Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.05.2000, Az.: 14 K 521/99

Abgrenzung Pkw zu Lkw bei sog. "Pick-up's"

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
11.05.2000
Aktenzeichen
14 K 521/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35713
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0511.14K521.99.0A

Fundstelle

  • UVR 2001, 82

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Im Kfz-Steuerrecht fehlt eine eigenständige Bestimmung des Begriffs "Personenkraftwagen".

  2. 2.

    Da es sich um einen Begriff des Verkehrsrechts handelt, sind die verkehrsrechtlichen Vorschriften maßgebend, § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG.

  3. 3.

    Die verkehrsrechtliche Einstufung ist kraftfahrzeugsteuerlich nicht bindend.

  4. 4.

    Ob ein Pkw oder Lkw vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beantworten. Bei der Frage, ob ein Fahrzeug nach Bauart und Einrichtung objektiv nur zur vorwiegenden Beförderung von Gütern bestimmt ist, kommt es neben der Herstellerkonzeption entscheidend auf das äußere Erscheinigungsbild des Fahrzeugs an. Bei einem sog. "Pick-Up" ist entscheidend, ob die Ladefläche deutlich erkennbar die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertrifft.

  5. 5.

    Bei VW-Transportern mit Doppelkabine (6 Sitzplätze) und einer offenen Ladefläche ist davon nicht ohne weiteres auszugehen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug des Klägers nach dem Hubraum oder nach dem zulässigen Gesamtgewicht zu besteuern ist.

2

Der Kläger ist seit der Zulassung am 22. September 1998 Halter eines VW-Transporters mit Doppelkabine (6 Sitzplätze) und einer offenen Ladefläche, einem sogenannten Pritschenwagen. Das Fahrzeug ist als LKW zugelassen. Das Dieselfahrzeug, mit amtlichen Kennzeichen ... hat einen Hubraum von 1.695 ccm und einen Schadstoffschlüssel von 00. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 2.460 kg und die Nutzlast 628 kg.

3

Am 06. Oktober 1998 erhielt der Kläger einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid, der gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Danach wurde das Fahrzeug als LKW eingestuft und die Kraftfahrzeugsteuer auf 290,00 DM jährlich festgesetzt. Am 02. Februar 1999 wurde der Kraftfahrzeugsteuerbescheid gem. § 164 Abs. 2 AO geändert. Das Fahrzeug wurde nun als PKW eingestuft und die Kraftfahrzeugsteuer auf 1.113,00 DM jährlich festgesetzt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 08. Februar 1999 Einspruch ein, mit dem er die Wiedereinstufung als LKW begehrte. Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 02. Juli 1999 als unbegründet zurück. Dagegen erhob er am 03. August 1999 Klage.

4

Er trägt vor, die verkehrsrechtliche Eingruppierung binde auch das Steuerrecht, so dass eine Besteuerung als LKW zu erfolgen habe. Es sei eine unzulässige Ungleichbehandlung, wenn steuerlich das Fahrzeug anders behandelt werde als verkehrsrechtlich. Das Verhältnis Ladefläche zum Raum zur Beförderung von Personen sei nicht hinreichend gewürdigt worden (Maße des Raums zur Beförderung von Personen: 1,95 m Länge und 1,50 m Breite; Ladefläche: 1,90 m Länge und 1,80 m Breite). Das Fahrzeug diene auch überwiegend dem Transport von Gegenständen und nicht der Personenbeförderung. Wie hoch der Anteil der Nutzlast am zulässigen Gesamtgewicht betrage, könne für die Einstufung als LKW oder PKW nicht maßgeblich sein. Auch genieße der Kläger Schutz nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, da er auf die ursprüngliche Festsetzung vertraut habe. Weiterhin sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt, da andere Steuerpflichtige in diesen Fällen anders eingestuft würden.

5

Der Kläger beantragt,

  1. den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 02. Februar 1999 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 02. Juli 1999 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Der Beklagte nimmt zunächst Bezug auf die Einspruchsentscheidung. Entscheidend sei danach, ob die Ladefläche deutlich erkennbar die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertreffe, was vorliegend nicht der Fall sei. Auch betrage die Nutzlast nicht mindestens 40 v. H. des zulässigen Gesamtgewichts, was nach einen finanzgerichtlichen Urteil erforderlich sei. Darüber hinaus gebe es, soweit andere gleichwertige Fahrzeuge als LKW eingestuft worden seien, keine Gleichbehandlung im Unrecht.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt (§ 79 a Abs. 3, 4Finanzgerichtsordnung-FGO-).

Gründe

9

Die Klage ist unbegründet.

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Zu Recht hat das Finanzamt das Fahrzeug des Klägers als PKW eingestuft und die Besteuerung nach dem Hubraum vorgenommen ( § 8 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz - KraftStG - ).

11

1. Im geltenden Kraftfahrzeugsteuerrecht fehlt eine eigenständige Bestimmung des Begriffs Personenkraftwagen. Da es sich um einen Begriff des Verkehrsrechts handelt sind insoweit die verkehrsrechtlichen Vorschriften maßgebend ( § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG ). Danach sind Personenkraftwagen nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als acht Fahrgastplätzen. Als Personenkraftwagen gelten auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 Tonnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend zur Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen und die außer dem Führersitz Platz für nicht mehr als acht Personen haben (sog. Kombinationskraftwagen: § 23 Abs. 6 a Straßenverkehrszulassungsordnung). Lastkraftwagen - andere gewichtsbesteuerte Fahrzeuge i. S. v. § 8 Nr. 2 KraftStG - sind Kraftfahrzeuge, die nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern geeignet und bestimmt sind ( § 4 Abs. 4 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes).

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a) Die verkehrsrechtliche Einstufung ist kraftfahrzeugsteuerlich nicht bindend (arg. § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG;BFH-Urt. v. 26. November 1991 VII R 88/90,BFH/NV 1992, 414; Urt. v. 30. November 1993 VII R 49/93,BFH/NV 1994, 741; Urt. v. 29. April 1997 VII R 1/97,BStBl. II 1997, 627).

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b) Die Frage, ob ein Personen- oder Lastkraftwagen vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beantworten. Im Rahmen der Frage, ob ein Fahrzeug nach Bauart und Einrichtung objektiv nur zur vorwiegenden Beförderung von Gütern bestimmt ist, kommt es entscheidend neben der Herstellerkonzeption auf das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs an. So bestimmt sich danach maßgeblich, ob ein Pkw (ggf. in Gestalt eines Kombinationsfahrzeugs) oder ein Lkw (ein überwiegend für die Güterbeförderung konzipiertes Fahrzeug mit vorrangiger Verwendbarkeit zur Güterbeförderung) vorliegt (vgl.BFH-Urt. v. 26. Juni 1997 VII R 12/97,BFH/NV 1997, 810). Hiernach kommt es bei sogenannten Pick-up's, das sind Fahrzeuge mit einer offenen Ladefläche (sog. offener Kasten oder Pritschenwagen), bei denen durch eine durchgehend fest eingebaute Trennwand der Raum zur Personenbeförderung von der zur Beförderung von Gütern bestimmten Ladefläche getrennt ist, darauf an, ob die Ladefläche deutlich erkennbar die zur Personenbeförderung dienenden Bodenfläche übertrifft (vgl.FG München Urt. v. 17. Juli 1996,UVR 1996, 348; Urt. v. 12. August 1998 4 K 2734/98,EFG 1999, 671; Nds.FG Urt. v. 11. Dezember 1998 XIV 550/98). Das FG München ließ im erstgenannten Urteilsfall dahingestellt, ob es der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 18. Dezember 1997,UVR 1998, 122) folgen könnte, wonach derartige Fahrzeuge nur dann als Lkw zu besteuern sind, wenn die Ladefläche wesentlich mehr als 50 v. H. ausmacht und die Nutzlast mindestens 40 v. H. des zulässigen Gesamtgewichts beträgt.

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Im Streitfall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Aufgrund der dem Senat vorliegenden Fotos ist nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht zu erkennen, dass die Ladefläche deutlich die Fläche des zur Personenbeförderung dienenden Fläche übersteigt. Unterstellt die vom Kläger mitgeteilten Ausmaße der Ladefläche und des zur Personenbeförderung dienenden Raumes sind zutreffend, ergibt sich auch daraus kein deutlich erkennbares Übergewicht der Ladefläche zum Raum, der für die Personenbeförderung dient. Die Ladefläche ist danach nur etwa 0,5 m- größer. Weiterhin beträgt die Nutzlast nicht mindestens 40 v. H. des zulässigen Gesamtgewichts. Sie beträgt nur 25,5v. H. des zulässigen Gesamtgewichts. Auch die Finanzverwaltung stuft derartige Fahrzeuge mit großen viertürigen Doppelkabinen und 6 Sitzplätzen und im Verhältnis dazu kleiner Ladefläche als Pkw ein (OFD Nürnberg, Verfügung v. 24. Oktober 1995S 6104-3/St 33).

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2. Es ist darüber hinaus unerheblich, ob der Kläger das streitbefangene Fahrzeug - wie er vorträgt - überwiegend nur für Zwecke des Güterbeförderung verwendet. Denn es kommt für die Abgrenzung von Pkw und Lkw in der Regel auf die objektive Beschaffenheit (Bauart und Einrichtung) und nicht auf die subjektive Verwendung des Fahrzeugs an (FG München Urt. v. 12. August 1998 4 K 2734/98,EFG 1999, 671; Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer. Kommentar, 3. Aufl. 1981, S. 287 m. w. Nachw.). Auf die tatsächliche Verwendung stellen nur die Steuerbefreiungsvorschriften nach § 3 Nr. 2 bis 9 KraftStG ab, die hier nicht eingreifen.

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3.Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben kann der Kläger ebenfalls nicht geltend machen. Sie resultiert nicht daraus, dass der Beklagte den ursprünglichen Bescheid vom 06. Oktober 1998 durch den Bescheid vom 02. Februar 1999 abgeändert hat. Denn der ursprüngliche Bescheid stand gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Steht ein Steuerbescheid gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bleibt der Steuerfall nach allen Seiten offen, es sei denn § 176 AO ist einschlägig oder die Finanzbehörde hat eine verbindliche Zusage erteilt (vgl. Klein-Rüsken,Abgabenordnung, Kommentar, 6. Aufl. 1998, § 164 Anm. 3). Weder ist im vorliegenden Streitfall von einem Vertrauen des Klägers in eine ihm günstige Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltungsvorschrift gem. § 176 AO auszugehen, noch ist aus den Akten ersichtlich oder wurde vorgetragen, dass der Beklagte in dieser Sache dem Kläger eine verbindliche Zusage erteilt hat.

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4. Entgegen der Ansicht des Klägers kann er auch keine Rechtsverletzung ausArt. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -herleiten. Sollten bei anderen Haltern von Fahrzeugen gleicher Bauart und Einrichtung entgegen den oben genannten Grundsätzen deren Fahrzeuge als Lkw besteuert werden, so kann der Kläger daraus keine Rechte herleiten. Denn es gibt keinen Gleichheitssatz des Inhalts, dass bestimmte Versäumnisse der Verwaltung allen Betroffenen in gleicher Weise zugute kommen müßten (ständige Rechtsprechung des BFH vgl.BFH-Urt. v. 14. September 1967 V 3/65,BStBl. II 1968, 19; Urt. v. 20. Juni 1989 VIII R 82/86,BStBl. II 1989, 836; Urt. v. 10. April 1990 VIII R 415/83,BStBl. II 1990, 721).Art. 3 Abs. 1 GG fordert Gleichheit vor dem Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Gesetzesbruch kann es nicht geben (vgl.BVerfG-Urt. v. 04. April 1967 1 BvR 126/65, BVerfGE 21, 245, 261; Beschl. v. 12. Februar 1969 1 BvR 687/62, BVerfGE 25, 216, 229;BFH, Urt. v. 04. Juni 1987 V R 9/79,BStBl. II 1987, 653; Urt. v. 10. April 1990 a. a. O.). Eine Ungleichbehandlung aufgrund der fehlenden Bindungswirkung der verkehrsrechtlichen für die kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da Gleiches nicht ungleich behandelt wird. Die Kraftfahrzeugbesteuerung verfolgt einen völlig anderen Zweck als die verkehrsrechtlichen Regelungen.

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5. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.