Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 28.09.1999, Az.: 74 IK 42/99

Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen; Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
28.09.1999
Aktenzeichen
74 IK 42/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30093
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:1999:0928.74IK42.99.0A

Fundstellen

  • KTS 2000, 389
  • NZI 1999, 505
  • ZInsO 2001, 27 (amtl. Leitsatz)
  • ZInsO 1999, 655-656 (Volltext mit red. LS)

Gründe

1

Der Schuldner betreibt ohne Mitarbeiter einen Gartenbaubetrieb. Aufgrund einer Forderung i.H.v. ca. 17.000 DM hat eine Gläubigerin gegen ihn am 7.5.1999 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt (74 IN 99/99 AG Göttingen). Im Anhörungstermin v. 21.5.1999 hat der Schuldner seine Gesamtverbindlichkeiten auf ca. 70.000 DM beziffert und zugleich mitgeteilt, daß er innerhalb von 2 Wochen mitteilen wird, ob er einen Antrag auf Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen wird. Aufgrund Anwaltsschriftsatzes v. 10.6.1999 ist ihm diese Frist bis zum 30.6.1999 verlängert worden. Mit Antrag v. 30.6.1999 hat der Schuldner einen PKH-Antrag eingereicht und Antrag auf Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Eine Bescheinigung über das Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuches lag dem Antrag nicht bei. Aufgrund von Einwendungen der Gläubiger hat der Schuldner am 23.9.1999 einen überarbeiteten Schuldenbereinigungsplan eingereicht. Auf die Hauptforderung von ca. 48.000 DM soll innerhalb von 5 Jahren ein Betrag von ca. 2.300 DM gezahlt werden.

2

Das Gericht hat dem Schuldner PKH ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§ 305-310 InsO) bewilligt.

3

Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 114, 115 ZPO liegen vor. Das Gericht hält an seiner im Beschluß v. 5.2.1999 (74 IK/12/99) geäußerten Rechtsauffassung fest, daß im Schuldenbereinigungsplanverfahren PKH bewilligt werden kann (AG Göttingen NZI 1999, 124 f.). Aufgrund der Äußerungen der Gläubiger bedarf der Schuldner der Hilfe eines Rechtsanwaltes, so daß eine entsprechende Beiordnung vorzunehmen war (vgl. AG Göttingen, ZIP 1999, 930 und LG Göttingen, ZIP 1999, 1017).

4

Nicht erforderlich ist im vorliegenden Fall, daß der Schuldner eine Bescheinigung über einen gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuch vorlegt (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Teilweise wird allerdings die Ansicht vertreten, daß der Schuldner, der bei einem bereits gestellten Gläubigerantrag die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beantragt, eine Bescheinigung über einen gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuch vorlegen muß (HK-InsO/Landfermann, § 306 Rn. 6). Es wird sogar vertreten, daß die Vorschrift des § 305 Abs. 3 InsO anwendbar ist mit der Folge, daß wegen der regelmäßigen Unmöglichkeit der Beibringung einer Bescheinigung innerhalb eines Monats nur der Eröffnungsantrag des Gläubigers übrigbleibt und das Verfahren gem. § 311 ff. InsO fortzusetzen ist (Smid/Haarmeyer/Krug, InsO, § 306 Rn. 7). Diese Konsequenz wird abgemildert, wenn man dem Gericht die Möglichkeit zubilligt, eine angemessene Frist zu setzen (BK-InsO/Goetsch, § 306 Rn. 14 f.). Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, wie das Gericht eine angemessene Frist bestimmen soll. Schuldnerberatungsstellen im Bezirk des AG Göttingen sind auf Monate hinaus ausgebucht und vergeben keine Termine mehr. Bei Beauftragung eines Anwaltes kann eine entsprechende Bescheinigung über das Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuches ggf. schneller beigebracht werden. Allerdings übernehmen kaum Rechtsanwälte im Bezirk des AG Göttingen derartige Mandate. Das Gericht kann und darf dem Schuldner jedoch nicht vorgeben, welchen Weg er einschlägt.

5

Andererseits wird eine Bescheinigung deshalb nicht für erforderlich gehalten, weil § 306 Abs. 3 Satz 2 nur auf die Regelung des § 306 Abs. 1, nicht aber auf die des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO verweist (Nerlich/Römermann, InsO, § 306 Rn. 13). Weiter wird in der Tatsache, daß ein Gläubiger einen Antrag gestellt hat, eine Dokumentation erblickt, daß eine außergerichtliche Einigung nicht zu erreichen ist; schließlich wird in diesem Zusammenhang die Befürchtung geäußert, durch das Erfordernis einer Bescheinigung würde das Verfahren unangemessen lange hinausgeschoben (Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 306 Rn. 3 und § 305 Rn. 6; Pape, ZInsO 1998, 353, 354; im Ergebnis ebenso Kirchhoff, ZInsO 1998, 5, 60). Zweifelhaft ist das Argument, ob durch Einreichung eines Gläubigerantrages dokumentiert ist, daß eine außergerichtliche Einigung nicht mehr erreicht werden kann. Eine außergerichtliche - wie auch eine gerichtliche - Einigung kann nämlich nur vom Schuldner herbeigeführt werden, der Überblick über seinen Schuldenstand und seine finanziellen Verhältnisse hat und einen entsprechenden Schuldenbereinigungsplan aufstellt.

6

Verlangt man jedoch eine Bescheinigung über einen gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuch, so ist die 3-Monats-Frist des § 306 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht einmal ansatzweise einzuhalten. Unter heutigen Verhältnissen muß die Dauer eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanes auf etwa 6 Monate im Durchschnitt geschätzt werden (Pape, ZInsO 1998, 353, 354). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Schuldner an eine Schuldnerberatungsstelle wendet, wozu er berechtigt ist. Bei der Frist des § 306 Abs. 1 Satz 2 handelt es sich zwar nur um eine Sollfrist. Es geht aber nicht an, daß bei der vorliegenden Fallkonstellation diese Frist regelmäßig überschritten wird. Zu bedenken ist auch, daß der Gläubiger einen Anspruch auf eine zeitnahe Entscheidung hat, der nicht vereitelt werden darf (Pape, ZInsO 1998, 35, 354). Im Ergebnis ist daher bei einem Gläubigerantrag auf das Bescheinigungserfordernis des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ganz zu verzichten (ebenso FK-InsO/Grote, § 306 Rn. 21). Ob dem Schuldner fakultativ die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, einen außergerichtlichen Einigungsversuch vorzunehmen (so Grote, a.a.O.), kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall hat der Schuldner diesen Weg nicht gewählt. Grote (a.a.O.) schlägt vor, nach Ablauf einer angemessenen Frist (6 Monate) den Schuldner unter Androhung der Sanktion des § 305 Abs. 3 InsO binnen Monatsfrist zur Ergänzung des Antrages durch Vorlage der Bescheinigung über ein Scheitern aufzufordern. Dagegen könnten jedoch die oben aufgezeigten Bedenken sprechen.