Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.05.2000, Az.: 6 K 310/97

Geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
09.05.2000
Aktenzeichen
6 K 310/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 21876
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0509.6K310.97.0A

Fundstellen

  • EFG 2001, 540-541 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • IWB 2001, 891
  • NWB DokSt 2001, 1057

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gem. § 80 Abs. 5 AO zurückgewiesen werden durfte.

2

Mit Schreiben vom 02.10.1995 legte die Klägerin gegen die Umsatzsteuerbescheide für 3. und 4. Quartal 1994 des Steuerpflichtigen G, W (Niederlande), Einspruch ein. Der Beklagte wies die Klägerin unter Hinweis auf § 80 Abs. 5 AO in dem Besteuerungsverfahren des G zurück, da die Klägerin nicht befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Den Einspruch gegen den Bescheid vom 6. Oktober 1995 wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 11. April 1997 als unbegründet zurück.

3

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Zurückweisung als Bevollmächtigte. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, die Klägerin sei eine in den Niederlanden zugelassene Steuerberatungsgesellschaft für internationales Steuerrecht mit Sitz in W. Die Gesellschaft unterhalte in der Bundesrepublik Deutschland keine Niederlassung. Der Mitgesellschafter der Klägerin, O, sei Dipl.-Finanzwirt und als Steuerberater für internationales Steuerrecht in den Niederlanden zugelassen. Er verfüge über ausreichende Kenntnisse im deutschen Steuerrecht.

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Die vom Beklagten verfügte Zurückweisung sei rechtswidrig, da sie gegen das einschlägige Recht verstoße.

5

Der BFH habe mit Urteil vom 19.07.1994 (BStBl II 1994, 875) die Zurückweisung einer Luxemburger Steuerberatungsgesellschaft damit begründet, dass die Gewährleistung des Steueraufkommens ein zwingendes nationales Allgemeininteresse darstelle, das den Nachweis ausreichender Kenntnisse des einschlägigen deutschen Steuerrechts erfordere und zur Voraussetzung einer Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen mache. Diese Kenntnisse seien durch den Mitgesellschafter O bei der Klägerin vorhanden. Nach Absolvierung der Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst der Finanzverwaltung in H im Januar 1975 sei Herr O bis einschließlich 1980 im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung, zuletzt als Steueroberinspektor tätig gewesen. Demgemäß komme es maßgeblich darauf an, ob sich aus den EG-rechtlichen Vorschriften ein Anspruch auf Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft ohne nochmalige Eignungsprüfung und damit einen Anspruch auf Verteilung der Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Sinne von § 1 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz ergebe. Dieser Anspruch sei bei der Klägerin gegeben. Nach Artikel 59 des EG-Vertrages beinhalte die Dienstleistungsfreiheit nicht nur ein Diskriminierungsverbot bezüglich der Staatsangehörigkeit, sondern ebenso das generelle Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs. Der BFH räume in seinem Urteil die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch das Erfordernis einer Eignungsprüfung ein, sehe aber die Notwendigkeit dieser Einschränkung aus zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses für gerechtfertigt an. Da der Mitgesellschafter ausreichende Kenntnisse im deutschen Steuerrecht durch Ablegung einer gleichgestellten Eignungsprüfung erbracht habe, verstoße die Zurückweisung sowohl gegen die BFH-Rechtsprechung als auch gegen geltendes EG-Recht. Da das Steuerberatungsgesetz sowie die bisherige Rechtsprechung des BFH gegen vorrangiges EG-Recht verstoße, sei die Vorlage beim EUGH zur Vorabentscheidung geboten. Eine Vorlagepflicht bestehe nach Artikel 177 Abs. 3 des EG-Vertrages.

6

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass

    1. a)

      der vom Kläger eingelegte Einspruch vom 02.10.1995 sowie die damit verbundenen Anträge als Verfahrenshandlungen vor der Zurückweisung wirksam sind und

    2. b)

      die Zurückweisung als Bevollmächtigter gemäß § 80 Abs. 5 AO im Einspruchsverfahren des Steuerpflichtigen G, NL-W unzulässig ist und gegen vorrangiges EG-Recht verstößt. Der Beklagte ist anzuweisen, das Verfahren mit dem Kläger als Verfahrensbevollmächtigten fortzuführen.

  2. 2.

    festzustellen, dass der Kläger als ausländische Steuerberatungsgesellschaft befugt ist, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen im deutschen Recht i.S.v. § 1 Abs. 1 StBerG zu leisten.

  3. 3.

    die Klage zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 177 Abs. 2 EGV vorzulegen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Danach sei die Klägerin nicht befugt, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Sie gehöre nicht zu den im Steuerberatungsgesetz abschließend aufgeführten vertretungsberechtigten Personen. Ihm stehe auch das EG-Recht nicht entgegen. Nach Artikel 60 Abs. 3 des EG-Vertrages könne der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistung und seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibe. Die Bundesrepublik Deutschland habe für die Beratung auf steuerlichem Gebiet das Steuerberatungsgesetz erlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien die Regelungen des Steuerberatungsgesetzes für die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Allgemeininteresse geboten. Die besonderen Zulassungsvoraussetzungen des Steuerberatungsgesetzes erfülle die Klägerin jedoch nicht. Es genüge nicht, dass der Geschäftsführer der Klägerin hinreichende Kenntnisse im deutschen Steuerrecht besäße. Vielmehr sei erforderlich, dass er für die Bundesrepublik Deutschland als Steuerberater zugelassen sei. Ergänzend sei anzumerken, dass der als Klägervertreter im Verfahren auftretende O nicht zur Prozessvertretung berechtigt sei, so dass er als Prozessbevollmächtigter nach § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zurückgewiesen werden müsse.

9

Weitere Ermittlungen der Finanzbehörde hätten ergeben, dass im Handelsregister der Provinz G hinsichtlich der Klägerin folgendes eingetragen sei:

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Rechtsform: Einmannbetrieb

11

Adresse: Z, W

12

Arbeitende Person: 1 (Kategorie 2)

13

Das Unternehmen wird betrieben auf Rechnung von

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Name: O

15

Geburtsdatum und -ort: 1948, F, Deutschland

16

Staatsangehörigkeit: deutsch

17

Adresse: B

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Demnach benutze der o.g. die gewählte Rechtskonstruktion der Klägerin offensichtlich nur dazu, um das deutsche Steuerberatungsrecht zu umgehen. Wirtschaftlich betrachtet übe die Gesellschaft eine dauernde Steuerberatung auf dem Gebiet des deutschen Steuerrechts in Deutschland aus und nicht eine Gesellschaft aus den Niederlanden. Inländer dürften jedoch die Dienstleistungsfreiheit nicht dazu missbrauchen, sich den nationalen Bestimmungen vom Berufsausbildung und -ausübung zu entziehen (EUGH, NJW 1988, 887). Herrn O sei bereits mehrfach untersagt worden, auf dem Gebiet der Steuerberatung tätig zu sein. Da er hiergegen verstoßen habe, wurde bereits in 1990 wegen fortgesetzter unerlaubter geschäftsmäßiger Hilfe in Steuersachen eine Geldbuße in Höhe von 7.000 DM rechtskräftig festgesetzt. Eine Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof bestehe folglich nicht.

Gründe

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I.

Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 1a) unzulässig. Der Klägerin fehlt es an einem für die Zulässigkeit notwendigen Feststellungsinteresse. Gemäß § 41 Abs. 1 FGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses durch Klage begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse des Klägers kann stets nur gegeben sein, wenn es sich um ein eigenes Interesse des Klägers handelt (BFH, BStBl II 1991, 729).

20

Hieran fehlt es im Streitfall da die Feststellung der Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen in einem fremden Steuerverfahren die Klägerin nicht in ihren eigenen Rechten berührt. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Feststellung erforderlich ist, um eigene wirtschaftliche Interessen durchsetzen zu können. Demzufolge ist die Klage insoweit unzulässig.

21

II.

Die Klage ist im übrigen unbegründet.

22

1.

Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht als Bevollmächtigte gemäß § 80 Abs.5 AO 1977 zurückgewiesen, weil die Klägerin nach dem StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war und auch unter Berücksichtigung des Rechts der EG jedenfalls deshalb zurückgewiesen werden durfte, weil sie nicht nachgewiesen hat, dass sie tatsächlich in den Niederlanden steuerberatend tätig ist.

23

a)

Die Klägerin wurde vom Beklagten zu Recht nach § 80 Abs. 5 AO 1977 als Bevollmächtigte der Steuerpflichtigen zurückgewiesen, weil sie unbefugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen i.S. von § 1 Abs.1 StBerG geleistet hat. Sie war dazu nicht nach §§ 2, 3 Abs.1 Nr.1 StBerG befugt, weil sie nicht gemäß § 32 Abs.3 Satz 1 StBerG als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt war. Die Klägerin ist lediglich ein in den Niederlanden zugelassener "Belastung Adviseur", der keine Prüfung nach dem StBerG als Voraussetzung für die Zulassung zur Berufsausübung in Deutschland abgelegt hat. In den Niederlanden ist es grundsätzlich jedem erlaubt, sich auch ohne Nachweis besonderer Kenntnisse auf dem Gebiet der Steuerberatung zu betätigen und sich als "Belasting Adviseur" registrieren zu lassen (vgl. OLG Dresden, IStR 2000, 189). Hieraus entsteht kein Anspruch auf Zulassung als Steuerberatungsgesellschaft in Deutschland.

24

b)

Aus dem dem nationalen Recht vorgehenden Gemeinschaftsrecht, nämlich aus der von diesem in Art.59 Abs.1, 60 Abs.3 EGV geregelten Dienstleistungsfreiheit, ergibt sich für die Klägerin im Streitfall ebenfalls keine Befugnis zur Hilfeleistung auf dem Gebiet der nach deutschem Recht geregelten Steuern, weil die Klägerin eine steuerberatende Tätigkeit mit grenzüberschreitendem Bezug nicht nachgewiesen hat.

25

Art. 59 EGV, der die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU gewährleistet, setzt voraus, dass der Leistungserbringer in einem anderen Staat ansässig ist als der Leistungsempfänger. Ansässig ist ein Leistungserbringer, wenn er eine berufliche Niederlassung unterhält und von dieser Niederlassung aus Dienstleistungen erbringt. Zudem bedarf es einer nur vorübergehenden grenzüberschreitenden Betätigung in einen anderen Empfängerstaat.

26

2.

Beide Voraussetzungen hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Zwar hat die Klägerin die Kopie eines Gesellschaftsvertrages in Auszügen übersandt, nach dem sie ihren Sitz in W, Niederlande hat und als internationale Belastingadviseurs en consulenten im Handelsregister van de Kamer van Koophandel en Fabrieken voor de Provincie G eingetragen ist. Dies belegt jedoch keineswegs eine steuerberatende Betätigung auf dem Staatsgebiet der Niederlande. Die Klägerin hat die Auflage des Berichterstatters um Vorlage eines vollständigen Gesellschaftsvertrages, eines amtlich beglaubigten Handelsregisterauszuges mit Übersetzung ins Deutsche sowie die Erläuterung, auf welchen Gebieten die Klägerin tätig ist, ob eine Niederlassung (Betriebsstätte) in den Niederlanden besteht, wie diese ausgestattet ist und wieviele Mitarbeiter dort arbeiten sowie wieviele Mandanten von dort betreut werden, nicht beantwortet.

27

Die sich hierdurch ergebenden Zweifel an der Ansässigkeit der Klägerin in den Niederlanden werden noch dadurch verstärkt, dass der Handelsregisterauszug die O Partner Wirtschafts- und Unternehmensberatungs GmbH als Rechtspersoongegevens aufführt. Gegen diese Gesellschaft war vor dem erkennenden Senat ebenfalls ein Verfahren wegen unerlaubter Hilfe in Steuersachen anhängig, das mit Urteil vom selben Tag entschieden wurde. Nach Ermittlungen der Finanzbehörde, die durch den Registerauszug bestätigt werden, wird die Klägerin zudem auf Rechnung von O aus B betrieben, dem es ebenfalls an der Qualifikation als Steuerberater fehlt, mithin nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist. Aus dem Gesamtbild der Umstände läßt sich eine Ansässigkeit der Klägerin oder eine Betätigung auf dem Gebiet des niederländischen Steuerrechts mit einzelnen vorübergehenden Bezüge zum deutschen Steuerrecht nicht erkennen. Den Nachteil der Nichterweislichkeit hat die Klägerin zu tragen. Auf die Frage, ob die einschlägigen Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes gegen Art. 59 EGV verstoßen und eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit bedeuten, kommt es im Streitfall folglich nicht an. Bereits aus diesem Grund entfällt auch eine Vorlagepflicht an den EuGH, da keine europarechtliche Rechtsfrage der Klärung bedarf.

28

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.