Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 13.10.1999, Az.: 74 IK 26/99

Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ; Einwendungen einzelner Gläubiger gegen den Schuldenbereinigungsplan

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
13.10.1999
Aktenzeichen
74 IK 26/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:1999:1013.74IK26.99.0A

Fundstellen

  • EWiR 2000, 299
  • KTS 2000, 389
  • NZI 2000, 34-37
  • NZI 2001, 56
  • ZInsO 1999, 652-655 (Volltext mit red. LS)
  • ZInsO 2000, 656 (amtl. Leitsatz)

Gründe

1

Die Schuldnerin hat am 26. 4. 1999 wegen Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt und zugleich beantragt, Einwendungen einzelner Gläubiger gegen den Schuldenbereinigungsplan gem. § 309 InsO zu ersetzen. Weiter hat sie Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 287 InsO) gestellt. Auf ihren Antrag ist der Schuldnerin am 11.6.1999 für das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren (§§ 305-310 InsO) PKH bewilligt worden.

2

Es sind 18 Gläubiger vorhanden, deren Forderungen sich auf insgesamt ca. 965.000 DM belaufen. Die Forderung der Hauptgläubigerin ist mit 845.000 DM angegeben. Die Schuldnerin hat monatliche Ratenzahlungen von zur Zeit 0,00 DM (sog. Nullplan) angeboten. U.a. die Hauptgläubigerin hat dem Schuldenbereinigungsplan widersprochen. Die Schuldnerin hat mit Schreiben v. 29. 9. 1999 mitgeteilt, daß sie sich in Anbetracht ihrer Einkommensverhältnisse außerstande sieht, einen überarbeiteten Plan einzureichen.

3

A.

Der Antrag der Schuldnerin auf Zustimmungsersetzung ist gem. § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO zurückzuweisen, da die widersprechende Hauptgläubigerin mehr als die Hälfte der Forderungssumme hält.

4

B.

Der Antrag auf Bewilligung auf PKH für die Durchführung des Vereinfachten Insolvenzverfahrens (§§ 311 ff. InsO) ist zulässig und begründet.

5

Es ist nunmehr über die Bewilligung von PKH für das Vereinfachte Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) zu entscheiden (I.). Nach den Feststellungen des Gerichtes liegt der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) vor (II.). Der Antrag ist nicht mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse gem. § 26 InsO abzuweisen (III.). Für die Durchführung des Vereinfachten Insolvenzverfahrens (§§ 311 ff. InsO) kann nämlich PKH bewilligt werden (IV.), wie auch im vorliegenden Fall (V.). Die Bewilligung der PKH umfaßt nicht die Beiordnung eines Rechtsanwaltes, aber die Vergütung des gem. § 313 InsO zu bestellenden Treuhänders (VI.).

6

I.

Gesonderte Bewilligung für jeden Verfahrensabschnitt

7

Für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§ 305 - 310 InsO) ist der Schuldnerin mit Beschl. v. 11. 6. 1999 PKH bewilligt worden. Nunmehr ist über die Bewilligung von PKH für den nachfolgenden Verfahrensabschnitt, nämlich für das Vereinfachte Insolvenzverfahren (§§ 311 - 314 InsO), zu entscheiden. PKH wird nämlich nicht für das ganze Verfahren vorab, sondern nur für jeden Verfahrensabschnitt bewilligt (vgl. AG Göttingen, NZI 1999, 124; FK-InsO/Schmerbach 2. Aufl., § 13 Rn. 95 a).

8

II.

Zahlungsunfähigkeit

9

Die Schuldnerin ist zahlungsunfähig (§ 17 InsO). Eröffnungsvoraussetzung ist u. a., daß der Eröffnungsgrund (§§ 16-19 InsO) zur vollen Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen ist (FK-InsO/Schmerbach, § 27 Rn. 5). Das Insolvenzgericht ist vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin überzeugt. Gem. § 5 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind und kann zu diesem Zweck insbesondere Sachverständige vernehmen. Regelmäßig wird das Insolvenzgericht nur durch die Beauftragung eines Sachverständigen feststellen können, ob ein Eröffnungsgrund gem. §§ 16 - 19 InsO vorliegt (FK-InsO/Schmerbach, § 5 Rn. 15). Dieser Grundsatz beansprucht Geltung jedoch nur für das sog. Regel- bzw. Unternehmensinsolvenzverfahren, bei dem insbesondere mögliche gläubigerschädigende Handlungen mit Hilfe eines Sachverständigen aufgedeckt und eine Abweisung mangels Masse (§ 26 InsO) verhindert werden sollen. Im Verbraucherinsolvenzverfahren gelten andere Grundsätze. Eine Abweisung mangels Masse droht schon deshalb nicht, da auch bei Masselosigkeit PKH für die Durchführung des Vereinfachten Insolvenzverfahrens bewilligt und das Verfahren eröffnet werden kann (s. unten IV.).

10

Im Rahmen der Ermittlungen gem. § 5 Abs. 1 InsO stehen als weitere Beweismittel noch die Angaben des Schuldners, der Gläubiger sowie die Verwertung von Urkunden zur Verfügung (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 5 Rn. 7 ff., 11, 16 ff.). Aus dem von der Schuldnerin eingereichten Vermögensverzeichnis ergibt sich, daß sie gelernte Kellnerin und seit dem 1. 2. 1998 arbeitslos ist. Aus dem vorgelegten Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes v. 29. 1. 1999 ergibt sich eine wöchentliche Arbeitslosenhilfe i.H.v. 228,48 DM. Insbesondere die Hauptgläubigerin hat in ihrer Stellungnahme v. 29. 6. 1999 bestätigt, daß ihr Forderungen i.H.v. mindestens 845.000 DM zustehen. Soweit weitere Gläubiger Stellung genommen haben, haben sie die Forderungen einschließlich der Höhe bestätigt.

11

III.

Keine Abweisung mangels Masse gem. § 26 InsO

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Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auch nicht deshalb zurückzuweisen, weil das Vermögen der Schuldnerin voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken und weil kein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen worden ist (§ 26 Abs. 1 InsO).

13

1.

Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und daß er während des Verfahrens erlangt, sog. Insolvenzmasse (§ 35 InsO). Zur Insolvenzmasse gehören jedoch nicht Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 InsO). Die Schuldnerin verfügt über kein pfändbares Einkommen oder Vermögen und wird dies voraussichtlich in absehbarer Zeit auch nicht erlangen. Die 31-jährige, getrenntlebende Schuldnerin hat den Beruf der Kellnerin erlernt und erhält Arbeitslosenhilfe. Dies hindert jedoch im Ergebnis nicht die Eröffnung des Vereinfachten Insolvenzverfahrens gem. §§ 311 ff. InsO.

14

2.

Eine Vorschußanforderung gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

15

a)

Beim Eigenantrag eines Schuldners ist das Gericht nicht verpflichtet, von ihm eine Vorschußleistung anzufordern. Entscheidend ist nur, ob das Schuldnervermögen voraussichtlich die Verfahrenskosten decken wird (FK-InsO/Schmerbach, § 26 Rn. 18). Dies ist, wie dargelegt, nicht der Fall.

16

b)

Vom Gläubiger wird ein Vorschuß nur angefordert, wenn er den Antrag gestellt hat (FK-InsO/Schmerbach, § 26 Rn. 19). Dies war schon unter Geltung der KO (§ 107 Abs. 1 KO) anerkannt (AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1403). Hinzu kommt, daß eine Vorschußanfrage bei den Gläubigern von vornherein aussichtslos wäre, da die Schuldnerin den Gläubigern keine verwertbare Insolvenzmasse zur Verfügung stellen kann und sie eine solche aller Voraussicht nach auch nicht erwirtschaften wird (vgl. AG Duisburg, a.a.O).

17

3.

Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht erforderlich, daß verwertbares Schuldnervermögen vorhanden ist. Die Schuldnerin strebt nämlich im Verbraucherinsolvenzverfahren Befreiung von sämtlichen Verbindlichkeiten (vgl. § 1 Satz 2 InsO) an, so daß für das Vereinfachte Insolvenzverfahren gem. §§ 311 ff. InsO PKH bewilligt werden kann (vgl. FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl., § 26 Rn. 18). Im Einzelnen wird dazu auf die Ausführungen unter IV. verwiesen.

18

IV.

Bewilligung von PKH für das Vereinfachte Insolvenzverfahren gem. §§ 311 ff. InsO.

19

Auszugehen ist davon, daß auch für das Vereinfachte Insolvenzverfahren gem. §§ 311 ff. InsO PKH bewilligt werden kann (FK-InsO/Kothe, § 311 Rn. 9 ff.; FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl., § 13 Rn. 95 c).

20

Im Einzelnen gilt folgendes:

21

1.

§ 4 InsO bestimmt, daß für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend gelten, soweit die InsO nichts anderes bestimmt. In Rechtsprechung und Literatur sind die Meinungen geteilt, ob einer natürlichen Person für die Durchführung des sog. Verbraucherinsolvenzverfahrens (§§ 304 ff. InsO) und anschließender Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) PKH bewilligt werden kann (vgl. AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1403 m.w.N.). Teilweise wird PKH generell abgelehnt, teilweise nur für das Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§ 305 ff. InsO) bewilligt. Teilweise wird die Zulässigkeit auch für alle Verfahrensabschnitte bejaht (vgl. AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1503; FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl., § 13 Rn. 95 b ff.).

22

2.

Bereits im Beschl. v. 5. 2. 1999 (74 IK 12/99) hat das erkennende Gericht die Auffassung vertreten, daß für das Insolvenzeröffnungsverfahren PKH zu bewilligen sein dürfte (NZI 1999, 124, 125). Ebenso wie für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§ 305 ff. InsO) ist auch für das anschließende Vereinfachte Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) die Bewilligung von PKH möglich. Die von der Gegenansicht aufgeführten Argumente überzeugen nicht.

23

a)

Unter Geltung der KO wurde PKH für einen Schuldner abgelehnt mit der Begründung, daß § 107 Abs. 1 Satz 1 KO eine abschließende Sonderregelung enthielt, wonach eine Abweisung mangels Masse zu erfolgen hatte, wenn eine die Kosten des Verfahrens entsprechende Masse nicht vorhanden war (FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 95).

24

Unter Geltung der InsO wird argumentiert, daß mit den Bestimmungen der §§ 26, 207 InsO diese Grundsätze übernommen worden sind und die Regelungen für alle Arten des Insolvenzverfahrens und für Schuldner aller Rechtsformen unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gelten (vgl. AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1404). Deshalb soll eine anderweitige gesetzliche Bestimmung i.S.d. § 4 InsO vorliegen mit der Folge, daß die Vorschriften der ZPOüber die PKH (§§ 114 ff. ZPO) nicht anwendbar sind.

25

b)

Dem steht jedoch § 1 Satz 2 InsO entgegen, der folgendes bestimmt:

"Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien."

26

Diese Möglichkeit kann nicht davon abhängig sein, ob die in § 54 InsO genannten Kosten des Insolvenzverfahrens im Schuldnervermögen vorhanden sind.

27

Die sog. "Ärmsten der Armen" würden ohne sachlich gerechtfertigten Grund von der Durchführung des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen. Im Ergebnis läge darin die Einführung einer (verdeckten) Mindestquote, zu deren Einführung der Gesetzgeber sich nicht entschlossen hat. Bestrebungen, im Verbraucherinsolvenzverfahren nach österreichischem Vorbild eine Mindestquote einzuführen, sind nicht Gesetz geworden. Danach sollte eine Schuldenbereinigung i.d.R. nur dann als angemessen anzusehen sein, wenn den Gläubigern bei der Durchführung des Planes mindestens 10 % ihrer Forderungen gewährt werden (FK-InsO/Schmerbach, Vor §§ 1 ff., Rn. 9).

28

c)

Weiter ist zu bedenken, daß Endziel des Schuldners die Restschuldbefreiung ist. Unerheblich ist es, ob auch eine nur anteilsmäßige Befriedigung der Gläubiger im Vereinfachten Insolvenzverfahren zu erwarten ist. Der Sachverhalt ist dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren gem. §§ 305 ff. InsO vergleichbar. Dort kann PKH bewilligt werden, unabhängig von der Frage, ob Aussicht auf Annahme des Planes gem. § 308 InsO besteht; eine Prüfung der Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) findet nicht statt (AG Göttingen, NZI 1999, 124, 125; FK-InsO/Kothe, § 310 Rn. 19). Daher ist es auch unerheblich, daß die Gläubiger im Restschuldbefreiungsverfahren voraussichtlich nicht einmal anteilig befriedigt werden, sog. Nulllösung. Eine Mindestquote ist gerade nicht vorgesehen (s.o. b) sowie: AG Göttingen, NZI 1999, 124; AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1401; FK-InsO/Grote § 309 Rn. 32 ff., 36).

29

d)

Bedenken gegen eine PKH-Bewilligung können auch nicht auf die Regelungen der §§ 298 Abs. 1, 313 InsO gestützt werden. § 313 bestimmt nur, daß ein Treuhänder zu bestellen ist, regelt jedoch nicht die Frage, wer die Kosten aufbringen muß. § 298 Abs. 1 InsO gilt nur für das Restschuldbefreiungsverfahren. Eine Versagung der (gem. § 291 InsO) angekündigten Restschuldbefreiung setzt zudem einen Antrag des Treuhänders voraus. Ob ein solcher Antrag gestellt wird, ist völlig ungewiß und für das Gericht keiner gesicherten Prognose zugänglich. Schließlich handelt es sich um eine Sonderregelung für die Treuhändervergütung, welche die anderen, typischen Prozeßkosten nicht berührt (FK-InsO/Ahrens, § 286 Rn. 47). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob auch die Treuhändervergütung von der PKH umfaßt ist (s.u. VI.).

30

e)

Dem steht auch nicht der "Wille des Gesetzgebers" entgegen.

31

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bat der Bundesrat zwar zu prüfen, wie sichergestellt werden kann, daß bei natürlichen Personen die Durchführung des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens nicht am finanziellen Unvermögen zur Aufbringung der Verfahrenskosten scheitert. Die Gegenäußerung der Bundesregierung hielt solche Regelungen für entbehrlich, da durch das damals geplante verwalterlose Verfahren nur sehr geringe Gerichtskosten anfallen sollten, die auch ein Schuldner mit sehr niedrigem Einkommen regelmäßig aufbringen könne (vgl. AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1404 f.; FK-InsO/Kothe, § 311 Rn. 11). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde die Systematik des Verbraucherinsolvenzverfahrens aber nachhaltig geändert. Das verwalterlose Verfahren wurde nicht Gesetz. Es wurde ein 4-stufiger Verfahrensaufbau eingeführt (außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren, gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren gem. § 305, vereinfachtes Insolvenzverfahren gem. § 311 ff., Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO). Aus dem "Willen des Gesetzgebers" kann daher nicht geschlossen werden, daß die Bewilligung von PKH für das Vereinfachte Insolvenzverfahren gem. § 311 ff. InsO ausscheidet (ebenso AG Offenbach, ZInsO 1999, 296, 297[AG Offenbach 29.04.1999 - 8 IK 7/99]; FK-InsO/Kothe, § 311 Rn. 11 f.; Pape, ZInsO 1999, 117[AG Köln 19.01.1999 - 72 IK 1/99]). Es bedurfte daher keiner Ausnahmeregelung zu den Regelungen der §§ 26, 207 InsO (a.A. AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1405). Die Regelungen der §§ 26, 207 InsO werden eingeschränkt durch die Regelung des § 1 Satz 2 InsO mit der Folge, daß aufgrund der Verweisung des § 4 InsO die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPOüber die PKH anwendbar sind.

32

f)

Hält man die Regelungen der §§ 26, 207 InsO für abschließend, so stellt sich die Frage, ob nicht eine verfassungskonforme Auslegung dazu führt, daß die PKH-Vorschriften anwendbar sind. Dies dürfte im Ergebnis zu bejahen sein (a.A. AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1411), kann jedoch letztlich dahinstehen.

33

V.

Bewilligung von PKH im vorliegenden Fall

34

Bei der Schuldnerin liegen auch die sich aus §§ 114 ff. ZPO ergebenden Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH vor.

35

1.

Die Schuldnerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Verfahrenskosten aufzubringen (§ 114 Satz 1 ZPO). Über einzusetzendes Einkommen und Vermögen (§ 115 ZPO) verfügt sie im Ergebnis nicht. Über ein ihr gehörendes Grundstück sind Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung angeordnet, ein die grundbuchrechtlichen Belastungen von über 900.000 DM befriedigender Erlös ist nicht zu erwarten.

36

2.

Auch hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) ist zu bejahen. Der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) liegt vor (s.o. II.). Weiter hat die Schuldnerin einen Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 287 InsO) gestellt.

37

3.

Ob und in welchen Fällen die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig (§ 114 ZPO) sein kann, kann offenbleiben. Dies soll der Fall sein können, wenn ein Gläubiger Umstände glaubhaft gemacht hat, die zu einer Versagung der beanstandeten Restschuldbefreiung gem. § 290 InsO führen würden (AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1407). Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor.

38

VI.

Umfang der PKH

39

Die Bewilligung von PKH bewirkt, daß die Schuldnerin zur Zahlung der Gerichtskosten nicht herangezogen werden kann (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

40

Die Beiordnung eines Anwaltes hat die Schuldnerin nicht beantragt. Im übrigen kommt für das Vereinfachte Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) die Beiordnung eines Rechtsanwaltes unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 5 InsO) nicht in Betracht, Beschluß des AG Göttingen v. 24. 9. 1999 (74 IK 23/99).

41

Hingegen umfaßt die Bewilligung der PKH auch die Vergütung des gem. § 313 InsO zu bestellenden Treuhänders (ebenso AG Hamburg, ZInsO 1999, 24; AG Offenbach, ZInsO 1999, 296, 299[AG Offenbach 29.04.1999 - 8 IK 7/99]; AG Hildesheim, NZI 1999, 332; AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1407; a.A. AG Hamburg, ZInsO 1999, 236, 238[AG Hamburg 12.03.1999 - 68b IK 1/99]; AG Hamburg, ZInsO 1999, 239[AG Hamburg 23.03.1999 - 68b IK 1/99]; FK-InsO/Kothe, § 311 Rn. 15 ff.; I. Pape, NZI 1999, 89, 92; Pape/Haarmeyer, ZInsO 1999, 135, 138).

42

Die Vergütung des Treuhänders ist zwar in der Anlage I zum GKG nicht aufgeführt. Damit fallen die Kosten des Treuhänders nicht (unmittelbar) unter den Begriff der Gerichtskosten i.S.d. § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO, von deren Zahlung der Schuldner befreit ist. Zu bedenken ist jedoch, daß nach § 4 InsO die Vorschriften der ZPO nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anzuwenden sind. Die Funktion des Treuhänders gibt es in der ZPO nicht. Die Besonderheit des Insolvenzverfahrens ist jedoch im vorliegenden Fall, daß ein Treuhänder zwingend zu bestellen ist, so daß die Vergütung des Treuhänders von der PKH abgedeckt ist (AG Duisburg, ZIP 1999, 1399, 1407). Begründet werden kann dies auch mit einer weiteren Analogie des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (AG Offenbach, ZInsO 1999, 296, 297)[AG Offenbach 29.04.1999 - 8 IK 7/99]. Ein Rechtsanwalt wird zwar nicht beigeordnet. Die Vergütung des Treuhänders ist jedoch der eines Rechtsanwaltes vergleichbar. Die bewilligte PKH befaßt daher auch die Vergütung des Treuhänders in analoger Anwendung zu § 122 ZPO (ebenso Funke, ZIP 1998, 1708, im Ergebnis ebenso AG München, ZIP 1998, 2172, 2174) [AG München 07.12.1998 - 152 AR 220/98].

43

VII.

Die Eröffnung des Verfahrens und Bestellung eines Treuhänders hat das Gericht in einem gesonderten Beschluß vorgenommen.