Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.05.2000, Az.: 9 K 228/95
Steuerfreiheit von Arbeitslohn bei einer kurzfristigen Tätigkeit für eine Betriebsstätte in Spanien
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 30.05.2000
- Aktenzeichen
- 9 K 228/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 14439
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0530.9K228.95.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 15 Abs. 1 DBA-Spanien
Fundstelle
- IWB 2000, 982
Tenor:
Die Steuer wird unter Änderung des Bescheids vom 4. Juli 1994 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 1995 soweit herabgesetzt, als sie sich mindert, wenn Arbeitslohn in Höhe von 24.953,01 DM steuerfrei belassen wird.
Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor entsprechend Sicherheit leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Teil der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien in der Bundesrepublik steuerfrei zu belassen ist.
Der Kläger war als Ingenieur bei der Firma V. & Co. KG (KG) in der Niederlassung in W. angestellt. In der Zeit von 1990 bis 1993 erfüllte sein Arbeitgeber auch in Barcelona, Spanien, einen Auftrag. Aus diesem Grund befand sich dort eine Montagestelle und ein Bürocontainer, von dem aus die Arbeiten koordiniert wurden. Die KG entsandte den Kläger für die Zeit vom 28. Juni 1992 bis 4. Juli 1992 sowie vom 5. Oktober 1992 bis 31. Oktober 1993 nach Barcelona. Er blieb weiterhin bei dem deutschen Arbeitgeber beschäftigt und wurde nicht für die in Spanien ansässige Tochtergesellschaft seines Arbeitgebers, der V., sondern ausschließlich für das deutsche Stammhaus tätig. Von seinem Bruttoarbeitslohn im Streitjahr 1992 von 77.371,00 DM entfiel unstreitig ein Betrag von 24.953,01 DM auf seine Auslandstätigkeit in Spanien.
Mit seiner Einkommensteuererklärung 1992 beantragte der Kläger, den Teil des Arbeitslohns, der auf seine Tätigkeit in Spanien entfiel, steuerfrei zu belassen. Das beklagte Finanzamt (FA) erfasste jedoch auch diesen Teil als im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und erließ einen entsprechenden Bescheid. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit der Begründung zurück, nach Art. 15 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Spanien (DBA-Spanien) stehe das Besteuerungsrecht bei einer vorübergehenden Tätigkeit der Bundesrepublik zu, wenn der Steuerpflichtige sich nicht länger 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres in Spanien aufhält, die Vergütung von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt wird, der nicht in Spanien ansässig ist und die Vergütung nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen wird, die der Arbeitgeber in Spanien unterhält. Da der Kläger keine Bescheinigung eingereicht habe, die belege, dass der Arbeitslohn von der ausländischen Betriebsstätte in Spanien in dem Umfang getragen worden sei, in dem die Tätigkeit der Betriebsstätte zuzuordnen sei, könne eine Steuerbefreiung im Inland nicht eingreifen.
Mit der hiergegen gerichteten Klage vertritt der Kläger die Auffassung, dass der Arbeitslohn in Höhe von 24.953,01 DM steuerfrei zu belassen sei, weil dieser Teil seines Arbeitslohnes auf die Tätigkeit in Spanien entfalle. Sein Arbeitgeber habe in Spanien eine Betriebsstätte unterhalten. Aus verschiedenen inländischen Niederlassungen seines Arbeitgebers seien Mitarbeiter nach Barcelona entsandt worden, um dort eine qualitative und terminliche Sicherstellung der Aufgabenerfüllung zu gewährleisten. Dabei habe es einen bestimmten Abrechnungsmodus zwischen den einzelnen V.-Niederlassungen gegeben. Habe die KG einen Arbeitnehmer z.B. aus der Niederlassung W. zu der Niederlassung in E. entsandt, so sei eine Abrechnung zwischen den Niederlassungen vorgenommen worden. Eine solche Abrechnung sei auch mit der Niederlassung in Spanien erfolgt. Die deutsche Niederlassung habe sich für die Entsendung von Arbeitnehmer nach Spanien eine entsprechende Vergütung aus Spanien zahlen lassen. Die Unternehmensstruktur seines Arbeitgebers habe so ausgesehen, dass die in den einzelnen Niederlassungen erwirtschafteten Gewinne und geleisteten Transfer in der zentralen Verwaltung in H. verrechnet worden seien. Dies könne er aber jetzt nicht mehr durch entsprechende Belege nachweisen. Erst mit der Einspruchsentscheidung im Jahre 1995 habe das FA eine entsprechende Bestätigung von ihm verlangt. Zwischenzeitlich sei jedoch sein Arbeitgeber im Jahre 1994 in Konkurs gefallen, so dass er die notwendigen Unterlagen nicht mehr beschaffen könne. Das FA habe seines Erachtens die Pflicht gehabt, bereits im Veranlagungsverfahren auf die Notwendigkeit entsprechender schriftlicher Nachweise des Arbeitgebers hinzuweisen. Nur durch die verzögerte Behandlung durch das FA sei es ihm nunmehr unmöglich geworden, entsprechende Belege vorzulegen.
Der Kläger beantragt,
die Steuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 1995 und Änderung des Bescheids vom 4. Juli 1994 soweit herabzusetzen, als sie sich mindert, wenn Arbeitslohn in Höhe von 24.953,01 DM steuerfrei belassen wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es meint weiterhin, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland nur entfiele, wenn der Kläger nachweisen könne, dass der streitige Teil des Arbeitslohns wirtschaftlich gesehen von der Betriebsstätte in Spanien getragen worden sei. Nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Spanien könne der Arbeitslohn nur steuerfrei belassen werden, wenn der Arbeitslohn tatsächlich wirtschaftlich zu Lasten der Betriebsstätte in Spanien erfasst worden wäre, da der Kläger im Steuerjahr weniger als 183 Tage in Spanien gewesen sei. Der Arbeitslohn müsse also bei der Ermittlung des Gewinns der Betriebsstätte in Spanien tatsächlich als Betriebsausgabe berücksichtigt worden sein. Er dürfe sich somit nicht auf die Höhe des inländischen Gewinns ausgewirkt haben. Einen entsprechenden Nachweis habe der Kläger nicht erbracht. Im übrigen läge ein Betriebsstätte im Sinne des DBA-Spanien nicht vor.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Bruttoarbeitslohn des Klägers, der auf die Tätigkeit in Spanien entfällt, ist gemäß Art. 15 Abs. 2 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Spanien in der Bundesrepublik als steuerfrei zu behandeln.
Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Spanien steht das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die in Spanien ausgeübte wird, Spanien zu. Dieser Grundsatz erfährt gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-Spanien eine Ausnahme, wenn der Arbeitnehmer weniger als 183 Tage im Steuerjahr in Spanien aufgehalten hat und der Arbeitslohn nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen wird, die der Arbeitgeber in Spanien unterhält. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, kommt es für die Frage, wer im Sinne dieser Vorschrift den Arbeitslohn getragen hat, darauf an, ob die Betriebsstätte wirtschaftlich gesehen mit dem Arbeitslohn belastet ist (Urteil des BFH vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BStBl. II 1988, 819). Hierfür ist weder auf die tatsächliche Zahlung des Arbeitslohn noch auf die tatsächliche buch- technische Erfassung durch den Arbeitgeber abzustellen. Allein entscheidend ist, ob und ggf. in welchem Umfang die von dem Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit nach den Grundsätzen der Betriebsstättenbesteuerung (Art 7 DBA-Spanien) der Betriebsstätte zuzuordnen ist (BFH, a. a. O.). Die Auszahlung und Abrechnung durch den Arbeitgeber ist dagegen nur ein rein tatsächlicher Vorgang, der nichts darüber aussagt, zu wessen wirtschaftlichen Lasten der Arbeitslohn gezahlt wird. Ob die Betriebsstätte dem Stammhaus später den Arbeitslohn für die Zeit, für der der Arbeitnehmer für sie im Ausland tätig war, erstattet, oder dies intern auf anderem Wege verrechnet wird, ist unerheblich. Das Besteuerungsrecht steht allein dem Staat des Arbeitsorts zu, soweit die Tätigkeit des Arbeitnehmers objektiv der dortigen Betriebsstätte zuzuordnen ist (BFH, a. a. O.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall steht Spanien und nicht der Bundesrepublik das Besteuerungsrecht für die streitigen Einkünfte zu. Der Kläger war unstreitig in der Zeit vom 28. Juni bis 4. Juli 1992 und noch einmal vom 5. Oktober bis 31. Dezember 1992 in der Betriebsstätte seines deutschen Arbeitgebers in Spanien tätig. Damit ist der Arbeitslohn des Klägers nach Art 7 Abs. 3 DBA-Spanien bei der Ermittlung des Betriebsstättengewinns in Spanien zu berücksichtigen. Ob dies tatsächlich erfolgt ist, ist jedoch unerheblich. Die Zuordnung ist unabhängig von der Frage, wer tatsächlich seinen Lohn ausgezahlt hat oder ob eine Verrechnung zwischen der Betriebsstätte in Spanien und des Stammhauses in Deutschland tatsächlich erfolgt ist. Aus diesem Grund hängt die Frage der Besteuerung im Inland - anders als dies das FA meint - auch nicht von dem Nachweis ab, zu welchen Lasten der Lohn konkret verbucht wurde. Es ist also allein entscheidend, dass die Tätigkeit des Klägers objektiv der Betriebsstätte zuzuordnen ist. Für diese Zuordnung reicht es aus, dass der Kläger für die fragliche Zeit in der Betriebsstätte in Spanien tätig war. Die buchtechnische Behandlung durch den Arbeitgeber hat daher keinen Einfluß auf die Besteuerung.
Auch der Einwand des FA, der Arbeitgeber des Klägers habe in Spanien keine Betriebsstätte unterhalten, ist nicht zutreffend. Nach Art. 5 Abs. 2 Buchstabe g DBA-Spanien erfüllt eine Montage, deren Dauer zwölf Monate überschreitet, die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte. Da der Arbeitgeber des Klägers von 1990 bis 1993 Montagetätigkeiten in Barcelona ausführen ließ, ist die Jahresfrist des Art. 5 DBA-Spanien überschritten, so dass eine Betriebsstätte im Streitjahr unterhalten wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.