Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.05.2000, Az.: 7 K 397/98
Berücksichtigung der bürgerlich-rechtliche Rückwirkung der Genehmigung eines notariellen Grundstückkaufvertrags; Verwirklichung des Grundstückserwerbs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.05.2000
- Aktenzeichen
- 7 K 397/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21856
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0502.7K397.98.0A
Fundstelle
- DStRE 2000, 1095-1096 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Nachdem der Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer zum 1. Januar 1997 von 2 v.H. auf 3,5 v.H. angehoben wurde, ist hier streitig, ob der alte oder neue Steuersatz anzuwenden ist.
Die Kl kaufte von der DSK eine Immobilie zum Preis von ... DM zur ideellen Hälfte. Der notarielle Vertrag datiert vom 19. Dezember 1996. Für die DSK ist laut Notarvertrag ein "Vertreter ohne Vertretungsmacht ... Genehmigungserklärung nachzureichen versprechend"aufgetreten. Die unter dem Datum vom 30. Dezember 1996 erstellte Genehmigungserklärung der DSK wurde am 6. Januar 1997 notariell beglaubigt.
Mit Schreiben vom 13. Februar 1997 teilte der den Grundstücks-Kaufvertrag beurkundende Notar mit, dass"nunmehr" sämtliche Genehmigungen vorlägen. Daraufhin setzte das beklagte Finanzamt für den Erwerbsvorgang mit Bescheid vom 26. Februar 1997 die Grunderwerbsteuer auf ... DM fest. Das sind 3,5 v.H. des hälftigen Kaufpreises.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhebt die Kl Klage und trägt im Wesentlichen folgendes vor:
§ 23 GrEStG enthalte anders als§ 14 GrEStG kein Rückwirkungsverbot, so dass die Vorschrift des § 184 Abs. 1 BGB, wonach die nachträglich erteilte Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt, Anwendung finden könne. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 1999 (BStBl. II 1999, 606) zu einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung erscheine mit Blick auf einen erfolgreichen Änderungsantrag des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren nicht ganz verständlich. Des Weiteren sei das Gesetzgebungsverfahren zur Erhöhung des Grunderwerb-Steuersatzes und die Steuersatzerhöhung für sich betrachtet verfassungsrechtlich bedenklich. Auch sei der Erlass des Finanzministers aus Baden-Württemberg (DB 1997, 825) zu beachten, wonach es im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 1997 aufgetretenen, bis zuletzt nicht abschätzbaren Unwägbarkeiten, vertretbar sei, auch bei Abschluss genehmigungsbedürftiger Rechtsgeschäfte, bei denen die Erteilung der erforderlichen Genehmigung zivilrechtlich erst zur Wirksamkeit der abgegebenen Willenserklärung führe (z.B. bei vollmachtloser Vertretung), von einer Rückwirkung dieser Genehmigung und damit einer rechtsgeschäftlichen Bindung bereits bei Abschluss derartiger Rechtsgeschäfte auszugehen. Wegen der weiteren klägerseits vorgetragenen Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 15. April 2000 nebst Anlagen verwiesen.
Die Kl beantragt sinngemäß,
die Grunderwerbsteuer unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 26. Februar 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 1998 von ... DM auf ... DM herabzusetzen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verbleibt bei seiner Ansicht, dass nach den gesetzlichen Vorschriften der erhöhte Steuersatz anzuwenden sei. Ohne Bedeutung sei, dass das erforderliche Genehmigungsschreiben bereits am 30. Dezember 1996 unterschrieben worden wäre, da der Zugang dieser Willenserklärung beim Notar maßgebend sei; eine mündliche Übermittlung an den Notar vor Ablauf des Jahres 1996 werde von der Klägerseite nicht geltend gemacht.
Dem Gericht hat die bei dem beklagten Finanzamt geführte Grunderwerbsteuerakte vorgelegen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig.
Das beklagte Finanzamt hat zu Recht nach § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG den hier streitigen Erwerbsvorgang mit dem ab 1. Januar 1997 geltenden Steuersatz von 3,5 v.H. nach§ 11 Abs. 1 GrEStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 der Grunderwerbsteuer unterworfen.
Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist§ 11 Abs. 1 GrEStG in der ab 1997 geltenden Neufassung erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der der Senat folgt, ist ein Erwerbsvorgang im Sinne von § 23 GrEStG verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 1999 II R 16/98, BFHE 188, 453, BStBl II 1999, 606, mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Februar 2000 II R 51/98, DStR 2000, 775).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Grundstückserwerb erst in 1997 verwirklicht worden. Denn eine wechselseitige Bindung entstand zwischen den Vertragsparteien durch den Abschluss des Notarvertrags vom 19. Dezember 1996 noch nicht. Schließt jemand - wie hier - ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab (§ 177 Abs. 1 BGB). Der Kaufvertrag war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwebend unwirksam. Erst mit dem Zugang des Genehmigungsschreibens beim Notar in 1997 - eine frühere Übermittlung des Inhalts des am 30. Dezember 1996 erstellten Genehmigungs-Schreibens ist weder erkennbar noch klägerseits vorgetragen worden - ist eine gegenseitige Bindung eingetreten. Bis in das Jahr 1997 hinein hatte es die Veräußerin in der Hand, anders als etwa im Falle des Fehlens einer behördlichen Genehmigung, ob der Vertrag wirksam wurde oder ob er unwirksam blieb. Erst mit der in 1997 mitgeteilten Genehmigungserklärung war das Vertragsverhältnis wirksam geworden und konnte so erstmals Bindungswirkung für beide Vertragsbeteiligten entfalten.
Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Kl auch nicht daraus, dass zivilrechtlich die Rechtsfolgen der erteilten Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirken. Denn die für den Bereich des Zivilrechts vorgesehene Rückwirkung der Rechtsfolgen der Genehmigung ist grunderwerbsteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen (dazu BFH BStBl II 1999, 606, 607).
Auch der klägerseits erwähnte (letztlich erfolgreiche)Änderungsantrag des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren, wonach auf alle vor dem 1. Januar 1997 verwirklichten Erwerbsvorgänge noch der bis dahin gültige Steuersatz von 2 v.H. anzuwenden sei, wenn die Kaufvertragsparteien auf den Zeitpunkt der Genehmigung keinen Einfluß haben (vgl. Bundestags-Drucksache 13/6151, 18), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn wenn - wie hier - wenigstens eine Vertragspartei Einfluss auf den Zeitpunkt der Genehmigung hat, wird der vom Gesetzgeber errichtete Schutzbereich für den Übergang 1996/97 verlassen. Die Initiative des Bundesrats betraf fehlende Genehmigungen Dritter, mithin von Nichtvertragsparteien. Ob insoweit das bereits zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 1999 zu einer in 1997 erteilten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wie die Kl ... ausführt,"nicht ganz verständlich erscheint" und womöglich dem Gesetzeszweck des § 23 Abs. 4 GrEStG zuwiderläuft, hat der Senat hier nicht zu beurteilen. Denn hier geht es nicht um die noch fehlende Genehmigung eines Dritten, etwa einer Behörde, sondern um die einer (in Aussicht genommenen) Vertragspartei.
Die Argumente der K zur möglichen Verfassungswidrigkeit der Erhöhung der Grunderwerbsteuer zum 1. Januar 1997 haben den Senat nicht überzeugt. Deshalb konnte der Senat keinen Vorlage- und Aussetzungsbeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG fassen.
Auch der Hinweis der Kl auf den Erlass eines Länderfinanzministers kann nicht durchgreifen. Denn der Senat ist an Verwaltungsmeinungen nicht gebunden. Ob möglicherweise unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ein Billigkeitserlass nach § 227 AO in Betracht kommt (dazu Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Auflage 1999, § 23 Anm. 15), wäre in einem andern Verfahren zu prüfen.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FGO (wegen grundsätzlicher Bedeutung; dazu auch andere Finanzgerichts-Entscheidungen zur vollmachtlosen Vertretung: EFG 2000, 126; EFG 2000, 144; EFG 2000, 1247 - jeweils wurde Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und eingelegt; BFH-Aktenzeichen: IX R 45/99; II R 83/99; II R 51/99).