Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.05.2000, Az.: 9 K 44/97

Aufwendungen für Beerdigung der Ehefrau als außergewöhnliche Belastung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.05.2000
Aktenzeichen
9 K 44/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14429
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0526.9K44.97.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Aufwendungen anlässlich der Beerdigung seiner Ehefrau als außergewöhnliche Belastungen abziehen kann. Ferner ist die Höhe des Pflegepauschbetrags und die Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine Haushaltshilfe streitig.

2

Der Kläger bezog im Streitjahr 1995 überwiegend Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Ehefrau, mit der er zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurde, verstarb im November 1995. Rechtsnachfolger sind der Kläger und die drei gemeinsamen Söhne.

3

Mit der Einkommensteuererklärung machte der Kläger Fahrtkosten zur Beerdigung seiner Ehefrau auf Sylt von 780,00 DM und Aufwendungen für die Beköstigung der Trauergemeinde von 1.495,00 DM als außergewöhnliche Belastungen geltend. Darüber hinaus beantragte er Aufwendungen in Höhe von 7.500,00 DM für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe bei den außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen.

4

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug der Beerdigungskosten ab, weil es sich insoweit um mittelbare Beerdigungskosten handele.

5

Den Pauschbetrag für Körperbehinderte berücksichtigte das FA aufgrund des vorliegenden Schwerbehindertenausweises der Ehefrau mit 2.760,00 DM und damit verbunden die Aufwendungen für eine Haushaltshilfe mit anteilig 11/12 von 1.800,00 DM (1.650,00 DM). Weiter setzte das FA den Pauschbetrag für die Haushaltshilfe von 1.200,00 DM nach § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a des Einkommensteuergesetzes anteilig für 1/12 (100,00 DM) an.

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Der Einspruch blieb erfolglos.

7

Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, die Fahrtkosten zur Beerdigung seiner Ehefrau nach Sylt und die Aufwendungen für die Beköstigung der Trauergemeinde seien ihm zwangsläufig entstanden. Seine Ehefrau sei auf ihren Wunsch auf der Insel Sylt in ihrer Heimat beerdigt worden. Dort hätten sie seit Jahren ihren zweiten Wohnsitz. Sie - die Ehefrau - als auch der Kläger hätten zu ihrem Wohnort M keinerlei persönliche Beziehungen. Er habe sich deshalb auch dem Freundeskreis gegenüber sittlich verpflichtet gefühlt, dem Wunsch seiner Ehefrau zu entsprechen. Auch er werde sich auf Sylt in der Familiengrabstätte beisetzen lassen. Diese Umstände hätten die Fahrtkostenhöhe von 780,00 DM notwendig gemacht. Da die Beerdigung um 12:00 Uhr gewesen sei, habe er die kleine Trauergesellschaft auch mit einem bescheidenen Mittagessen versehen müssen.

8

Seine Ehefrau sei aufgrund ihrer schweren Krebserkrankung eine hilflose Behinderte gewesen und habe sich ab Mai 1995 nur im Rollstuhl fortbewegen können. Sie sei mehrmals täglich von der Gemeindeschwester gepflegt, gewaschen und betreut worden. Eine häusliche Pflege sei durch das Krankenhaus ausdrücklich verordnet worden. Es seien somit 7.200,00 DM als Pflegepauschbetrag anzuerkennen. Aufgrund der Pflege durch eine Haushaltshilfe seien Aufwendungen von 5.280,00 DM als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

9

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 23. Oktober 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 1997 zu ändern und die Einkommensteuer soweit herabzusetzen als noch außergewöhnliche Belastungen von 9.500,00 DM zu berücksichtigen sind.

10

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Es bleibt bei seiner Auffassung, die vom Kläger geltend gemachten Beerdigungskosten seien als mittelbare Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Der Pflegepauschbetrag sei in der Höhe zutreffend ermittelt. Die Kosten der Haushaltshilfe könnten über den bisher gewährten Pauschbetrag hinaus nicht abgezogen werden.

Gründe

12

Die Klage ist unbegründet.

13

Der Einkommensteuerbescheid 1995 ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch ihn nicht in seinen Rechten verletzt, weil das FA zutreffend die Beerdigungskosten nicht zum Abzug zugelassen hat. Die Aufwendungen für eine Haushaltshilfe und die Höhe des Pflegepauschbetrags sind zutreffend berücksichtigt.

14

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

15

1.

Bewirtung der Trauergemeinde

16

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich das Gericht anschließt, werden die Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen anlässlich einer Beerdigung nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Die Rechtsprechung lehnt eine Rechtspflicht des Ehemannes zur Bewirtung von Trauergästen anlässlich der Beerdigung seiner verstorbenen Ehefrau ab. In der Begründung (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 242/83, BStBI II 1988, 130) wird dazu ausgeführt, der überlebene Ehemann, im Urteil des BFH ein Steuerberater, sei zu den Aufwendungen auch nicht aus Erwägungen gezwungen gewesen, denen er sich aufgrund seiner Stellung innerhalb der Gemeinschaft nicht habe entziehen können.

17

Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen erwachsen nicht aus rechtlichen Gründen zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Soweit es sich um die Rechtspflicht der Erben handelt, die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers gemäß § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu tragen, haben die Erben die Möglichkeit dieser Verpflichtung durch Ausschlagung der Erbschaft auszuweichen. Auf die Regelung der § 1968 BGB allein lässt sich danach eine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen aus rechtlichen Gründen nicht stützen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBI II 1987, 715). Eine Rechtspflicht des Klägers als unterhaltsverpflichteter Ehemann ergibt sich allenfalls aus § 1615 Abs. 2 BGB. Dieser Verpflichtung hätte der Kläger sich nicht durch Ausschlagung der Erbschaft entziehen können.

18

Die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen für ein Traueressen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG scheitert nach Auffassung des Gerichts jedoch daran, dass diese Aufwendungen nicht als notwendig im Sinne der von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG geforderten Zwangsläufigkeit anzusehen sind. Bei der Entscheidung, ob und welche Aufwendungen anlässlich einer Beerdigung als notwendig zu beurteilen sind, ist davon auszugehen, dass auch die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für die Beerdigung eines Verstorbenen der nach Überlieferung und Sitte bevorzugten Stellung von Beerdigungskosten in der gesamten Rechtsordnung entsprechen muss. Die öffentliche Ordnung fordert, dass der Verstorbene bestattet werden muss. Hieraus folgt, dass die Kosten der eigentlichen Bestattung, d.h. die Beerdigungskosten im engeren Sinne, zwangsläufig erwachsen. Dabei ist hinsichtlich der Notwendigkeit und Angemessenheit dieser Bestattungskosten im engeren Sinne dem Steuerpflichtigen nach der ständigen Rechtsprechung ein größerer Spielraum zu gewähren als in sonstigen Fällen, denn die Gestaltung eines Begräbnisses gehört zu den höchsten persönlichen Angelegenheiten desjenigen, der für die Kosten der Beerdigung aufzukommen hat (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1952 IV 376/51 S, BFHE 56, 773, BStBI III 1952, 298; vom 11. Mai 1979 VI R 37/76, BFHE 128, 64, BStBI II 1979, 558). Aus der nach der Rechtsprechung gebotenen großzügigen Beurteilung von Notwendigkeit und Angemessenheit der Beerdigungskosten im engeren Sinne kann jedoch nicht die Abziehbarkeit für solche Aufwendungen abgeleitet werden, die nur mittelbar durch die Bestattung veranlasst sind und lose Folgekosten der eigentlichen Bestattung sind. Die Anerkennung solcher Aufwendungen würde zu im Massenverfahren der Besteuerung nicht zu bewältigenden Abgrenzungsschwierigkeiten und zu einer nicht vertretbaren Rechtsunsicherheit führen.

19

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass die Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen im Anschluss an die Beerdigung nicht zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen. Anders als etwa die Kosten der landesüblichen kirchlichen und bürgerlichen Leichenfeierlichkeiten, die herkömmlicherweise zur herkömmlichen Ausgestaltung des Begräbnisses gerechnet werden, und die im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG als zwangsläufig - auch notwendig und angemessen - anzusehen sind, stehen die Aufwendungen für das Traueressen im Anschluss an die eigentliche Bestattung mit dieser nur in einem mittelbaren Zusammenhang. Der Umstand, dass durch die Teilnahme Dritter an der Beerdigung Aufwendungen entstehen, lässt diese nicht als für die eigentliche Bestattung notwendig erscheinen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die verstorbene Ehefrau des Klägers durch die Teilnahme einer - wenn auch kleinen - Trauergemeinde an der Beerdigung im besonderen Maße geehrt und gewürdigt wurde und es auch in weiten Kreisen üblich ist, insbesondere die aus weiter Entfernung angereisten Trauergäste im Anschluss an die Beerdigung zu bewirten. Der Umstand, dass der Kläger dem Wunsch seiner verstorbenen Ehefrau, in ihrer Heimat beigesetzt zu werden, nachgekommen ist, kann insoweit keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu kommen. Die Beurteilung der Aufwendungen für die Beköstigung der Trauergemeinde kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass diese zu einem weit entfernten Beerdigungsort anreisen mussten. Der nur mittelbare Zusammenhang mit der eigentlichen Beerdigung wird dadurch nicht beseitigt.

20

2.

Reisekosten zur Beerdigung

21

Nach den gleichen Grundsätzen sind auch die Reisekosten des Klägers für die Teilnahme an der Beerdigung seiner verstorbenen Ehefrau nach Sylt nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG zu berücksichtigen. Anders als die Aufwendungen für die Bestattung selbst, erscheinen die Reisekosten dem Grunde nach als nicht ungewöhnlich. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch dann, wenn sie im Einzelfall durch einen besonderen Wunsch des Verstorbenen veranlasst sind. Reisekosten im Zusammenhang mit einer Beerdigung liegen ihrer Art und dem Grunde nach nicht außerhalb des Üblichen. Derartige Aufwendungen sind deshalb grundsätzlich durch die allgemeinen Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten (BFH-Urteil vom 17. Juni 1994 III R 42/93, BStBI II 1994, 755).

22

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.