Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 21.07.1999, Az.: 74 IK 33/99

Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ein Vermögen; Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
21.07.1999
Aktenzeichen
74 IK 33/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30029
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:1999:0721.74IK33.99.0A

Fundstellen

  • KTS 2000, 85
  • ZIP 1999, 1365-1366 (Volltext mit red. LS)
  • ZInsO 2001, 34 (amtl. Leitsatz)
  • ZInsO 1999, 477-478 (Volltext mit red. LS)
  • ZInsO 1999, 606 (red. Leitsatz)

Gründe

1

Der Schuldner hat am 11.05.1999 wegen Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt und zugleich beantragt, Einwendungen einzelner Gläubiger gegen den Schuldenbereinigungsplan gem. § 309 InsO zu ersetzen. Das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches war nachgewiesen durch eine Bescheinigung des Diakonischen Werkes E. Auf Antrag des Schuldners ist ihm am 02.06.1999 für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren PKH ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt worden.

2

Das Gläubigerverzeichnis weist 12 Gläubiger auf.

3

Die Hauptforderungen belaufen sich auf ca. 0,5 Mio. DM. Unter Hinzurechnung von Kosten und Zinsen ergibt sich eine Gesamtforderung i.H.v. ca. 1,5 Mio. DM.

4

Der Schuldner erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von DM 1.970,58 und ist für 1 Kind (Schüler) im Alter von 17 Jahren unterhaltspflichtig. Den pfändbaren Betrag von DM 141,50 erhält eine der Gläubigerinnen aufgrund einer im März 1999 offengelegten Abtretung.

5

Im Schuldenbereinigungsplan weist der Schuldner darauf hin, daß er als sog. "Altfall" im Rahmen einer Restschuldbefreiung innerhalb von 5 Jahren einen Betrag von ca. 8.500,00 DM als pfändbare Beträge an den Treuhänder abführen müßte. Dem Schuldner ist es durch Zuwendungen aus dem Verwandtenkreis möglich, einen Geldbetrag i.H.v. DM 15.000 zur Gesamtregulierung aller Verbindlichkeiten verfügbar zu machen. Gemessen an der Hauptforderung bedeutet dies eine Quote von 2,937 % für die Gläubiger.

6

5 der 12 Gläubiger haben die Annahme des Schuldenbereinigungsplanes - teilweise mit Begründung - abgelehnt.

7

Auf Antrag des Schuldners war gem. § 309 die Zustimmung der 5 Gläubiger zu ersetzen. Die erforderlichen Voraussetzungen liegen vor:

8

1.

Zahlungsunfähigkeit

9

Im Schuldenbereinigungsplanverfahren steht dem Insolvenzgericht grundsätzlich nur ein formales Prüfungsrecht zu. Anders verhält es sich aber im Rahmen der Zustimmungsersetzung. In diesem Stadium des Verfahrens muß das Gericht von dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes überzeugt sein (Pape, WM 1998, 2125, 2128 f.). Aus den mitgeteilten Zahlen ergibt sich, daß der Schuldner zahlungsunfähig (§ 17 InsO) ist.

10

2.

§ 309 Abs. 1 Satz 1 InsO

11

Es liegt auch die erforderliche Kopf- und Summenmehrheit vor

12

a)

Von den 12 Gläubigern haben nur 5 dem Plan widersprochen

13

b)

Die nichtwidersprechenden Gläubiger halten auch mehr als die Summe der Ansprüche aller Gläubiger sowohl unter Zugrundelegung der Hauptforderung als auch der Gesamtforderung. Allein der Gläubigerin zu 12. steht eine Hauptforderung von ca. DM 370.000 zu, unter Hinzurechnung von Kosten und Zinsen ergibt sich ein Betrag von über 1 Mio. DM

14

3.

Der gem. § 309 Abs. 1 Satz 1 erforderliche Antrag des Schuldners auf Zustimmungsersetzung liegt vor.

15

Einer gesonderten, erneuten Anhörung der widersprechenden Gläubiger gem. § 309 Abs. 2 Satz 1 InsO bedurfte es nicht. Die Gläubiger hatten Gelegenheit und haben sie genutzt, ihre Einwendungen vorzunehmen. Der Schuldner hat dazu keine Stellung genommen. Die Sache ist entscheidungsreif.

16

4.

§ 309 Abs. 1 Satz 1 InsO

17

Die Zustimmungsersetzung ist auch nicht ausgeschlossen. Wieder werden die Gläubiger, die Einwendungen erhoben haben, im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern nicht angemessen beteiligt oder wirtschaftlich schlechter gestellt, als sie bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung stünden.

18

a)

Auszugehen ist von folgenden wirtschaftlichen Daten:

19

Der verheiratete Schuldner hat mit seiner Ehefrau Gütertrennung vereinbart. Er ist einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Von dem monatlichen Nettoeinkommen von DM 1.970,58 sind daher pfändbar DM 141,50.

20

b)

Der Schuldner hat bereits 1994 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Gem. Art. 107 EGInsO handelt es sich um einen sog. "Altfall". Die Wohlverhaltensperiode für die Restschuldbefreiung beträgt lediglich 5 Jahre, Verfügungen gem. § 114 Abs. 1 InsO sind lediglich für 2 Jahre wirksam.

21

c)

Bei Durchführung der Restschuldbefreiung wäre ein Betrag von DM 8.500 zu erwarten. Dieser könnte jedoch nicht vollständig auf die Gläubiger verteilt werden.

22

(1)

Die Gläubigerin zu 10. der ca. DM 24.000 zustehen, würde zunächst 2 Jahre aufgrund einer Abtretung gem. § 114 Abs. 1 InsO sämtliche pfändbaren Beträge erhalten.

23

(2)

Der bei der Restschuldbefreiung zu bestellende Treuhänder (§ 187 Abs. 2 Satz 1 InsO) hat Anspruch auf Vergütung (§ 293 Abs. 1 Satz 1 InsO) und kann diese den abgeführten Beträgen entnehmen (vgl. § 298 Abs. 1 InsO). Die jährliche Mindestvergütung beträgt DM 200 (§ 14 Abs. 3 InsVV) zzgl. Umsatzsteuer und Auslagenpauschale (§§ 7, 8 InsVV).

24

(3)

Schließlich stünde dem Schuldner der sog. Motivationsrabatt gem. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO zu.

25

5.

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen greifen die Einwendungen der widersprechenden Gläubiger nicht durch.

26

a)

Der Gläubiger zu 1. beruft sich darauf, daß der Hauptforderung von DM 6.000 noch Zinsen und Kosten hinzuzurechnen sind, so daß sich ein Gesamtbetrag von DM 15.471 ergibt. Eine unangemessene Benachteiligung (§ 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO) liegt jedoch nicht vor. Bei Durchführung des Verfahrens mit Restschuldbefreiung ergibt sich nur unter Berücksichtigung der Hauptforderungen ein Anteil des Gläubigers zu 1. von 1,2 % unter Berücksichtigung sämtlicher Forderungen ein Anteil von lediglich 1,03 %. Die im Schuldenbereinigungsplan angebotene Quote von 2,937 % liegt darüber.

27

b)

Die Gläubigerin zu 4. lehnt den Plan ohne nähere Begründung ab. Ihr Anteil der Forderung beträgt unter Berücksichtigung lediglich der Hauptforderung 2,18 % und der Gesamtforderung 2,27 %. Die Quote von 2,937 % liegt darüber.

28

c)

Die Gläubigerin zu 5. beruft sich darauf, daß die Ehefrau des Schuldners ein eigenes Einkommen bezieht und daß sie aus diesem Grunde bei der Berechnung des unpfändbaren Teiles des Arbeitseinkommens unberücksichtigt zu bleiben hat. Genau dies hat der Schuldner auch getan. Er hat lediglich ein unterhaltspflichtiges Kind abgesetzt.

29

d)

Die Gläubigerin zu 8. beruft sich darauf, sie sei mit der Quote nicht einverstanden. Sie hat jedoch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht (vgl. § 309 Abs. 2 Satz 2 InsO), inwieweit eine Zustimmungsersetzung gem. § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO ausscheidet. Weitere Ausführungen sind daher nicht erforderlich.

30

e)

Gleiches gilt für die Gläubigerin zu 9., die statt der Vergleichszahlung von DM 1.170 eine Vergleichszahlung von mindestens DM 20.000 begehrt.