Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 11.09.1999, Az.: 74 IK 13/99

Ablehnung der Annahme eines Schuldenbereinigungsplans im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens; Ersetzung der Gläubigerzustimmung

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
11.09.1999
Aktenzeichen
74 IK 13/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30177
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:1999:0911.74IK13.99.0A

Fundstellen

  • DZWIR 1999, 481-482
  • InVo 1999, 388-389
  • KTS 2000, 389
  • NZI 1999, 468-469
  • VuR 2000, 28-29
  • ZInsO 2001, 36 (amtl. Leitsatz)
  • ZInsO 1999, 598-599 (Volltext mit red. LS)

Gründe

1

Die Schuldnerin hat am 29. 1. 1999 wegen Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt und im weiteren Verlaufe des Verfahrens beantragt, Einwendungen einzelner Gläubiger gegen den Schuldenbereinigungsplan gem. § 309 InsO zu ersetzen. Das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches war nachgewiesen durch eine Bescheinigung der Arbeiterwohlfahrt G. vom 28. 1. 1999. Auf Antrag der Schuldnerin ist ihr am 10. 3. 1999 für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren PKH ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt worden.

2

Das bei Antragstellung eingereichte Gläubigerverzeichnis wies 16 Gläubiger auf, deren Hauptforderungen sich auf ca. 120.000 DM beliefen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung bezog die Schuldnerin Arbeitslosengeld i.H.v. 343,91 DM wöchentlich. Der ursprüngliche Schuldenbereinigungsplan sah eine monatliche Ratenzahlung i.H.v. 144,28 DM vor für die Dauer von 5 Jahren. Nachdem Gläubiger Einwendungen erhoben haben, reichte die Schuldnerin mit Schreiben v. 13. 7. 1999 ein überarbeitetes Gläubiger-Forderungsverzeichnis einschließlich eines veränderten Schuldenbereinigungsplanes ein. Seit Mitte Juni 1999 verfügt die Schuldnerin über keine pfändbaren Beträge mehr nach §§ 850c ff. ZPO, da sie nicht mehr Arbeitslosengeld, sondern nur noch Arbeitslosenhilfe bezieht. Der Schuldenbereinigungsplan sieht daher z.Z. keine Zahlung vor und enthält o.a. die Verpflichtung der Schuldnerin, ein zukünftiges pfändbares Einkommen an die Gläubiger auszuschütten.

3

Vier der 17 Gläubiger haben die Annahme des Schuldenbereinigungsplanes - teilweise mit Begründung - abgelehnt.

4

Auf Antrag der Schuldnerin war gem. § 309 InsO die Zustimmung der vier Gläubiger zu ersetzen. Die erforderlichen Voraussetzungen dafür liegen vor.

5

I.

Allgemeine Voraussetzungen

6

Die Schuldnerin ist zahlungsunfähig. Sie hat den gem. § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO erforderlichen Antrag auf Zustimmungsersetzung gestellt. Es liegt auch die erforderliche Kopf- und Summenmehrheit vor. Von den 17 Gläubigern haben nur vier dem Plan widersprochen, die von der Gesamtforderung von noch ca. 112.000 DM lediglich ca. 53.000 DM halten.

7

II.

Es liegt auch kein Versagungsgrund gem. § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Nr. 2 InsO vor

8

1.

Die Gläubiger Nr. 4 und Nr. 10 haben dem Plan ohne Begründung widersprochen. Sie haben auch keinen Versagungsgrund dargelegt bzw. glaubhaft gemacht.

9

2.

Der Gläubiger Nr. 16 hat mit Schreiben v. 22. 8. 1999 Ablichtung eines Versäumnisurteiles und eines Kostenfestsetzungsbeschlusses vorgelegt über eine Hauptforderung über 510,76 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 1. 7. 1999 sowie erstattungsfähige Kosten i.H.v. 317 DM nebst 4 % Zinsen. Im Schuldenbereinigungsplan ist die Forderung des Gläubigers aufgeführt mit insgesamt 895,86 DM. Da unklar ist, ob der Gläubiger der Forderungshöhe widersprechen will, hat das Gericht - vorsichtshalber - seine Zustimmung ersetzt. Ergänzend ist zu bemerken, daß die auf den Gläubiger entfallende Quote von 0,80 % rechnerisch der im Schuldenbereinigungsplan enthaltenen Summe von 895,86 DM bezogen auf eine Gesamtforderung von 111.560,61 DM entspricht.

10

3.

Auch die Zustimmung des Gläubigers zu 7 ist zu ersetzen.

11

a)

Die Addition der Forderungen des Gläubigers im Schuldenbereinigungsplan ergibt eine Summe von 43.617,43 DM, während der Gläubiger im Schreiben v. 17. 8. 1999 die Gesamtforderung mit 44.067,93 DM angibt. Dies mag damit zusammenhängen, daß inzwischen weitere Zinsen aufgelaufen sind. Im Hinblick auf die Gesamtverbindlichkeiten der Schuldnerin i.H.v. ca. 112.000 DM und der geringen Wahrscheinlichkeit, daß die Schuldnerin überhaupt Zahlungen erbringen kann, liegt darin jedoch kein Versagungsgrund gem. § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO in Form einer unangemessenen Benachteiligung gegenüber den übrigen Gläubigern.

12

b)

Daß der Schuldenbereinigungsplan eine Laufzeit von 5 Jahren vorsieht, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus S. 3 des Schuldenbereinigungsplanes v. 13. 7. 1999, Überschrift Spalte 4 und Spalte 5.

13

c)

Weiter widerspricht die Gläubigerin der Regelung im Schuldenbereinigungsplan über nichteinbezogene Gläubiger. Die Klausel hat folgenden Wortlaut:

"Nichteinbezogene Gläubiger - Weitere, hier nicht genannte Gläubiger, deren Forderung bereits bei Abschluß dieses Vergleichs entstanden waren, sind im Interesse des reibungslosen Vollzugs der Vereinbarung in den Vergleich aufzunehmen. Bei gleichmäßiger Verteilung der vereinbarten Rate gem. den jeweiligen Forderungen erfolgt eine Neuverteilung nach dem entsprechend erhöhten Gesamtforderungsbetrag."

14

In dieser Regelung liegt kein Verstoß gegen § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO. Eine Schlechterstellung der Gläubigerin im Vergleich zum Restschuldbefreiungsverfahren liegt nicht vor. Gem. § 301 Abs. 1 InsO wirkt die Restschuldbefreiung gegen alle Insolvenzgläubiger, auch wenn sie ihre Forderung nicht angemeldet haben. Der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan hingegen wirkt gem. § 308 Abs. 3 Satz 1 InsO nur zwischen dem Schuldner und den im Plan aufgeführten Gläubigern.

15

Generell ist die von der Schuldnerin gewählte Klausel geeignet, beim späteren Auftauchen von Gläubigern die erfolgreiche Durchführung des Schuldenbereinigungsplanes zu gewährleisten. Die Schuldnerin muß nicht noch zusätzlich das vereinfachte Insolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen, damit die Regelung des § 301 Abs. 1 InsO gilt. Eine derartige Verfahrensweise würde auch dem Gesetzeszweck widerlaufen, schon auf der ersten Stufe des gerichtlichen Verfahrens (dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren gem. §§ 305 ff. InsO) möglichst viele Verfahren zum Abschluß zu bringen. Ob bei "absichtlichen Vergessen" von Gläubigern insbesondere mit Forderungen im größeren Umfang die Klausel über nichteinbezogene Gläubiger Bestand haben kann oder sich die übrigen Gläubiger von den gerichtlichen (Zwangs-) Vergleich lösen können, ist an dieser Stelle und zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu entscheiden.

16

d)

Schließlich ist auch die Kündigungsklausel des Schuldenbereinigungsplanes nicht zu beanstanden. Sie lautet wie folgt: "Kündigung des Vergleichs: Jeder Gläubiger hat die Möglichkeit zu kündigen, wenn ich mit den Zahlungen mindestens zwei Monate in Verzug bin und der Gläubiger erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrags mit der Erklärung gesetzt hat, daß er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist den Vergleich kündigen würde."

17

Die Gläubigerin beruft sich darauf, es sei bereits ein Zahlungsverzug von mehr als 10 Werktagen ausreichend. Ein Versagungsgrund gem. § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO liegt wiederum nicht vor. Das Restschuldbefreiungsverfahren (§§ 286 ff. InsO) sieht während der Laufzeit der Abtretungserklärung bei Obliegenheitsverletzungen die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers (§ 296 InsO) vor. Genaue Fristen sind dort allerdings nicht genannt. Die im vorliegenden Fall gewählte Kündigungsfrist der Schuldnerin ist nicht zu beanstanden. Sie orientiert sich an der Regelung des § 12 Verbraucherkreditgesetzes. Der vorliegende Sachverhalt ist dem vergleichbar. Auch der Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren kann seine Schulden (höchstens teilweise) in Raten tilgen.

18

4. Schließlich steht der gerichtlichen Zustimmungsersetzung auch nicht entgegen, daß es sich um einen sog. Nullplan handelt. Zum einen liegt eine entsprechende Einwendung der Gläubiger nicht vor. Zum anderen handelt es sich um einen sog. "flexiblen" Nullplan. Der Schuldenbereinigungsplan enthält zum einen die Verpflichtung der Schuldnerin, bei einer Verbesserung der Einkommensverhältnisse die pfändbaren Beträge an die Gläubiger abzuführen. Zum anderen ist eine dem § 295 InsO nachgebildete Regelung enthalten. Im Anschluß an die überzeugenden Ausführungen von Grote (FK-InsO, § 309 Rn. 32 ff.) ist daher eine Zustimmungsersetzung möglich. Davon geht auch der Teil der Rechtsprechung aus, der PKH auch bei Vorliegen eines Nullplanes für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren gem. §§ 305 ff. InsO bewilligt (AG Göttingen, NZI 1999, 124; AG Offenbach, ZInsO 1999, 29, 298 f; LG Baden-Baden, NZI 1999, 234, 237; LG Essen, ZIP 1999, 1137 = NZI 1999, 324 = ZInsO 1999, 414; zuletzt AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1401 ff. mit Nachweisen auch zur Gegenansicht)