Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.05.2000, Az.: 1 K 254/99
Voraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage; Zweimalige Beanspruchung der Vergünstigung durch Ehegatten für dieselbe Wohnung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.05.2000
- Aktenzeichen
- 1 K 254/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21854
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0502.1K254.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 6 Abs. 1 EigZulG
Fundstellen
- DStRE 2001, 316-317 (Volltext mit amtl. LS)
- KFR 2001, 116
Tatbestand
Umstritten ist, ob der Klägerin (Kl.'in) Eigenheimzulage (EigZul) für ihr Grundstück ... zu gewähren ist.
Bis Januar 1994 war die Kl.'in zusammen mit ihrem Ehemann ... Eigentümerin des o.g. Grundstücks, für das sie erhöhte Abschreibungen nach § 7b Einkommensteuergesetz (EStG) in Anspruch nahmen. Am 05.01.1994 übertrug ... seinen Miteigentumsanteil - gegen Übernahme mehrerer Grundpfandrechte - auf die Kl.'in, die damit Alleineigentümerin wurde.
Das Grundstück ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Darin befindet sich die 148 qm große Wohnung der Familie .... Im übrigen enthält Haus eine ca. 200 qm große Werkstatt und ein Büro. Der gewerbliche Grundstücksteil, zu dem noch ein Carport und ein Lagerplatz gehören, wird von der im Juli 1994 gegründeten "... GmbH" genutzt.
Im Jahre 1995 drohte der Firma "... GmbH" der Konkurs. Die Kl.'in war finanziell nicht in der Lage, den Grundbesitz zu behalten. Sie versuchte, das Grundstück zu verkaufen, fand aber kurzfristig keinen Käufer. Da erklärte sich der mit der Familie ... gut bekannte Nachbar ... bereit, das Grundstück zu erwerben bei gleichzeitigem Abschluss von Rückvermietungsverträge, die so gestaltet sein sollten, dass die Mieterträge seine regelmäßigen Zins- und Tilgungsleistungen für das aufzunehmende Darlehn deckten. Mit Wirkung vom ...1995 verkaufte die Kl.'in das Grundstück an Herrn ... Lt. Kaufvertrag betrug der Kaufpreis 250.000,00 DM. Tatsächlich zahlte Herr ... jedoch nur 200.000,00 DM. Weitere 50.000,00 DM übergab die Kl.'in dem Käufer, erhielt den Betrag über das Notaranderkonto jedoch zurück. Herr ... vermietete den Wohnteil an die Eheleute ... für 500,00 DM monatlich und den gewerblichen Teil an die "... GmbH" für eine Monatsmiete von 1.100,00 DM; dabei trat er in die bestehenden Mietverträge ein. Verglichen mit der ortsüblichen Miete war der Mietzins niedrig. Die Mieten wurden gezahlt.
Im Juli 1997 hatten sich die Verhältnisse geändert. Die wirtschaftliche Lage der ... GmbH war besser geworden. Gleichzeitig fühlte sich ... durch den Grundbesitz belastet. Er wollte ein Wohnhaus kaufen. Daran sah er sich gehindert, weil seine Hausbank entsprechende Hypotheken ablehnte. Wesentlicher Grund war seine Belastung durch das Grundstück .... In dieser Situation entschlossen sich die Beteiligten zu einem "Rückverkauf" des Grundstücks. Mit Vertrag vom 14.07.1997 verkaufte Herr ... das Grundstück von zum 01.08.1997 wieder an die Kl.'in. Der Kaufpreis entsprach der Valuta der auf dem Grundstück liegenden Belastungen und betrug etwas über 200.000,00 DM.
Alle genannten Eigentumsübertragungen wurden vom zuständigen Amtsgericht in das Grundbuch eingetragen. Das FA führte entsprechende Zurechnungsfortschreibungen durch. Ferner setzte es jeweils Grunderwerbsteuer fest, die bezahlt worden ist.
Am 25.07.1997 stellte die Kl.'in einen Antrag auf Gewährung von EigZul für das Grundstück. Der Beklagte (Finanzamt, FA) lehnte den Antrag ab und berief sich zunächst auf Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 Abgabenordnung (AO). Im Einspruchsverfahren sah das FA die Kl.'in als wirtschaftliche Eigentümerin gem. § 39 AO aufgrund eines Treuhandverhältnisses an und lehnte die Gewährung der EigZul weiterhin ab.
Die Kl.'in trägt vor:
Es sei zwar richtig, dass im Kaufvertrag vom 28.02.1995 ein um 50.000,00 DM zu hoher Kaufpreis genannt wurde; das sei jedoch nötig gewesen, damit die Gläubiger der Familie ... dem Verkauf zustimmten. Im übrigen sehe sie keinen Grund, weshalb sie und ihr Ehemann für das streitige Grundstück nicht zweimal steuerliche Vergünstigungen - nach § 7b EStG sowie dem EigZulG - erhalten sollten. Letztlich mache es keinen Unterschied, ob sie am 14.07.1997 ein Grundstück erworben habe, welches ihr früher schon einmal gehört habe, oder ein anderes. Es sei auch an keiner Stelle im Gesetz gesagt, dass ein Ehepaar nicht zweimal die steuerliche Förderung für dasselbe Grundstück erhalten dürfe. Hier greife nur die Objektbeschränkung ein. Nachdem sie und/oder ihr Ehemann früher einmal die Vergünstigung des § 7b EStG hatten, hätten sie als Eheleute die insgesamt möglichen zwei Objekte der Förderung ausgeschöpft, wenn sie im Streitfall die EigZul erhielte. Damit sei dem Sinn des Gesetzes Genüge getan.
Die Kl.'in beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 30.11.1998 und des Einspruchsbescheides vom 16.04.1990 für das Jahr 1997 eine EigZul in Höhe von 5.250,00 DM zu gewähren.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es meint, es gehe nicht an, dass ein Ehepaar für ein und dasselbe Grundstück zweimal vergleichbare steuerliche Vergünstigungen - hier AfA gemäß § 7b sowie EigZul - erhalte.
Die Bemessungsgrundlage im Streitfall beträgt unstreitig 90.000,00 DM.
Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet. Der Kl.'in steht die begehrte EigZul zu. Das ergibt sich aus Folgendem:
Grundsätzlich haben unbeschränkt Steuerpflichtige Anspruch auf eine EigZul für die Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus, §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG). Das EigZulG nennt verschiedene weitere Voraussetzungen bzw. Einschränkungen, die im Streitfall jedoch unproblematisch sind. Lediglich aus § 5 Abs. 1 EigZulG könnte sich eine Einschränkung ergeben. Nach § 5 Abs. 1 EigZulG kann der Anspruchsberechtigte die EigZul nur für eine Wohnung in Anspruch nehmen. Ehegatten können die EigZul für insgesamt zwei Objekte beanspruchen, jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Fertigstellung oder Anschaffung die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 (Einkommensteuergesetz) EStG vorliegen.
Diese Vorschrift steht dem Anspruch der Kl.'in nicht entgegen. Da sie und ihr Ehemann die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllten, können sie steuerliche Vergünstigungen, wie sie in § 7b EStG sowie dem EigZulG vorgesehen sind, insgesamt zweimal beanspruchen. Im Streitfall handelt es sich um die zweite derartige Förderung. Die Tatsache, dass dieselbe Wohnung erneut gefördert wird, ist unschädlich. § 6 EigZulG spricht zwar von "zwei Objekten", die gefördert werden. Diesem Gesetzeswortlaut ist jedoch nicht zu entnehmen, dass es sich um zwei verschiedene Objekte handeln müsste, sondern lässt - vom Wortlaut her - auch eine zweimalige Förderung dieselben Objektes zu. Genau genommen sagt der Gesetzestext zu dieser Frage nichts. Das ist auch naheliegend, weil es sich um eine seltene Ausnahme handelt. Die Formulierung in § 5 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz EigZulG ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil sie einen gänzlich anderen Sachverhalt betrifft.
Insofern liegt eine Gesetzeslücke vor, die durch Auslegung zu schließen ist. Dabei stellt der Senat entscheidend auf den Sinn und Zweck des Gesetzes ab. Nach dem Sinn des Gesetzes soll ein Ehepaar zweimal die Möglichkeit der Förderung haben. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum es sich um zwei verschiedene Objekte handeln müsste. Gefördert werden soll der Erwerb von Wohnungseigentum. Dieser Gesetzeszweck wird auch dann erreicht, wenn Eheleute ein zweites Mal Eigentümer derselben Wohnung werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn sachliche Gründe dafür bestehen, dass Eheleute ihr Grundstück erst verkauft und später zurückerworben haben. Dies ist hier der Fall. Die Kl.'in war bis 1995 Eigentümerin des Grundstücks ... Dann hat Sie es an einen fremden Dritten verkauft; der Verkauf ist auch tatsächlich durchgeführt worden. Das ist unstreitig und im übrigen offensichtlich. Im Jahre 1997 hat die Kl.'in das Grundstück zurückgekauft. Auch diese Übertragung ist wirksam durchgeführt worden. Für alle Geschäftsvorfälle gab es vernünftige sachliche Gründe. Von irgendwelchen Scheingeschäften oder Ähnlichem zur Umgehung steuerrechtlicher Vorschriften kann keine Rede sein. Das FA hat auch aus allen Übertragungen die entsprechenden steuerrechtlichen Folgerungen (Zurechnungsfortschreibungen, Festsetzung der Grunderwerbsteuer) getroffen. Auch wenn ein solcher Geschehensablauf nicht alltäglich ist, handelt es sich um einen Vorgang, der zulässig, nachvollziehbar und mit sachlichen Gründen zu rechtfertigen ist. Die Auffassung des FA würde dazu führen, dass ein Ehepaar, das z.B. aus Not sein Grundstück veräußert, gehindert wäre, es später zurückzuerwerben, um nicht die steuerliche Förderung zu verlieren. Dagegen würde das Ehepaar die Förderung für jedes andere Grundstück erhalten. Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein, denn es liegt nahe, dass das Ehepaar unter bestimmten Umständen einen Rückkauf "seines alten" Grundstücks anstrebt. Dies kann steuerlich nicht benachteiligt werden. Eventuelle Missbrauchsmöglichkeiten werden in einem Fall wie hier schon durch die Objektbeschränkung, § 6 Abs. 1 EigZulG, in der Weise verhindert, dass die Förderung nur zweimal gewährt wird.
Es liegt auch kein Grund vor, den "ersten" Verkauf des Grundstücks durch Vertrag vom 28.02.1995 steuerlich nicht zu berücksichtigen. Dazu wäre Voraussetzung, dass die Kl.'in wirtschaftliche Eigentümerin gemäß § 39 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geblieben wäre. Dazu hätte sie die tatsächliche Herrschaft über das Grundstück in der Weise ausüben müssen, dass sie den neuen Eigentümer ... auf Dauer von der Einwirkung auf das Grundstück hätte ausschließen können. Davon kann nicht die Rede sein.
Gemäß § 9 EigZulG beträgt die EigZul 2.5 % von 90.000,00 DM = 2.250,00 DM zuzüglich 3.000,00 DM für zwei Kinder, zusammen 5.250,00 DM.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Ziff. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Ziff. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO)