Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.12.2006, Az.: 1 KN 109/05
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.12.2006
- Aktenzeichen
- 1 KN 109/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 45586
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:1222.1KN109.05.0A
Fundstelle
- NordÖR 2007, 138 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Vor einer durch das Bundesverwaltungsgericht im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren selbst veranlassten Anhörung stellt es für die übrigen Verfahrensbeteiligten regelmäßig keine nahe liegende oder gar angemessene Rechtsverfolgung dar, sich bereits in diesem Verfahrensstadium anwaltlicher Vertretung zu bedienen. Anwaltskosten sind dann regelmäßig nicht erstattungsfähig.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich nach Abschluss der beiden Normenkontrollverfahren 1 KN 108/05 und 1 KN 109/05 mit ihren Anträgen auf gerichtliche Entscheidung gegen die in den beiden Verfahren anerkannten Anwaltskosten der Normenkontrollantragsteller für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision zum Bundesverwaltungsgericht, und zwar im Verfahren 1 KN 108/05, ausgehend von einem Streitwert von 50.000,-- €, gegen zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 25. Oktober 2006 zu Lasten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in Höhe von jeweils 678,95 € (insgesamt damit 1.357,90 €) und im Verfahren 1 KN 109/05, ausgehend von einem Streitwert von 125.000,-- €, gegen Beschlüsse vom 25. Oktober bzw. 23. November 2006 in Höhe von jeweils 1.339,57 € (insgesamt damit 2.679,14 €).
Der Kostenfestsetzung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Der Senat hatte - neben zwei weiteren Verfahren - die beiden Normenkontrollverfahren 1 KN 108/05 und 1 KN 109/05 mit den stattgebenden Urteilen vom 1. September 2005 entschieden und den angegriffenen Bebauungsplan Nr. 2 "Designer-Outlet-Center Soltau" für unwirksam erklärt. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Gegen die beiden Urteile legten die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils unter dem Hinweis darauf Nichtzulassungsbeschwerden ein, dass eine Begründung in gesonderten Schriftsätzen erfolgen werde. Diese Antragsschreiben erhielten die übrigen Verfahrensbeteiligten jeweils zur Kenntnisnahme übersandt. Nach Vorlage der Begründungen der Nichtzulassungsbeschwerden beschloss der Senat, den Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nicht abzuhelfen. Die Akten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, ohne dass die Begründungen der Beschwerden den übrigen Verfahrensbeteiligten zugesandt worden sind.
Die Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts vergab unter dem 8. Dezember 2005 im Verfahren 1 KN 108/05 das Aktenzeichen 4 BN 56.05. Hinter der Rubrik der Eingangsverfügung: "Beschwerdebegründungen zustellen?" ist unter dem 22. Dezember 2005 handschriftlich - offensichtlich von der zuständigen Berichterstatterin - vermerkt: "nein" sowie "Wv auf Abruf". Das weitgehend parallel verlaufende Verfahren 1 KN 109/05 erhielt das Aktenzeichen 4 BN 58.05. Hinter der Rubrik "Beschwerdebegründungen zustellen?" ist - insoweit geringfügig abweichend - handschriftlich vermerkt: "vorerst nein". In dem letztgenannten Verfahren haben die Prozessbevollmächtigten der Antragsstellerinnen telefonisch um Übersendung der Beschwerdebegründungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gebeten. Dies ist mit dem folgenden Anschreiben des Bundesverwaltungsgerichts geschehen: "Sollte das Gericht eine Stellungnahme zu den Beschwerdebegründungen für erforderlich halten, ergeht ein gesonderter Hinweis." Die jeweiligen Antragsteller in den Kostenfestsetzungsverfahren haben sich in den beiden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht schriftsätzlich geäußert. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen mit Beschlüssen vom 8. März 2006 zurückgewiesen.
II.
Die gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten gerichteten Anträge auf gerichtliche Entscheidung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen haben Erfolg. Den Antragstellerinnen steht nach dem konkreten Verfahrensablauf ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zu.
Diese Entscheidung des Senats richtet sich an der ständigen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere des für baurechtliche Verfahren zuständigen 4. Senates, aus. Danach stellt es auch für Hauptverfahrensbeteiligte regelmäßig keine naheliegende oder gar angemessene Rechtsverfolgung dar, sich bereits in einem Stadium des Verfahrens anwaltlicher Vertretung zu bedienen, in dem das Bundesverwaltungsgericht die Beteiligten nicht in einer von ihm selbst veranlassten Anhörung zu der Nichtzulassungsbeschwerde zu einer Äußerung aufgefordert hat (dazu - im Wesentlichen mit weitgehend identischen Begründungen - BVerwG, Beschl. v. 26.1.1994 - 4 B 176.93, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 28; Beschl. v. 17.1.1995 - 4 B 1.95, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 29; Beschl. v. 7.6.1995 - 4 B 126.95, NJW 1995, 2867 = Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 30 = MDR 1995, 1266; Beschl. v. 12.6.1995 - 4 B 131.95, V.n.b.; Beschl. v. 24.7.1996 - 7 KSt 7.96, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 31 und letztlich Beschl. v. 31.10.2000 - 4 KSt 2.00 (4 B 65.00), NVwZ-RR 2001, 276 = DVBl. 2001, 318 (Ls) = Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 36). Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in seinem Beschluss vom 17. Januar 1995 (a.a.O.) wie folgt begründet:
"Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Im Hinblick auf den Schriftsatz der Beklagten vom 3. Januar 1995, mit dem die Zurückweisung der Beschwerde beantragt wird, ist in gebührenrechtlicher Hinsicht auf folgendes hinzuweisen:
Die getroffene Kostenentscheidung verschafft der Beklagten (zwar) einen Kostentitel. Daraus ergibt sich (aber) noch nicht, daß die Rechtsverfolgung der Beklagten - soweit es das Beschwerdeverfahren betrifft - i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO notwendig war. Das erfordert eine eigene Beurteilung. Hierzu ist zu bemerken: Im Regelfall ist es nicht erforderlich, daß ein Beschwerdegegner alsbald nach Eingang einer Beschwerde und ohne Kenntnis der Beschwerdebegründung einen Rechtsanwalt durch Prozeßvollmacht mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Der Senat prüft die Voraussetzungen nach §§ 132 Abs. 2, 133 Abs. 3 VwGO von Amts wegen. In diesem Stadium werden andere Verfahrensbeteiligte nicht angehört. Dafür besteht kein Anlaß, wenn bereits das Vorbringen der Beschwerde ohne weiteres deren Erfolglosigkeit ergibt. Vor einer durch das BVerwG selbst veranlaßten Anhörung stellt es deshalb für die übrigen Verfahrensbeteiligten im allgemeinen keine naheliegende oder gar angemessene Rechtsverfolgung dar, sich bereits in diesem Stadium des Verfahrens anwaltlicher Vertretung zu bedienen. Sie brauchen nicht zu unterstellen, das BVerwG werde ohne Anhörung zu ihrem Nachteil entscheiden und die Revision zulassen oder von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch machen. Ob Ausnahmen bei erkennbarer Eilbedürftigkeit durch eine vorbeugende Schutzschrift denkbar sind, bedarf keiner näheren Erörterung, da ein derartiger Fall hier nicht gegeben ist. Selbstverständlich ist keiner der anderen Verfahrensbeteiligten gehindert, sich bereits vor Anhörung anwaltlicher Hilfe zu versichern und auch gegenüber dem BVerwG Anträge zu stellen oder Ausführungen zur Sache zu machen. Derartiges hat das Gericht auch zur Kenntnis zu nehmen. Das ändert aber nichts daran, daß eine entsprechende Rechtsverfolgung in diesem Stadium regelmäßig unnötig ist. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Beschwerdegegner nur die Zurückweisung der Beschwerde beantragt hat und irgendwelche Ausführungen, welche die Erörterung des Streitstoffes fördern könnten, unterblieben sind und mangels Kenntnis der Beschwerdebegründung auch kaum förderlich wären. Da über die Beschwerde ohnedies vom Amts wegen zu entscheiden ist, reduziert sich ein derartiger Antrag letztlich auf den Hinweis, daß der andere Verfahrensbeteiligte im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten ist und im Falle einer Anhörung dem Anwalt als Prozessbevollmächtigten zugestellt werden kann. Indes gehört diese Zustellungserklärung ohnedies nach § 37 BRAGO zum vorinstanzlichen Rechtszug und läßt mithin einen zusätzlichen Gebührentatbestand nicht entstehen. Im vorliegenden Falle bestand auch kein Anlaß, da die Beschwerdegegnerin bereits im berufungsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten war, die erteilte Prozessvollmacht insoweit auch für das Beschwerdeverfahren unverändert die Zustellungsbevollmächtigung nach § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO begründete und die Beschwerdegegnerin einen Wechsel der Prozeßbevollmächtigung nicht vornahm. Es ist Sinn der raschen Entscheidung des beschließenden Senats, im Interesse des jeweiligen Beschwerdeführers weitere, von der Sache her nicht veranlasste Kosten tunlichst zu vermeiden."
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Erstattungsfähigkeit der Kosten der Antragsteller weder im Verfahren 1 KN 108/05 noch 1 KN 109/05 in Betracht. In beiden Verfahren ist nicht einmal ein Antrag auf Zurückweisung der Beschwerden festzustellen. Nur zur Klarstellung: Dies wäre auch nicht entscheidungserheblich. Denn gerade hinsichtlich einer vorliegenden Antragstellung äußert sich der oben zitierte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend, dass auch ein derartiger Antrag einen gebührenrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht auslösen kann.
Dabei kann der Senat offenlassen, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Antragsteller in den beiden Normenkontrollverfahren 1 KN 108/05 und 1 KN 109/05 eine Erwiderung zu den Nichtzulassungsbeschwerden der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen vorgelegt hätten. Dazu äußert sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24. Juli 1996 (7 KSt 7.96, a.a.O.) wie folgt:
"Eine Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO kommt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde im allgemeinen dann in Betracht, wenn der Beigeladene sich durch die Stellung eines Antrags und durch Ausführungen zur Sache am Verfahren beteiligt hat. Das setzt allerdings grundsätzlich voraus, dass das BVerwG zuvor dem Beigeladenen durch Zustellung der Beschwerdeschrift Gelegenheit gegeben hat, sich zur Frage der Zulassung der Revision zu äußern (B. vom 7. Juni 1995 - 4 B 126.95, s. vorst. Nr. 30). Dem ist der Fall gleichzustellen, dass die Anhörung des Beigeladenen nicht durch das BVerwG, sondern bereits durch das Gericht, dessen Entscheidung mit der Beschwerde angefochten wird, vor Abgabe der Sache an das BVerwG veranlasst wird. Ein solches Vorgehen ist nach der VwGO nicht unzulässig, wenngleich im allgemeinen unzweckmäßig; es ist andererseits zur Gewährung rechtlichen Gehörs sogar geboten, wenn das Tatsachengericht ernstlich erwägt, der Beschwerde durch Zulassung der Revision abzuhelfen (§ 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Übersendet das Gericht, dessen Entscheidung mit der Beschwerde angefochten wird, einem Beigeladenen die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung, muss dieser also mit der Möglichkeit einer Abhilfeentscheidung rechnen und kann deshalb Anlass haben, sich bereits in diesem Verfahrensstadium zur Sache zu äußern."
Im vorliegenden Fall ist weder vom Bundesverwaltungsgericht noch vom erkennenden Senat eine Aufforderung zur Äußerung bzw. zur Beteiligung am Nichtzulassungsverfahren erfolgt. Die beiden Antragsteller des Kostenerstattungsverfahrens haben auch tatsächlich keine Ausführungen zur Sache in den Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemacht. Allein der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen dieses Verfahrens die Begründungen der Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Antragsgegnerin und der Beigeladenen angefordert hat, kann nach den oben dargestellten Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts gebührenrechtlich nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen, dies namentlich deswegen, als in dem Begleitschreiben des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich angemerkt ist, dass das Gericht für den Fall, dass es eine Stellungnahme zu den Beschwerdebegründungen für erforderlich halten würde, ein gesonderter Hinweis ergehen würde.