Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.05.2000, Az.: 1 K 247/97
Berücksichtigung des Verkaufspreises bei der Bewertung eines Seeschiffes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.05.2000
- Aktenzeichen
- 1 K 247/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21851
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0502.1K247.97.0A
Fundstelle
- EFG 2001, 414-415 (Volltext mit red. LS)
Tatbestand
Umstritten ist - im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens - die Bewertung eines Seeschiffes.
Die Klägerin (Kl.'in) war am Stichtag, den 01.01.1991, Alleininhaberin der ..., ... Zum Betriebsvermögen gehörte unter anderem das Schiff MS ... Dessen Anschaffungskosten waren zu diesem Zeitpunkt steuerlich voll abgeschrieben. Im Februar 1991 wurde die ... für 690.000,00 DM verkauft.
Durch Bescheid vom 13.07.1992 stellte der Beklagte (Finanzamt, FA) den Einheitswert des Betriebsvermögens (EW) der Kl.'in auf den 01.01.1991 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 2.153.000,00 DM fest. In dem Bescheid war die ... - entsprechend den Seeschiffahrts-Richtlinien der OFD Hamburg (SeeSchiffR) - mit einem schematisch berechneten Restwert in Höhe von 131.859,00 DM (30 v.H. der Anschaffungskosten) berücksichtigt.
Im Anschluss an eine in der Zeit vom 15.12.1993 bis 28.06.1995 durchgeführte Außenprüfung schätzte das FA den Teilwert der ... zum 01.01.1991 in Anlehnung an den Verkaufserlös höher, nämlich auf 400.000,00 DM. Daher und aus anderen Gründen, die für das Klageverfahren unerheblich sind erließ das FA am 17.07.1996 einen Änderungsbescheid, in dem es den EW auf den 01.01.1991 auf 3.399.000,00 DM heraufsetzte. Die Kl.'in wendet sich gegen den höheren Wertansatz der ... Das Vorverfahren blieb erfolglos.
Die Kl.'in trägt vor:
Für die Bewertung bestimmter Wirtschaftsgüter hätten die Finanzbehörden Richtlinien aufgestellt. Diese Richtlinien seien der Bewertung zugrunde zu legen (Abschnitt 51 Abs. 5 Vermögensteuerrichtlinien - VStR). Die für Seeschiffe existierenden SeeSchiffR würden generell auch in Niedersachsen angewandt. Sie seien auch für den Streitfall verbindlich. Nach den SeeSchiffR sei die ... (nur) mit 30 v.H. der Anschaffungskosten = 131.859,00 DM zu bewerten. Der im Februar 1991 erzielte Verkaufspreis dürfe nicht berücksichtigt werden. Das ergäbe sich aus Abschnitt 39 Abs. 5 VStR. Dort sei unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 03.03.1978 III R 126/75, BStBl II 1978, 366) ausdrücklich bestimmt, dass nach dem Abschlusszeitpunkt mit dem Beginn des neuen Wirtschaftsjahren eintretende Wertänderungen zum Abschlusszeitpunkt nicht zu berücksichtigen seien, selbst dann nicht, wenn sie in diesem Zeitpunkt bereits bekannt waren.
Die Kl.'in beantragt,
unter Änderung des EW-Bescheides vom 17.07.1996 und des Einspruchsbescheides vom 18.03.1997 den EW auf 3.131.000,00 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt vor:
Der Teilwert eines Wirtschaftsgutes decke sich in der Regel mit den Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten. Zwar habe die Verwaltung zur Ermittlung vieler Teilwerte Richtlinien herausgegeben, z.B. die SeeSchiffR. Jedoch bleibe der Nachweis, dass andere als die schematisch ermittelten Teilwerte richtig seien, jeweils vorbehalten. Von diesem Vorbehalt habe im Streitfall Gebrauch gemacht werden müssen. Denn aus der Tatsache, dass die ... im Februar 1991 für 690.000,00 DM verkauft worden sei, ergebe sich, dass der schematisch ermittelte Wert von 131.859,00 DM erheblich zu niedrig sei. Der zunächst einvernehmlich geschätzte Teilwert von 400.000,00 DM liege im unteren Bereich des Vertretbaren. Abschnitt 39 Abs. 5 VStR betreffe einen andern Fall und sei hier ohne Bedeutung.
Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das FA bei der Einheitsbewertung auf den 01.01.1991 das Motorschiff ... mit 400.000,00 DM angesetzt hat. Dabei hat das FA die SeeSchiffR nicht verletzt. Das ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz (BewG) werden Einheitswerte festgestellt unter anderem für gewerbliche Betriebe. Zum Betriebsvermögen gehören dabei alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient, soweit die Wirtschaftsgüter dem Betriebsinhaber gehören, § 95 Abs. 1 BewG. Grundsätzlich sind die zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert anzusetzen (§ 109 Abs. 1 BewG). Gemäß § 10 Satz 2 und 3 BewG ist Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass er das Unternehmen fortführt.
Die zahlenmäßige Ermittlung von Teilwerten ist in vielen Fällen schwierig und kaum exakt durchführbar. Zur Erleichterung hat die Verwaltung Richtlinien herausgegeben, die im Regelfall für die Besteuerung verbindlich sind. Solche Richtlinien sind z.B. die SeeSchiffR. Sie sind auch im Streitfall anzuwenden.
Nach diesen Richtlinien wäre das MS ... auf den 01.01.1991 grundsätzlich mit einem schematisch berechneten Restwert (30 v.H. der Anschaffungskosten = 131.859,00 DM) anzusetzen. Allerdings enthalten die SeeSchiffR den ausdrücklichen Vorbehalt, dass ein abweichender Wert vorgreiflich ist, wenn er nachgewiesen wird (Tz 13 letzter Satz). Das ist hier der Fall.
Denn die ... wurde im Februar 1991 für 690.000,00 DM verkauft. Man muss davon ausgehen, dass dieser Kaufpreis wenigstens ungefähr dem wahren Teilwert entsprach. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Verkaufspreis stark überhöht gewesen wäre. Dazu müssten ganz ungewöhnliche Umstände vorgelegen haben; solche sind nicht einmal andeutungsweise erkennbar. Für eine in dieser Zeit eingetretene Wertsteigerung gibt es gleichfalls keine Indizien. Alles in allem ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass das Schiff ca. 1 ae Monate nach dem Stichtag zu einem Preis verkauft wurde, der mehr als 500 v.H.über seinem realen Wert am Stichtag lag. Daraus folgt, dass die ... am 01.01.1991 deutlich mehr wert war als 131.859,00 DM.
Unter diesen Umständen war es sachgerecht und zulässig, dass das FA bei der Einheitswertermittlung auf den 01.01.1991 nicht den schematischen Restwert der SeeSchiffR ansetzte, sondern von dem in den SeeSchiffR enthaltenen Vorbehalt Gebrauch machte und den Teilwert der ... im Wege der Schätzung ermittelte. Dies widerspricht auch nicht wie die Kl.'in meint Abschnitt 39 Abs. 5 VStR. Dort heißt es, dass nach dem Stichtag eingetretene Wertsteigerungen nicht zu berücksichtigen sind. Eine solche Wertsteigerung liegt vor, wenn sich der Wert des Wirtschaftsgutes verändert, nämlich erhöht, z.B. aufgrund von Änderungen maßgeblicher Listenpreise nach dem Stichtag. Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Der Wert der ... hat sich zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Verkauf nicht erkennbar erhöht.
Auch zahlenmäßig ist die Schätzung nicht zu beanstanden. Denn der geschätzte Wert von 400.000,00 DM liegt noch unterhalb des Mittelwertes zwischen dem schematischen Restwert (131.859,00 DM) und dem Verkaufserlös (690.000,00 DM). Damit hat das FA allen Besonderheiten, die den Verkaufpreis möglicherweise beeinflusst haben, hinreichend Rechnung getragen. Der Schätzwert ist offensichtlich nicht überhöht.
Da der angefochtene EW-Bescheid auch im übrigen keine Fehler erkennen lässt die Kl.'in hat solche Unrichtigkeiten auch nicht geltend gemacht -, musste die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).