Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.11.1994, Az.: 18 L 4994/94

Mitbestimmungspflichtigkeit der Auflösung von Sozialeinrichtungen; Erledigung einer Zustimmungsverweigerung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.11.1994
Aktenzeichen
18 L 4994/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 18708
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:1121.18L4994.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 28.06.1994 - AZ: 12 A 7/94

Verfahrensgegenstand

Personalvertretungsrecht der Länder - Zustimmungsverweigerung -

In dem Rechtsstreit
hat der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
am 21. November 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer und Dr. Uffhausen
sowie die ehrenamtlichen Richter Bajog und Grevecke
ohne mündliche Anhörung
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 28. Juni 1994 geändert.

Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung der Beachtlichkeit einer Zustimmungsverweigerung.

2

Mit Schreiben vom 28.12.1993 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zur Kündigung der drei Mitarbeiterinnen der beiden Kantinen des Landkreises in der ... straße und ... mit der Begründung, die Kantinen müßten wegen der Halbierung des Zuschusses im Haushaltsplan 1994 auf 45.000,- DM zum 1. Juli 1994 geschlossen werden. Am 11. Januar 1994 verweigerte der Antragsteller seine Zustimmung, da es bisher an einer seiner Mitbestimmung unterliegenden Entscheidung über die Schließung der Kantinen als Grundlage der Kündigungen fehle. Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 bat der Beteiligte den Antragsteller dann, der Schließung der Kantinen zum 1. Juli 1994 zuzustimmen. Der Antragsteller verweigerte am 1. Februar 1994 aus rechtlichen, formalen und sozialen Gründen seine Zustimmung, wobei er vor allem bemängelte, daß es zunächst eines Auflösungsbeschlusses des Kreistages bedurft hätte. Nachdem der Kreisausschuß am 18. Februar 1994 die Schließung der Kantinen spätestens zum 30. Juni 1994 beschlossen hatte, unterrichtete der Beteiligte den Antragsteller mit Schreiben vom 1. März 1994 davon und teilte gleichzeitig mit, daß er die Zustimmungsverweigerung als unbeachtlich ansehe und nunmehr nach Ablauf der Vierzehn-Tage-Frist die Zustimmung nach § 72 Abs. 2 Satz 6 Nds.PersVG eingetreten sei. Die vorgebrachten Verweigerungsgründe seien personalvertretungsrechtlich unbeachtlich, da die Mitbestimmung an einer Sozialeinrichtung nur innerhalb des von der Dienststelle zur Verfügung gestellten finanziellen Dotierungsrahmens bestehe.

3

Der Antragsteller hat daraufhin am 24. März 1994 das Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht: Die Kürzung der Zuschußmittel mache deutlich, daß der Kreistag nicht etwa eine Schließung des Kantinenbetriebes habe durchsetzen wollen, sondern eine Beibehaltung mit reduziertem Zuschuß - Fortführung in eingeschränkter Form - beabsichtigt sei. Die Durchsetzung dieses Willens des Kreistages sei auf verschiedene Weise denkbar, etwa durch Einschränkung von zwei Kantinenstätten auf eine oder durch Einschränkung des Angebotes in den Kantinen. Da haushaltsrechtlich durchaus noch finanzielle Deckungsmittel zur Verfügung ständen, sei die Auflösung von Sozialeinrichtungen als Willensakt des Dienststellenleiters mitbestimmungspflichtig.

4

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß die begründete Zustimmungsverweigerung vom 1.2.1994 zur Vorlage vom 18.1.1994 als beachtlich anzusehen ist.

5

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

6

und vorgetragen: Aufgrund der Kürzung der Mittel für das Jahr 1994 um die Hälfte und der vollständigen Streichung in zukünftigen Haushaltsjahren bestehe keine Möglichkeit, den Kantinenbetrieb ganz oder teilweise auf Kosten des Landkreises weiterzuführen. Die Begründung, es bestehe ein durch eine Unterschriftensammlung dokumentierter Bedarf an der Fortführung der Kantinen, könne mangels vorhandener Dotierung keine Bedeutung haben. Der Auflösungsbeschluß sei vom Kreisausschuß am 18. Februar 1994 nachgeholt worden. Den Kantinenbediensteten sei die Weiterführung der Kantinen auf Pachtbasis angeboten worden, um den Kantinenbetrieb in anderer Form aufrechtzuerhalten. Von diesem Angebot sei jedoch aufgrund fehlender Rentabilität Abstand genommen worden.

7

Während des erstinstanzlichen Verfahrens sind die beiden Kantinen am 1. April bzw. am 4. Mai 1994 geschlossen und die drei dort beschäftigten Mitarbeiterinnen mit ihrer Zustimmung auf andere Arbeitsplätze in der Verwaltung des Landkreises eingesetzt worden.

8

Mit Beschluß vom 28. Juni 1994 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

9

Die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers sei beachtlich. Denn diese Weigerung beruhe auf Gründen, die innerhalb eines Mitbestimmungstatbestandes lägen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.7.1979 - 6 P 38.78 -, PersV 1981, 162; Spohn/Bieler/Müller-Fritzsche, Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz, 5. Aufl., § 72 Rdnr. 7 m.w.N.). Für den Antragsteller besteht gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 6 NdsPersVG hinsichtlich der hier in Frage stehenden Auflösung zweier Sozialeinrichtungen - Kantinen - unstreitig ein Mitbestimmungsrecht. Zwar würden vom Niedersächsischen Personalvertretungsgesetz - im Gegensatz zum BPersVG (§ 77 Abs. 2) - nicht im einzelnen die Gründe genannt, aus denen heraus die Personalvertretung berechtigt sei, die Zustimmung zu verweigern. Gleichwohl sei der Personalrat in der Auswahl seiner Ablehnungsgründe nicht frei und unbeschränkt. Deshalb müsse das Vorbringen des Personalrates es als möglich erscheinen lassen, daß seine Begründung innerhalb eines Mitbestimmungstatbestandes liege. Nur in einem solchen Fall sei die Verweigerung der Zustimmung beachtlich und zwinge die Dienststelle, das Einigungsverfahren einzuleiten. Das sei in seinem Schreiben vom 1. Februar 1994 der Fall; der Antragsteller habe einen Gesetzesverstoß gerügt. Ob nach der Heilung dieses Verstoßes - Nachholung des Auflösungsbeschlusses am 18. Februar 1994 durch den Kreisausschuß - noch ein Einigungsverfahren einzuleiten gewesen sei oder ob der Beteiligte den Antragsteller erneut um seine Zustimmung hätte bitten müssen (§ 72 Abs. 2 Satz 1 NdsPersVG), bedürfe ebensowenig der abschließenden Beurteilung wie die vom Beteiligten aufgeworfene Frage, ob die Verweigerung der Zustimmung deshalb unbeachtlich sei, weil der Antragsteller Gründe vorgebracht habe, die außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes lägen.

10

Gegen den ihm am 20. Juli 1994 zugestellten Beschluß richtet sich die am 18. August 1994 eingelegte und am 19. (Montag) September 1994 begründete Beschwerde des Beteiligten, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und ergänzend geltend macht, für das Begehren des Antragstellers habe bereits im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses das erforderliche Feststellungsinteresse gefehlt.

11

Der Beteiligte beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

12

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

15

Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

16

II.

Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 87 Abs. 2 ArbGG ohne mündliche Anhörung entschieden werden kann, hat Erfolg. Der Antrag des Antragstellers ist abzulehnen, weil ihm bereits im Zeitpunkt der Anhörung vor dem Verwaltungsgericht das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlte.

17

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers vom 1. Februar 1994 hinreichend begründet war und deshalb nicht die Zustimmungsfiktion des § 72 Abs. 2 Satz 6 NdsPersVG auslöste, hat sich dadurch erledigt, daß die beiden Kantinen tatsächlich am 1. April bzw. am 4. Mai 1994 geschlossen, die drei dort beschäftigten Mitarbeiterinnen mit ihrer Zustimmung auf andere Arbeitsplätze umgesetzt worden sind und zum 1. April 1994 ein neues Nds.PersVG in Kraft getreten ist. Eine mehr als nur geringfügige Wahrscheinlichkeit dafür, daß Sich die strittige Rechtsfrage zwischen den Beteiligten auch künftig erneut stellen wird, besteht danach nicht mehr. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist bei einer Zustimmungsverweigerung ohnehin sehr gering, weil es sich dabei in aller Regel um einen konkreten, individuellen Vorgang handelt, dessen Begründung auf diesen Einzelfall abhebt. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nicht schon im Hinblick auf die theoretische Möglichkeit bejaht werden, daß der Kreisausschuß in Zukunft einmal die Neueröffnung einer Kantine beschließen und der Kreistag Haushaltsmittel für sie bereitstellen könnte. Selbst wenn das aber der Fall sein sollte, würden sich das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers an einer solchen Kantine ebenso wie die Frage der Beachtlichkeit einer Zustimmungsverweigerung künftig nicht mehr nach den hier noch anwendbaren §§ 75 Abs. 1 Nr. 6, 72 Abs. 2 Satz 6 des zum 1. April 1994 außer Kraft getretenen Nds. PersVG a. F. richten, sondern nach den einschlägigen Vorschriften der neuen Nds.PersVG vom 2. März 1994 (Nieders GVBl. S. 95). Eine weitere Klärung des außer Kraft getretenen alten Gesetzes wäre für die künftigen Rechtsbeziehungen der Beteiligten deshalb ohne Bedeutung.

18

Auf die Beschwerde des Beteiligten war danach der Antrag des Antragstellers unter Änderung des angefochtenen Beschlusses abzulehnen.

19

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski,
Schwermer,
Dr. Uffhausen,
Bajog,
Grevecke