Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.11.1994, Az.: 18 L 1329/94

Umfang der Mitbestimmung des Personalrats bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf einen Verwaltungsangestellten; Selbständige mitbestimmungspflichtige Maßnahme; "Splitting" der Zustimmung im Rahmen der Höhergruppierung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.11.1994
Aktenzeichen
18 L 1329/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 19115
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:1121.18L1329.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 27.01.1994 - AZ: PL A 19/91

Fundstelle

  • ZfPR 1995, 128 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Mitbestimmung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit und bei der Umgruppierung

Redaktioneller Leitsatz

Der Präsident einer niedersächsischen Universität, der ein Einigungsverfahren bezüglich der tariflichen Eingruppierung einer Verwaltungsangestellten nicht einleitet, verletzt das Mitbestimmungsrecht des Personalrats.


Der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 1994
durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer und Dr. Uffhausen sowie
die ehrenamtlichen Richter Grevecke und Bajog
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 27. Januar 1994 geändert.

Es wird festgestellt, daß die vom Beteiligten vorgenommene Höhergruppierung der Verwaltungsangestellten O. aus der Vergütungsgruppe VII BAT in die Vergütungsgruppe VI b BAT das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller, der Personalrat der Universität Hannover, und der beteiligte Präsident der Universität streiten über den Umfang der Mitbestimmung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.

2

Mit Schreiben vom 6. August 1991 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zur Höhergruppierung der Verwaltungsangestellten O. von der VergGr. VII nach der VergGr. VI b BAT durch Übertragung höherwertiger Tätigkeiten; Frau O., die damalige Sekretärin des Beteiligten, sollte zum nächstmöglichen Termin die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin im Inmatrikulationsamt übernehmen. - Der Antragsteller stimmte der Übertragung der Sachbearbeitungstätigkeiten zu, lehnte jedoch eine Eingruppierung nach VergGr. VI b BAT ab (Schreiben vom 14. August 1991). Er vertrat die Ansicht, daß sowohl die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten als auch die damit verbundene Umgruppierung seiner Mitbestimmung unterlägen. Die für Frau O. vorgesehenen Tätigkeiten erforderten gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen im Sinne des BAT Anlage 1 a, Teil I. VergGr. V c, Fallgruppe 1 a. Entsprechend seien andere Arbeitsplätze in diesem Sachgebiet mit gleichem Aufgabenzuschnitt korrekt bewertet. - Mit Schreiben vom 28. August 1991 vertrat daraufhin der Beteiligte die Auffassung, daß die Zustimmung des Antragstellers gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 Nds. PersVG 1985 als erteilt gelte, da sich der Antragsteller mit der unzulässigen Aufteilung der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme außerhalb der rechtlichen Vorgaben des Nds. PersVG bewege. Er hat in der Folge die beabsichtigte Maßnahme vollzogen. In einem anhängigen Arbeitsgerichtsprozeß klagt Frau O. auf Eingruppierung in die VergGr. V c BAT.

3

Am 26. September 1991 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren mit den Anträgen eingeleitet, festzustellen, daß 1. seine Zustimmung zu der Höhergruppierung der Verwaltungsangestellten O. in die Vergütungsgruppe VI b BAT nicht als erteilt gilt und daß er - der Antragsteller - 2. berechtigt ist, der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zuzustimmen, die Zustimmung zu der damit verbundenen Umgruppierung aber zu verweigern. Er hat geltend gemacht, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellten die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit und deren tarifliche Bewertung zwei voneinander getrennte Entscheidungsvorgänge dar, die jeweils getrennt mitbestimmungspflichtig seien und zu denen der Personalrat daher unterschiedlich Stellung nehmen könne.

4

Der Beteiligte ist den Anträgen entgegengetreten.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Anträge mit Beschluß vom 27. Januar 1994 abgelehnt, im wesentlichen mit folgender Begründung: Der Feststellungsantrag zu 1) sei unbegründet, weil die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers eindeutig den Rahmen des Mitbestimmungstatbestandes des § 78 Abs. 2 Nr. 3 Nds. PersVG 1985 nicht wahre. Der Zustimmungsantrag habe sich nach seinem Wortlaut nur auf den Mitbestimmungstatbestand "Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit" bezogen; hierzu habe der Antragsteller nur einheitlich eine Zustimmung erteilen oder diese, verweigern können. Für den weiterhin gestellten Antrag zu 2) fehle das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen.

6

Gegen den ihm am 7. Februar 1994 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 2. März 1994 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

7

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und festzustellen, daß die von dem Beteiligten vorgenommene Höhergruppierung der Verwaltungsangestellten O. in die VergGr. VI b BAT sein - des Antragstellers - Mitbestimmungsrecht verletzt hat,

8

hilfsweise:

festzustellen, daß er berechtigt ist, der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zuzustimmen, die Zustimmung zu der damit verbundenen Umgruppierung in eine höhere Tarifgruppe aber zu verweigern.

9

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

10

Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der Anhörung waren, Bezug genommen.

12

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat mit dem Hauptantrag Erfolg. Es ist antragsgemäß festzustellen, daß der Beteiligte durch die Höhergruppierung der Verwaltungsangestellten O. in die VergGr. VI b BAT das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat. Der Beteiligte ist rechtfehlerhaft davon ausgegangen, die Verweigerung der Zustimmung des Antragstellers zu der entsprechenden Eingruppierung sei nach den Umständen des Falles unbeachtlich.

13

Für die begehrte Feststellung steht dem Antragsteller ein fortwährendes Rechtsschutzinteresse zur Seite. Denn der tatsächliche Vorgang, der den Mitbestimmungsstreit ausgelöst hat, ist noch nicht abgeschlossen; die Verwaltungsangestellte O. nimmt weiterhin die ihr übertragene (höherwertige) Tätigkeit als Sachbearbeiterin wahr und ist nach wie vor tariflich in die VergGr. VI b BAT eingruppiert. Unter diesen Umständen hat sich der Mitbestimmungsstreit (noch) nicht erledigt, weil die begehrte Feststellung noch rechtliche Auswirkungen haben kann (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 10.1.1991 - BVerwG 6 P 14.88 - DVBl. 1991, 707 = PersR 1991, 137).

14

Bei der sonach zu treffenden Sachentscheidung zu der Frage, ob der Beteiligte bei der Eingruppierung von Frau O. das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat, ist auf die Vorschriften des Nds. PersVG i.d.F. vom 8. August 1985 (GVBl. S. 261), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Juni 1993 (GVBl. S. 137). - Nds. PersVG 1985 - abzustellen. Denn nach der Übergangsvorschrift des § 121 Abs. 1 der Nds. PersVG vom 2. März 1994 (GVBl. S. 95) - Nds. PersVG 1994 - sind Beteiligungsverfahren, die - wie hier - bei Inkrafttreten dieses Gesetzes schon eingeleitet waren, nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führen; nach Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift gilt dies auch für gerichtliche Verfahren, soweit sie noch nicht abgeschlossene Vorgänge betreffen.

15

Nach dem einschlägigen Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 2 Nr. 3 Nds. PersVG 1985 (Mitbestimmung u.a. bei der "Höhergruppierung" von Angestellten) war der Antragsteller entgegen der vom Verwaltungsgericht bestätigten Auffassung des Beteiligten befugt, einerseits der Übertragung der höherwertigen Aufgaben als Sachbearbeiterin im Immatrikulationsamt an die bisher als Sekretärin eingesetzte Verwaltungsangestellte O. zuzustimmen, andererseits aber der in Aussicht genommenen Höhergruppierung von VergGr. VII nach VergGr. VI b BAT mit der Begründung zu widersprechen, tarifgerecht müsse nach dem neuen Aufgabenbereich eine Einstufung in die VergGr. V c BAT erfolgen. Die genannte partielle Zustimmungsverweigerung hätte der Beteiligte zum Anlaß für die Einleitung eines Einigungsverfahrens nehmen müssen und nicht mit der Begründung, die vom Antragsteller angeführten Weigerungsgründe lägen offensichtlich außerhalb des Rahmens der Mitbestimmung, als unbeachtlich ansehen dürfen.

16

Die gegenteilige Ansicht des Beteiligten und der Fachkammer beruht auf der tragenden Erwägung, der in Rede stehende Zustimmungsantrag habe sich auf nur eine mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahme bezogen ("Höhergruppierung ... durch Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ..."), so daß der Antragsteller seine Stellungnahme nicht habe "aufsplitten" können. Dieser Ausgangspunkt trifft indessen nicht zu. Denn im Rahmen der Höhergruppierung aus Anlaß der Zuteilung eines höherwertigen Arbeitsplatzes sind - wie im Falle der Einstellung von Angestellten und Arbeitern und der damit verbundenen Eingruppierung (vgl. in diesem Sinne ausdrücklich § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG 1985) - zwei voneinander zu trennende Personalmaßnahmen zu unterscheiden, nämlich die Übertragung der höher zu bewertenden Tätigkeit sowie die tarifliche Zuordnung der Tätigkeit, die beide der Mitbestimmung des Personalrats unterliegen. Zwar nennt § 78 Abs. 2 Nr. 3 Nds. PersVG seinem Wortlaut nach als Mitbestimmungstatbestand nur die "Höhergruppierung". Mit Blick auf den Sinn der Beteiligungsregelung war in Fällen der vorliegenden Art - wie in der Rechtsprechung wiederholt für vergleichbare Vorschriften entschieden worden ist - jedoch auch unter Geltung des Nds. PersVG 1985 bereits die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit als der für den Wechsel der Vergütungs- oder Lohngruppe entscheidende Vorgang der Mitbestimmung unterworfen (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, Nds. PersVG 1985, RdNr. 74 m.w.N.; Engelhardt. Nds. PersVG, 3. Aufl., RdNr. 49 zu § 78; vgl. in diesem Sinne klarstellend auch den Mitbestimmungskatalog des § 65 Abs. 2 des Nds. PersVG 1994, der neben der Höhergruppierung (Nr. 2) in Nr. 3 nunmehr ausdrücklich auch die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit aufführt). Die ihrem rechtlichen Gehalt nach mit der Eingruppierung vergleichbare Höhergruppierung verliert auch nicht etwa ihre Bedeutung als selbständige mitbestimmungspflichtige Maßnahme aufgrund der Tarifautomatik, der zufolge die Zuordnung zu der "richtigen" Vergütungsgruppe allein durch die übertragene Tätigkeit bestimmt wird und die (höhere) Eingruppierung mithin nicht von einer zusätzlichen rechtsgschäftlichen Maßnahme der Dienststelle abhängt. Insoweit ist es zwar richtig, daß die formelle Höhergruppierung - ebenso wie die Eingruppierung - neben der Übertragung der auszuübenden Tätigkeit keine (weitere) nach außen wirkende Maßnahme im Sinne eines Gestaltungsakts ist, sondern als bloße Kundgabe des bei der Anwendung der tarifrechtlichen Vorgaben gefundenen Ergebnisses nur einen deklaratorischen Akt darstellt. Gleichwohl besteht auch an diesem rein normvollziehenden Akt ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Das wird deutlich am Beispiel sog. isolierter Höhergruppierungen, die ohne Änderung des Tätigkeitsbereichs des Bediensteten erfolgen. Auch in diesen Fällen (z.B. der korrigierenden Höhergruppierung, des sog. Hineinwachsens u.s.w.) besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Mitbestimmungsrecht, dessen Sinn in einer zusätzlichen Richtigkeitskontrolle der tariflichen Zuordnung durch eine Mitbeurteilung seitens der Personalvertretung liegt (vgl. grundlegend BVerwG, Beschluß vom 3.6.1977 - BVerwG VII P 8.75 - BVerwGE 54, 92, 97 [BVerwG 03.06.1977 - VII P 8/75]; Dembowski/Lädwig/Sellmann, a.a.O., RdNr. 81 ff. m.w.N.). Dieses selbständige Mitbeurteilungsrecht entfällt nicht allein deswegen, weil bei einer Veränderung des Tätigkeitsbereiches in der Regel - und so auch hier - die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit und die Höhergruppierung in einem Akt zusammenfallen. Im Einklang hiermit ist etwa auch anerkannt, daß das Mitbestimmungsrecht an dem formellen Akt der Höhergruppierung nicht durch eine Beteiligung der Personalvertretung an einer im Ausnahmefall zeitlich vorausgegangenen Übertragung der höher zu bewertenden Tätigkeit konsumiert wird (vgl. Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, RdNr. 24 zu § 75 BPersVG; Dembowski/Ladwig/Sellmann. a.a.O., RdNr. 83 zu § 78).

17

Da sich hiernach der Zustimmungsantrag des Beteiligten auf zwei mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahmen bezog, war der Antragsteller entgegen der Ansicht des Beteiligten und des Verwaltungsgerichts befugt, seine Zustimmung zur Übertragung der Aufgaben einer Sachbearbeiterin im Immatrikulationsamt zu erteilen, der in Aussicht genommenen Höhergruppierung aber zu widersprechen (vgl. für den Parallelfall der Einstellung und der damit verbundenen erstmaligen Eingruppierung Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., RdNr. 71 zu § 78 m.w.N.). Das gilt um so mehr, als das Bundesverwaltungsgericht eine großzügige Auffassung zur Möglichkeit eines "Splittings" der Zustimmung im Rahmen der Höhergruppierung vertritt (vgl. zum Splitting in zeitlicher Hinsicht Beschluß vom 6.10.1992 - BVerwG 6 P 22.90 - PersR 1993, 74). Durch die Nichteinleitung des Einigungsverfahrens bezüglich der tariflichen Eingruppierung hat der Beteiligte mithin das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt. Da

18

Da die Beschwerde mit dem Hauptantrag Erfolg hat, ist über den Hilfsantrag des Antragstellers nicht mehr zu befinden.

19

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.

Dr. Dembowski,
Schwermer,
Dr. Uffhausen,
Grevecke,
Bajog