Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.12.2006, Az.: 11 ME 393/06
Begründung des Anspruchs eines ausgewiesenen oder abgeschobenen Ausländers auf Rückkehr nach Deutschland durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz einer Eltern-Kind-Beziehung im ausländerrechtlichen Verfahren; Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit weiteren ausländischen, nicht über ein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht verfügenden Familienangehörigen; Glaubhaftmachung eines Anspruchs auf Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung auf den Tag der Abschiebung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.12.2006
- Aktenzeichen
- 11 ME 393/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 31948
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:1222.11ME393.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 30.11.2006 - AZ: 1 B 6235/06
Rechtsgrundlagen
- Art. 6 Abs. 1 GG
- Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG
- § 7 Abs. 1 S. 1-3 AufenthG
- § 11 Abs. 1 S. 1 u. 3 AufenthG
- § 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG
- § 25 Abs. 4 S. 1 AufenthG
Fundstellen
- AUAS 2007, 50-52
- InfAuslR 2007, 106-109 (Volltext mit amtl. LS)
- ZAR 2007, 109 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Wiedereinreise eines ausgewiesenen oder abgeschobenen Ausländers
Amtlicher Leitsatz
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. u.a. Beschl. v. 23.1.2006 -2 BvR 1935/05-, NVwZ 2006, 682) zum Schutz einer Eltern-Kind-Beziehung im ausländerrechtlichen Verfahren begründet weder verfassungsunmittelbar noch über ausländerrechtliche Vorschriften einen im Wege einer einstweiligen Anordnung durchsetzbaren Anspruch eines ausgewiesenen oder abgeschobenen Ausländers auf Rückkehr nach Deutschland, um im Bundesgebiet die familiäre Lebensgemeinschaft mit weiteren ausländischen Familienangehörigen, die nicht über ein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht verfügen, wiederherzustellen.
Gründe
Die Antragsteller begehren, den Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen die Rückkehr bzw. die Einreise nach Deutschland zu erlauben.
Die Antragstellerin zu 1. ist türkische Staatsangehörige. Die Antragsteller zu 2. und zu 3. sind ihre minderjährigen Kinder. Die Antragstellerin zu 1. reiste am 15. Mai 1988 gemeinsam mit ihren Eltern und weiteren Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Die Familie betrieb parallel Asylverfahren unter ihrem richtigen Namen A. und dem Aliasnamen B.. Diese Asylanträge blieben erfolglos. Aufgrund der Angaben, die die Eltern der Antragstellerin zu 1. in dem unter dem falschen Namen B. geführten Asylverfahren gemacht hatten, ging die zuständige Ausländerbehörde davon aus, dass die Antragstellerin zu 1. Palästinenserin ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon sei. Sie erhielt deshalb aufgrund der niedersächsischen Bleiberechtsregelung 1990 eine zuletzt bis zum 9. März 2000 befristete Aufenthaltsbefugnis.
Die Antragstellerin zu 1. ist seit 1996 mit Herrn E. F. religiös verheiratet. Neben den beiden Antragstellern zu 2. und zu 3. haben die Antragstellerin zu 1. und Herr F. zwei weitere, in den Jahren 1997 und 1998 geborene Töchter. Herr F. wurde 1979 in Beirut geboren und reiste 1985 nach Deutschland ein. Es ist gegenwärtig nicht geklärt, welche Staatsangehörigkeit (libanesische oder türkische) Herr F. hat. Er verfügt nicht über einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland.
Mit rechtskräftigem Bescheid vom 12. Oktober 2000 wies der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1. und die beiden 1997 und 1998 geborenen Kinder aus. Zur Begründung gab der Antragsgegner an: Die Voraussetzungen einer Ermessensausweisung nach § 45 Abs. 1 i.V.m. § 46 Nr. 2 und Nr. 6 AuslG lägen vor. Die Antragstellerin zu 1. habe durch die Verwendung von unrichtigen Daten hinsichtlich ihrer Personalien und ihrer Herkunft gegen den Straftatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verstoßen. Ferner habe sie ihren Unterhalt nur durch öffentliche Leistungen bestreiten können.
Die Antragstellerin zu 1. wurde am 10. Februar 2005 gemeinsam mit der am 17. Dezember 2003 geborenen Antragstellerin zu 2. in die Türkei abgeschoben. Dort wurde der Antragsteller zu 3. am 31. August 2005 geboren.
Durch Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 A 3691/03 - verpflichtete die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover den Antragsgegner, über die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis des Ehemannes der Antragstellerin zu 1. als Aufenthaltserlaubnis auch im Hinblick auf dessen libanesische Staatsangehörigkeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Über den Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Berufung (10 LA 181/06) wurde noch nicht entschieden.
Mit Antrag vom 11. September 2006 haben die Antragsteller ein zuvor beim Antragsgegner gestelltes Begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes weiter verfolgt. Sie haben beantragt, die Wirkung des Ausweisung und Abschiebung der Antragstellerinnen zu 1.und zu 2. nachträglich auf den Tag der Abschiebung zu befristen, den Antragstellern vorübergehend - bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens hinsichtlich der Verlängerung bzw. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis des Ehemannes und Vaters E. F. - das Betreten der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu erlauben und binnen zwei Wochen die Voraussetzungen für eine Rückschaffung der Antragsteller in die Bundesrepublik Deutschland unter Übernahme der Reisekosten zu schaffen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 30. November 2006 verpflichtet, die Wirkung der Ausweisung und Abschiebung der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. bis auf einen Zeitpunkt von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses zu befristen und den Antragstellern für die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens 10 LA 181/06 und eines etwaigen anschließenden Berufungsverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Unabhängig von dem geltend gemachten schlechten gesundheitlichen Zustand der Antragstellerin zu 1. hätten die Antragsteller im Hinblick auf Art. 6 GG als Rechtsschutzziel einen Anordnungsgrund wegen der seit geraumer Zeit andauernden Trennung von den übrigen Familienangehörigen glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch sei ebenfalls gegeben. Zwar lägen die Voraussetzungen einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG nicht vor. Wegen der besonderen Problematik der Gewährleistung des Grundrechtsschutzes aus Art. 6 GG sei die Wirkung von Ausweisung und Abschiebung der Antragstellerinnen zu 1.und zu 2. jedoch gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG umgehend zu befristen und sämtlichen Antragstellern entweder gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder nach der Auffangregelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eine zeitlich befristete, von dem Aufenthalt des Ehemannes/Vaters E. F. abhängige Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Es bestehe in mehrfacher Hinsicht eine Sondersituation, die die einstweilige Anordnung rechtfertige. Zwar sei die Abschiebung der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. am 10. Februar 2005 seinerzeit rechtmäßig gewesen. Inzwischen habe sich die Sach- und Rechtslage jedoch dadurch grundlegend geändert, dass der Antragsteller zu 3. am 31. August 2005 in der Türkei geboren worden sei und inzwischen das Urteil der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover vom 21. Juni 2006 ergangen sei. Im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Schutz der Vater-Kind-Beziehung könne die Trennung der Familie der Antragsteller nicht weiter aufrechterhalten werden. Insbesondere nach der Geburt des Antragstellers zu 3. am 31. August 2005 in der Türkei sei eine weitere Trennung der Familie nicht mehr hinnehmbar. Auch wenn nicht feststehe, ob sich der Ehemann/Vater E. F. berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalte, könnten sich die Antragsteller auf die Kernaussagen des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrechtsschutz aus Art. 6 GG stützen.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO liegen nicht vor. Es kann offenbleiben, ob die Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht haben. Denn den Antragstellern steht der erforderliche Anordnungsanspruch nicht zur Seite.
Das auf Rückkehr und Einreise nach Deutschland gerichtete Begehren der Antragsteller lässt sich nicht auf eine verfassungsunmittelbare Rechtsgrundlage stützen. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG vermittelt einem ausländischen Familienangehörigen keinen Anspruch auf Einreise nach Deutschland (BVerfG, Beschl. v. 21.5.2003 - 1 BvR 90/03 -, NJW 2003, 3547; BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1, 48). Für abgeschobene Ausländer gilt ein generelles Verbot der Wiedereinreise (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), das auch zu beachten ist, wenn dadurch abgeschobene Ausländer von ihren übrigen ausländischen Familienangehörigen, die sich weiterhin in Deutschland aufhalten, getrennt werden.
Den Antragstellern steht auch nicht ein Recht auf Rückkehr und Einreise nach Deutschland nach einfachgesetzlichen Bestimmungen zu. Die Voraussetzungen für die Erlaubnis, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, liegen nicht vor. Eine Betretenserlaubnis kann gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden, wenn zwingende Gründe die Anwesenheit des Ausländers erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Zwingende Gründe für die Einreise und den kurzfristigen Aufenthalt während der Sperrzeit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind anzuerkennen, wenn sie in den persönlichen Verhältnissen des Ausländers begründet sind, etwa für die Wahrnehmung von Terminen bei Gerichten oder Behörden. Eine unbillige Härte kann vor allem im verwandtschaftlichen oder humanitären Bereich vermieden werden, z.B. durch die Erlaubnis, an einer wichtigen Familienfeier teilzunehmen, oder durch die Erlaubnis, wegen der Erkrankung oder des Todes eines nahen Familienangehörigen vorübergehend einreisen zu dürfen (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 11 AufenthG RdNr. 16). Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
Die Antragsteller streben nach ihrem Antragsbegehren und nach dem offengelegten Rechtsschutzziel eine auf längere Frist angelegte Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft mit ihren im Bundesgebiet lebenden ausländischen Familienangehörigen an. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verneint. Ergänzend ist auszuführen, dass auch in der Person des ausgewiesenen oder abgeschobenen Ausländers liegende Gründe - hier z.B. die von der Antragstellerin zu 1. geltend gemachte psychische Erkrankung - nicht zur Erteilung einer Betretenserlaubnis führen könnten.
Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten hat, die Wirkung von Ausweisung und Abschiebung der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sei gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bis auf einen Zeitpunkt von zwei Wochen nach Zustellung seines Beschlusses zu befristen und sämtlichen Antragstellern sei entweder gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder nach der Auffangregelung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eine zeitlich befristete, von dem Aufenthalt des Ehemannes und Vaters E. F. abhängige Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, teilt der Senat diese Ansicht nicht.
Einmal davon abgesehen, dass mit der begehrten einstweiligen Anordnung möglicherweise die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen würde (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei einem auf Befristung der Wirkung einer Ausweisung gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag: BayVGH, Beschl. v. 16.8.2005 - 24 CE 05.1731 -, veröff. in juris; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 18.7.2006 - 18 B 1324/05 -, veröff. in juris, wonach die Beseitigung der Sperrwirkung einer Ausweisung in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht erreichbar ist), haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. einen Anspruch auf Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung auf den Tag der Abschiebung nicht glaubhaft gemacht. Die von dem Verwaltungsgericht angenommene Sondersituation besteht nicht.
Zutreffend verweist das Verwaltungsgericht zunächst darauf, dass die Abschiebung der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. am 10. Februar 2005 seinerzeit rechtmäßig war (vgl. auch Beschl. d. Sen. v. 22.12.2004 - 11 LA 235/04 -). Der Antragsgegner durfte zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen, dass der Ehemann und Vater E. F. kein gesichertes Aufenthaltsrecht oder eine vergleichbare Rechtsposition in Deutschland besitzt und die Trennung der Familie nur vorübergehend sein werde. Der von den Antragstellern geltend gemachte Folgenbeseitigungsanspruch besteht deshalb nicht.
Hinsichtlich dieser Sach- und Rechtslage haben sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts in der Zwischenzeit keine entscheidungserheblichen Änderungen ergeben. Dem vom Verwaltungsgericht beschriebenen "Zeitfaktor", also dem seit der Abschiebung der Antragstellerin zu 1. und zu 2. und der Geburt des Antragstellers zu 3. am 31. August 2005 in der Türkei verstrichenen Zeitraum, kommt nicht das vom erstinstanzlichen Gericht zugesprochene Gewicht zu. Es ist zwar richtig, dass die Vater-Kind-Beziehung und damit auch das Verhältnis des Herrn F. zu seinen beiden Kindern, den Antragstellern zu 2. und zu 3., die sich in der Türkei aufhalten, namentlich zu dem erst in der Türkei geborenen Antragsteller zu 3., unter dem Schutz des Grundgesetzes steht und deshalb ausländerrechtliche Entscheidungen die Schutzwirkungen des Art. 6 GG berücksichtigen müssen. Der Senat vermag aber nicht zu erkennen, dass den Antragstellern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Zusammenleben mit den übrigen Familienangehörigen im Bundesgebiet ermöglicht werden muss und deshalb ein im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchsetzbarer Anspruch auf Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. besteht.
Nach der vom Verwaltungsgericht angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59; Urt. v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, AuAS 2006, 26; Beschl. v. 23.1.2006, 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682) verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Diese Ausführungen sind auf das vorliegende Verfahren in zweifacher Hinsicht nicht übertragbar. Zum einen geht es hier nicht um den Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet, sondern um seine Rückkehr bzw. Einreise nach Deutschland. Zum anderen billigt das Bundesverfassungsgericht den besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG nur Ausländern zu, die familiäre Bindungen zu Personen haben, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten. Das ist hier nicht der Fall.
Der Vater und Ehemann E. F. hat in Deutschland kein gesichertes Aufenthaltsrecht. Die Verlängerung einer Herrn F. erteilen Aufenthaltsbefugnis hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 8. Oktober 2001 abgelehnt. Zwar hat das Verwaltungsgericht Hannover - 6. Kammer - mit Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 A 3691/03 - den Ablehnungsbescheid aufgehoben und den Antragsgegner verpflichtet, über die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis des Ehemannes der Antragstellerin zu 1. als Aufenthaltserlaubnis auch im Hinblick auf dessen libanesische Staatsangehörigkeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Daraus lässt sich aber kein Aufenthaltsrecht von Herrn F. ableiten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Antragsgegner hat Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, über den der 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts noch nicht entschieden hat (10 LA 181/06). Der Ausgang dieses Verfahrens ist offen. Der Antragsgegner hält der Entscheidung des Verwaltungsgerichts u.a. entgegen - insoweit der Auffassung des Senats in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2004 - 11 LA 235/04 - folgend -, dass Herr F. wegen des Erwerbs der libanesischen Staatsangehörigkeit nach der Stichtagsregelung in dem niedersächsischen Bleiberechtserlass 1990 nicht erneut oder wieder in den Anwendungsbereich dieses Erlasses falle und er deshalb keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis habe. Aber selbst für den Fall, dass der Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen wird, wäre weiterhin offen, ob der Antragsgegner die begehrte Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung könnte unter Umständen zu Lasten von Herrn F. Berücksichtigung finden, dass er nach den Gründen des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2006 Ausweisungstatbestände verwirklicht hat.
Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2006 (- 2 BvR 1797/06 -, veröff. in juris) sind für den vorliegenden Fall keine weiterführenden Hinweise zu entnehmen. Die genannte Entscheidung befasst sich nicht mit ausländerrechtlichen Fragen, sondern mit der Reichweite der Schutzwirkungen von Art. 6 GG bei der Gewährung von Besuchszeiten für Familienangehörige eines Untersuchungsgefangenen. Soweit das Bundesverfassungsgericht erneut den hohen Wert der Vater-(Klein-)Kind-Beziehung betont, ist der näher ausgeführte Maßstab bei den zuvor beschriebenen Fallkonstellationen anzulegen, also in Fällen, in denen sich die übrigen Familienangehörigen des Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen suchenden Ausländers berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten und möglicherweise die Fortsetzung der Lebens- und Erziehungsgemeinschaft im Ausland nicht zumutbar ist, weil beispielsweise das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und die familiären Beziehungen zur Mutter zu wahren sind.
Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 24. Juli 1998 (- 2 BvR 99/97 -, NVwZ 1998, Beilage Nr. 10, 105) rechtfertigen ebenfalls nicht eine Entscheidung zugunsten der Antragsteller. Soweit dort die Rede davon ist, dass der aufenthaltsrechtlichen Wirkung einer etwaigen Abschiebung des Ausländers nach Spanien im Hinblick auf die Gewährleistung von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG ggf. im Wege einer Befristung der Wirkungen der Abschiebung oder durch Gewährung einer Ausnahme nach § 9 Abs. 3 AuslG Rechnung getragen werden könnte, handelt es sich nur um verfahrensrechtliche Hinweise für die weitere ausländerrechtliche Behandlung des Falles. Hingegen sind den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts keine Maßstäbe zu entnehmen, die über die bereits angesprochenen Grundsätze hinausreichen. Die von den Antragstellern begehrte Rechtsposition lässt sich somit unter dem Blickwinkel des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herleiten.
Der Umstand, dass die Trennung der Antragsteller von den übrigen Familienangehörigen, die sich in Deutschland aufhalten, inzwischen 22 Monate - im Falle des Antragstellers zu 3. 16 Monate - andauert, rechtfertigt nicht eine dem einstweiligen Rechtsschutzantrag stattgebende Entscheidung. Der Antragsgegner macht zu Recht darauf aufmerksam, dass es den noch in Deutschland lebenden Familienangehörigen zuzumuten ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit den Antragstellern im Ausland (Türkei oder Libanon) wiederherzustellen. Wie bereits ausgeführt, verfügt Herr F. nicht über einen Aufenthaltstitel in Deutschland. Dies gilt auch für die im Jahr 1997 und 1998 geborenen Töchter der Antragstellerin zu 1.. Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die einer Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft in der Türkei oder im Libanon entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Antragsteller haben solche Gründe im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Dem Senat liegen ebenfalls keine gegenläufigen Erkenntnisse vor, die auf unüberwindbare Hürden hindeuten könnten. Hiervon geht offenbar auch nicht Herr F. aus. Denn er hat laut Vermerk der Ausländerbehörde vom 18. Januar 2005 bei einer Vorsprache am selben Tag angegeben, das Verfahren zur Registrierung der Eheschließung mit der Antragstellerin zu 1. nach libanesischem Recht laufe gegenwärtig. Ferner führte er nach dem Vermerk aus, dass erst nach der Registrierung der Eheschließung auch die Registrierung seiner Kinder bei den libanesischen Behörden in die Wege geleitet werden könne.
Soweit mit der Beschwerdeerwiderung darauf hingewiesen wird, dass die beiden im Jahr 1997 und 1998 geborenen Töchter der Antragstellerin zu 1. in Deutschland integriert seien, weil sie die Schule besuchten, die deutsche Sprache beherrschten, jedoch kein Wort türkisch sprächen, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Die beiden Töchter verfügen nicht über ein auf Integration angelegtes Aufenthaltsrecht. Wegen des Lebensalters der beiden Kinder ist zudem fraglich, ob bereits von einer faktischen Integration in die hiesigen Verhältnisse gesprochen werden kann. Eine erfolgreiche Berufung auf Art. 8 Abs. 1 EMRK scheidet deshalb aus (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 1.9.2006 - 8 LA 101/06 -, veröff. in juris).
Da es den übrigen Familienangehörigen zuzumuten ist, gemeinsam mit den Antragstellern die familiäre Lebensgemeinschaft im Ausland wiederherzustellen, kann die Antragstellerin zu 1. auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass sie wegen der Trennung von ihrem Ehemann und den weiteren Kindern psychisch erkrankt sei. Anzumerken ist, dass in der Türkei ausreichende, über die Yesil-Kart auch erreichbare Behandlungsmöglichkeiten für psychisch Erkrankte bestehen.
Um dem vom Verwaltungsgericht angesprochenen Zeitfaktor Rechnung zu tragen, wird sich der Senat, der ab 1. Januar 2007 für ausländerrechtliche Verfahren von Staatsangehörigen aus dem Libanon und damit auch für das bisher unter dem Az. 10 LA 181/06 geführte Zulassungsverfahren von Herrn F. zuständig sein wird, nach Übernahme der Sache bemühen, zügig eine Entscheidung herbeizuführen. Für den Fall der Zulassung der Berufung wird er das Verfahren bevorzugt fördern.
Da nach den vorstehenden Ausführungen ein Anspruch der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. auf Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung weder auf den Tag der Abschiebung noch auf den Tag dieses Beschlusses besteht, liegen auch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor. Einmal davon abgesehen, dass das Verwaltungsgericht mit der Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern für die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens 10 LA 181/06 und eines etwaigen anschließenden Berufungsverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, möglicherweise über das von den Antragstellern erklärte Antragsziel hinausgegangen ist, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der Sperrwirkung der Ausweisung und Abschiebung nicht vor. Zudem beschränkt sich der Anwendungsbereich von § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auf Ausländer, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten. Nach der genannten Vorschrift kann einem Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist nicht einschlägig. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nicht bereits dann eröffnet, wenn - wie hier - im Einzelfall die geforderten Voraussetzungen für ein im AufenthG geregeltes Aufenthaltsrecht nicht vorliegen.
Da die Beschwerde des Antragsgegners erfolgreich ist, bedarf es keiner Ausführungen zu dem weiteren Antrag des Antragsgegners, den Antragstellern zu untersagen, Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.