsse aber auch insoweit gelten. Die Feststellung der unpolitischen Haltung der Beklagten könne nicht dazu führen, dass sich die Klägerin auf diese Feststellung berufen dürfe, die Beklagte jedoch nicht. Ungeachtet dessen sei auch verabsäumt worden, zu überprüfen, ob die Beklagte den Staatsangehörigkeitsausweis aus einer inneren politischen Überzeugung heraus oder lediglich „durch Anregungen aus dem weiteren Bekanntenkreis veranlasst infolge allgemeiner geschichtlicher Erwägungen“ beantragt habe. Letzteres sei hier der Fall gewesen; sie habe den Staatsangehörigkeitsausweis „nach Informationen aus dem weiteren Bekanntenkreis infolge historischer Überlegungen heraus“ beantragt. Auch stelle das Verwaltungsgericht allgemein gehaltene Abhandlungen zur politischen Zielrichtung der sogenannten Reichsbürger an, ohne näher darzustellen, ob es allgemein gesicherte Erkenntnisse darüber gebe, ob „Reichsbürger“ stets und grundsätzlich ihre Reichsstaatsangehörigkeit durch einen Staatsangehörigkeitsausweis dokumentiert wissen wollten.
Das Verwaltungsgericht habe auch nicht die Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu weiteren Gründen der Rücknahme ihres Antrags auf Erstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gewürdigt. Denn sie habe nach Antragstellung vom Landkreis I. die Mitteilung erhalten, dass der Staatangehörigkeitsausweis nach „StAG1934“ und nicht, wie beantragt, nach „RuStAG1913“ ausgestellt werde. Auf keinen Fall habe die Beklagte aber ein Dokument haben wollen, dass nach nationalsozialistischen Gesetzen ausgestellt werde.
Zumindest aber liege ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor. Die Beklagte habe nicht wissen können, dass sie als der „Reichsbürgerbewegung“ nahestehend angesehen werde, obwohl das Verwaltungsgericht selbst ausführe, die „Reichsbürgerbewegung“ sei heterogen. Wie aber habe dann die Beklagte wissen sollen, wer als „Reichsbürger“ zu definieren sei, welche Folgen eine etwaige Sympathie zur „Reichsbürgerbewegung“ haben könne und was zu veranlassen sei, um nicht dieser Bewegung zugeordnet zu werden. Sie habe mehrfach vorgetragen, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen.
Selbst wenn aber ein Dienstvergehen bejaht würde, rechtfertige dies nicht die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme. Die Beklagte habe aus historischen Beweggründen bzw. zur Abwehr unberechtigter zivilrechtlicher Ansprüche gehandelt und überdies den Antrag auf Erteilung des Staatsangehörigkeitsausweises zurückgenommen. Ein neuer Antrag sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, und auch die zivilrechtliche Streitigkeit sei beendet. Eine Wiederholungsgefahr bestehe also nicht. Zudem liege aufgrund der Rücknahme des Antrags ein Fall der „tätigen Reue“ vor. Die Zeugenaussagen belegten, dass sich die Beklagte im Dienst eher unpolitisch gegeben habe, leicht zu beeinflussen gewesen und naiv erschienen sei; sie habe wenig private Kontakte und einen Hang zu Esoterik gehabt. Dies spreche dafür, dass sie den Staatsangehörigkeitsausweis aufgrund von Anregungen Dritter beantragt habe. Wenn somit eine gewisse Beeinflussbarkeit bestehe, sei zu prognostizieren, dass sich die Beklagte von einer milderen Disziplinarmaßnahme als der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis „auf den rechten Weg zurückbringen“ lassen würde, zumal sämtliche Vorfälle 5 Jahre zurücklägen und weder zuvor noch danach ähnliche Verhaltensweisen der Beklagten festzustellen gewesen seien. Die Beklagte verteile weder Flyer politischen Inhaltes noch trage sie Embleme, sie nehme nicht an „rechts“ orientierten politischen Veranstaltungen teil oder äußere sich öffentlich entsprechend. In Anbetracht dessen erscheine die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig; ausreichende Disziplinarmaßnahme wäre ein Verweis, allenfalls eine Zurückstufung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 17. Dezember 2019 zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen,
hilfsweise,
auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, Leitender Regierungsdirektor W. sei nach ihren Regelungen der Klägerin berufen, vor dem Verwaltungsgericht aufzutreten und habe eine bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig und dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht hinterlegte General-Terminsvollmacht; außerdem sei er der vom Polizeipräsidenten bestellte Vertreter in dieser Disziplinarsache. Soweit die Beklagte formelle Mängel des Disziplinarverfahrens rüge und meine, es hätten weitere Zeugen vernommen werden müssen, werde auf §§ 50 und 53 Abs. 3 NDiszG verwiesen. Ungeachtet dessen sei sie - die Klägerin - allen Beweisanträgen der Beklagten nachgekommen. In materiell-rechtlicher Hinsicht seien die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
A. Der erkennende Senat hat das Aktivrubrum von Amts wegen und mit dem in der mündlichen Verhandlung des Senats erklärten Einverständnis der Beteiligten dahingehend berichtigt, dass als Klägerin die A., - und nicht das Land Niedersachsen, vertreten durch die A. - registriert wird; eine Rubrumsberichtigung ist auch noch im Rechtsmittelverfahren statthaft (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10.2.2015 - 5 LB 105/14 -, juris Rn. 33; Urteil vom 23.2.2021 - 5 LB 201/17 -).
Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (Klagebehörde) bestimmt sich vorliegend nach § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NDiszG. Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NDiszG ist nicht eröffnet, denn diese Vorschrift betrifft Disziplinarklagen gegen Beamte, für die die Landesregierung oder das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport die dienstrechtlichen Befugnisse zur Entlassung haben, was nur bei den Ämtern der Staatssekretäre und Sprecher der Landesregierung sowie im Bereich der Polizei bei den Ämtern ab der Besoldungsgruppe A 15 der Fall ist (vgl. Ziffer 1.1., 1.2, 1.2.1, 1.3 des Beschlusses „Dienstrechtliche Befugnisse, Zustimmung zu den Gleichstellungsplänen“ der Landesregierung und des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 27.11.2012 [Nds. MBl. S. 1241] sowie Ziffer 2, 2.1, 2.1.1 des Runderlasses „Dienstrechtliche Befugnisse“ des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 19.12.2012 [Nds. MBl. 2013 S. 4]). Die somit für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige höhere Disziplinarbehörde (§ 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NDiszG) ist gemäß §§ 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 75 Nr. 1 NDiszG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der „Verordnung über disziplinarrechtliche Zuständigkeiten im Bereich des Ministeriums für Inneres und Sport“ vom 4. November 2005 (Nds. GVBl. S. 360) die A.. Dieser ist die Disziplinarklageschrift eindeutig zuzuordnen, denn sie ist unter dem Briefkopf der A. verfasst und von deren Präsidenten ohne Zusatz unterzeichnet worden (Bl. 1, 16/Gerichtsakte - GA -).
B. Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift, die dem verwaltungsgerichtlichen Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme entgegenstehen könnten (zu einer entsprechenden Fallkonstellation vgl. etwa Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -), hat die Beklagte nicht geltend gemacht bzw. liegen nicht vor.
I. Die von der Beklagten gerügte fehlende Vertretungsbefugnis des Leitenden Regierungsdirektors (Ltd. RD) W., der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgetreten ist (vgl. Sitzungsniederschrift, S. 1 [Bl. 188/GA]), stellte - selbst wenn sie vorläge - keinen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift im Sinne des § 50 NDiszG (in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Satz 1 NDiszG) dar.
Der Begriff des Mangels in § 50 Abs. 1 NDiszG erfasst Verletzungen von Verfahrensregeln, die im behördlichen Disziplinarverfahren von Bedeutung sind (Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -). Hierunter fallen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens bis zur abschließenden behördlichen Entscheidung - also bis zur Erhebung der Disziplinarklage oder bis zum Erlass einer Disziplinarverfügung - (BVerwG, Beschluss vom 18.11.2008 - BVerwG 2 B 63.08 -, juris Rn. 14 [zur vergleichbaren Bestimmung des § 55 BDG]; Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -), oder die den Inhalt der Disziplinar- oder Nachtragsdisziplinarklageschrift betreffen. Eine etwaige fehlende Vertretungsbefugnis des Ltd. RD W., für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Prozesserklärungen abzugeben, ist jedoch dem behördlichen Disziplinarverfahren bzw. dem Verfassen der Disziplinarklageschrift zeitlich nachgelagert und schon deshalb nicht geeignet, einen Mangel im Sinne des § 50 NDiszG zu begründen.
Ungeachtet dessen hat Ltd. RD W. erklärt, nach den internen Regelungen der Klägerin dazu berufen zu sein, vor den Verwaltungsgerichten aufzutreten (Berufungserwiderung - BE - vom 24.4.2020, S. 2 [Bl. 255/GA]). Anhaltspunkte dafür, am Wahrheitsgehalt dieser Darstellung zu zweifeln, sind von der Beklagten weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.
II. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin hätte aus Fürsorgegründen auf eine nichtöffentliche Verhandlung hinwirken müssen, betrifft nicht das behördliche Disziplinarverfahren oder den Inhalt der Klageschrift und kann schon deshalb keinen Mangel im Sinne des § 50 NDiszG darstellen.
Im Übrigen ist das gerichtliche Disziplinarverfahren nach dem mit Wirkung zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Niedersächsischen Disziplinargesetz - anders, als dies in § 72 der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Niedersächsischen Disziplinarordnung (NDO) geregelt gewesen war - öffentlich. Da über § 4 NDiszG die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend anwendbar sind, muss sich die Beklagte zudem entgegenhalten lassen, dass sie - obwohl auch im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertreten - keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 55 VwGO in Verbindung mit §§ 171a ff. GVG) gestellt hat.
III. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg als wesentlichen Mangel im Sinne des § 50 Abs. 1 NDiszG rügen, die Gleichstellungsbeauftragte hätte im behördlichen Disziplinarverfahren beteiligt werden müssen.
Eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragen in einem Disziplinarverfahren ist im Maßnahmenkatalog des § 20 Satz 3 des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) - anders als in der bundesrechtlichen Bestimmung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) des Gesetzes für die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (BGleiG) - nicht vorgesehen. Hieraus folgt, dass die Gleichstellungsbeauftragte nach niedersächsischem Landesrecht im behördlichen Disziplinarverfahren nicht zu beteiligen ist (Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -).
Ungeachtet dessen hat die Beklagte den vorgeblichen Mangel nicht innerhalb der nach § 60 Abs. 1 Satz 1 NDiszG in Verbindung mit § 50 Abs. 1 NDiszG maßgeblichen Frist - nämlich innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Disziplinarklage - geltend gemacht. Die Disziplinarklage ist ihrem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten am 5. Oktober 2017 zugestellt worden (Bl. 24a/GA), während die Beklagte die Rüge der fehlenden Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten erst mit ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 7. März 2020, beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingegangen am 9. März 2020 (Bl. 215f./GA) und damit über drei Jahre nach Ablauf der hierfür maßgeblichen Frist, erhoben hat. Wesentliche Mängel, die nicht oder nicht innerhalb der maßgeblichen Frist geltend gemacht werden, kann das Berufungsgericht unbeachtet lassen, wenn ihre Berücksichtigung nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und der Beamte mit der Zustellung der Disziplinarklage über die Frist und die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist (§§ 60 Abs. 1 Satz 1, 50 Abs. 2 Satz 1 NDiszG). Eine solche Fallkonstellation wäre hier gegeben. Die fehlende Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragen wäre zwar wesentlich, weil sich nicht mit Sicherheit ausschließen ließe, dass sich dieser Umstand auf die Entscheidung ausgewirkt haben kann (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -). Die Nachholung der unterlassenen Beteiligung unter entsprechender Fristsetzung (vgl. § 50 Abs. 3 NDiszG) würde indes nach Überzeugung des Senats den Abschluss des Berufungsverfahrens verzögern. Der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist mit der Zustellung der Disziplinarklage auch über die Frist des § 50 Abs. 1 NDiszG und die Folgen der Fristversäumung belehrt worden (Bl. 20 bis 23/GA).
IV. Soweit die Beklagte rügt, sie habe im behördlichen Verfahren die Vernehmung zahlreicher Zeugen - u. a. ihrer Vorgesetzten - beantragt und die Klägerin sei diesen Anträgen nicht nachgekommen, trifft dieser Vorhalt nicht zu.
Die Beklagte hat mit Schreiben ihres vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 27. März 2017 zum Beweis der Tatsache, dass sie sich im Kollegenkreis zu keinem Zeitpunkt im Sinne der „Reichsbürgerbewegung“ geäußert habe und im Kollegenkreis als politisch vollkommen neutral wahrgenommen worden sei, die Vernehmung von insgesamt 9 im einzelnen benannten Kollegen als Zeugen beantragt (B. 99f./Beiakte 001). Die Klägerin hat alle von der Beklagten benannten Zeugen vernommen; bei den Zeugen EPHK Q., EKHK R. und EKHK T. handelte es sich um Beamte, die der Beklagten in der Behördenhierarchie übergeordnet waren (vgl. Bl. 117, 120, 151/Beiakte 001).
Die Anregung des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, zum Beweis insbesondere des untadeligen Verhaltens der Beklagten während des Dienstes die Beamten X., Y. und Z. als weitere Zeugen zu vernehmen (so Klageerwiderung vom 31.10.2019, S. 4 [Bl. 137/GA]), ist während des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erfolgt und scheidet somit als Anknüpfungspunkt für einen wesentlichen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift im Sinne des § 50 NDiszG aus.
V. Die Beklagte rügt zudem ohne Erfolg einen Verstoß gegen das Recht auf Beweisteilnahme, weil ihr die Termine der Vernehmungen der 6 von ihr benannten „A.“ Kollegen als Zeugen nicht mitgeteilt worden sei.
Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 NDiszG ist dem Beamten (u. a.) Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen (Recht auf Beweisteilhabe). Dies setzt voraus, dass ihm die entsprechenden Termine rechtzeitig bekannt gegeben werden (Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -). Der Beklagten ist zwar durch die Polizeidirektion G., die im Auftrag der Klägerin die Zeugenvernehmungen der Beamten T. und U. durchgeführt hat, der Termin dieser Vernehmungen vorab mitgeteilt worden (Bl. 147/Beiakte 001), und auch der Termin der weiteren Zeugenvernehmung des Beamten V. ist der Beklagten vorab mitgeteilt worden (Bl. 165/Beiakte 001). Nicht vorab mitgeteilt worden sind ihr jedoch die Vernehmungstermine der von ihr aus dem Bereich der A. benannten Zeugen; insoweit hat die Klägerin dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten, der mit E-Mail vom 12. April 2017 um Übersendung der Zeugenladungen gebeten hatte (Bl. 125/Beiakte 001), mit E-Mail 19. April 2017 mitgeteilt, dass die Beweisanträge größtenteils bereits abgearbeitet seien, der überwiegende Teil der Vernehmungen also bereits durchgeführt worden sei (Bl. 127/Beiakte 001).
Dieser Mangel ist jedoch im behördlichen Disziplinarverfahren durch Übersendung der Vernehmungsniederschriften geheilt worden (zu dieser Heilungsmöglichkeit BVerwG, Beschluss vom 18.11.2008, a. a. O., Rn. 18). Zwar ist eine ausdrückliche Übersendung der Niederschriften über die Zeugenvernehmungen der von der Beklagten benannten Beamten, die mit ihr im Bereich der Klägerin zusammengearbeitet haben, in den Verwaltungsvorgängen nicht dokumentiert. Da der seinerzeitige Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten jedoch fortlaufend über den jeweiligen Stand der disziplinarischen Ermittlungen informiert worden ist - insbesondere durch Übersendung einer Kopie der bisherigen Verfahrensakten mit Schreiben der Klägerin vom 20. März 2017 (Bl. 98-1/Beiakte 001), die Mitteilung vom 29. März 2017, dass sich die von der Beklagten beantragte Beweiserhebung durch Einvernahme von 9 Zeugen bereits in Bearbeitung befinde (Bl. 101/Beiakte 001), die E-Mail vom 19. April 2017, dass die Beweisanträge größtenteils abgearbeitet seien (Bl. 127/Beiakte 001), die Übersendung der Niederschriften über die durch die Polizeidirektion G. durchgeführten Zeugenvernehmungen (Bl. 158, 171/Beiakte 001), bei denen die Beklagte zugegen war bzw. ihre Teilnahme abgesagt hatte (Bl. 150, 153, 167/Beiakte 001), und schließlich die Übersendung des Ermittlungsberichtes vom 29. Juni 2017 (Bl. 177ff./GA) - ist bei verständiger Würdigung der Verwaltungsvorgänge davon auszugehen, dass dem seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten auch die Niederschriften der Zeugenvernehmungen der von der Beklagten benannten Beamten, die im Bereich der Klägerin mit ihr zusammengearbeitet hatten, übermittelt worden sind. Hierfür - und gegen die Darstellung des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, eine Bekanntgabe des Ergebnisses der Vernehmungen der „A.“ Zeugen sei nicht erfolgt (so Berufungsbegründung - BB - vom 7.3.2020, S. 4f. [Bl. 218f./GA]) - spricht insbesondere die auf den Ermittlungsbericht hin erfolgte Stellungnahme des vormaligen Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten vom 4. August 2017, in der es wörtlich heißt,
„[n]ach der Beweisaufnahme in Form der Vernehmungen der benannten Zeuginnen und Zeugen sowie nach Urkundenlage ist davon auszugehen, dass meine Mandantin einen hervorragenden Dienst leistet, bei Kollegen und Kolleginnen beliebt ist wegen ihrer charakterlichen Art und vor allem ihren dienstlich hervorragenden Leistungen“.
Diese Passage verdeutlicht, dass dem vormaligen Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten die Niederschriften über die Vernehmungen aller benannten 9 Beamten vorgelegen haben müssen. Denn zum einen wäre - wenn die Vernehmungsniederschriften in Bezug auf den größten Anteil der beantragten Beweiserhebung, nämlich der von der Beklagten als Zeugen benannten 6 „A.“ Kollegen (KHK’in N., PHK O., KOK’in P., EPHK Q., EKHK R. und POK’in S.) gefehlt hätten - eine diesbezügliche Rüge zu erwarten gewesen, nicht aber - wie erfolgt - eine Würdigung „der Beweisaufnahme in Form der Vernehmungen der benannten Zeuginnen und Zeugen“. Zum anderen sind Aussagen über die „charakterliche Art“ der Beklagten und die Qualität der Zusammenarbeit mit ihr („beliebt“) insbesondere den Niederschriften über die Vernehmungen der „A.“ Beamten N. und Q. zu entnehmen. Denn KHK’in N. hat ausgeführt, sie habe mit der Beklagten „ein gutes kollegiales Verhältnis“ gehabt (Bl. 107/Beiakte 001), und EPHK Q. hat erklärt, die Beklagte habe sich „als freundliche und hilfsbereite Mitarbeiterin dargestellt“ (Bl. 117/Beiakte 001).
Jedenfalls aber wäre - selbst wenn eine Übersendung der 6 Niederschriften über die Zeugenvernehmungen der „A.“ Kollegen der Beklagten im disziplinarbehördlichen Verfahren tatsächlich nicht erfolgt wäre und somit auch eine Heilung des Verfahrensmangels in Gestalt der fehlenden Gelegenheit zur Beweisteilhabe nicht stattgefunden hätte - der entsprechende Mangel nicht „wesentlich“ im Sinne des § 50 NDiszG. Denn es lässt sich mit Sicherheit ausschließen, dass die Klägerin, auch wenn die Beklagte an den Vernehmungen der „A.“ Kollegen teilgenommen hätte, zu einer anderen Einschätzung als in ihrem Ermittlungsergebnis gekommen wäre. Das Recht auf Beweisteilnahme soll sicherstellen, dass sich der Beamte zum Inhalt der Zeugenaussagen äußern, den Zeugen Fragen stellen und ggf. ergänzende Beweisanträge stellen kann (Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -), um ihn belastende Sachverhaltsfeststellungen zu verhindern oder jedenfalls weitere Sachverhaltsermittlungen zu veranlassen mit dem Ziel, seine eigene Sachverhaltsdarstellung zu stützen. Hier haben indes alle 6 „A.“ Zeugen den Vortrag der Beklagten bestätigt, sie habe im Dienst keinerlei politische Äußerungen, insbesondere auch keine im Sinne der „Reichsbürgerbewegung“ getätigt und sich im Kollegenkreis vollständig unpolitisch verhalten. Dementsprechend hat die Klägerin in ihrem Ermittlungsbericht (S. 2 [Bl. 178/Beiakte 001]) ausgeführt, aus den Zeugenvernehmungen werde deutlich, dass sich die Beklagte im Dienst nicht politisch betätigt und geäußert habe. Die Beklagte hätte somit - auch wenn sie bei der Vernehmung der „A.“ Kollegen anwesend gewesen wäre - keinerlei Veranlassung gehabt, zur Frage, ob sie während des Dienstes „reichsbürgertypisches Gedankengut“ vertreten oder sich im Kollegenkreis vollständig unpolitisch verhalten habe, weitergehende Beweisanträge zu stellen.
Soweit die Beklagte die Angabe der Zeugin P., die Beklagte sei „im dienstlichen Bereich immer sehr unzuverlässig“ gewesen (Bl. 114/Beiakte 001), als wahrheitswidrig bestreitet (BB vom 7.3.2020, S. 3 [Bl. 217/GA]), würde sich auch insoweit die fehlende Gelegenheit, hierzu im behördlichen Disziplinarverfahren Stellung zu nehmen, nicht auf die Entscheidung der Klägerin ausgewirkt haben können. Denn für die Bewertung der dienstlichen Leistung, soweit sie im Disziplinarverfahren Berücksichtigung findet, kommt es nicht auf die Einschätzung einzelner Kollegen an, sondern auf die dienstlichen Beurteilungen der hierzu berufenen Beurteiler.
VI. Soweit die Beklagte schließlich unter dem Gesichtspunkt des formellen Mangels des disziplinarbehördlichen Verfahrens geltend macht, Herr J. sei nicht ihr Lebensgefährte (BB vom 7.3.2020, S. 4 [Bl. 218/GA]), dringt sie hiermit - ungeachtet des Umstandes, dass das Bestehen/Nichtbestehen einer Partnerschaft keinen formellen Mangel des disziplinarbehördlichen Verfahrens darstellt - auch deshalb nicht durch, weil ihrem vormaligen Verfahrens- und Prozessbevollmächtigten bereits durch die am 20. März 2017 erfolgte Übersendung der Kopie der bisherigen Verfahrensakte (Bl. 98-1/Beiakte 001) bekannt war, dass Herr J. als der Lebensgefährte der Beklagten angesehen wurde. Denn in der Verfahrensakte findet sich u. a. der Vermerk des Polizeikommissariats H. vom 7. Dezember 2016, in dem es heißt, der Lebensgefährte der Beklagten, Herr J., habe sich gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts K. „reichsbürgertypisch“ verhalten (Bl. 4/Beiakte 001). Ferner war dem vormaligen Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben der Polizeidirektion G. vom 4. Mai 2017 (Bl. 158/Beiakte 001) „das durch die Polizeiinspektion G. festgestellte Ergebnis der Szenerecherche zu Ihrer Mandantin und deren Lebensgefährten“ mitgeteilt worden, in dem es heißt (Bl. 157/Beiakte 001), Hinweise zu den Personen J. und B. seien in den einschlägigen Foren nicht erlangt worden. Damit hatte die Beklagte schon im disziplinarbehördlichen Verfahren hinreichend Gelegenheit, zum Vorliegen/Nichtvorliegen einer Partnerschaft mit Herr J. Stellung zu nehmen.
C. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte ein Dienstvergehen begangen hat (dazu unter I.), welches den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme - also der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 11 NDiszG) - rechtfertigt (dazu unter II.).
I. Die Beklagte hat ein Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, also schuldhaft die ihr obliegenden Dienstpflichten verletzt.
1. In tatsächlicher Hinsicht geht der erkennende Senat - wie das Verwaltungsgericht - davon aus, dass die Beklagte am 10. Mai 2016 bei dem Landkreis I. einen Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises gestellt und hierzu im Antragsformular die im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen dargestellten Angaben gemacht hat. Dies ergibt sich aus der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopie des Antragsformulars (Bl. 28ff./Beiakte 001) und ist zwischen den Beteiligten im Übrigen nicht streitig.
Außerdem hat die Beklagte im Rahmen des bei dem Amtsgericht K. unter dem Aktenzeichen … geführten zivilrechtlichen Verfahrens unter dem 8. August 2016 ein an die zuständige Ri´inAG L. gerichtetes und mit der Betreff-Zeile „Ihre Legitimation“ versehenes Schreiben zur Gerichtsakte gereicht, welches den im Tatbestand dieses Urteils wörtlich wiedergegebenen Inhalt hatte; auch dies ist durch eine entsprechende Kopie aus der Gerichtsakte … (Bl. 57 bis 59/Beiakte 001) belegt und zwischen den Beteiligten unstreitig.
Schließlich hat sich die Beklagte im Rahmen der am 16. August 2016 stattgefundenen mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht K. den Dienstausweis der zuständigen Ri´inAG L. zeigen lassen, erklärt, dass dieser nicht das richtige Amtssiegel ausweise, weshalb sie nicht bereit sei, mit Ri´inAG L. zu verhandeln, und sodann den Gerichtssaal verlassen. Dieser Sachverhalt steht für den erkennenden Senat aufgrund der Angaben im Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts K. vom 16. August 2016 (Bl. 42/Beiakte 001) fest; auch diesen Sachverhalt hat die Beklagte nicht in Abrede genommen.
2. Durch die bezeichneten Verhaltensweisen hat die Beklagte schuldhaft ihre Dienstpflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 3 und § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt und hierdurch ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen.
a) Die Pflicht, sich durch das gesamte Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), gehört zu den Kernpflichten eines jeden Beamten (Bay. VGH, Urteil vom 16.1.2019 - 16a D 15.2672 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: April 2021, Bd. 1, § 33 BeamtStG Rn. 3). Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15). Beamte realisieren die „Machtstellung“ des Staates (BVerfG, Urteil vom 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 -, juris Rn. 65), sie haben als „Repräsentanten der Rechtsstaatsidee“ (BVerwG, Urteil vom 11.12.2014 - BVerwG 2 C 51.13 -, juris Rn. 26) dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen (Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 15). Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grund-sätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 15).
Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben kann“ (BVerfG, Urteil vom 27. 4.1959, a. a. O., Rn. 65), muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer „unkritischen“ Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 42; BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 16). Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 18); ihnen kann von den Bürgern nicht das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 18).
Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975, a. a. O., Rn. 45; Beschluss vom 6.5.2008 - 2 BvR 337/08 -, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 21), die entsprechende politische Überzeugung also bewusst und erkennbar nach außen betätigt.
Dies zugrunde gelegt, hat die Beklagte ihre Kernpflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt.
aa) Mit ihren Angaben im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises am 10. Mai 2016 hat die Beklagte bewusst nach außen hin erkennbar gegenüber der Verwaltung des Landkreises I. ein Verhalten an den Tag gelegt, das darauf schließen lässt, dass sie der „Reichsbürger“- bzw. „Selbstverwalter“-Szene angehört bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat.
Nach der auf der Website des Bundesamtes für Verfassungsschutz enthaltenen Definition (www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder unter: „Was sind 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter'?“) sind „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren (diese Definition zugrunde legend auch BVerwG, Beschluss vom 20.12.2019 - BVerwG 2 WDB 5.19 -, juris Rn. 11; Sächs. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 3 B 379/18 -, juris Rn. 15; in diesem Sinne der Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer bzw. der Negierung der Existenz der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und damit der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsordnung auch OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 18.7.2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 4, 12; Hess. VGH, Beschluss vom 20.6.2018 - 4 B 1090/18 -, juris Rn. 5; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 33f.; Bay. VGH, Beschluss vom 22.7.2020 - 24 ZB 20.418 -, juris Rn. 9). Dementsprechend verstößt ein Beamter, welcher der „Reichsbürgerszene“ angehört, gegen seine Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017, a. a. O., Rn. 7), also gegen seine Pflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten.
Der Schluss, die Beklagte stelle die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Untergliederungen in Frage, ergibt sich aus ihren Angaben gegenüber dem Landkreis I. im Rahmen des Verfahrens auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. In dem entsprechenden Antragsformular hat die Beklagte bei Punkt 3 „Angaben zum Erwerb meiner deutschen Staatsangehörigkeit“, Unterpunkt 3.8 „Sonstiges“, angegeben:
„Abstammung gemäß RuStAG Stand 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1)“.
Bei Punkt 4 „Angaben zu meiner anderen Staatsangehörigkeit“ hat die Beklagte die Option „Ich besitze/besaß neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch folgende weitere Staatsangehörigkeiten“ mit einem Kreuz versehen und sodann als weitere Staatsangehörigkeit
„Königreich Preußen“
in das Formular eingetragen. In der Spalte „seit wann (bis zum)“ hat sie erklärt, sie besitze diese weitere Staatsangehörigkeit seit der
„Geburt“;
in der weiteren Spalte „erworben durch“ hat sie angegeben:
„Abst. gem. RuStAG Stand 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1)“.
Mit diesen Angaben hat die Beklagte deutlich gemacht, vom Fortbestehen des Staates/Königreichs Preußen auszugehen und damit die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und seiner föderalen Gliederungen in Abrede gestellt, wie dies - bei allen Unterschieden im Detail - gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der „Reichsbürger“ ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -). Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ohne nachvollziehbaren Anlass - insbesondere ohne behördlicherseits geltend gemachte Zweifel an der Staatsangehörigkeit des Betreffenden - und
- unter Angabe des Begriffes „Preußen“ als Wohnsitzstaat, Geburtsstaat oder Staat der Staatsangehörigkeit
- und/oder unter Angabe, neben der deutschen Staatsangehörigkeit als weitere Staatsangehörigkeit die von „Preußen“ seit „Geburt“, erworben durch „Abstammung“ zu besitzen,
- und/oder unter Verweis auf eine „Abstammung gemäß § 4 RuStAG (Stand 1913)“
für eine Zugehörigkeit des Betreffenden zur „Reichsbürgerbewegung“ bzw. dafür spricht, dass sich der Betreffende zumindest die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ inhaltlich zu eigen gemacht hat und die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert (OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017, a. a. O., Rn. 7; Hess. VGH, Beschluss vom 20.6.2018, a. a. O., Rn. 7f.; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 21.3.2019 - OVG 11 S 16.19 -, juris Rn. 8; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019, a. a. O., Rn. 4 bis 7, 36, 38, 45). Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises durch „Reichsbürger“ beruht darauf, dass in der „Reichsbürgerszene“ die Behauptung kursiert, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig und daher müsse man, um der Staatenlosigkeit zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen (OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019, a. a. O., Rn. 36). Dieser Rechtsprechung ist der erkennende Senat gefolgt (Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -) und hält hieran weiterhin fest. Auch die Beklagte hat unter Verwendung einschlägiger - nämlich „reichsbürgertypischer“ - Formulierungen ohne nachvollziehbaren Grund einen Staatangehörigkeitsausweis beantragt und damit im Rechtsverkehr zum Ausdruck gebracht, die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen.
Soweit die Beklagte einwendet, die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises als zulässige Handlung im Rechtsverkehr könne kein Dienstvergehen begründen (so etwa BB vom 7.3.2020, S. 6, 7, 9, 14 [Bl. 220, 221, 223, 228/GA]), lässt diese Argumentation außer Acht, dass die Klägerin - und ihr folgend das Verwaltungsgericht (UA, S. 14f.) - nicht den Umstand der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises als solchen für die Schlussfolgerung herangezogen hat, die Beklagte lehne die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ab, sondern insoweit auf die von ihr im Antragsformular konkret getätigten Angaben abgehoben hat. Die Eintragung des „Königreichs“ Preußen als Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Beklagte „seit der Geburt“ habe, erworben durch „Abstammung gemäß RuStAG Stand 1913“ deutet - wie ausgeführt - darauf hin, dass sie vom Fortbestehen des Staates Preußen ausgeht und die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und deren föderale Untergliederungen in Abrede stellt, wie dies bei allen Unterschieden im Detail gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der „Reichsbürger“ ist (so auch OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017, a. a. O., Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -).
Diese Schlussfolgerung wird auch nicht durch den Vortrag der Beklagten erschüttert, es sei verabsäumt worden, zu überprüfen, ob sie den Staatsangehörigkeitsausweis nicht lediglich „durch Anregungen aus dem weiteren Bekanntenkreis veranlasst infolge allgemeiner geschichtlicher Erwägungen“ beantragt habe; so sei es aber gewesen, sie habe den Ausweis „nach Informationen aus dem weiteren Bekanntenkreis infolge historischer Überlegungen heraus beantragt“ (BB vom 7.3.2020, S. 13, 15 [Bl. 227, 229/GA]). Abgesehen davon, dass die Behauptung, die Beklagte habe in Bezug auf die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises „Anregungen“ oder „Informationen“ aus dem „weiteren Bekanntenkreis“ erhalten, nicht näher substantiiert worden ist, ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar, warum jemand, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland anerkennt und selbst als Landesbeamtin des vormals gehobenen Polizeivollzugsdienstes Teil der Exekutive ist, diesen „Anregungen“ bzw. „Informationen“ Dritter sollte Rechnung tragen wollen. Angesichts des Bildungsgrades der Beklagten und ihres beruflichen Werdeganges, der sie letztlich zum Aufstieg in den vormals gehobenen Polizeivollzugsdienst geführt hat, ist es vollständig unglaubhaft, dass sie ohne innere Überzeugung und nur auf Anregung des „weiteren Bekanntenkreises“ hin einen Staatsangehörigkeitsausweis mit den oben bezeichneten Angaben („Königreich Preußen“) und unter Berufung auf § 4 RuStAG (Stand: 1913) beantragt haben will.
Die Beklagte hat zudem nicht glaubhaft gemacht, aus welchem Grund sie überhaupt die Notwendigkeit gesehen hat, über einen Staatsangehörigkeitsausweis zu verfügen. Im Zeitpunkt der Antragstellung (10. Mai 2016) war sie - worauf sie im Antragsformular auch hingewiesen hat (Bl. 28/Beiakte 001) - unstreitig im Besitz eines bis zum 12. Juli 2021 gültigen deutschen Ausweises; ihre deutsche Staatsangehörigkeit war auch nicht von behördlicher Seite - etwa, weil dieser Status aus historischen Gründen zweifelhaft und dies erst im Vorfeld des Antragszeitpunkts behördlicherseits aufgefallen wäre - in Frage gestellt worden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -). Der Erklärungsversuch der Beklagten, ihr wäre angetragen worden, in die Landespolitik zu gehen (so Gespräch vom 26.1.2017 [Bl. 53/Beiakte 001]), überzeugt auch den erkennenden Senat nicht. Ungeachtet des Umstandes, dass die Beklagte diese vorgebliche Motivation weder im disziplinarbehördlichen noch im Disziplinarklageverfahren näher substantiiert hat und ein „Eintritt in die Landespolitik“ ohne vorheriges politisches Engagement auf kommunaler Ebene nur in seltenen Fällen erfolgt, wäre mit dem Wunsch, sich auf Landesebene politisch engagieren zu wollen, noch nicht die Notwendigkeit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises belegt. Denn dieses amtliche Dokument der Bundesrepublik Deutschland, mit dem der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dokumentiert wird, wird im Rechtsverkehr nur in seltenen Fällen als ein über den Personalausweis hinausgehender Beleg der deutschen Staatsangehörigkeit benötigt (OVG NRW, Beschluss vom 26.6.2019 - 20 B 822/18 -, juris Rn. 49; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -). Vor diesem Hintergrund ist eine Beantragung dieses Dokuments gleichsam prophylaktisch unglaubhaft. Ungeachtet dessen wäre auch in diesem Fall aber nicht zu erklären, warum die am … 1970 in H. geborene Beklagte (s. Geburtsurkunde des Standesamtes H. Nr. …, Bl. 33/Beiakte 003) im Rahmen des Antragsverfahrens als weitere, seit Geburt bestehende und durch „Abstammung gemäß § 4 RuStAG (Stand 1913)“ erworbene Staatsangehörigkeit die des „Königreichs Preußen“ angegeben hat.
Die Beklagte dringt auch nicht mit ihrem Vorbringen durch, das Verwaltungsgericht stelle allgemein gehaltene Abhandlungen zur politischen Zielrichtung der sogenannten Reichsbürger an, ohne näher darzustellen, ob es allgemein gesicherte Erkenntnisse darüber gebe, ob „Reichsbürger“ stets und grundsätzlich ihre Reichsstaatsangehörigkeit durch einen Staatsangehörigkeitsausweis dokumentiert wissen wollten (so BB vom 7.3.2020, S. 11 [Bl. 225/GA]). Eine einheitliche „Reichsbürgerbewegung“ gibt es zwar nicht; vielmehr existiert ein heterogenes Spektrum, das von unterschiedlich motivierten Einzelpersonen über Kleinst- und Pseudogruppierungen, einer unüberschaubaren Zahl von Internetpräsenzen, sogenannten Hilfsgemeinschaften für „Justizopfer“, bis hin zu sektenartigen, esoterisch geprägten Organisationen mit vergleichsweise geringer Mitgliederzahl reicht (OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019, a. a. O., Rn. 35). Kleinster gemeinsamer Nenner und gleichsam weltanschauliche Klammer dieses Spektrums ist indes die Leugnung der völkerrechtlichen Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und die Nichtanerkennung ihrer Rechtsordnung (BVerwG, Beschluss vom 20.12.2019, a. a. O., Rn. 11; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019, a. a. O., Rn. 35; Bay. VGH, Beschluss vom 22.7.2020, a. a. O., Rn. 9). Eine solche Position hat die Beklagte durch die bezeichneten Angaben in ihrem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gerade zum Ausdruck gebracht. Die Angaben der Beklagten in dem von ihr veranlassten behördlichen Verfahren - weitere, seit Geburt bestehende und durch „Abstammung gemäß § 4 RuStAG (Stand 1913)“ erworbene Staatsangehörigkeit sei die des „Königreichs Preußen“ - lassen darauf schließen, dass sie entsprechend des „reichsbürgertypischen“ kleinsten gemeinsamen Nenners die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung ablehnt. Hierbei handelt es sich nicht - wie die Beklagte meint - um die „ungeprüfte Unterstellung einer entsprechenden Überzeugung“ (so etwa BB vom 7.3.2020, S. 7 [Bl. 221/GA]), sondern um die Feststellung einer inneren Einstellung der Beklagten, die sich aus der Würdigung der objektiven Umstände des vorliegenden Streitfalles ergibt.
Diesem Ergebnis kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie habe sich weder allein noch in Gruppen aggressiv oder gar kämpferisch für politische Ideologien irgendwelcher Art eingesetzt (BB vom 7.3.2020, S. 14 [Bl. 228/GA]). Denn eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht ist nicht erst dann gegeben, wenn der Beamte ein Verhalten zeigt, das auf die wirksame Verbreitung eines verfassungsfeindlichen Standpunktes oder auf die Teilnahme im politischen Meinungskampf gerichtet ist (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 22). Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte „Mehr“ als das bloße Haben und Mitteilen einer Überzeugung ist nicht erst bei einem offensiven Werben erreicht (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 23). Zwischen dem „bloßen Haben und Mitteilen“ einer Überzeugung und dem planmäßigen werbenden Agieren oder gar Agitieren liegen differenzierungsfähige und erhebliche Abstufungen, die ebenfalls einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht beinhalten können (so BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 23). So hat das Bundesverwaltungsgericht etwa die Betätigung einer verfassungsfeindlichen Gesinnung durch „bloße“ Tätowierung bejaht, weil der Betreffende mit dem Tragen einer Tätowierung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht, sein Bekenntnis zu dieser Anschauung und damit seine Abkehr von der Verfassungsordnung dokumentiere (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 25ff.). Dementsprechend ist die Betätigung einer gegen die Verfassung gerichteten Gesinnung - also ein Mehr als das bloße Haben und Mitteilen einer Überzeugung im Sinne der oben bezeichneten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - erst recht gegeben, wenn ein Beamter - wie hier die Beklagte - gerade gegenüber einer zur Entgegennahme von Anträgen berufenen staatlichen Stelle - hier: der Exekutive - deutlich macht, die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung abzulehnen. Eine hieran anknüpfende Disziplinarmaßnahme sanktioniert nicht die innere Haltung und Gesinnung der Beklagten, sondern ihr Handeln nach außen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2017, a. a. O., Rn. 26), also die Betätigung ihrer entsprechenden Gesinnung.
bb) Auch mit ihrem Verhalten gegenüber der Ri´inAG L. hat die Beklagte im Rechtsverkehr die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung in Abrede gestellt.
Die Beklagte hat in ihrem unter dem 8. August 2016 verfassten, an Ri´inAG L. gerichteten Schreiben erklärt, das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozessordnung sowie die Strafprozessordnung seien ungültig und seit dem Jahr 1950 seien alle Gerichtsverhandlungen nur noch privat und damit freiwillig. Mit diesen Ausführungen hat die Beklagte erneut ihre Abkehr von der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland - hier: in Gestalt der rechtsprechenden Gewalt, die nach Art. 92 GG den Richtern anvertraut ist und durch das Bundesverfassungsgericht, die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und die Gerichte der Länder ausgeübt wird - dokumentiert. Indem sie die Kompetenz der Judikative insgesamt und der Ri´inAG L. im Besonderen verneint hat, letztverbindlich und rechtskraftfähig in einem Verfahren, das die hierfür erforderlichen prozessualen Sicherungen gewährleistet, aussprechen zu dürfen, was im konkreten Fall rechtens ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.8.2004 - 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01 -, juris Rn. 19), hat sie ein weiteres Mal ihre gegen die Verfassung gerichtete Gesinnung im Sinne der oben bezeichneten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung betätigt.
Mit ihrem Verhalten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht K. am 16. August 2016 hat die Beklagte der Ri´inAG L. erneut die Legitimation zur letztverbindlichen Entscheidung des Rechtsstreits, in der die Beklagte als Partei beteiligt war, abgesprochen und sodann den Gerichtssaal verlassen. Damit hat sie ihre Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ein drittes Mal bestätigt und dementsprechend ein drittes Mal gegen ihre beamtenrechtliche Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen.
cc) Dass die Beklagte die in Rede stehenden Verhaltensweisen gegenüber dem Landkreis I. und der Ri´inAG L. außerhalb des Dienstes vorgenommen hat, hindert die Feststellung einer hierdurch begangenen Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) nicht.
Der Verstoß des Beamten gegen die Pflicht zur Verfassungstreue ist - auch wenn er räumlich und zeitlich außerdienstlich begangen wurde - ein innerdienstliches Dienstvergehen. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 12.3.1986 - BVerwG 1 D 103.84 -, juris Rn. 32; Bay. VGH, Urteil vom 28.11.2001 - 16 D 00.2077 -, juris Rn. 155). Der Sinn der politischen Treuepflicht besteht darin, eine verlässliche, den Staat vor allem in Krisenzeiten und in Loyalitätskonflikten verteidigende Beamtenschaft zu garantieren (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975, a. a. O., Rn. 41; BVerwG, Urteil vom 12.3.1986, a. a. O., Rn. 32). Dann aber muss von jedem Beamten verlangt werden, dass er auch im außerdienstlichen Bereich von der Unterstützung jeglicher Aktivitäten absieht, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind oder die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung diffamieren oder in Frage stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.1986, a. a. O., Rn. 32). Für die Bewertung des in Rede stehenden Verhaltens als eine dem § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG unterfallende Pflichtverletzung kann es deshalb nicht darauf ankommen, dass die politische Überzeugung eines Beamten offensichtlich keinen Einfluss auf die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten im Übrigen oder im Umgang mit seinen Kollegen und Mitarbeitern hatte (BVerwG, Urteil vom 12.3.1986, a. a. O. Rn., 32 [zur Parallelvorschrift des § 52 Abs. 2 BBG a. F.]). Dementsprechend ist das Vorbringen der Beklagten, sie sei im Dienst nie nachteilig durch politische Aktivitäten aufgefallen (so BB vom 7.3.2020, S. 12 [Bl. 226/GA]), schon vom rechtlichen Ansatz her nicht geeignet, der Annahme einer Dienstpflichtverletzung entgegenzustehen.
b) Die Beklagte hat durch ihr Verhalten zudem ihre Plicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt.
Nach § 34 Satz 3 BeamtStG - in der zum Zeitpunkt der jeweiligen Handlungen (10. März 2016, 8. August 2016 und 16. August 2016) geltenden Fassung, also der vom 1. April 2009 bis zum 14. Juni 2017 geltenden Fassung vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010) - muss das Verhalten der Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.
Gegenüber der zeitlich vor Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetzes geltenden Regelung des § 36 Satz 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) - danach muss das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert - war in der hier einschlägigen Version des § 34 Satz 3 BeamtStG also der ausdrückliche Hinweis entfallen, dass das Gebot zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten „innerhalb und außerhalb des Dienstes“ gilt (anders nunmehr wieder § 34 Satz 3 BeamtStG in der aktuell geltenden Fassung). An der grundsätzlichen Erstreckung dieser Pflicht auch auf den außerdienstlichen Bereich sollte damit jedoch nichts geändert werden (Günther, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 34 BeamtStG Rn. 5). Vielmehr sollte der verkürzte Text des § 34 Satz 3 BeamtStG die zunehmend entwickelte Abstufung zwischen den hohen Anforderungen an das innerdienstliche und den weniger weitgehenden Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten gerecht werden und deutlich machen, dass nicht jedes außerdienstliche Verhalten Auswirkungen auf die Achtung und das Vertrauen hat, die mit der besonderen Rechtsstellung des Beamtenverhältnisses verbunden sind (Günther, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 34 BeamtStG Rn. 5; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfs eines Beamtenstatusgesetzes vom 12.1.2007, BT-Drs. 16/4027, S. 31 [zu § 35 der Entwurfsfassung]), sondern jeweils eine Prüfung des Einzelfalls vorzunehmen sei (Metzler-Müller u. a., BeamtStG, 3. Auflage 2014, § 34 BeamtStG Anm. 4). In diesem Sinne ist in § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG geregelt, dass ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen ist, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt der Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
Ob ein Verhalten als inner- oder außerdienstliches Fehlverhalten zu qualifizieren ist, richtet sich nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, d. h. nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst; vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an (BVerwG, Urteil vom 20.2.2001 - BVerwG 1 D 55.99 -, juris Rn. 57 [zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBG a. F.]; Günther, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 47 BeamtStG Rn. 1, 4 in Verbindung mit Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 26), also darauf, ob das Fehlverhalten in die mit dem Amt des Beamten verbundene dienstliche Tätigkeit kausal und logisch eingebunden war (BVerwG, Urteil vom 25.8.2009 - BVerwG 1 D 1.08 -, juris Rn. 54; Urteil vom 19.8.2010 - BVerwG 2 C 5.10 -, juris Rn. 9). Ist eine solche Einordnung nicht möglich - stellt sich das Verhalten des Beamten also als das einer Privatperson dar -, ist es als außerdienstliches (Fehl-)Verhalten zu qualifizieren (BVerwG, Urteil vom 19.8.2010, a. a. O., Rn. 54; Metzler-Müller u. a., a. a. O., § 34 Anm. 4).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das hier in Rede stehende Verhalten als außerdienstliches Verhalten zu bewerten, weil es weder formell in das Amt der Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises wies keinerlei dienstlichen Bezug auf; der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht K. zum Aktenzeichen … betraf eine zivilrechtliche Streitigkeit um die Mitgliedschaft der Beklagten in einem Fitnessstudio.
Dieses außerdienstliche Verhalten erfüllt jedoch die qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG.
Mit der Vorgabe, dass ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen ist, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, von einem Beamten unterhalb dieser „Erheblichkeitsschwelle“ kein wesentlich anderes Sozialverhalten zu erwarten als von jedem anderen Bürger (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 14 m. w. Nw.; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 11). Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt deshalb in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015, a. a. O., Rn. 15). Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 28.7.2011 - BVerwG 2 C 16.10 -, juris Rn. 24; Urteil vom 18.6.2015, a. a. O., Rn. 15; Urteil vom 24.10.2019, a. a. O., Rn. 12); maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015, a. a. O., Rn. 15). Dabei ist in der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das konkret-funktionelle Amt des Beamten - also seinen Dienstposten - abgestellt worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8.5.2001 - BVerwG 1 D 20.00 -, juris Rn. 25); in seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht hieran jedoch nicht mehr festgehalten und sieht seither das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne als Bezugspunkt des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG an (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015, a. a. O., Rn. 16ff.; Urteil vom 24.10.2019, a. a. O., Rn. 13). Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens eines Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, welches sein Beruf erfordert (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015, a. a. O., Rn. 20; Urteil vom 24.10.2019, a. a. O., Rn. 13).
Dies zugrunde gelegt sind im Streitfall die qualifizierenden Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt. Die Verneinung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland, der Geltung ihrer Rechtsordnung bzw. der Legitimation ihrer Gerichte weist einen so engen Bezug zu der Tätigkeit der Beklagten als Polizeivollzugsbeamtin bzw. zu ihrem Statusamt als Polizeikommissarin auf, dass die disziplinarrechtlich relevante „Erheblichkeitsschwelle“ des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist. Das Leugnen der Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und der davon ausgehenden staatlichen Gewalt durch einen Polizeibeamten - und damit durch einen Beamten, dessen Dienstpflichten gerade darin bestehen, Straftaten aufzudecken und die Täter der Strafjustiz zuzuführen - stellt dessen persönliche Eignung für seine dienstliche Tätigkeit nachhaltig in Frage und ist deshalb geeignet, das Ansehen der Polizei - aber darüber hinaus auch das Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung - in besonderem Maße zu erschüttern.
c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft, und zwar vorsätzlich. Von einem vorsätzlichen Handeln ist auszugehen, wenn der Beamte bewusst und gewollt das Verhalten verwirklicht, welches die Pflichtverletzung darstellt (vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 22). Dies war hier der Fall. Der Beklagten war bekannt, welche Angaben sie im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gemacht hatte; ihr war auch bekannt, dass sie gegenüber Ri´inAG L. sowohl schriftlich als auch mündlich deren Legitimation in Frage gestellt hatte. Das Vorliegen einer Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 des Strafgesetzbuches (StGB), welche auch ein Verschulden im Sinne des Disziplinarrechts ausschlösse (Herrmann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht, Beamtenstrafrecht, 2014, Rn. 246; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow a. a. O., § 77 BBG Rn. 24), ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Wenn die Beklagte einwendet (BB vom 7.3.2020, S. 12 [Bl. 226/GA]), sie habe nicht wissen können, dass ihr Verhalten als der „Reichsbürgerbewegung“ nahe stehend angesehen werde, so beruft sie sich auf einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB). Ein solcher Rechtsirrtum - der Beamte erkennt zutreffend den von ihm verwirklichten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, glaubt aber, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben - kann das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit (Unrechtsbewusstsein) entfallen lassen, wenn der Irrtum unvermeidbar war (BVerwG, Urteil vom 11.12.1990 - BVerwG 1 D 63.89 -, juris Rn. 24; Urteil vom 11.12.1991 - BVerwG 1 D 75.90 -, juris Rn. 129ff.; Urteil vom 22.6.2006 - BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30; Herrmann, a. a. O., Rn. 245). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006, a. a. O., Rn. 30; Herrmann, a. a. O., Rn. 245). Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und/oder Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006, a. a. O., Rn. 30). Im Zweifel wird von einem Beamten - im eigenen Interesse - erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006, a. a. O., Rn. 30).
In Anwendung dieser Maßstäbe erscheint es dem erkennenden Senat bereits nicht glaubhaft, dass die Beklagte nicht gewusst haben will, dass eine Abkehr von der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Leugnung ihrer Souveränität und Negierung der Legitimität ihrer Gerichte ihren Dienstpflichten entgegensteht. Die Beklagte ist Polizeibeamtin des vormals gehobenen Dienstes. Sie hat bei ihrem Eintritt in den niedersächsischen Polizeidienst am … 1994 den folgenden Amtseid geleistet (Bl. 66/Beiakte 001):
„Ich schwöre, dass ich, getreu den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats, meine Kraft dem Volke und dem Lande widmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Niedersächsische Verfassung wahren und verteidigen, in Gehorsam gegen die Gesetze meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“,
und hatte zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Handlungen im Mai/August 2016 über 20 Jahre Berufserfahrung. Es gab für die Beklagte keinerlei objektiven Anlass, an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer föderalen Gliederungen, an ihrer eigenen Staatsangehörigkeit oder der Legitimität der deutschen Gerichte zu zweifeln. Jedenfalls aber wäre es für die Beklagte aufgrund ihrer Aus- und Vorbildung ein Leichtes gewesen zu erkennen, dass ihr Verhalten den Grundsätzen, auf die sie vereidigt worden ist, fundamental entgegensteht. So hätte insbesondere ein kurzer Blick in das Grundgesetz genügt, um zu erkennen, dass die rechtsprechende Gewalt durch das Bundesverfassungsgericht, die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte sowie durch die Gerichte der Länder ausgeübt wird (Art. 92 GG). Ungeachtet dessen hätte die Beklagte nur bei ihren Vorgesetzten nachzufragen brauchen, um über die Rechtslage ins Bild gesetzt zu werden, so dass jedenfalls ein - leicht vermeidbarer - Verbotsirrtum vorliegt, der die Schuld unberührt lässt.
II. Der erkennende Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass das von der Beklagten begangene einheitliche Dienstvergehen den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertigt.
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG) unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) und des Umfangs, in dem der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beschädigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese drei Bemessungskriterien - Schwere des Dienstvergehens, Persönlichkeitsbild, Vertrauensbeeinträchtigung - mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 22; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 88). Die Verwaltungsgerichte haben die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe der §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 1 NDiszG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Hier findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung: Insbesondere bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens dürfen nur solche belastenden Tatsachen berücksichtigt werden, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen; demgegenüber sind entlastende Umstände schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.2012 - BVerwG 2 A 11.10 -, juris Rn. 72). Oder anders ausgedrückt: Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung das Vorliegen eines mildernden Umstands nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, ist dieser Umstand nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ in die Gesamtwürdigung einzustellen (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a. a. O., Rn. 32; Beschluss vom 23.2.2012 - BVerwG 2 B 143.11 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 6.6.2013 - BVerwG 2 B 50.12 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 26.3.2014 - BVerwG 2 B 100.13 -, juris Rn. 7).
Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist das Kriterium der Schwere des Dienstvergehens. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte, z. B. materieller Schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a. a. O., Rn. 24; Urteil vom 11.1.2007 - BVerwG 1 D 16.05 -, juris Rn. 55; Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 13; Urteil vom 7.2.2008 - BVerwG 1 D 4.07 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 89).
Die angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) bedeutet, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a. a. O., Rn. 25; Urteil vom 3.5.2007, a. a. O., Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 89). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte auch der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB nachzugehen, wenn der Sachverhalt dafür hinreichenden Anlass bietet (BVerwG, Beschluss vom 19.2.2018 - BVerwG 2 B 51.17 -, juris Rn. 7). Ein Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch die tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a. a. O., Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 89).
Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Ob und ggf. inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, d. h. es ist die Frage zu stellen, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Gesichtspunkte noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Ebenso ist zu fragen, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Gesichtspunkte bekannt würde (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a. a. O., Rn. 26; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 89).
Dies zugrunde gelegt erachtet auch der erkennende Senat die Disziplinarmaßnahme der Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis für angemessen.
a) Das Fehlverhalten wiegt außerordentlich schwer.
Durch ihr Verhalten hat die Beklagte wiederholt - nämlich dreifach - im Kernbereich ihrer dienstlichen Pflichten versagt. Sie hat sich aktiv gegen die staatliche Ordnung im Sinne des Grundgesetzes gewandt, zu deren Wahrung und Verteidigung sie sich als Beamtin gerade verpflichtet hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat (UA, S. 16), wiegt dabei besonders schwer, dass die Beklagte als Polizeivollzugsbeamtin gegenüber der Öffentlichkeit in besonders augenfälliger Weise die Staatsgewalt repräsentiert. Einerseits von Amts wegen an der Strafverfolgung mitzuwirken und dazu beizutragen, dass mutmaßliche Täter der Strafjustiz zugeführt werden, andererseits aber den staatlichen Gerichten die Legitimation abzusprechen und zu erklären, dass (auch) die Strafprozessordnung ungültig sei, erschüttert das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Amtsausübung der Beklagten und der Beamtenschaft insgesamt in äußerst gravierender Weise.
Dass die Beklagte zeitlich vor dem in Rede stehenden Verhalten ausweislich der glaubhaften Aussagen der von ihr benannten Zeugen im Dienst weder einschlägig aufgefallen war noch überhaupt politische Äußerungen getätigt hat, vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte seit Juni 2016 durchgehend dienstunfähig erkrankt war. Ausweislich des Gesprächsvermerks der Klägerin vom 26. Januar 2017 hat die Beklagte erklärt, vor Gericht nur „so aufgetreten“ zu sein, weil sie „sich nichts mehr bieten lassen würde“; sie lasse sich „nicht mehr kleinmachen“; sie habe mehrfach ihre Krankheiten thematisiert und ihre Bewältigungsstrategie bzw. ihre Stärke; sie sei an der Erkrankung „gewachsen“ und lasse sich jetzt „von niemandem mehr Unrecht tun“; sie lasse sich „nicht mehr herumschubsen“ (Bl. 53f./Beiakte 001). Insofern hält der erkennende Senat der Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts (UA, S. 16), dass die gegen die Verfassungsordnung gerichteten Ansichten der Beklagten erst im Zuge ihrer längeren Erkrankung entstanden sein dürften, für gut nachvollziehbar.
b) Was das Persönlichkeitsbild der Beklagten betrifft, so vermag der erkennende Senat erheblich entlastende Gesichtspunkte nicht festzustellen.
aa) Die Beklagte ist zwar bis zu den in Rede stehenden Vorwürfen disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Dieser Umstand fällt indes nicht mildernd ins Gewicht (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 23.2.2016 - 6 LD 3/15 -; Urteil vom 8.3.2016 - 20 LD 6/15 -). Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist selbst bei überdurchschnittlicher Leistung für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zulassen (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 3.12 -, juris Rn. 43 m. w. Nw.; Nds. OVG, Urteil vom 23.2.2016 - 6 LD 3/15 -; Urteil vom 8.3.2016 - 20 LD 6/15 -; Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 133).
bb) Auch die sogenannten anerkannten/klassischen Milderungsgründe liegen nicht vor.
Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existentiellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a. a. O., Rn. 22; Urteil vom 23.2.2012, a. a. O., Rn. 13). Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a. a. O., Rn. 22; Urteil vom 23.2.2012, a. a. O., Rn. 13).
Anhaltspunkte für ein Eingreifen dieser Milderungsgründe sind nicht gegeben.
Die Beklagte kann insbesondere nicht mildernd geltend machen, ihr Fehlverhalten stelle sich als persönlichkeitsfremde Tat dar. Der von der Rechtsprechung anerkannte Milderungsgrund der im Grunde persönlichkeitsfremden Augenblicks- bzw. Gelegenheitstat eines ansonsten tadelsfreien und im Dienst bewährten Beamten setzt ein unbedachtes und kurzschlussartiges Verhalten voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.3.1977 - BVerwG 1 C 99.76 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 7/08 -, juris Rn. 54; Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 101; Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 9/18 -). Dies wird insbesondere in Betracht kommen, wenn der Beamte in einer plötzlich auftretenden besonderen Versuchungssituation gehandelt hat, in der ihm eine echte Motivabwägung nicht möglich war. Hierzu gehören ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit des Handelns (Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010, a. a. O., Rn. 54), woran es hier fehlt. Die Beklagte ist bei Ausfüllung des Antragsformulars im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises, bei der Erstellung des Schreibens vom 8. August 2016 und auch bei ihrem Auftreten in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht K. nicht spontan und unüberlegt, sondern vielmehr gerade planvoll und überlegt vorgegangen.
Zugunsten der Beklagten greift auch nicht der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Milderungsgrund einer „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ (BVerwG, Urteil vom 18.4.1979 - BVerwG 1 D 39.78 -, juris Rn. 13; Urteil vom 27.1.2011 - BVerwG 2 A 5.09 -, juris Rn. 39; Beschluss vom 15.6.2016 - BVerwG 2 B 49.15 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 8.6.2017 - BVerwG 2 B 5.17 -, juris Rn. 24, 25) ein. Dieser Milderungsgrund setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind; der Beamte muss also geradezu „aus der Bahn geworfen“ worden sein (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2016, a. a. O., Rn. 10; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 103). Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2016, a. a. O., Rn. 11). Dass die Beklagte zum Tatzeitpunkt außergewöhnlichen persönlichen Umständen - etwa aufgrund der Unterstützung ihrer pflegebedürftigen Eltern, ihrer eigenen Erkrankung oder einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer dritten Person - ausgesetzt gewesen wäre, hat sie selbst nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Beklagten eine persönlich besonders belastende Situation im Sinne der bezeichneten Rechtsprechung vorgelegen haben könnte, sind auch bei Auswertung der Verwaltungsvorgänge nicht erkennbar. Insofern waren weder die Klägerin noch der erkennende Senat gehalten, weitergehende Ermittlungen zur persönlichen Situation der Beklagten im Tatzeitraum zu veranlassen. Vielmehr hätte es der Beklagten oblegen, etwaige, ihre eigene Person oder ihr persönliches Lebensumfeld betreffende - also aus ihrer Privatsphäre stammende und daher nur ihr selbst bekannte - belastende Umstände im vorliegenden Verfahren zu offenbaren und substantiiert darzutun, dass diese Umstände ihr seinerzeitiges Verhalten beeinflusst hätten, nunmehr aber überwunden seien, wenn sie hieraus für sie günstige Rechtsfolgen ableiten wollte. Entsprechende Darlegungen sind indes bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht erfolgt.
Der anerkannte Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens ist ebenfalls nicht gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Milderungsgrund zunächst für die Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder entwickelt und sodann auch auf andere Fallkonstellationen ausgeweitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.7.2011, a. a. O., Rn. 36 [Anwendung auf Steuerhinterziehungen]). Dieser Milderungsgrund setzt voraus, dass der Beamte das Dienstvergehen zeitlich vor seiner Aufdeckung aus eigenem Antrieb ohne Furcht vor konkreter Entdeckung vorbehaltlos und vollständig offenlegt (BVerwG, Urteil vom 23.2.2005 - BVerwG 1 D 13.04 -, juris Rn. 18; Urteil vom 28.7.2011, a. a. O., Rn. 36; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019, a. a. O., Rn. 130). Eine solche Konstellation der „tätigen Reue“ liegt jedoch - anders, als die Beklagte meint (so BB vom 7.3.2020, S. 16 [Bl. 230/GA]) - im Streitfall nicht vor. Die Beklagte hat ihren Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises zwar im Rahmen des mit dem Landkreis I. vereinbarten Abholtermins am 15. August 2016 zurückgenommen. Unabhängig davon, dass die in Rede stehenden Angaben zu diesem Zeitpunkt bereits in den Rechtsverkehr gelangt waren und damit eine Aufdeckung aus eigenem Antrieb zeitlich vor Bekanntwerden der Angaben gar nicht mehr möglich war, erfolgte die Rücknahme auch nicht aus Einsicht der Beklagten in die Verfassungswidrigkeit der in den entsprechenden Angaben zum Ausdruck gebrachten inneren Einstellung. Denn sie hat die Rücknahme gegenüber dem zuständigen Mitarbeiter des Landkreises I. damit erklärt, es habe sich für sie inzwischen privat eine Änderung ergeben, die zur Folge habe, dass sie den Ausweis nicht mehr benötige (Bl. 40/Beiakte 001); diese Begründung hat sie im Rahmen des Personalgesprächs am 26. Januar 2017 auch gegenüber der Klägerin wiederholt (Bl. 53/Beiakte 001). Eine Einsicht in ihr Fehlverhalten am 15. August 2016 wäre im Übrigen auch deshalb nicht glaubhaft, weil die Beklagte nur einen Tag später in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht K. der für das Verfahren zum Aktenzeichen … zuständigen Ri´inAG L. die Legitimation abgesprochen und es abgelehnt hat, mit dieser zu verhandeln.
Soweit die Beklagte als Grund für die Rücknahme ihres Antrags auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises darauf verweist (so BB vom 7.3.2020, S. 10 [Bl. 221/GA]),
sie habe durch den Landkreis I. die Mitteilung erhalten, der Staatsangehörigkeitsausweis werde nach „StAG1934“ und nicht, wie beantragt, nach „RuStAG1913“ ausgestellt; auf keinen Fall aber habe sie ein Dokument haben wollen, das nach nationalsozialistischen Gesetzen ausgestellt werde,
überzeugt diese Argumentation den erkennenden Senat schon deshalb nicht, weil sie diesen vorgeblichen Gesichtspunkt gegenüber dem zuständigen Mitarbeiter des Landkreises I. im Rahmen des Abholtermins am 15. August 2016 mit keinem Wort erwähnt hat (vgl. Bl. 40/Beiakte 001). Hinzu kommt, dass die Beklagte dem Schreiben des Landkreises I. vom 2. August 2016 (Bl. 37/Beiakte 001) einen Inhalt beimisst, den dieses ganz offenkundig nicht hat. Denn hierin wird erklärt, Rechts- und Prüfungsgrundlage des Begehrens der Beklagten sei „das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 28. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1802) geändert“ worden sei.
cc) Die Beklagte hat auch außerhalb der klassischen Milderungsründe keine Gesichtspunkte geltend gemacht, die entlastend zu berücksichtigen wären. Die schlichte Behauptung, sie stelle in keiner Weise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung in Frage, vermag die indizielle Wirkung ihres Verhaltens nicht zu erschüttern.
Die Beklagte hat sich hiervon insbesondere auch nicht im Laufe des disziplinarbehördlichen oder des Disziplinarklageverfahrens glaubhaft distanziert. Sie hat im disziplinarbehördlichen Verfahren vorgetragen, sie habe - wie jeder „aufgeweckte Zeitgenosse“ - ein „berechtigtes Problem“ mit § 15 GVG gehabt (Stellungnahme vom 2.9.2017, S. 1f. [Bl. 189f./Beiakte 001]), und es sei „als Musterbeispiel an Zivilcourage“ anzusehen, Ri´inAG L. hierauf angesprochen zu haben (Stellungnahme vom 2.9.2017, S. 2 [Bl. 190/Beiakte 001]); der Beklagten gebühre eine „Auszeichnung wegen Zivilcourage“ aufgrund ihres Verdienstes, schwerste Mängel in der Ausbildung zum gehobenen Polizeidienst aufgedeckt zu haben (Stellungnahme vom 2.9.2017, S. 5 [Bl. 193/Beiakte 001]). Auch liege „die ganze Problematik in der Tatsache begründet, dass es keine Staatsangehörigkeit der BRD“ gebe; umso mehr müsse „den Bürger aber interessieren, in welchem Staat er denn eine Staatsangehörigkeit hat, bzw. in welchem Staat die laufenden Einbürgerungen stattfinden, von denen man täglich hört“ (Stellungnahme vom 2.9.2017, S. 4 [Bl. 192/Beiakte 001]). Diese Ausführungen, an denen die Beklagte im Klageverfahren festgehalten hat (so Klageerwiderung des vormaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 6.11.2017, S. 1 [Bl. 30/GA]; Klageerwiderung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 31.10.2019, S. 1 [Bl. 134/GA], in dem vollinhaltlich auf das gesamte vorprozessuale sowie prozessuale Vorbringen der Beklagten verwiesen wird), verdeutlichen vielmehr, dass die Beklagte ihr Verhalten weiterhin für berechtigt und sogar für honorierungswürdig hielt. Eine glaubhafte Distanzierung ist auch im Berufungsverfahren nicht erfolgt. Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe im zivilrechtlichen Rechtsstreit lediglich „Denkanstöße“ gegeben bzw. „temporäres Verteidigungsverhalten“, auch im Interesse ihres mittelbar am Verfahren beteiligten Sohnes, gezeigt (so etwa BB vom 7.3.2020, S. 7f., 12f. [Bl. 221f., 226f./GA]; BB vom 14.4.2021, S. 5f. [Bl. 307f./GA]), so belegt diese verharmlosende Darstellung, dass sie sich der Qualität und der Tragweite ihres Handelns immer noch nicht hinreichend bewusst ist. Den staatlichen Gerichten ihre grundsätzliche Legitimität abzuerkennen, stellt kein „gerechtfertigtes Verteidigungsverhalten“ dar, sondern verlässt den Boden der geltenden Verfassungsordnung.
c) Nach alledem liegen entlastende Umstände von erheblichem Gewicht, welche das scherwiegende Dienstvergehen der Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, nicht vor.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Ein solcher Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen (BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - BVerwG 2 C 59.07 -, juris Rn. 18). Im Streitfall ergibt sich der endgültige Vertrauensverlust in die Person der Beklagten aus einer konkreten Wiederholungsgefahr. Weil das erhebliche Gewicht des von der Beklagten begangenen Dienstvergehens nicht durch in ihrer Person liegende Entlastungsgründe von erheblichem Gewicht relativiert wird und sie sich insbesondere nicht glaubhaft von dem „reichsbürgertypischen“ Gedankengut distanziert hat, das aus ihren Handlungen spricht, ist davon auszugehen, dass sie auch in Zukunft in erheblicher Weise gegen ihre Dienstpflichten verstoßen wird. Im Interesse des Ansehens des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums, das durch das persönliche Ansehen eines jeden einzelnen Beamten bestimmt wird, muss das Beamtenverhältnis daher beendet werden.
d) Das Verwaltungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen (UA, S. 24), dass die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis nicht gegen den auch im
Disziplinarverfahren geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Insoweit kommt es nicht auf die finanziellen oder sozialen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beamten an, und auch die Auswirkungen auf dessen Familie sind nicht in den Blick zu nehmen (Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010, a. a. O., Rn. 62). In das Verhältnis zu setzen sind vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme. Ist ein Beamter - wie hier die Beklagte - durch ein ihm vorwerfbares Verhalten vertrauensunwürdig geworden und fehlt ihm damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig, weil sie auf ihm zurechenbarem Verhalten beruht (BVerwG, Urteil vom 12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, juris Rn. 60; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010, a. a O., Rn. 62; Urteil vom 1.12.2014
- 6 LD 5/13 -).
Auch kann bei Anwendung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme die Dauer des Verfahrens keine Berücksichtigung finden (BVerwG, Beschluss vom 28.10.2008 - BVerwG 2 B 53.08 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 1.9.2009 - BVerwG 2 B 34.09 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010, a. a. O., Rn. 58; Urteil vom 31.1.2017 - 3 LD 2/17 -).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf 69 Abs. 1 NDiszG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieses Urteil ist rechtskräftig (§ 61 Abs. 2 NDiszG).