Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.11.1994, Az.: 18 L 2974/93
Anspruch eines Personalratsmitglieds gegen die Dienststelle auf Übernahme von Schulungskosten; Notwendigkeit der "Grundschulung" im allgemeinen Arbeitsrecht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.11.1994
- Aktenzeichen
- 18 L 2974/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 19114
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1994:1121.18L2974.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 11.05.1993 - AZ: 12 A 26/92
Rechtsgrundlagen
- § 37 Abs. 1 NdsPersVG
- § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG
Fundstelle
- ZfPR 1995, 128 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Kosten der Teilnahme an einer Schulung
Redaktioneller Leitsatz
Ein Mitglied des Personalrats bei der Bezirksregierung hat gegen seine Dienststelle keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine ÖTV-Schulungsveranstaltung "Arbeitsrecht I - Einführung", da sie insoweit nicht zu den "notwendigen" Kosten des Personalrats gehören, als dass ein Personalratsmitglied zwar über Kenntnisse des Personalvertretungsrechts, nicht aber des allgemeinen Arbeitsrechts verfügen muss.
Der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
hat auf die mündliche Anhörung vom 21. November 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer und Dr. Uffhausen sowie
die ehrenamtlichen Richter Bajog und Grevecke
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 11. Mai 1993 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Schulungskosten.
Der Antragsteller ist seit 1988 Mitglied das aus 13 Personen bestehenden Personalrats bei der Bezirksregierung .... In der Wahlperiode 1988 bis 1992, um die es hier geht, war er Vertreter der Arbeiter, ab 1992 der Angestellten (Wechsel in das Angestelltenverhältnis 1990). Am 17. Oktober 1991 beschloß der Personalrat (ohne weitere Ausführungen dazu), den Antragsteller zu dem ÖTV-Seminar N 114 "Arbeitsrecht I - Einführung" zu entsenden, das vom 8. bis 13. Dezember 1991 in Niedersfeld/Hessen stattfand. Hierfür erhielt der Antragsteller (auf Antrag des Personalrats) den erforderlichen Sonderurlaub (§ 50 Abs. 2 Satz 3 Nds. PersVG a.F.); eine Übernahme der Kosten wurde jedoch abgelehnt (Bescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 13.11.1991). In dem ÖTV-Einladungsschreiben (ohne Datum) hieß es insoweit, daß von den Teilnehmern der Veranstaltung Kosten (90,- DM pro Tag) dann erhoben würden, wenn "§ 46 Abs. 6 in Frage kommt". Das bezieht sich auf das Bundespersonalvertretungsgesetz und meint, daß insoweit (vom Personalrat) beurteilt werden müsse, ob die vermittelten Kenntnisse für die Personalratstätigkeit erforderlich (oder nur "geeignet", § 46 Abs. 7 BPersVG) seien. Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller dazu eine (undatierte und nach seinen Angaben jetzt "nochmals" ausgestellte) "Verpflichtungserklärung" vorgelegt, wonach er sich verpflichtet, die Seminarkosten, die in einer "dem Arbeitgeber zuzustellenden Rechnung im einzelnen aufgeführt werden", zu zahlen, wobei diese erst fällig werden, "nachdem der/die in der Rechnung genannte Arbeitgeber/Dienststelle den mir gemäß §... zustehenden Betrag an mich gezahlt hat". Eine derartige Rechnung hat die ÖTV-Bildungsstätte unter dem 12. Dezember 1991 an die Bezirksregierung Braunschweig gesandt (513,- DM). Diese lehnte eine Kostenübernahme indessen ab, da die Seminarteilnahme des Antragstellers nicht erforderlich gewesen sei (Schreiben vom 23.1.1992).
Am 10. November 1992 hat der Antragsteller die Fachkammer angerufen mit dem Begehren, ihn "von der Verbindlichkeit in Höhe von 513,- DM gegenüber der ÖTV-Bildungsstätte Niedersfeld freizustellen" und ihm 102,- DM (Reisekosten) nebst 4 % Zinsen "seit Antragstellung" zu zahlen. Er hat gemeint, daß die Vermittlung von allgemeinen Kenntnissen im Arbeitsrecht, um die es hier ging, für seine Tätigkeit im Personalrat erforderlich gewesen sei. Es handele sich um die Vermittlung von dafür allgemein erforderlichen Grundkenntnissen, und er habe an einer derartigen Fortbildungsmaßnahme vorher nicht teilgenommen gehabt. Demgegenüber hat die Beteiligte gemeint, daß eine Verbindlichkeit des Antragstellers, von der er "freizustellen" wäre, (noch) nicht bestehe, da unklar sei, ob von ihm tatsächlich Schulungskosten verlangt würden. Im übrigen sei die Teilnahme des Antragstellers an der fraglichen Schulungsveranstaltung weder für ihn noch für die Tätigkeit des Personalrats erforderlich gewesen. Der Antragsteller habe an einer Vielzahl von (näher bezeichneten) Fortbildungs- bzw. Schulungsveranstaltungen teilgenommen, so daß er über für seine Personalratstätigkeit ausreichende Kenntnisse verfüge, zumal ihm auch nicht "Sonderaufgaben mit arbeitsrechtlichem Einschlag" zugewiesen seien. Darüber hinaus seien andere Mitglieder mit der entsprechenden Materie vertraut, da diese teilweise seit 1980 dem Personalrat angehörten und deshalb davon auszugehen sei, daß sie Kenntnisse im Arbeitsrecht hätten. Schließlich habe für die fragliche Schulung ein aktueller Anlaß nicht bestanden und diese kaum Bezug zu den Aufgaben eines Personalrates gehabt.
Die Fachkammer hat den Antrag mit Beschluß vom 11. Mai 1993 abgelehnt, da es sich bei den durch die fragliche Schulung entstandenen Kosten nicht um notwendige Kosten i.S. von § 52 Abs. 1 Nds. PersVG (a.F.) handele. Die Teilnahme des Antragstellers an dem Arbeitsrechtsseminar sei für die Tätigkeit des Personalrats nicht erforderlich gewesen. Ein allgemeines Bedürfnis, jedem Personalratsmitglied Grundkenntnisse im Arbeitsrecht zu vermitteln, bestehe nicht. Die andersartige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zum Betriebsverfassungsgesetz) sei auf das Personalvertretungsrecht nicht übertragbar; in dessen Geltungsbereich seien - wegen des Grundsatzes sparsamer Wirtschaftsführung - nur solche Mitglieder zu einer derartigen Schulung zu entsenden, die mit Fragen befaßt seien, deren Lösung Kenntnisse im Arbeitsrecht erforderten. Diese brauchten nicht alle Personalratsmitglieder, vielmehr reiche aus, daß einzelne Mitglieder sie besäßen. Das sei hier der Fall gewesen, so daß die Entsendung des Antragstellers Objektiv als nicht erforderlich anzusehen sei.
Gegen diesen, ihm am 1. Juni 1993 zugestellten Beschluß richtet sich die am 1. Juli 1993 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, die dieser am 28. Juli 1993 begründet hat. Er vertritt weiterhin die Ansicht, daß Grundkenntnisse im Arbeitsrecht für jedes Personalratsmitglied erforderlich seien. Es gehe auch nicht an, aus einer langjährigen Mitgliedschaft im Personalrat darauf zu schließen, daß entsprechende Kenntnisse vorlägen.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet ist, die Kosten des ÖTV-Seminars N 114 zu tragen.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er meint weiterhin, daß es zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben des Personalrates nicht erforderlich sei, daß jedes Mitglied über Grundkenntnisse im Arbeitsrecht verfüge. Außerdem schulde der Antragsteller der ÖTV nichts.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Nachdem der Antragsteller sein bisheriges Leistungs- in ein Feststellungsbegehren umgestellt hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob ihm - außer den Reisekosten - die zunächst von ihm unmittelbar geltend gemachten Kosten tatsächlich entstanden sind. Das ist zweifelhaft, da nach den vorgelegten Unterlagen seine Leistungspflicht davon abhängen soll, daß die Kosten von der Dienststelle übernommen werden, was bisher gerade nicht der Fall ist. Da andererseits Kosten fraglos entstanden sind (nämlich der ÖTV) und insoweit eine Pflicht der Dienststelle zur Kostentragung in Betracht kommt, kann der Antragsteller dies jedenfalls feststellen lassen. Dieses Begehren ist indessen in der Sache nicht begründet. Der Beteiligte steht zu Recht auf dem Standpunkt, daß die Kosten für die Schulungsveranstaltung "Arbeitsrecht I - Einführung" vom 8. bis 13. Dezember 1991 nicht zu den "notwendigen" Kosten des Personalrats gehören, dessen Mitglied der Antragsteller ist (§ 52 Abs. 1 NdsPersVG a.F., § 37 Abs. 1 NdsPersVG 93). Der Auffassung des Antragstellers, daß eine "Grundschulung" im Arbeitsrecht für die sachdienliche Mitarbeit eines jeden Personalratsmitgliedes regelmäßig erforderlich sei und demgemäß die dafür gemachten Aufwendungen von der Dienststelle immer zu tragen seien, folgt der Senat nicht.
Hinsichtlich der Arbeit eines Personalratsmitglieds ist anerkannt, daß dieses sein Amt nur dann ausüben kann, wenn es über allgemeine Kenntnisse im Personalvertretungsrecht verfügt, so daß eine personal Vertretungsrechtliche "Grundschulung" grundsätzlich als notwendig anzusehen ist und ihre Kosten von der Dienststelle zu tragen sind (BVerwGE 58, 54/65). Bei der hier streitigen Schulung wurden aber nicht solche Kenntnisse vermittelt, sondern Kenntnisse auf einem - aus Sicht des Personalvertretungsrechts - besonderen und damit "speziellen" Rechtsgebiet, dem des (allgemeinen) Arbeitsrechts. Dieses Rechtsgebiet spielt im Rahmen der Personalratstätigkeit zwar fraglos eine Rolle; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß es sich um ein Spezialgebiet handelt, die Schulung darin damit eine Spezialschulung darstellt, die insoweit zur Erlangung von Spezialkenntnissen führt. Die Vermittlung von Spezialkenntnissen an jedes einzelne Personalratsmitglied kann aber, nicht zuletzt auch aus Kostengründen (sparsame Verwendung öffentlicher Mittel), nicht als erforderlich angesehen werden; die insoweit entstandenen Kosten sind mithin nicht "notwendig" i.S. von § 52 Abs. 1 Nds. PersVG a.F. (jetzt § 37 Abs. 1 Satz 1) (vgl. Senatsbeschl. v. 24.2.1993, 18 L 8467/91 u.a.). Vielmehr reicht es aus, wenn (jeweils) einzelne Mitglieder über solche Kenntnisse verfügen (BVerwG, Beschl. v. 23.4.1991 - 6 P 19.89 -, PersV 1992, 115/116). Daß diese Voraussetzungen hier nicht vorgelegen hätten, daß also eine Schulung (gerade) des Antragstellers erforderlich gewesen wäre, ist aber weder vom Personalrat noch vom Antragsteller dargetan worden.
Was den Entsendungsbeschluß des Personalrats vom 27. Oktober 1991 betrifft, enthält sich dieser jeglicher Begründung für die Entsendung des Antragstellers zu dem fraglichen Seminar "Arbeitsrecht". Insbesondere fehlen Ausführungen zu einer etwaigen Annahme der Erforderlichkeit der Schulung des Antragstellers (und damit Kostenverursachung), so daß bereits insoweit nicht ersichtlich ist, daß der - immerhin aus 13 Personen bestehende - Personalrat darauf angewiesen wäre, daß (gerade) dem Antragsteller allgemeine Kenntnisse im Arbeitsrecht vermittelt werden. Danach ist auch möglich, daß der Personalrat die entsprechende Schulung als für die Tätigkeit des Antragstellers (lediglich) "dienlich" (vgl. § 46 Abs. 1 BPersVG; § 50 Abs. 2 Satz 2 NdsPersVG a.F., jetzt § 40 Satz 1 NdsPersVG) angesehen hat. Die Notwendigkeit einer Schulung des Antragstellers setzte jedenfalls voraus, daß entsprechende Kenntnisse bei keinem Mitglied (oder nur einer nicht ausreichenden Zahl von Mitgliedern) vorhanden gewesen wären. Das ist indessen nicht ersichtlich. Auch der Antragsteller, der ja auf dem Standpunkt steht, es handele sich um allgemein notwendige "Grundkenntnisse", die jedem Personalratsmitglied vermittelt werden müßten, hat das nicht dargetan. Demgemäß ist - mit dem Beteiligten - davon auszugehen, daß es hier an dem personenbezogenen ("subjektiven") Merkmal der Erforderlichkeit i.S. von § 52 Abs. 1 Nds. PersVG a.F. gefehlt hat. Denn abgesehen davon, daß gewisse arbeitsrechtliche Grundkenntnisse ohnehin allgemein bekannt sein dürften, ist auch sonst nicht anzunehmen, daß sie allen Personalratsmitgliedern gefehlt hätten, zumal denjenigen, die, wie der Beteiligte dargelegt hat, bereits langjährig mit der Arbeit im Personalrat, und damit auch mit den dort einschlägigen Fragen aus dem Bereich des allgemeinen Arbeitsrechts, befaßt waren. Dabei ist schließlich auch darauf zu verweisen, daß - angesichts der einzelnen Mitbestimmungstatbestände - Fragen aus dem Gebiet des allgemeinen Arbeitsrechts fraglos auch im Rahmen einer personalvertretungsrechtlichen Grundschulung angesprochen und behandelt werden müssen. Es geht nicht an, diese in einzelne (Spezial-)Schulungen aufzuspalten und diese dann jeweils auch als notwendig anzusehen.
Schließlich könnte der Antragsteller auch aus dem Beschluß des Bundesarbeitsgericht vom 16. Oktober 1986 - 6 ABR 14/84 - (AP § 37 BetrVG 1972 Nr. 58) nichts für sich herleiten. Entgegen seiner Ansicht ist dort nämlich keineswegs entschieden worden, daß es ohne weiteres erforderlich wäre, jedes Betriebsratmitglied (auf Kosten des Arbeitgebers, § 40 Abs. 1 BetrVG) in den Grundzügen des Arbeitsrechts ("Arbeitsrecht I") schulen zu lassen. Anders als vom Bundesverwaltungsgericht entschieden (Beschl. v. 22.7.1982, - 6 P 42.79 -, PersV 1983, 374), das insoweit auch darauf abstellt, daß es kein anderes mit der fraglichen Materie vertrautes Mitglied des Personalrats gibt, muß indessen auch nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts - insoweit übereinstimmend mit dem Bundesverwaltungsgericht - jedenfalls ein subjektives Schulungsbedürfnis (bzgl. des entsandten Betriebsratsmitgliedes) dargetan sein. Denn auch das Bundesarbeitsgericht verlangt für die Annahme der Vermittlung "erforderlicher" Kenntnisse (i.S. von § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG), daß das zu entsendende (bzw. entsandte) Betriebsratsmitglied nicht bereits entsprechende (Vor-)Kenntnisse besitzt. Zu letzteren zählt es auch das durch langjährige Betriebsratstätigkeit erworbene "Erfahrungswissen". Da ein solches zu vermuten sei, sei die Entsendung eines Mitgliedes, das bereits längere Zeit im Betriebsrat mitgearbeitet habe, zu einer Schulungsveranstaltung "Arbeitsrecht I" im Regelfall nicht erforderlich. Insoweit läge auch hier ein Schulungsbedürfnis hinsichtlich des Antragstellers, der immerhin bereits seit drei Jahren Personalratsmitglied war, jedenfalls nicht auf der Hand. Daß er an einer Schulung mit gleichem Inhalt vorher noch nicht teilgenommen hatte, wäre auch nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts unerheblich. Zu berücksichtigen wäre auch, daß der Antragsteller seit 1986 jedes Jahr an einer Schulungsveranstaltung (meist der ÖTV) - darunter auch an einer "Grundschulung" im Personalvertretungsrecht - teilgenommen hat, wobei sicher auch Fragen des Arbeitsvertragsrechts, des Tarifrechts und des Arbeitnehmerschutzes, wie sie Gegenstand der hier streitigen Schulung waren, behandelt worden sind.
Seine Beschwerde ist danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 83 Abs. 2 NPersVG i.V.m. §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
Schwermer,
Dr. Uffhausen,
Bajog,
Grevecke