Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.12.2006, Az.: 11 LA 347/06

Geltung der einjährigen Antragsfrist für die Gewährung von Familienabschiebungsschutz bei Zurückliegen der Geburt des Kindes um mehr als ein Jahr nach dem Inkrafttreten des § 26 Abs. 4 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG); Rechtmäßigkeit eines Abschiebungsbescheides; Antrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots; Umfang der Regelung über Familienabschiebungsschutz; Voraussetzungen für die Gewährung von Familienabschiebungsschutz; Fristen für eine hinreichende Antragstellung; Voraussetzungen für die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.12.2006
Aktenzeichen
11 LA 347/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 34220
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:1207.11LA347.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 11.10.2006 - AZ: 5 A 5772/05

Fundstelle

  • ZAR 2007, 72 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Die einjährige Antragsfrist des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG für die Gewährung von Familienabschiebungsschutz gilt auch dann, wenn die Geburt des Kindes im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift des § 26 Abs. 4 AsylVfG am 1. Januar 2005 bereits länger als ein Jahr zurück lag.

Aus dem Entscheidungstext

1

Der Kläger - ein am 12. Juni 2003 in Deutschland geborener türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit -, dessen Eltern seit September 1995 als Flüchtlinge im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG bestandskräftig anerkannt sind, begehrt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 4 AsylVfG. Diesen Antrag vom 23. November 2005 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Bescheid vom 7. Dezember 2005 ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 11. Oktober 2006 ab.

2

Der auf § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.

3

Der Kläger hält die Rechtsfrage,

"ob einem minderjährigen Antragsteller, bei dem am 01.01.2005 bereits mehr als ein Jahr seit dessen Geburt im Bundesgebiet verstrichen ist, dessen Eltern jedoch als Konventionsflüchtlinge unanfechtbar anerkannt sind, der Ablauf der Antragsfrist bei Antragstellung bis zum 01.01.2006 nach § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG entgegen gehalten werden kann,"

4

für grundsätzlich bedeutsam. Er weist zur Begründung darauf hin, dass eine obergerichtliche oder gar höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser über den Einzelfall hinausgehenden Frage - soweit ersichtlich - bisher nicht vorliege. Der Umstand allein, dass es zu einer Rechtsfrage noch keine obergerichtliche Rechtsprechung gibt, verleiht aber einer Rechtssache nicht von vornherein grundsätzliche Bedeutung. Diese liegt nur dann vor, wenn durch eine obergerichtliche Entscheidung die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt oder das Recht in bedeutsamer Weise fortentwickelt werden kann. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage durch Auslegung des Gesetzes ergibt oder durch die bisherige Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann (vgl. etwa Berlit, in: GK-AsylVfG, § 78 Rdnr. 111 ff. m. Nachw. a. d. Rspr.).

5

Mit dem Zuwanderungsgesetz vom 30. Juni 2004 (BGBl. I S. 1950), in Kraft getreten am 1. Januar 2005, wurde in Abs. 4 des § 26 AsylVfG eine Regelung über Familienabschiebungsschutz eingefügt. Hiernach gelten die Abs. 1 bis 3 des § 26 AsylVfG entsprechend, wenn der Ausländer - gemeint ist der sog. Stammberechtigte - nicht als Asylberechtigter anerkannt worden ist, für ihn aber unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt worden ist. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Feststellung, dass für den Ehegatten und die Kinder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen (§ 26 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG). Ursprünglich kam die Vorschrift des § 26 AsylVfG nur den Angehörigen von Asylberechtigten zugute. Mit der Neuregelung in Abs. 4 wurde der Grundsatz des Familienasyls auch auf Konventionsflüchtlinge nach § 60 Abs.1 AufenthG ausgedehnt. Der Gesetzgeber verwies dabei auf den in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten und dem internationalen Flüchtlingsschutz immanenten Gedanken der Familieneinheit sowie auf die Tatsache, dass die Zahl der Konventionsflüchtlinge bereits nach damaliger Rechtslage mehr als doppelt so hoch sei wie die der asylberechtigten Flüchtlinge (BT-Drs. 15/420, S. 109).

6

Wie sich aus § 26 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG ergibt, müssen für die Gewährung von Familienabschiebungsschutz sämtliche tatbestandliche Voraussetzungen, die für das Ehegatten- oder Minderjährigenasyl gefordert werden, erfüllt sein (vgl. Marx, Komm. z. AsylVfG, 6. Aufl., § 26 Rdnr. 108; Hailbronner, AuslR, Stand: Oktober 2006, § 26 AsylVfG Rdnr.22). Es ist anerkannt, dass § 26 Abs. 4 AsylVfG auch für die Fälle gilt, in denen das Vorliegen der Voraussetzungen des damals geltenden § 51 Abs. 1 AuslG beim Stammberechtigten vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar festgestellt wurde (vgl. etwa VG Stuttgart, Urt. v. 14.8.2006 - A 9 K 11875/04 -, zit. nach juris; Marx, a.a.O., § 26 Rdnr. 115). Soweit es um im Bundesgebiet nach der unanfechtbaren Asylanerkennung des Stammberechtigten bzw. unanfechtbaren Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (= § 51 Abs. 1 AuslG) für den Stammberechtigten geborene Kinder geht, ist der Antrag nach § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG innerhalb eines Jahres nach der Geburt zu stellen. Diese Fristbestimmung für die Antragstellung war bereits in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG enthalten. Durch das Zuwanderungsgesetz ist lediglich das Erfordernis der Unanfechtbarkeit der Asylanerkennung des stammberechtigten Elternteils eingefügt worden. Zur Auslegung dieser Vorschrift kann deshalb auch auf die dazu früher ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Einschlägig hierfür ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 1995 - 9 C 389.94 - (InfAuslR 1995, 301 = NVwZ 1995, 791 = DVBl. 1995, 859), in dem es u.a. heißt:

"Der Anwendungsbereich des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG kann weder im Wege der Auslegung noch der richterlichen Rechtsfortbildung dahingehend beschränkt werden, dass diese Regelung nicht auf die minderjährigen Kinder Asylberechtigter Anwendung findet, die - wie die Klägerin - zum Zeitpunk des Inkrafttretens der Regelung am 1. Juli 1992 (vgl. Art. 7 des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992, BGBl. I S. 1126) bereits so alt waren, dass sie die dort vorgesehene Jahresfrist zur Stellung eines Asylantrages objektiv nicht wahren konnten.

Grenze der Auslegung einer Rechtsvorschrift, und zwar auch der verfassungskonformen Auslegung, ist der Wortlaut und der Bedeutungszusammenhang, in dem sie steht (vgl. BVerfGE 8, 28 <34>[BVerfG 11.06.1958 - 1 BvL 149/52]; 54, 277 <299 f.>; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 340). Der Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, der ohne jede Differenzierung "für im Bundesgebiet nach der Anerkennung des Asylberechtigten geborene Kinder" eine Aslantragstellung innerhalb eines Jahres nach der Geburt fordert, steht der Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte entgegen. Das wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Der Anwendungsbereich des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG kann auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt werden, dass § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG nicht für die Kinder von Asylberechtigten gilt, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung das erste Lebensjahr bereits vollendet hatten. Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift im Wege der Rechtsfortbildung steht den Gerichten unter anderem dann zu, wenn eine gesetzliche Regelung entgegen ihrem Wortsinn, aber in Übereinstimmung mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungsziel der Einschränkung bedarf, wenn also das Gesetz für den zu beurteilenden Sachverhalt zwar eine an sich auch anwendbare Regelung enthält, die Regelung jedoch nach der Zweckrichtung des Gesetzes diesem Sachverhalt nicht gerecht wird, weil sie dessen Besonderheiten in systemwidriger Weise außer acht lässt. In einem solchen Fall ist die zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Regelungszweck zukommenden Anwendungsbereich im Wege der sog. teleologischen Reduktion einzuschränken (Larenz, a.a.O., S. 391 f; BVerwG, Urteil vom 25. September 1986 - BVerwG 3 C 23.86 - BVerwGE 75, 53 <56>[BVerwG 25.09.1986 - 3 C 23/86]). Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift durch richterliche Rechtsfortbildung kann darüber hinaus auch dann gegeben sein, wenn der Gesetzgeber mit einer Regelung eine weitergehende Wirkung beabsichtigt hat, als sie nach der Verfassung zulässig ist. Dann kann der Anwendungsbereich eines solchen Gesetzes "verfassungskonform" beschränkt werden, um von der Regelungsabsicht des Gesetzgebers soviel wie möglich aufrechtzuerhalten (vgl. BVerfGE 33, 52 <70>[BVerfG 25.04.1972 - 1 BvL 13/67]; Larenz, a.a.O., S. 340). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 26 AsylVfG nicht allen in der Bundesrepublik Deutschland nach der Anerkennung als asylberechtigten Elternteils geborenen minderjährigen und ledigen Kindern die Möglichkeit einräumen wollen, Familienasyl zu erhalten. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folgt vielmehr, dass er mit der Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG einen Teil der minderjährigen Kinder Asylberechtigter, nämlich die Kinder, die bei Inkrafttreten der Regelung das erste Lebensjahr vollendet hatten, vom Familienasyl ausgeschlossen hat. Das Asylverfahrensgesetz enthielt in seiner ursprünglichen Fassung (Gesetz über das Asylverfahren vom 16. Juli 1982, BGBl. I S. 946) keine Vorschrift über das Familienasyl. Erst mit der Schaffung des § 7 a Abs. 3 AsylVfG a.F. (durch Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990, BGBl. I S.1354) griff der Gesetzgeber die Frage des Familienasyls auf und führte sie mit dem Inkrafttreten dieser Regelung am 15. Oktober 1990 (Gesetz vom 12. Oktober 1990, BGBl. I S. 2170) einer ersten Lösung zu, um zum einen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu entlasten und zum anderen die Integration der nächsten Angehörigen der Asylberechtigten zu fördern (vgl. den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks 11/6960, S. 29 f.).Gemäß § 7 a Abs. 3 Satz 2 AsylVfG a.F. konnte zwar den zum Zeitpunkt der Anerkennung des Asylberechtigten bereits geborenen minderjährigen ledigen Kindern die Rechtsstellung eines Asylberechtigten gewährt werden. Von der Neuregelung blieben aber insbesondere die nach der Anerkennung des Asylberechtigten geborenen Kinder ausgeschlossen, obwohl die mit der Vorschrift beabsichtigte Integrationswirkung eine vollständige Einbeziehung der minderjährigen Kinder nahegelegt hätte (vgl. Koisser/Nicolaus, Das Familienasyl des § 7 a Abs. 3 AsylVfG - Eine Analyse aus der Sicht des UNHCR, ZAR 1991, S. 31, 36). Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU , SPD und FDP zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 12. Februar 1992 enthielt in § 26 des Entwurfs - trotz der gegen § 7 a Abs. 3 AsylVfG erhobenen rechtspolitischen Kritik - einen Vorschlag zur Regelung des Familienasyls, der in Übereinstimmung mit § 7 a Abs. 3 AsylVfG a.F. lediglich diejenigen minderjährigen ledigen Kinder eines Asylberechtigten begünstigte, die zum Zeitpunkt der Anerkennung bereits geboren waren (BTDrucks 12/2062, S. 10). Erst auf Vorschlag des Innenausschusses des Deutschen Bundestages wurde der Entwurf des § 26 AsylVfG - in der später Gesetz gewordenen Fassung - dahingehend ergänzt, dass auch Kinder, die nach der Anerkennung des Asylberechtigten geboren wurden, im Hinblick auf einen einheitlichen Rechtsstatus der Familie als Asylberechtigte anerkannt werden, wenn sie den Asylantrag innerhalb eines Jahres nach ihrer Geburt stellen (BTDrucks 12/2718, S. 20). Übergangsregelungen zur Milderung der Auswirkungen der von ihm vorgeschlagenen Ausschlussfrist waren im Änderungsentwurf des Innenausschusses nicht enthalten. Den Gesetzesmaterialien kann eine ausdrückliche Begründung dafür, dass die Anerkennung der im Bundesgebiet nach der Anerkennung des stammberechtigten Elternteils geborenen Kinder von der Einhaltung einer starren Jahresfrist abhängig gemacht wurde, nicht entnommen werden. Der Gesetzgeber hat damit offenbar die Absicht verfolgt, eine auf eine Stichtagsregelung hinauslaufende Ausschlussfrist in das Gesetz einzufügen, um dem mit dem Rechtsinstitut des Familienasyls von Anfang an zugleich verfolgten Zweck der Entlastung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Rechnung zu tragen. Anderenfalls hätte er eine Übergangsregelung für die bereits geborenen Kinder vorgesehen oder - wie in § 26 Abs. 1 AsylVfG oder in § 7 a Abs. 3 AsylVfG a.F. - eine "unverzügliche" Antragstellung genügen lassen, was die Notwendigkeit der Bearbeitung der dann angefallenen sog. "Altfälle" und damit eine weitere Belastung des Bundesamtes zur Folge gehabt hätte. Nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung ergreift § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG demnach auch einen Sachverhalt, wie er im vorliegenden Verfahren zu entscheiden ist.

Eine einschränkende Auslegung des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ist auch nicht von Verfassungs wegen geboten. Aus Art. 16 a Abs. 1 Satz 1 GG kann nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Angehörigen Asylberechtigter, die in ihrer Peson keine politische Verfolgung erlitten haben und denen auch keine politische Verfolgung droht, den gleichen Status zuzubilligen wie dem Asylberechtigten selbst. Auch Art. 6 Abs. 1 GG zwingt den Gesetzgeber nicht, die Gewährung des Asylrechts auf die Familienangehörigen eines politisch Verfolgten zu erstrecken (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1984 - 2 BvR 1517/84 - NVwZ 1985, S. 260;Beschluss vom 3. Juni 1991 - 2 BvR 720/91 - NVwZ 1991, S. 978). Aus Art. 6 Abs. 1 GG kann lediglich gefolgert werden, dass den Ehegatten und den minderjährigen Kindern von Asylberechtigten ein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland eingeräumt werden muss. Dem Gesetzgeber steht insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der es ihm unbenommen lässt, dem Interesse des Asylberechtigten und seiner Angehörigen an der Fortführung der ehelichen und familiären Gemeinschaft durch Schaffung entsprechender ausländerrechtlicher Regelungen - wie etwa § 20 AuslG, der auch der Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermittelt - Rechnung zu tragen (vgl. Urteil des Senatsvom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 239.80 - BVerwGE 65, 244 <245 ff.>[BVerwG 27.04.1982 - 9 C 239/80]).

Schließlich begegnet die vom Gesetzgeber getroffene Regelung auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Allein der Umstand, dass der Ausschluss einer Gruppe von Kindern Asylberechtigter vom Familienasyl rechtspolitisch umstritten ist, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gleichheitssatz nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, hinreichend gewichtiger Grund für eine gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt (BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1990 - BVerfGE 82, 126 <146>; Beschluss vom 26. Januar 1993 - BVerfGE 88, 87 <97>;Beschluss vom 10. Januar 1995 - 1 BvL 20/87, 20/88 - S. 17 f. Beschlussabdruck). Hiernach lässt sich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht feststellen. Denn für die Einführung einer starren - Altfälle von der Begünstigung des Familienasyls ausschließenden - Stichtagsegelung besteht - wie dargelegt - ein sachlicher und hinreichender gewichtiger Grund.'"

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Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur einjährigen Antragsfrist des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG (a.F.) gelten nach Auffassung des erkennenden Senats entsprechend auch für den mit Wirkung vom 1. Januar 2005 eingeführten Familienabschiebungsschutz des § 26 Abs. 4 AsylVfG (ebenso das hier angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 11.10.2006 - 5 A 5772/05 -; VG Lüneburg, Urteil vom 12.1.2006 - 5 A 408/05 -, zit. nach juris; VG Neustadt, Urteil vom 22.9.2005 - 4 K 997/05.NW -, zit. nach juris; Hailbronner, a.a.O., § 26 AsylVfG Rdnr. 51). Der Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F., auf den § 26 Abs. 4 AsylVfG u.a. verweist, ist insofern gleich geblieben und verlangt ohne jede Differenzierung "für im Bundesgebiet nach der Anerkennung des Asylberechtigten geborene Kinder" eine Asylantragstellung innerhalb eines Jahres nach der Geburt. Eine Übergangsregelung zur Milderung der Auswirkungen dieser objektiven Ausschlussfrist (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 26 AsylVfG Rdnr. 50) hat der Gesetzgeber auch dieses Mal nicht getroffen. Auch den Gesetzesmaterialien lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die vom Kläger vertretene Auffassung entnehmen, dass die Frist des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG nicht mit sofortiger Wirkung, sondern nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 mit einjähriger Verzögerung gelten soll. Die vom Kläger geforderte teleologische Auslegung ergibt nichts anderes. Zwar soll - wie bereits erwähnt - mit der Neuregelung des § 26 Abs. 4 AsylVfG der Personenkreis der Begünstigten erweitert werden, doch besteht kein berechtigter Anlass für die Annahme, dass davon auch Kinder, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 2004 geboren wurden, erfasst werden sollten. Insbesondere ist weiterhin zu berücksichtigen, dass der Zweck des Rechtsinstituts des Familienasyls bzw. des Familienabschiebungsschutzes auch in einer Entlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge besteht. Diese Zielsetzung wäre im Falle des Aufgreifens aller "Altfälle" der im Bundesgebiet nach der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG an den Stammberechtigten geborenen Kinder nicht zu erreichen gewesen, da dies mit großem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen wäre (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Hailbronner, a.a.O., § 26 AsylVfG Rdnr. 51). Hätte der Gesetzgeber, dem das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 1995 (a.a.O.) bekannt war, bei der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neuregelung des § 26 Abs. 4 AsylVfG die Jahresfrist des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG für im Bundesgebiet geborene Kinder erst mit einjähriger Verzögerung einführen und damit von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichen wollen, hätte er dies bestimmt zum Ausdruck gebracht.

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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass diejenigen Kinder eines Stammberechtigten, die - wie der Kläger - von der Neuregelung des § 26 Abs. 4 AsylVG ausgeschlossen sind, gleichwohl ein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dies ergibt sich aus § 33 AufenthG. Soweit diese Vorschrift allein an den Aufenthaltstitel der Mutter, nicht hingegen auch des Vaters anknüpft, ist sie allerdings mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar (BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 - 2 BvR 524/01 -, BVerfGE 114, 357 [BVerfG 25.10.2005 - 2 BvR 524/01] = DVBl. 2006, 110). Der Gesetzgeber ist jedoch gehalten, diesen Gleichheitsverstoß durch eine Neuregelung zu beheben. Für die Zwischenzeit sind die Interessen des betroffenen Personenkreises schon wegen des grundrechtlich gebotenen Schutzes der Familie (Art. 6 GG) ausreichend gewahrt. Der Kläger selbst verfügt - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - ohnehin über eine Aufenthaltserlaubnis.