Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 16.11.1999, Az.: 71 K 2/98

Voraussetzungen für eine Anordnung der Zwangsversteigerung; Anforderungen an die Einstellung der Zwangsversteigerung

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
16.11.1999
Aktenzeichen
71 K 2/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:1999:1116.71K2.98.0A

Fundstellen

  • EWiR 2000, 255
  • InVo 2000, 110
  • NZI 2000, 95-96
  • NZI 2001, 20-21
  • Rpfleger 2000, 121
  • ZIP 1999, 2107 (Volltext mit red. LS)
  • ZInsO 2000, 50 (Volltext mit red. LS)

Gründe

1

Mit Beschl. v. 1.8.1998 hat der Rechtspfleger auf Antrag der Gläubigerin die Zwangsversteigerung angeordnet. Am 11.1.1999 hat die Gläubigerin die Einstellung der Zwangsversteigerung bewilligt. Mit Beschl. v. 14.1.1999 ist das Verfahren einstweilen - gem. § 30 ZVG - eingestellt worden, mit der Maßgabe, daß das Verfahren nur auf Antrag fortgesetzt wird. Der Beschluß enthält die Belehrung, daß der Antrag auf Fortsetzung spätestens sechs Monate seit der Zustellung des Beschlusses bei Gericht eingegangen sein muß.

2

Die Zustellung des Beschlusses erfolgte am 19.1.1999. Am 21.5.1999 ist über das Vermögen der Gläubigerin das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden.

3

Mit Beschl. v. 20.7.1999 hat der Rechtspfleger das Zwangsversteigerungsverfahren aufgehoben, weil die das Verfahren allein betreibende Gläubigerin nicht innerhalb der Frist von 6 Monaten die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hat.

4

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gläubiger mit dem als Erinnerung bezeichneten Rechtsmittel. Er führt aus, daß der Beschl. v. 20.7.1999 nicht habe ergehen dürfen, weil mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gläubigerin das gerichtliche Verfahren unterbrochen worden sei.

5

Nachdem der Rechtspfleger mit Verfügung v. 1.9.1999 die Akte der Beschwerdekammer des LG Göttingen vorgelegt hat, hat diese mit Beschl. v. 2.9.1999 (10 T 54/99) die Vorlageverfügung des AG Göttingen aufgehoben und die Sache zur eigenen Entscheidung an das AG Göttingen zurückgegeben. Zur Begründung ist aufgeführt worden, in dem bloßen Hinweis des Rechtspflegers auf das Ende der Frist dem Insolvenzverwalter gegenüber liege kein rechtliches Gehör, so daß der Rechtsbehelf eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO darstelle.

6

Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

7

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

8

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gläubigerin hat das Zwangsversteigerungsverfahren nicht gem. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Es wird zwar die Auffassung vertreten, daß die Verfahrensunterbrechung gem. § 240 ZPO o.a. das Zwangsvollstreckungsverfahren erfaßt (Fk/App, InsO, § 85 Rn. 6).

9

Die gegenteilige Auffassung wird vertreten von Nerlich/Römermann, InsO, § 85 Rn. 4 unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Neustadt, NJW 1965, 591 und LG Dortmund, Rechtspfleger 1963, 311. In der Entscheidung des OLG Neustadt, NJW 1965, 591, 592 [OLG Neustadt an der Weinstraße 28.11.1964 - 2 W 98/64] wird ausgeführt, daß Zwangsvollstreckungsverfahren durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei im Hinblick auf den schleunigen Charakter und die abschließende Regelung von Hemmungen und Unterbrechungen im Vollstreckungsrecht nicht unterbrochen werden. Diese Auffassung wird geteilt von Stein/Jonas/Roth, ZPO, vor § 39 Rn. 2 und Thomas/Putzo, ZPO, § 239 Vorbemerkung 1. Die gegenteilige Auffassung wird vertreten von Münch Komm/Feiber, ZPO, § 240 Rn. 4, allerdings ohne nähere Begründung.

10

Das Gericht schließt sich der Meinung an, wonach § 240 ZPO aus den o.g. Gründen (vgl. OLG Neustadt, NJW 1965, 591 f.), nicht anwendbar ist. Diese Auffassung wird ebenfalls vertreten von Stöber, NZI 1998, 105, 106. Ebenso wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt die einstweilige Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens, die Frist für die Stellung des Fortsetzungsantrages (§ 31 Abs. 1 Satz 2 ZVG) läuft unverändert weiter (Stöber, NZI 1998, 105, 107).

11

Stöber stellt zwar ab auf den Fall, daß das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Das vom OLG Neustadt aufgezeigte Beschleunigungsinteresse und das Argument der abschließenden Regelung von Hemmung und Unterbrechungen im Vollstreckungsverfahren treffen jedoch genauso zu, wenn - wie im vorliegenden Fall - über das Vermögen der Gläubigerin das Insolvenzverfahren eröffnet wird.