Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 26.07.1999, Az.: 71/74 IN 145/99
Voraussetzungen für die Zurückweisung einer Gegenvorstellung; Rechtmäßigkeit der Anordnung der Postsperre
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 26.07.1999
- Aktenzeichen
- 71/74 IN 145/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 30028
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:1999:0726.71.74IN145.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 1 InsO
- § 14 InsO
- § 22 Abs. 3 InsO
- § 21 Abs. 2 Nr. 22. HS. InsO
Fundstellen
- EWiR 1999, 897
- KTS 2000, 275
- ZIP 1999, 1566-1568 (Volltext mit red. LS)
- ZInsO 1999, 476-477 (Volltext mit red. LS)
Tenor:
- 1.
Die Gegenvorstellung der Schuldnerin gegen die im Beschl. v. 02.07.1999 getroffenen Sicherungsmaßnahmen zu Ziff. 1-5, 7 wird zurückgewiesen.
- 2.
Der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin gegen die Anordnung der Postsperre im Beschl. v. 02.07.1988 (Ziff. 6) wird nicht abgeholfen. Die Akten werden insoweit dem LG zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
Mit Anwaltsschriftsatz v. 01.07.1999 stellten die Eigentümer der WEG-L beim AG Göttingen den Antrag, über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen und regten die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen an. Dieser Antrag ging am 02.07.1999 um 10.50 Uhr beim AG ein. Mit Beschluß vom selben Tag, 13.00 Uhr, hat das AG Göttingen Sicherungsmaßnahmenn getroffen. U.a. ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. HS. InsO angeordnet worden, das Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind. Der Schuldnerin ist untersagt worden, über ihren Grundbesitz zu verfügen. Weiter ist eine Postsperre angeordnet worden.
Der Antrag wird darauf gestützt, daß die Schuldnerin statt des vereinbarten monatlichen Generalmietzinses von 28,95 DM/qm lediglich 23,95/qm bezahlt. Die offenen Forderungen werden beziffert auf 165.047,03 DM bis 3/99.
Hinzugerechnet werden für die Monate 4/99 - 6/99 weitere 33.000,00 DM sowie Nebenkosten i.H.v. 7.460,00 DM. Zum Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit wird ausgeführt, daß die Schuldnerin auf einer Eigentümerversammlung am 25.09.1998 eingestand, ihren Verpflichtungen aus den Generalmietverträgen nicht mehr nachkommen zu können. Weiter berufen sich die Gläubiger darauf, daß zum Ende September 1998 eine vertragswidrige Kündigung des Generalmietvertrages ausgesprochen wurde.
Gegen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen hat die Schuldnerin mit Anwaltsschriftsatz v. 05.07.1999 Gegenvorstellung/sofortige Beschwerde einlegen lassen. Sie weist darauf hin, daß auf die ursprüngliche Forderung von 165.047,03 DM ein Betrag von 110.877,48 DM bezahlt wurde. Weiter beruft sie sich auf ein Recht zur Kündigung der mit den Eigentümern abgeschlossenen Generalmietverträge v. 30.09.1998. Sie bezieht sich auf einen in einem Musterverfahren vor dem LG Göttingen am 21.07.1999 anstehenden Termin zur Verkündung einer Berufungsentscheidung. Schließlich weist die Schuldnerin darauf hin, daß ihr Geschäftskonto am 21.04.1999 über ein Guthaben von 304.229,88 DM und am 02.07.1999 über ein Guthaben von 212.522,52 DM verfügte.
Die Akten haben zunächst dem LG Göttingen vorgelegen zur Entscheidung über ein von der Schuldnerin eingereichtes Befangenheitsgesuch.
Mit Schriftsatz v. 23.07.1999 hat der vorläufige Verwalter beantragt,
den Antrag auf Aufhebung der vorläufigen Postsperre zurückzuweisen.
Zur Begründung weist er darauf hin, daß trotz mehrfacher Aufforderungen der Geschäftsführer der Schuldnerin ihm keinerlei Geschäftsunterlagen überreichte.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
I.
Der erkennende Richter ist zur Entscheidung berufen. Nachdem das LG Göttingen mit Beschl. v. 14.07.1999 (10 AR 28/99) das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen hat, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin mit Schriftsatz v. 23.07.1999 erklärt, daß er gegen den Beschluß auf Rechtsmittel verzichtet. Damit ist der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluß des LG Göttingen rechtskräftig.
II.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen - mit Ausnahme der Anordnung der vorläufigen Postsperre und eines Haftbefehles - ist nach der InsO nicht anfechtbar (§ 6 Abs. 1 InsO). Sicherungsmaßnahmen sind jedoch nach § 25 Abs. 1 InsO aufzuheben, wenn die Beibehaltung der Maßnahme nicht mehr begründet ist und eine Gefahr für die Insolvenzmasse nicht mehr besteht (FK-InsO/Schmerbach, § 25 Rn. 6). Derartige Maßnahmen kann der Schuldner jederzeit anregen.
Im vorliegenden Fall sind die Sicherungsmaßnahmen jedoch aufrecht zu erhalten.
1.
Der Antrag der Antragstellerin v. 01.06.1999 genügt den formellen Anforderungen, die gem. § 14 InsO an einen zulässigen Insolvenzantrag zu stellen sind.
a)
Die dem Antrag v. 01.06.1999 beigefügte eidesstattliche Versicherung liegt zwar nicht im Original vor, sondern lediglich als Telefax. Es ist jedoch anerkannt, daß Versicherungen an Eides statt nicht formbedürftig sind und das sie auch per Telefax abgegeben werden können (Zöller-Greger, ZPO, § 284 Rn. 4).
Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin ist es nicht erforderlich, daß dieses Fax an das Gericht gesandt wird, sie kann auch gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger gegenüber abgegeben werden.
Hinzukommt, daß die in der eidesstattlichen Versicherung enthaltenen Angaben von der Schuldnerin größtenteils nicht bestritten worden sind, so z.B. die Zahlung von lediglich 23,95 DM/qm statt 28,95 DM/qm Generalmietzins ab Oktober 1998.
b)
Weiter hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, daß ihr eine Forderung i.H.v. mind. ca. 78.000,00 DM gegen die Antragsgegnerin zusteht. Über die gezahlte Summe von ca. 110.000,00 DM sind diese Mietzinsrückstände aufgelaufen für den Zeitraum bis 6/99.
Nicht erforderlich ist, daß die Forderung der Antragstellerin etwa in einem Urteil tituliert ist. Auch nicht titulierte Forderungen können Grundlage eines Insolvenzantrages sein, sofern sie nur schlüssig dargelegt sind. Hängt das Bestehen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit von dem Bestehen der Forderung ab, ist für die Zulässigkeit eines Antrages der volle Nachweis des Bestehens der Forderung nicht erforderlich. Dem Insolvenzgericht muß nämlich möglich sein, Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Die Frage des Bestehens der Forderung ist nicht eine Frage der Zulässigkeit des Antrages, sondern der Begründetheit (FK-InsO/Schmerbach, § 14 Rn. 57 f.). Darüber ist nicht im Rahmen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zu entscheiden, sondern erst bei der Eröffnung des Verfahrens.
Im vorliegenden Fall ist die Forderung nicht nur schlüssig dargelegt, sondern auch glaubhaft gemacht worden, so daß die Sicherungsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung der Schuldnerin ergehen konnten (vgl. ders., a.a.O.). Der der Antragsschrift beigefügte schriftliche Mietvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin weist in § 5 eine Laufzeit bis zum Jahre 2008 aus. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Kündigungsrechtes aus wichtigem Grund (§ 7) liegen nicht vor.
c)
Schließlich haben die Gläubiger auch - zunächst - die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin dadurch glaubhaft gemacht, daß diese nicht den vollen Mietzins zahlte, nachdem ihr Geschäftsführer auf einer Eigentümerversammlung am 25.09.1998 erklärt hatte, daß sie ihren Verpflichtungen aus den Generalmietverträgen nicht mehr nachkommen könne.
2.
Der Schuldnerin ist es nicht gelungen, die Glaubhaftmachung der Forderung und des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit durch die mögliche Gegenglaubhaftmachung (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 14 Rn. 57) zu widerlegen.
a)
Soweit sich die Schuldnerin auf ein am 21.07.1999 zu verkündendes Urteil der Berufungskammer des LG Göttingen in einem Musterprozeß beruft, ist darauf schon deshalb nicht einzugehen, da dieses Urteil bei Abfassung des Beschwerdeschriftsatzes v. 05.07.1999 nicht vorlag und bislang nicht zur Akte gereicht worden ist.
b)
Weiter kann sich die Schuldnerin nicht darauf berufen, daß ihr Geschäftskonto am 21.04.1999 ein Guthaben von über 300.000,00 DM auswies und am 01.07.1999 von über 200.000,00 DM. Die von den Gläubigern geltend gemachte Forderung liegt zwar darunter. Die Schuldnerin ist jedoch trotz mehrfacher Aufforderungen des vorläufigen Insolvenzverwalters ihrer Verpflichtung auf Auskunftserteilung, insbesondere auf Vorlage der Geschäftsunterlagen (§ 22 Abs. 3 InsO), der Generalmieten wäre es Aufgabe der Schuldnerin im Rahmen der Glaubhaftmachung gewesen, darzulegen, daß keine weiteren Forderungen gegen sie bestehen. Dies hätte z.B. durch Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen abgeklärt werden können.
3.
Daher kann dahinstehen, ob den Gläubigern weitere Ansprüche zustehen und ob auch der Insolvenzgrund der Überschuldung glaubhaft gemacht ist.
4.
Soweit die Schuldnerin im Schriftsatz v. 05.07.1999 sich auf § 765a ZPO beruft, ist folgendes zu bemerken:
Die Einwendungen des § 765a kommen allenfalls in kraß gelagerten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 14 Rn. 23). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts vorgetragen.
III.
Der sofortigen Beschwerde gegen die Anordnung der vorläufigen Postsperre (§ 21 Abs. 2 Nr. 4, § 99 InsO) hilft das Insolvenzgericht nicht ab. Daß es der Postsperre bedurfte, wird dadurch belegt, daß die Schuldnerin zu einer Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter nicht gewillt ist, sie vielmehr trotz mehrfacher Aufforderungen bis Montag, 26.7., 12.00 Uhr, keinerlei Geschäftsunterlagen an den vorläufigen Verwalter ausgehändigt hat.