Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.11.1994, Az.: 12 L 6139/93
Zulassung; Luftfahrzeug; Lufttüchtigkeitszeugnis; Zulassung eines Flugzeugs; Lärmzeugnis
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.11.1994
- Aktenzeichen
- 12 L 6139/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 13965
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1994:1114.12L6139.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 29.09.1993 - AZ: 10 A 10445/92
- nachfolgend
- BVerwG - 30.08.1995 - AZ: BVerwG 11 B 15.95
- BVerwG - 25.09.1996 - AZ: BVerwG 11 C 11.95
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 10. Kammer - vom 29. September 1993 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin erwarb im Jahre 1992 ein im Jahre 1974 im dem Königreich Dänemark zugelassene Flugzeug (der Marke Piper PA 28 - 140, Werks-Nr.: ...).
Mit Schreiben vom 30. Juli 1992 beantragte die Klägerin, ohne dem Antrag weitere Unterlagen beizufügen, das Flugzeug zuzulassen sowie ihm ein Kennzeichen zuzuerteilen. Mit Schreiben vom 12. August 1992 teilte das Luftfahrt-Bundesamt mit, es sei ein Kennzeichen vorgemerkt, auf diesem Schreiben setzte es handschriftlich hinzu: "PS: Beachten Sie bitte, daß das LFZ aus Lärmschutzgründen keine Verkehrszulassung erhält". Die Klägerin legte "Widerspruch" ein und führte aus, das Flugzeug müsse zugelassen werden, weil es bereits in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft zugelassen sei, in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenes Luftfahrtgerät, das die festgelegten Lärmgrenzwerte nicht mehr einhalte, die Zulassung nicht verliere und die Festlegung der Grenzwerte in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sei; es seien nicht absolute Werte festgesetzt worden, sondern relative Werte, die von dem maximalen Abfluggewicht des Luftfahrtgerätes abhingen.
Mit Bescheid vom 12. November 1992 wies das Luftfahrt-Bundesamt den "Widerspruch" zurück und führte zur Begründung aus, das europäische Recht schreibe zu den Lärmwerten nur Mindestanforderungen vor, das nationale Recht dürfe strengere Regeln schaffen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. September 1993 den Widerspruchsbescheid vom 12. November 1992 aufgehoben und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die begehrte Verkehrszulassung scheitere schon deshalb, weil die Klägerin bisher einen Antrag nicht gestellt habe. Das Schreiben vom 30. Juli 1992 enthalte nicht die für einen Zulassungsantrag erforderlichen Angaben, so daß es nur als Antrag auf Vormerkung eines Kennzeichens zu werten sei. Der handschriftliche Vermerk auf dem Schreiben vom 12. August 1992 enthalte keine Regelung, so daß insoweit ein Verwaltungsakt nicht ergangen sei, es handele sich nur um einen Hinweis. Dieser Hinweis erhalte auch nicht dadurch die Qualität eines Verwaltungsaktes, daß das Luftfahrt-Bundesamt zu diesem Hinweis einen Widerspruchsbescheid erlassen habe. Fehle nämlich ein Ausgangsbescheid, so werde das Widerspruchsverfahren gegenstandslos. Wegen des von dem Luftfahrt-Bundesamt fehlerhaft gesetzten Rechtsscheines müsse aber der Widerspruchsbescheid aufgehoben werden.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend: Sie begehre eine Vorabentscheidung darüber, ob das von ihr erworbene Flugzeug im Hinblick auf das Ausmaß des durch den Betrieb des Luftfahrzeugs entstehenden Geräusches durch Erteilung eines Lufttüchtigkeitszeugnisses zum Verkehr zugelassen werden könne. Auch wenn eine solche Vorabentscheidung in den luftverkehrsrechtlichen Bestimmungen nicht ausdrücklich angesprochen sei, müsse eine solche Entscheidung getroffen werden, weil es einem Antragsteller nicht zuzumuten sei, mit hohem Aufwand die im Luftverkehrsrecht geforderten Einzelnachweise über die Lufttüchtigkeit eines Fahrzeuges zu führen, wenn bereits abzusehen sei, daß das Luftfahrt-Bundesamt den Antrag für nicht genehmigungsfähig halte. Ein Vorverfahren sei durchgeführt worden, das Luftfahrt-Bundesamt habe das Begehren abgelehnt, weil der Vermerk in dem Schreiben vom 12. August 1992 als Bescheid zu werten sei. Auch in der Sache sei ihr der Erfolg nicht zu versagen. Aufgrund der Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1979 zur Verringerung der Schallimmissionen von Unterschalluftfahrzeugen (80/51/EWG) i.d.F. der Richtlinie des Rates vom 21. April 1983 zur Änderung der Richtlinie 80/51/EWG zur Verringerung der Schallemissionen von Unterschalluftfahrzeugen (83/206/EWG) sei die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ein in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft zugelassenes Flugzeug auch im Geltungsbereich des Luftverkehrsgesetzes zuzulassen (sofern die Zulassung in dem anderen Mitgliedsstaat gelöscht werde). Insoweit greife der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes durch, zumal auch in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Flugzeuge, die nunmehr die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Lärmgrenzwerte nicht mehr einhielten, für den Luftverkehr zugelassen blieben. Die Lärmschutzanforderungen für Luftfahrzeuge seien auch deshalb nicht zu beachten, weil sie mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren seien. Die Grenzwerte seien nämlich nicht nach absoluten Werten bemessen, sondern stellten auf relative Grenzwerte ab, die nach dem maximalen Abfluggewicht bestimmt würden. Deshalb würden Luftfahrzeuge zum Verkehr zugelassen, die mehr Lärm verursachen als andere (Fahrzeuge mit geringerem Startgewicht), deren Betrieb geräuscharm sei.
Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise zu ändern und die Verfügung des Luftfahrt-Bundesamtes in dem Schreiben vom 12. August 1992 über die Zulassung des Flugzeugs PA 28-140, Werks-Nr.: ..., Motor Lyc O 320-E 3 D, Propeller Sensenich 74 DM 6-0-58 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Vorabentscheidung darüber zu treffen, daß das Flugzeug im Hinblick auf die durch seinen Betrieb entstehenden Geräusche in der Bundesrepublik Deutschland zum Verkehr zugelassen werden könne.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichtes.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. (Sie ist indessen unbeschadet der Einordnung des Zusatzes in dem Schreiben vom 12. August 1992 gemäß § 75 VwGO zulässig).
Der Antrag der Klägerin vom 30. Juli 1992, der nach dem § 2 LuftVG i.V.m. §§ 8, 10 LuftVZO zu beurteilen ist, könnte schon deshalb nicht zu der begehrten Zulassung führen, weil dieser Antrag unvollständig ist und das geltende Recht die von der Klägerin begehrte Vorabentscheidung nicht vorsieht. Diese Frage aber kann der Senat - siehe unten - letztlich offenlassen, da das Luftfahrzeug nicht zum Verkehr zugelassen werden darf. Es verursacht bei seinem Betrieb nämlich Geräusche, die das nach dem Stand der Technik vermeidbare Maß übersteigen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes hat die Klägerin indessen beantragt, das Flugzeug durch Erteilung eines Lufttüchtigkeitszeugnisses zum Verkehr zuzulassen. Insoweit ist der Antrag vom 30. Juli 1992, der am 31. Juli 1992 bei dem Luftfahrt-Bundesamt eingegangen ist, eindeutig und der vom Verwaltungsgericht gefundenen Auslegung nicht zugänglich. Es heißt nämlich in dem Antrag "Wir beantragen die Zulassung des Flugzeugs und erbitten die Zuteilung eines Kennzeichens". Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht angenommen, der Antrag enthalte in Wirklichkeit nur die Bitte, ein Kennzeichen zuzuteilen; eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut des Antrages, an dem jede Auslegung ihre Grenze findet, nicht zu vereinbaren und verfälscht das Begehren der Klägerin.
Wie auch die Klägerin - nunmehr - erkennt, ist der von ihr so gestellte Antrag aber nicht in einem solchen Sinne vollständig, daß er eine Verkehrzulassung erlaubte. § 8 LuftVZO, der insoweit seine Rechtsgrundlage in § 2 LuftVG findet, verlangt eine Vielzahl von Einzelheiten, die ein - vollständiger - Antrag enthalten muß, alle diese Voraussetzungen erfüllt der Antrag der Klägerin nicht (§ 8 Abs. 2 LuftVZO).
Eine Vorabentscheidung sieht das Luftverkehrsrecht nicht vor. Auch ist nach dem geltenden Recht der Verwaltung nicht ein Verfahrensgestaltungsspielraum eingeräumt, der es ihr erlaubte, eine solche Entscheidung zu treffen. § 10 VwVfG besagt nichts anderes (vgl. Hill, Verfahrensermessen der Verwaltung, NVwZ 1985, 450). Der in § 10 Satz 1 VwVfG angesprochene Gestaltungsspielraum betrifft allerdings sowohl die Einleitung (§ 22 Satz 1 VwVfG) als auch die Durchführung (§§ 24 Abs. 1 Satz 2, 26 Abs. 1 VwVfG) eines Verwaltungsverfahrens. Indessen ist diesen Vorschriften nicht zu entnehmen (vgl. Hill, a.a.O.), es sei auch eine Stufung des Verfahrens dem Spielraum der Verwaltung unterstellt. Eine Stufung des Verfahrens dient vor allem der abschnittsweisen Erarbeitung und Verfestigung der materiellen Entscheidung, ihr Zweck ist daher materieller Art und betrifft nicht die Art und Weise der Gestaltung des Verfahrens, die zwar auch dem Zweck einer bestmöglichen Entscheidung dient, diesen aber allein durch Gestaltung des Verfahrens, nicht durch materielle Teilentscheidungen zu erreichen sucht.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. März 1966 (BVerwG I C 19.65, BVerwGE 24, 23) steht zu diesen Überlegungen nicht in Widerspruch. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings dargelegt, es sei der Behörde in einem gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen einzelne klärungsbedürftige Fragen, von denen die Genehmigung abhänge, vorab zu entscheiden. Insoweit hat sich das Gericht indessen zum einen maßgebend darauf gestützt, daß es sich um - zum Zeitpunkt einer Entscheidung - schon über 100 Jahre lang bestehende Vorschriften handelte, die nicht an die moderne Rechtsentwicklung angepaßt worden waren und zum anderen die Eigenheiten des Genehmigungsverfahrens von gewerblichen Anlagen hervorgehoben. Das Gericht hat daran angeknüpft, daß derartige Bescheide im baurechtlichen Verfahren seit langem bekannt seien und auf die Rechtsähnlichkeit zwischen einem baurechtlichen Verfahren und dem gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren verwiesen. Alle diese Überlegungen sind indessen auf dieser - mehr punktuell ausgerichtete - Genehmigungsverfahren nach dem Luftverkehrsrecht nicht zu übertragen, ein abgestuftes Verfahren, das nach dem Gesagten materieller Art ist, ist im Luftverkehrsrecht nicht vorgesehen, es wäre Sache des Gesetzgebers, ein solches Verfahren zu schaffen, hingegen nicht Sache der Gerichte, ohne gesetzliche Grundlage ein abgestuftes Genehmigungsverfahren mit einer Vorabentscheidung zuzulassen. Das alles mag aber letztlich auf sich beruhen.
Der Antrag erweist sich auch davon abgesehen als nicht genehmigungsfähig. Das in Rede stehende Luftfahrzeug erfüllt nicht die Voraussetzungen, die es erlaubten, es durch die Erteilung eines Lufttüchtigkeitszeugnisses zum Verkehr zuzulassen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO). Es kann für das Luftfahrzeug nämlich ein Lärmzeugnis (§ 10 Abs. 4 LuftVZO) nicht erteilt werden, weil das Luftfahrzeug die Lärmgrenzwerte des § 3 Abs. 2 LuftVZO nicht einhält. Nach dieser Vorschrift gibt die Zulassungsbehörde nach Anhörung der Luftfahrtindustrie in den Nachrichten für Luftfahrer entsprechende Lärmgrenzwerte bekannt, und über § 10 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 6 LuftVZO wird gewährleistet, daß das Lufttüchtigkeitszeugnis nur dann zu erteilen ist, wenn das Flugzeug die so bezeichneten Grenzwerte einhält.
Die Luftverkehrszulassungsordnung verstößt - soweit hier von Interesse - nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft. Dabei ist in diesem Zusammenhang zunächst hervorzuheben, daß die Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 13. März 1979 (BGBl. I S. 308) durch die Verordnung vom 21. Juli 1986 (BGBl. I S. 1097) an das Recht der Europäischen Gemeinschaft angepaßt worden ist. Auch die Lärmschutzforderungen für Luftfahrzeuge sind an das Recht der Europäischen Gemeinschaft angepaßt worden, wie aus der Bekanntmachung der Neufassung der Lärmschutzforderungen für Luftfahrzeuge vom 1. August 1985 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 185 a) hervorgeht und auch der geltenden Fassung der Lärmschutzforderungen für Luftfahrzeuge vom 1. Januar 1991 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 54 a) zu entnehmen ist. Diese Vorschriften stimmen mit der Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1979 zur Verringerung der Schallemissionen von Unterschalluftfahrzeugen (80/51/EWG) - Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 18/26 vom 24. Januar 1980 - i.d.F. der Richtlinie des Rates vom 21. April 1983 zur Änderung der Richtlinie 80/51/EWG zur Verringerung der Schallemissionen von Unterschalluftfahrzeugen (83/206/EWG) - Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 117/15 vom 4. Mai 1983 - überein. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor, daß die Mitgliedsstaaten Urkunden, welche die Lärmprüfung bescheinigen, die von den Zulassungsbehörden eines Zulassungsstaates, der zugleich Mitgliedsstaat ist, ausgestellt worden sind, als gültig anerkennen. Nach dem nicht weiter auslegungsfähigen Wortlaut dieser Richtlinie handelt es sich bei diesen Urkunden um die in § 8 Abs. 2 Nr. 6 LuftVZO sowie die in § 10 Abs. 4 LuftVZO angesprochenen Bescheinigungen über das Ausmaß des durch den Betrieb des Luftfahrzeuges entstehenden Geräusche, bzw. um ein Lärmzeugnis. Es ist damit nicht gesagt, ein in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft zugelassenes - zugelassen gewesenes - Flugzeug müsse in dem anderen Mitgliedsstaat der Gemeinschaft zugelassen werden, auch wenn das Flugzeug die Anforderungen, die nach innerstaatlichem Recht an die Lufttüchtigkeit zu erfüllen sind, nicht erreicht. Art. 3 der Richtlinie des Rates (aaO) sieht nur vor, daß die Mitgliedsstaaten bei der Zulassung von zivilen Propellerflugzeugen, deren bereinigtes höchstzulässiges Abfluggewicht 5.700 kg nicht überschreitet, eine Zulassung nur unter bestimmten näher ausgeführten Voraussetzungen aussprechen, hingegen verpflichtet Art. 3 der Richtlinie die Mitgliedsstaaten nicht, ein Flugzeug auch dann zuzulassen, wenn nach innerstaatlichem Recht die Anforderungen an seine Lufttüchtigkeit nicht erfüllt sind.
Der Senat ist berufen, die Richtlinie des Rates selbst auszulegen. Eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofes kommt nicht in Betracht. Allerdings kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. EuGH, Urt. v. 23. 2. 1994 - Rs C-236.92 -, NVwZ 1994, 885) der Einzelne in den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, vor dem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf die Bestimmung berufen, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder unrichtig in nationales Recht umgesetzt hat.
Nach Art. 177 Abs. 2 EWGV kann jedes Gericht eines Mitgliedsstaates eine bei der Auslegung des Vertrages sich stellende Frage, deren Entscheidung es zum Erlaß des Urteils für erforderlich hält, dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen. Handelt es sich um ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist es zur Anrufung des Gerichts verpflichtet (Art. 177 Abs. 3 EWGV). Nach der sog. abstrakten Betrachtungsweise wäre dies zu verneinen, da das Oberverwaltungsgericht kein oberstes Gericht ist (hierfür: Oppermann, Europarecht, Rdnr. 655). Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise wäre dies hingegen möglicherweise zu bejahen. Dem Europäischen Gerichtshof steht im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliederstaaten die abschließende Entscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechtes zu (BVerwG, Urt. v. 29. 11. 1990, Buchholz 451.90, EWGR Nr. 97; BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 - 2 BvR 687/85 -, DVBl. 1988, 38). Das Vorlageverfahren nach Art. 177 EWGV stellt ein objektives Zwischenverfahren dar, das vorrangig dem Interesse an der Auslegung, Durchsetzung und Gültigkeitsprüfung des Gemeinschaftsrechts dient. Die Parteien des Ausgangsverfahrens haben deshalb kein eigenes Antragsrecht, sondern können eine Vorlage nur anregen (Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl., Rdnr. 22 zu § 94; Krück in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWG-Vertrag, 4. Aufl., Rdnr. 52 zu Art. 177).
Folgende Erwägungen haben den Senat indessen veranlaßt, von einer Vorlage abzusehen. Der Senat geht davon aus, daß die strikte Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EWGV nicht in dem Fall des Art. 177 Abs. 2 EWGV gilt, da es sich hierbei um Entscheidungen handelt, die noch mit einem Rechtsmittel angefochten werden können. Zur Vorlage verpflichtet ist nur das einer Sache letzter Instanz entscheidende Gericht, d.h. in der Bundesrepublik Deutschland im Verwaltungsrechtszug nur das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Kopp, a.a.O. Rdnr. 21 zu § 94). Besteht mithin eine Vorlagepflicht nicht, gelten nicht die Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof (vgl. etwa Urt. v. 6. 10. 1982 - Rs 283/91 -, NJW 1983, 1257) für den Prüfungsmaßstab eines letztinstanzlich zuständigen nationalen Gerichtes aufgestellt hat. Nicht völlig auszuschließende Zweifel der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht erfordern deshalb nicht zwingend die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Soll eine Zersplitterung des Rechtsweges und eine Überlastung des europäischen Gerichtshofes vermieden werden, kann eine Vorlage durch das Oberverwaltungsgericht nur in Betracht kommen, wenn es davon überzeugt ist, daß die angegriffene Norm gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Das ist hier nach dem Gesagten nicht der Fall.
Damit werden die Überlegungen der Klägerin zu einem "Bestandsschutz" gegenstandslos. Das innerstaatliche Recht vermittelt einen solchen Schutz nicht, das Recht der Europäischen Gemeinschaft gleichfalls nicht, wie sich aus dem Ausgeführten ergibt. Mit der Wendung, "Bestandsschutz" stehe ihr zur Seite, macht die Klägerin nichts anderes geltend als was sie mit anderen Worten bereits zu dem Aspekt der Anwendung des europäischen Rechtes vorgetragen hat. Damit hat sie indessen nicht Erfolg. Auch trifft ihre Ansicht nicht zu, ein in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft einmal zugelassenes Flugzeug müsse hinsichtlich der Beurteilung der Flugtüchtigkeit ebenso behandelt werden, wie ein bereits im Inland zugelassenes Flugzeug, dessen Zulassung nach deren Verschärfung von Lärmgrenzwerten nicht entfällt. Die Klägerin hat im Inland nicht einen "Bestand" erreicht der geschützt werden könnte, vielmehr geht es nur darum, ob der in einem Staat der Gemeinschaft erworbene "Bestand" auch im Inland Schutz genießt, und diesen Schutz wiederum könnten Vorschriften des europäischen Rechtes vermitteln, die aber - wie bereits gesagt - nicht vorhanden sind (nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Beantwortung der Frage, ob im Inland zugelassenen Flugzeugen, bei deren Betrieb die Lärmgrenzwerte nicht eingehalten werden, einem "Bestandsschutz" unterfallen).
Das bezeichnete Flugzeug erfüllt nicht die Voraussetzungen, um es durch Erteilung eines Lufttüchtigkeitszeugnisses zum Verkehr zuzulassen, weil es die maßgebenden Lärmgrenzwerte nicht einhält. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Grenzwerte nicht eingehalten werden, sie streiten indessen darüber, ob die Werte fehlerfrei festgesetzt worden sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen insoweit Bedenken nicht. Wie § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LuftVG i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVZO zu entnehmen ist, sind die nach § 3 Abs. 2 LuftVZO bekannt gegebenen Lärmgrenzwerte maßgebend. Diese Lärmgrenzwerte sind im normkonkretisierenden Richtlinien enthalten (Lärmschutzforderungen für Luftfahrzeuge). Normkonkretisierende Richtlinien sind im Gegensatz zu lediglich norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich. Wieweit diese Bindung im Einzelfall reicht, mag dahinstehen, jedenfalls sind sie von den Verwaltungsgerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf willkürfreien Ermittlungen beruhen und die Genehmigungsbehörden in Anwendung dieser Grundlage fehlerfrei vorgegangen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985, BVerwG 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300, Urt. v. 19. 1. 1989 - BVerwG 7 C 31.87 -, BVerwGE 81, 185 [BVerwG 19.01.1989 - 7 C 31/87]). Insoweit handelt es sich um eine Einschränkung der sog. Kontrolldichte (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann in Maunz-Dürig, Grundgesetz, Rdnr. 173 ff. zu § 19 GG). Die Verwaltungsgerichte haben alle Verwaltungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen, einen Grundsatz, den auch Art. 19 Abs. 4 GG naheliegt, obwohl diese Vorschrift eine solche Regel nicht ohne Ausnahme vorsieht. Der Gesetzgeber ist aber befugt, beachtet er das Bestimmtheits- und das Wesentlichkeitsgebot, letztverbindliche Entscheidung für eine gesetzlich nicht eindeutig festgelegte Situation ausnahmsweise der Verwaltung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung muß sich aus der Struktur der anzuwendenden Norm ergeben, die zu einer Letztentscheidung der Verwaltung ermächtigen muß, wobei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert ist, Normen mit einer solchen Struktur zu schaffen. Inwieweit eine Vorschrift die Verwaltung zur Letztentscheidung ermächtigt, muß sich aus funktionell-rechtlichen Überlegungen ergeben.
§ 3 Abs. 2 LuftVZO ist - wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt - ihrer Struktur nach eine Vorschrift, die der Verwaltung die Befugnis zur Letztentscheidung einräumt, soweit es um die Festsetzung von Lärmgrenzwerten geht. Insoweit obliegt der Verwaltungsbehörde eine gefahrenunabhängige Risikovorsorge, um die Bevölkerung vor unzumutbarem Lärm zu schützen. Risikoermittlung und Risikobewertung gehören deshalb zur Kompetenz der Verwaltung. Damit bedeutet Vorsorge, daß bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit, ob ein Schaden eintritt, nicht allein von vorhandenes Erfahrungswissen herangezogen wird, sondern Schutzmaßnahmen auch anhand theoretischer Überlegungen und Berechnungen in Betracht gezogen werden können, um Risiken auszuschließen. Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und Risikobewertung sind zu bedenken, dabei sind alle vertretbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse einzubeziehen. Deshalb ist es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, eine solche der Verwaltung zugewiesene Wertung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Insoweit ist der Umfang der rechtlichen Kontrolle gegenüber den Entscheidungen der Verwaltung eingeschränkt. Die Verwaltung verfügt auch im Verhältnis zu den Verwaltungsgerichten über rechtliche Handlungsformen, die sie für die Verwirklichung des Grundsatzes die Risikovorsorge besser ausrüsten, als die Gerichte. Insoweit ist es zulässig, es der Verwaltung zu belassen, Regelungen im Einzelfall zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985, a.a.O.).
Hiervon ausgehend sind die Lärmschutzanforderungen der geltenden Fassung nicht zu beanstanden. Das Luftfahrt-Bundesamt ist insoweit nach Anhörung (NfL 1990, 322) von zutreffenden tatsächlichen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG besteht nicht. So ist es nicht zu beanstanden, daß - legt man die vorhandene Technik zugrunde - für Flugzeuge mit größerem Gewicht andere Lärmgrenzwerte gelten als für Flugzeuge, die ein geringeres Gewicht haben. Die unterschiedlichen Grenzwerte berücksichtigen damit nämlich § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LuftVG, wonach die technische Ausrüstung des Luftfahrzeuges so zu gestalten ist, daß das durch seinen Betrieb entstehende Geräusch das nach dem jeweiligen Stand der Technik vermeidbare Maß nicht überschreitet. Auch ist es fehlerfrei, daß bei der Festlegung der Grenzwerte auf die ICAO-Vorschriften zurückgegriffen worden ist (ICAO Annex 16 Vol-I Aircraft Noise), wonach die Grenzwerte in Bezug auf die maximale Startmasse festzulegen ist, diese Vorschriften sind auch im übrigen den Lärmschutzforderungen zugrundegelegt, wie es auch Art. 1 der Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1979 zur Verringerung der Schallemissionen von Unterschalluftfahrzeugen (80/51/EWG) nahelegt (im Hinblick auf § 3 Abs. 2 LuftVZO ist die Richtlinie des Rates nicht - nur - durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften in nationales Recht umgesetzt worden - vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 30. 5. 1991 - Rs. C - 361/88 -, EuR 1991, 261).
Die Aufhebung eines Bescheides des Luftfahrt-Bundesamtes scheidet aus, da bei einer Verpflichtungsklage die (isolierte) Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht kommt, wenn sich das Verpflichtungsbegehren als unbegründet erweist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), bestehen nicht.
Atzler
Radke
Schmidt