Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.1994, Az.: 15 K 8213/91

Ausführungsanordnung; Flurbereinigungsverfahren; Abfindung; Grünlandabfindung; Flurbereinigungsplan

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.11.1994
Aktenzeichen
15 K 8213/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 14053
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:1128.15K8213.91.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 24.04.1995 - AZ: BVerwG 11 B 22.95
BVerwG - 16.08.1995 - AZ: BVerwG 11 C 2.95

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Zur Abgeltung der dem Gericht entstandenen baren Auslagen wird gegen den Kläger ein Pauschsatz in Höhe von 300,-- DM festgesetzt. Daneben wird eine Gerichtsgebühr nach einem Streitwert von 6.000,-- DM erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

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I.

Der Kläger wendet sich gegen die Ausführungsanordnung des Beklagten vom 1. Februar 1991.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes in einer Größe von etwa 95 ha und mit 6,6345 ha und 127,83 Werteinheiten (WE), bestehend aus 5,0804 ha Grünland mit 104,87 WE und 1,5541 ha Holzung mit 22,96 WE an dem Vereinfachten Flurbereinigungsverfahren ... beteiligt. Durch den am 20. Dezember 1988 vorgelegten Flurbereinigungsplan wurden dem Kläger vom Beklagten für seinen Altbesitz in 5 Flurstücken nach einem 3 %igen Landabzug für gemeinschaftliche Anlagen im Neubesitz 6,2077 ha und 124 WE, bestehend aus 4,3559 ha Grünland mit 77,03 WE, 0,4417 ha Ödland mit 4,421 WE und 1,4101 ha Holzung mit 20,55 WE, in 2 Flurstücken zugeteilt.

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Gegen seine Abfindung durch den Flurbereinigungsplan legte der Kläger Widerspruch ein, über den er am 24. Januar 1989 mit den Vertretern des Beklagten mit folgendem Ergebnis

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... außerdem soll an diesem Flurstück die Dränung in der Art überholt werden, daß die Dränstränge später in einem Abstand von 5,0 m verlegt sind, damit soll die Entwässerung der Grünlandabfindung gesichert sein.

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Herr ... erklärt: Wenn, wie vorgeschrieben, verfahren und die Entwässerung gesichert ist, sehe ich meinen Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan als erledigt an.

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verhandelte. Entsprechend dem Verhandlungsergebnis wurde die Dränage im Jahre 1990 mit Kosten in Höhe von 5.844,21 DM, an denen sich der Kläger mit 30 % beteiligte, ergänzt.

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Am 1. Februar 1991 ordnete der Beklagte die Ausführung des Flurbereinigungsplanes nach § 61 FlurbG mit Wirkung zum 15. Februar 1991 an. Gegen die Ausführungsanordnung legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, daß die durchgeführten Bodenverbesserungen bisher nicht die gewünschte Wirkung gezeigt hätten.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 1991 wies die Bezirksregierung ... den Widerspruch des Klägers gegen die Ausführungsanordnung des Beklagten zurück und führte zur Begründung aus: Die Ausführungsanordnung des Beklagten sei rechtmäßig. Die Ausführung des Flurbereinigungsplanes könne nach § 61 FlurbG angeordnet werden, wenn der Flurbereinigungsplan unanfechtbar sei. Das sei hier der Fall. Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan und den Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan seien nicht mehr anhängig. Der Widerspruch des Klägers gegen die durchgeführte Dränage sei unbegründet. Bei der Ortsbesichtigung seien Mängel nicht festgestellt worden. Eine ordnungsgemäße Entwässerung der dem Kläger zugeteilten Grünlandfläche sei durch die Dränage gewährleistet. Zwar werde im östlichen Randgebiet des Flurstücks eine Ackernutzung durch Vernässung erschwert. Der Kläger könne aber nicht eine Entwässerung verlangen, die ihm eine Ackernutzung des ihm als Grünland zugeteilten Neubesitzes erlaube. Im übrigen sei ihm vom Landkreis ... auferlegt worden, daß er eine Aufforstung auf dem Flurstück ... Flur ... durchführe. Durch eine Aufforstung der vernäßten Teilfläche könne der Nachteil ausgeglichen werden.

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Der Kläger hat am 17. September 1991 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Ausführungsanordnung des Beklagten sei rechtswidrig. Er habe die Ausführung des Flurbereinigungsplanes nicht anordnen können, weil dieser nicht unanfechtbar gewesen sei. Sein Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan habe sich nicht erledigt. Er habe die Rücknahme seines Widerspruchs nicht nur von der Verlegung weiterer Dränstränge in einem Abstand von 5 m abhängig gemacht, sondern seinen Widerspruch nur als erledigt angesehen, wenn darüber hinaus die Entwässerung seines Flurstücks ... gesichert sei. Das sei bisher nicht geschehen. Obwohl nach seiner Kenntnis das gesamte Flurstück ... nachdräniert worden sei, sei die Entwässerung des Grundstücks nicht gesichert. Auf dem Flurstück seien Vernässungen, insbesondere im östlichen Randgebiet, vorhanden. Die durchgeführte Dränung durch die Verlegung von Saugern in einem Abstand von 5 m und deren Anschluß an einen Sammler sei fachtechnisch ungeeignet, um auf längere Sicht eine Entwässerung des Moorbodens zu gewährleisten. Es hätten Dränstränge mit einzelnen, jeweils von einem Entwässerungsgraben aus spülbaren Rohren verlegt werden müssen. Der Moorboden neige dazu, die verlegten Sauger zuzusetzen und ihre Spülung sei praktisch nicht möglich. Seinen als Grünland bewerteten Altbesitz habe er ohne weiteres als Ackerland nutzen können. Vernässungen auf seinem Altbesitz seien nicht vorhanden gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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die Ausführungsanordnung des Beklagten vom 1. Februar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung ... vom 2. September 1991 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Er habe die Ausführungsanordnung erlassen können, weil der Flurbereinigungsplan und der Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan unanfechtbar gewesen seien. Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan und den Nachtrag seien nicht mehr anhängig gewesen. Der Widerspruch des Klägers gegen seine Abfindung durch den Flurbereinigungsplan habe sich mit der Verlegung der Dränstränge in einem Abstand von 5 m erledigt. Bei dem ihm zugewiesenen Flurstück ... handele es sich um Grünland. Das Grundstück sei in vollem Umfang als Grünland nutzbar. Das Grundstück sei am 15. und 11. Oktober 1991 sowie am 25. September 1992 örtlich besichtigt worden. Der überwiegende Teil des Grundstücks sei mit Mais bestellt gewesen, der keine Nässeschäden gezeigt habe. Nur eine nördliche 0,9 ha große Teilfläche des Grundstücks habe eine schlechten Pflegezustand aufgewiesen. Die Ausläufe der Sammler hätten einwandfrei funktioniert.

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Die Beigeladene äußerte sich zur Sache; einen eigenen Antrag stellte sie nicht.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung ... Bezug genommen. Diese waren in ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

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II.

Die nach § 140 des Flurbereinigungsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 546), jetzt geltend i.d.F. des Gesetzes vom 23. August 1994 (BGBl. I S. 2187) - FlurbG - zulässige Klage hat keinen Erfolg.

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Die Anordnung des Beklagten vom 1. Februar 1991 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ... vom 2. September 1991 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 138 Abs. 1 FlurbG iVm § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Als Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung des Beklagten vom 1. Februar 1991 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ... vom 2. September 1991 kommt § 61 FlurbG in Betracht. Nach dieser Vorschrift ordnet der Beklagte die Ausführung des Flurbereinigungsplanes mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, wie dem Eigentumsübergang an den neuen Grundstücken außerhalb des Grundbuches, an, wenn dieser unanfechtbar geworden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Rechtsmittel gegen den am 20. Dezember 1988 vorgelegten Flurbereinigungsplan und den am 11. Oktober 1990 bekanntgegebenen Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan sind nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beklagten nicht mehr anhängig, so daß der Flurbereinigungsplan und die darin getroffenen Regelungen unanfechtbar sind.

20

Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich sein Widerspruch gegen seine Abfindung durch den Flurbereinigungsplan erledigt. Das Flurbereinigungsgesetz und die Verwaltungsgerichtsordnung regeln die Zurücknahme eines Widerspruchs nicht. Gleichwohl besteht kein Zweifel, daß das Widerspruchsverfahren außer durch Entscheidung über den Widerspruch, auch durch Rücknahme des Widerspruchs beendet werden kann (Kopp, VwGO (Komm.), 9. Aufl., § 69 RdNr. 8 m.Hinw. auf Rspr. und Schrifttum). Ob darüber hinaus die Rücknahme eines Widerspruches auch von einer Bedingung abhängig gemacht werden kann, ist, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher nicht ausdrücklich geklärt worden. Im Urteil vom 21. März 1979 (- 6 C 10/78 - NJW 1980, 135) hat das Bundesverwaltungsgericht zwar ausgeführt, daß die für das Verwaltungsprozeßrecht anerkannten Grundsätze auch auf das verwaltungsgerichtliche Vorverfahren zu übertragen sind mit der Folge, daß die Rücknahme eines Widerspruchs nicht wegen Willensmängel angefochten werden kann, um im Interesse der Rechtssicherheit jeden Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit von Prozeßhandlungen auszuschließen. Der Senat hat jedoch unter bestimmten Voraussetzungen gegen die Zulässigkeit einer Bedingung im Zusammenhang mit der Rücknahme eines Widerspruchs keine rechtlichen Bedenken. Der Teilnehmer an einem Flurbereinigungsverfahren wird seinen Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan nicht ohne Grund, sondern regelmäßig nur dann zurücknehmen, wenn ihm von der Flurbereinigungsbehörde die aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung einer wertgleichen Abfindung zugesichert oder diese durchgeführt werden. In einem solchen Fall besteht für den Widerspruchsführer die Möglichkeit, seinen Widerspruch (unbedingt) zurückzunehmen und notfalls auf die Durchführung der zugesicherten Maßnahme oder den Erlaß des zugesagten Verwaltungsaktes zu klagen, oder die Rücknahme seines Widerspruchs und damit dessen Erledigung von der Durchführung der zugesicherten Maßnamen oder dem Erlaß des Verwaltungsaktes abhängig zu machen. Derartige Vereinbarungen im Rahmen eines anhängigen Widerspruchsverfahrens entsprechen nicht nur einem praktischen Bedürfnis bei der Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens, sondern unterliegen als außergerichtlicher Vergleich keinen rechtlichen Bedenken, wenn die vereinbarte Bedingung bzw. deren Eintritt sich hinreichend sicher feststellen läßt. Darauf wird der Beklagte bei zukünftigen Vereinbarungen im Interesse einer eindeutigen Feststellung der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes und des Rechtsfriedens zu achten haben.

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Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG hat die Flurbereinigungsbehörde begründeten Widersprüchen abzuhelfen. In welcher Weise das zu geschehen hat, regelt das Flurbereinigungsgesetz nicht. Nicht zu beanstanden ist daher, wenn sich die Flurbereinigungsbehörde im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Erledigung eines Widerspruchs zur Durchführung bestimmter Maßnahmen oder zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsaktes bereit erklärt. Derartige öffentlich-rechtliche Verträge sind zulässig, soweit die den Vertrag abschließende Behörde über den Vertragsgegenstand verfügen kann. Im Rahmen eines Verwaltungsvorverfahrens haben derartige Verträge zugleich den Charakter eines Verfahrensbeendigungsvertrages mit der Folge, daß die weitere Verfolgung eines Widerspruchs unzulässig ist, wenn die vereinbarte Bedingung eingetreten ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 26./27. 10. 1971 - 3 C 92/70 - RdL 1972, 150; Urt. v. 27./28. 8. 1969 - 3 C 130/68 - RdL 1970, 51). Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, daß die Beteiligten die Rücknahme des Widerspruchs von einer gesicherten Entwässerung seiner Abfindung als Grünland abhängig gemacht haben. Diese Sicherung der Entwässerung seiner Grünlandabfindung haben er und die Vertreter des Beklagten in der Verhandlung am 24. Januar 1989 aber nach dem ebenfalls übereinstimmend erklärten Willen als gegeben angesehen, wenn die Dränstränge auf dem streitigen Grundstück später in einem Abstand von 5 m verlegt worden sind. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der Vereinbarung. In der Vereinbarung heißt es u.a.:

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... die Dränung in der Art überholt werden, daß die Dränstränge später in einem Abstand von 5,0 m verlegt sind, damit (Anm. d. Senats: also mit der Verlegung der Dränsträge) soll die Entwässerung der Grünlandabfindung gesichert sein.

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Diese Voraussetzungen für den Eintritt des den Widerspruch des Klägers gegen seine Abfindung erledigenden Ereignisses sind unstreitig erfüllt. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beklagten ist die Dränage entsprechend den Erklärungen der Beteiligten in der Verhandlung am 24. Januar 1989 ergänzt worden. Die Auffassung des Klägers, daß er seinen Widerspruch gegen seine Abfindung nur für den Fall zurückgenommen hat, daß ihm die verlegte Dränage auch eine gesicherte Ackernutzung seines Neubesitzes gewährleisten muß, findet in der Verhandlung vom 24. Januar 1989 keine Stütze.

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Nach alledem kann die Klage keinen Erfolg haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 147, 138 FlurbG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Senat nicht für erstattungsfähig erklärt, weil Gründe der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO nicht ersichtlich sind, die es gebieten, diese der unterliegenden Partei aufzuerlegen.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG.

28

Die Revision kann nicht zugelassen werden, weil dafür die Voraussetzungen nach § 131 Abs. 1 FlurbG iVm § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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Dr. Berkenbusch

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Meyer-Lang