Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.11.2007, Az.: 9 U 43/07
Herausgabepflicht bezüglich der nach ehelicher Zusammenveranlagung hälftig zugeflossenen Steuererstattung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Ehegatten; Anspruch auf Herausgabe der gesamten Steuerrückzahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung an dem Vermögen des insolventen Ehegattens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.11.2007
- Aktenzeichen
- 9 U 43/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 45440
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:1127.9U43.07.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 37 Abs. 2 S. 1 AO
- § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB
- § 1353 BGB
- § 1360 BGB
- § 134 InsO
Fundstellen
- FamRB 2009, 47 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- FamRZ 2008, 1852-1853 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB 2008, 2517 (Kurzinformation)
- NZI 2008, 21
- OLGReport Gerichtsort 2008, 415-417
- ZAP EN-Nr. 632/2008
- ZInsO 2008, 460-461 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Dem Ehegatten, der allein die Steuervorauszahlungen geleistet hat, stehen grundsätzlich auch die Überschüsse allein zu. Daran ändert nichts, dass das Finanzamt den hälftigen Erstattungsanteil an den anderen Ehegatten ausgezahlt hat. Dieser ist insoweit ungerechtfertigt bereichert.
- 2.
Hat der Ehegatte, der keine Steuervorauszahlungen geleistet hat, mit seinem die Vorauszahlungen leistenden Ehegatten ehebedingt eine hälftige Teilung der Steuererstattung vereinbart, besteht im Falle der Insolvenz des die Vorauszahlungen leistenden Ehegatten ein Rückforderungsanspruch gemäß § 134 InsO.
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kircher,
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Oehlers und
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Rieckhoff
auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 14. Juni 2007 geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.636,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszins seit dem 29. November 2006 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrag abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zur Herausgabe der ihm nach ehelicher Zusammenveranlagung hälftig zugeflossenen Steuererstattung verpflichtet ist, nachdem über das Vermögen seiner Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 16. Mai 2006 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Frau Dr. Dxxx Pxxx eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden (Bl. 7 d.A.). Die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte sind verheiratet.
In den Jahren 2003 und 2004 hat sich der Beklagte im wesentlichen um den Haushalt und die Familie gekümmert, während seine Ehefrau weitestgehend allein den Unterhalt bestritt. Steuerlich wurden sie stets gemeinsam veranlagt. Aufgrund der seinerzeit erheblichen Einkünfte der Insolvenzschuldnerin, leistete sie an das zuständige Finanzamt entsprechende Vorauszahlungen. Dies hatte zur Folge, dass mit Bescheiden des Finanzamtes Osnabrück-Stadt vom 2. Oktober und 9. November 2006 für die zurückliegenden Jahre 2003 und 2004 zugunsten der Eheleute Pxxx eine Steuererstattung in Höhe von insgesamt 81.272,42 EUR festgesetzt wurde (vgl. Bl. 10 ff. d.A.).
Das Finanzamt hat die zu erstattenden Beträge am 13. Oktober bzw. 23. November 2006 entsprechend den Vorschriften der Abgabenordnung jeweils zur Hälfte beiden Ehegatten überwiesen. Der Kläger begehrt die Herausgabe der dem Beklagten auf diese Weise zugeflossenen 40.636,21 EUR.
Er ist der Auffassung, allein die Insolvenzschuldnerin sei aufgrund ihrer erheblichen Einkünfte verpflichtet gewesen, Vorauszahlungen an das Finanzamt zu leisten. Dementsprechend seien die Vorauszahlungen allein aus ihrem Vermögen bestritten worden, so dass auch nur ihr die Steuerstattung zugestanden hätte. Der Beklagte sei daher ungerechtfertigt bereichert. Hilfsweise hat der Kläger die Anfechtung der seitens der Insolvenzschuldnerin geleisteten Vorauszahlungen erklärt.
Dagegen hat der Beklagte im wesentlichen eingewendet, innerhalb der arbeitsteilig gelebten Ehe habe es sich bei den Einkünften seiner Frau gleichsam zur Hälfte um sein eigenes Geld gehandelt. Dementsprechend habe ihm auch die hälftige Steuererstattung zugestanden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Finanzamt dem Beklagten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zu Recht den halben Steuererstattungsanteil überwiesen habe und er daher nicht rechtsgrundlos bereichert sei. Anderweitige Anspruchsgrundlagen zugunsten des Klägers vermochte der Einzelrichter nicht zu erkennen. Im einzelnen wird auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt.
Er beantragt,
unter Abänderung des angegriffenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.636,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung hat Erfolg.
1.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch der Insolvenzschuldnerin gegen den Beklagten auf Herausgabe der ihm zugeflossenen hälftigen Steuererstattung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigter Bereicherung zu (§ 812 I 12. Alt. BGB).
Die gesamte Steuerrückzahlung in Höhe von 81.272,42 EUR für die Abrechnungszeiträume 2003 und 2004 stand materiellrechtlich allein der Insolvenzschuldnerin zu, denn die Erstattung beruhte allein darauf, dass die Insolvenzschuldnerin zuvor aus ihrem Vermögen erhebliche Vorauszahlungen geleistet hat, deren Überschuss später wieder ausgekehrt worden ist. Der Beklagte selbst hätte unstreitig bei getrennter Veranlagung weder Vorauszahlungen zu leisten noch Erstattungen zu erwarten gehabt.
Dem steht nicht entgegen, dass das Finanzamt den hälftigen Erstattungsanteil an den Beklagten ausgezahlt hat. Dies geschah auf der Grundlage des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, der allein das Außenverhältnis zwischen den steuerpflichtigen Ehegatten und dem Finanzamt betrifft. Danach ist die Steuerbehörde grundsätzlich nicht gehalten, die zwischen den gemeinsam veranlagten Ehegatten bestehenden familien- und zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zu durchleuchten. Vielmehr darf sie schematisch, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln Vorauszahlungen geleistet wurden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH, Urteil vom 04.04.1995, VII R 82/94, zit. bei [...]), grundsätzlich davon ausgehen, dass in einer intakten Ehe derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt hat, gleichsam auch den Partner von dessen Steuerschuld befreien wollte, mit der Folge, dass bei der Erstattung beide Ehegatten zu gleichen Teilen erstattungsberechtigt sind (vgl. BFH, Urteil vom 15.112005, VII R 16/05, zit. bei [...]).
Ein Rechtsgrund des Beklagten für das Behaltendürfen der ihm zugeflossenen anteiligen Rückerstattung könnte sich mithin nur aus zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin im Innenverhältnis der gemeinsamen Ehe - in welcher Weise auch immer - getroffenen Absprachen ergeben. Dass hingegen die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten ausdrücklich oder zumindest auf der Grundlage einer aus langjähriger Übung gewachsenen konkludenten Vereinbarung (vgl. dazu jüngst BGH, NJW 2007, 2556) aus ihrem eigenen Vermögen erhebliche Beträge hatte zuwenden wollen, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Insolvenzschuldnerin an das Finanzamt Vorauszahlungen leistete, bewirkte zweifellos insoweit noch keinen stillschweigenden - hälftige - Forderungsverzicht zugunsten ihres Ehemannes. Im Gegenteil ist im Zweifelsfall davon auszugehen, dass demjenigen Ehegatten, der allein die Vorauszahlungen geleistet hat, gleichsam auch die Überschüsse allein zustehen sollen (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, 66. Aufl., Anm. zu § 1353, Rn. 12). Auch der bloße Hinweis auf eine arbeitsteilig geführte Ehe, in der selbstverständlich die Insolvenzschuldnerin als erwerbstätiger Teil dafür Sorge zu tragen hatte, dass der im Haushalt tätige Partner am wirtschaftlichen Erfolg angemessen beteiligt und demgemäß seine Arbeit angemessen honoriert wurde, bedeutet noch nicht, dass dem Beklagten gleichsam größere Barzahlungen zur eigenen Verfügung zugestanden hätten. Nichts anderes ergibt sich aus den familienrechtlichen Vorschriften. Nach §§ 1353, 1360 BGB sind die Ehegatten während der Ehe einander zum angemessenen Unterhalt der Familie verpflichtet. Hierzu gehört die Sorge für angemessenen Wohnbedarf der Familie; aus dieser Pflicht erwächst aber grundsätzlich kein Anspruch auf größere Geldzuweisungen (vgl. etwa BGH, WM 1978, 371 zum Hausbau, Kopie Aktendekkel). Das behauptet nicht einmal der Beklagte selbst. Im Gegenteil soll das Einkommen seiner Ehefrau allein dem unmittelbaren Bedarf der Familienmitglieder gedient haben. Der Beklagte will es denn auch nur für die Familie verwaltet und verwendet haben. Nur zu diesem Zweck sei es teilweise auf seinem Konto "zwischengelagert" worden, während eine "vermögensrechtliche Zuordnung der Geldbeträge ... niemals Absicht" der Insolvenzschuldnerin gewesen sei (vgl. Schriftsatz vom 25. Januar 2007, Bl. 35 d.A.). Dazu passt nicht, dass der Beklagte nunmehr offensichtlich einen Teil des Einkommens seiner Ehefrau - in Form der Steuererstattung - für sich allein beansprucht. Dass er die betreffenden Beträge stattdessen nicht für sich selbst, sondern zugunsten der Familie eingesetzt hätte, ist von ihm nicht behauptet worden.
2.
Aber selbst zugunsten des Beklagten unterstellt, er hätte mit der Insolvenzschuldnerin ehebedingt eine hälftige Teilung der Steuererstattung vereinbart, wäre der Rückforderungsanspruch des Klägers insolvenzrechtlich gemäß § 134 InsO begründet.
Der Beklagte hat - im Wege der zunächst steuerlichen Voraus- und später Rückzahlung - von der Insolvenzschuldnerin einen Betrag in Höhe der Klageforderung erhalten, ohne dafür eine adäquate Gegenleistung zu erbringen.
Ob eine Leistung unentgeltlich ist, entscheidet sich nach dem objektiven Vergleich der ausgetauschten Werte. Dabei ist der Begriff der Unentgeltlichkeit zum Schutz der Gläubiger grundsätzlich weit auszulegen. Soweit im Rahmen einer arbeitsteiligen Ehe Vermögenszuwendungen des alleinverdienenden Teils durchaus als "entgeltliche Leistungen" im Hinblick auf die im Gegenzug erbrachte Arbeit des anderen Teils verstanden werden können, betrifft dies im wesentlichen die Kosten der gemeinsamen Haushaltsführung (vgl. etwa jüngst OLG Rostock, OLGR 2007, 702). Das Wesen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft besteht darin, dass jeder Ehegatte allein Eigentümer seines Vermögens bleibt, und zwar auch desjenigen, das er nach der Eheschließung erwirbt (§ 1363 Abs. 2 BGB). Selbst wenn es daher vorliegend zwischen den Eheleuten eine Vereinbarung über die Teilung der Kosten der gemeinsamen Haushalts- und Lebensführung gegeben haben mag, ist nicht ansatzweise erkennbar, wofür dem Beklagten eine derart werthaltige, über die Unterhaltsversorgung hinausgehende "Sondergratifikation" hätte zustehen sollen.
Folglich wäre hier allenfalls von einer unbenannten Zuwendung auszugehen, die, auch wenn sie gemäß § 1360 BGB im Verhältnis der Ehegatten zueinander keine Schenkung darstellte, jedenfalls als unentgeltlich im Sinne des § 134 InsO anzusehen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., Anm. zu § 134, Rn. 30).
Soweit danach die Insolvenzanfechtung im Sinne von § 134 InsO durchgreift, kann schließlich dahinstehen, ob der Kläger die Anfechtung ausdrücklich erklärt hat, denn darauf kommt es nicht an (BGHZ 135, 140). Die Insolvenzanfechtung verfolgt das Ziel, dass der Anfechtungsgegner den erworbenen Gegenstand wieder der Masse zuführt. Erstrebt der Verwalter im wirtschaftlichen Ergebnis eine solche Rechtsfolge und stützt er sein Begehren auf einen Sachverhalt, der geeignet sein kann, die Voraussetzungen einer Anfechtungsnorm zu erfüllen, so hat das Gericht ohne weiteres zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt ist (BGH, WM 2001, 98).
III.
Die geltend gemachten Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe stehen dem Kläger aus §§ 286, 288 BGB zu.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1; 708 Nr. 10, 711; 543 ZPO.
Dr. Oehlers
Dr. Rieckhoff