Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 02.09.1999, Az.: 74 IN 31/99

Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters; Berechnung der Kosten für Insolvenzverwaltung

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
02.09.1999
Aktenzeichen
74 IN 31/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 29977
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:1999:0902.74IN31.99.0A

Fundstellen

  • NZI 1999, 469-470
  • NZI 1999, 512

Tenor:

Die Vergütung des Rechtsanwalts W wird gem. Antrag Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 25.520,-als Gutachter auf 1.224,96 DM festgesetzt.

Die Entnahme aus der Insolvenzmasse wird gestattet.

Gründe

1

I.

Der Inhaber der Schuldnerin, eine eingetragener) Einzelhandelsfirma, stellte am 10.02.1999 Eigenantrag wegen Zahlungsunfähigkeit. Mit Beschluss vom selben Tage wurde Rechtsanwalt W zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziff. 2, 2. Halbs. InsO). Der Geschäftsbetrieb war bei Antragstellung noch nicht eingestellt, es lagen noch Aufträge vor. Bei Antragstellung waren noch 20 Mitarbeiter beschäftigt. Am 01.04.1999 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

2

Mit Schreiben vom 15.07.1999 hat Rechtsanwalt W die Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter sowie als Sachverständiger beantragt. Ausgehend von einer freien Masse von 331.604,-DM hat er - in Abweichung von der Regelvergütung des Sequesters von 25 % der Vergütung des Konkursverwalters - eine Vergütung von 30 % der Insolvenzverwaltervergütung für angemessen bezeichnet. Weiter hat er eine Erhöhung um 10 % für die Betriebsfortführung und um 5 % für die Prüfung von Absonderungsrechten beantragt, insgesamt 45 % der gesetzlichen Insolvenzverwaltervergütung.

3

II.

Der Antrag auf Festsetzung der Vergütung des Vorläufigen Insolvenzverwalters ist im Ergebnis begründet.

4

1.

Zuständig für die Festsetzung der Vergütung [les vorläufigen Insolvenzverwalters gem. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1 InO ist nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter. Dem Richter ist das Verfahren bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RpflG vorbehalten. Die Festsetzung der Vergütung gehört funktionell zu dem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Abschnitt (LG Köln Rpfleger. 1997, 273; LG Koblenz Rpfleger. 1997, 427). Die zur GesO ergangenen Entgegenstehenden Entscheidungen (LG Halle ZIP 1995, 486; LG Magdeburg Rpfleger. 1996, 38) überzeugen nicht. Der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters entsteht ebenso wie der des Sequesters bereits in seiner Tätigkeit (BGH ZIP 1992, 120). Schließlich kann nur derjenige, der das Verfahren in funktioneller Zuständigkeit bearbeitet hat, letztlich sachgerecht die angemessene Höhe der Vergütung festsetzen (FK-lnsO/Schmerbach § 21 Rd. 56; HK-lnsO / Kirchhof § 22 Rd. 51; a.A. Smid InsO § 64 Rd. 4; Berliner Kommentar- Biersch § 64 Rd. 4).

5

2.

Aufgrund der in § 21 Abs. 2 Nr. 1 angeordneten entsprechenden Geltung ist die Berechnung der Vergütung der Wert zurzeit der Beendigung des vorläufigen Insolvenzverfahrens zugrunde zu legen (Fk-lnsO/Schmerbach § 21 Rd. 52; HK-lnsO/Kirchhof § 22 Rd. 42; Nerlich-Römermann-Mönning InsO § 22 Rd. 227; Smid InsO § 22 Rd. 60). Auszugehen ist daher von der aus der Vermögensübersicht vom 01.04.1999 ersichtlichen freien Masse von 331.604,- DM.

6

3.

Gem. § 11 Abs. 1 S. 2 InsW soll die Vergütung des vorläufigen Verwalters in der Regel einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht überschreiten. Entgegen der Auffassung des vorläufigen Verwalters ist nicht von einem Prozentsatz von 30 % auszugehen, sondern von 25 %, der im Konkursverfahren für die Tätigkeit eines Sequesters anerkannt war (FK-lnsO/Schmerbach § 21 Rd. 49). Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem auf den vorläufigen Verwalter nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis überging (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alternative, § 22 Abs. 1 S. 1 InsO}, sondern lediglich ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet wurde (§ 21 Ab$. 2 Nr. 2, 2. Alternative InsO). Stellung und Aufgabengebiet eines Sicherungsverwalters bzw. schwachen vorläufigen Verwalters sind dem eines Sequesters vergleichbar. Etwas anderes kann gelten bei Bestellung eines Verfügungverwalters bzw. starken vorläufigen Verwalters. Im Übrigen kann den Einzelheiten der Tätigkeit durch die Gewährung von Zuschlägen Rechnung getragen werden. Es bleibt daher bei der in dem (nicht rechtskräftigen) Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 02.07.1999 (71/74 IN 49/49) vertretenen Auffassung (Zlns0 1999,482;NZIHeft9).

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Gem. § 11 Abs. 1 Satz 3, § 3 Abs. 1 InsW sind im vorliegenden Fall folgende Zuschläge zu gewähren:

  1. a)

    10 % für die Betriebsfortführung.

    Die Schuldnerin war bundesweit tätig, zum Zeitpunkt der Antragstellung war zunächst von über 50 Baustellen die Rede. Die Prüfung dieser Baustellen und Fortführung von 5 Baustellen verursachte einen Erheblichen Aufwand.

  2. b)

    5 % für die Bearbeitung von Absonderungsrechten:

    An Werkzeugen und Fahrzeugen der Schuldnerin machten unmittelbar nach Antragstellung drei Gläubiger Absonderungsrechte geltend, die sich überschnitten.

  3. c)

    5 % für Befassung von arbeitsrechtlichen Fragen:

    Neben der Information der Arbeitnehmer und Sidherstellung der Lohn- und Gehaltsansprüche im Rahmen des Insolvenzgeldes beendete der vorläufige Verwalter 4 Kündigungsschutzprozesse.

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IV.

Zu der aus der freien Masse von 331.604,-DM sich ergebenen Grundvergütung von 21.920,- DM kommen Reisekosten in Höhe von 80,- DM und 16% Mehrwertsteuer in Höhe von 3.520,- DM hinzu:

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Die Entnahme dieser Kosten aus der Insolvenzmasse war ebenso zu gestatten wie die der Sachverständigenkosten.

10

V.

Daneben besteht ein Anspruch auf Sachverständigenentschädigung gem. § 11 Abs. 2 InsW i.V.m. §§3,11 ZSEG. Auf den Stundensatz von 85,- DM war gem. § 3 Abs. 3 S. 1 b ZSEG ein Zuschlag von 00 % zu gewähren im Hinblick darauf, dass Rechtsanwalt W zumindest zu 70 % in Insolvenzverfahren als Gutachter tätig ist.

Schmerbach, Richter am Amtsgericht