Amtsgericht Hannover
Urt. v. 20.12.2005, Az.: 534 C 12626/05
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 20.12.2005
- Aktenzeichen
- 534 C 12626/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43507
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2005:1220.534C12626.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LG Hannover - 27.07.2006 - AZ: 19 S 18/06
Fundstelle
- zfs 2006, 558-559 (Volltext mit Anm.)
In dem Rechtsstreit
...
wegen Schadenersatz
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 534 -
auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2005
durch den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagter durch Sicherheitsleistung in Höhe vor 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Die Klägerin betreibt den Stadtbahnverkehr in Hannover. Am 15.12.2004 gegen 22:07 Uhr verunfallte die Beklagte zu 2. mit dem von ihr geführten Pkw VW Passat Variant mit dem amtlichen Kennzeichen ... des Beklagten zu 1. auf der Tiergartenstraße ohne Fremdeinwirkung. Das Fahrzeug war von der Fahrbahn abgekommen und ins Schleudern geraten und blieb schließlich fahruntüchtig quer zur Fahrbahn liegen, wo es in der Zeit von 22:16 Uhr bis 23:12 die Fahrbahn blockierte. Während dieser Zeitspanne, bis zur Bergung des Fahrzeuges, war die Unfallstelle im Bereich der Mettlacher Straße in beiden Fahrtrichtungen voll gesperrt.
Durch die Sperrung der Unfallstelle kam der Stadtbahnverkehr in diesem Bereich vollständig zum Erliegen, so dass die Klägerin einen Schienersatzverkehr mit Bussen einrichtete.
Die Klägerin behauptet, hierfür seien ihr mit Kostenzusammenstellung vom 24.03.2005 aufgeführte Mehrkosten in Höhe von 793,16 Euro entstanden, die sie neben einer Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 Euro gegenüber den Beklagten geltend macht
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin
818,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie meinen, der Klägerin stünde ein Schadensersatzanspruch nicht zu, da nicht rechtswidrig in ihre Rechtsgüter eingegriffen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Ein Anspruch gegen den Beklagten zu 1. als Halter des verunfallten Fahrzeuges besteht bereits nicht, weil die einschlägigen Regelungen zur Halterhaftung nach §§ 7, 18 StVG bereits dem Wortlaut nach nicht einschlägig sind. Eine Beschädigung von Sachen der Klägerin ist nicht erfolgt.
Auch gegen die Beklagte zu 1. steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB nicht zu. Zwar liegt eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB nicht nur bei Beeinträchtigung der Sachsubstanz vor, sondern auch bei sonstigen die Eigentümerbefugnisse betreffenden Einwirkungen auf die Sache. Durch die Blockade des Schienenweges war die Klägerin auch in dem Gebrauch und der Verwendbarkeil der Straßenbahn behindert. Allerdings war diese Eigentumsbeeinträchtigung nicht rechtswidrig, da die Klägerin es unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr beim Betrieb der Straßenbahn in Kauf nimmt, durch Verkehrsunfallbedingte Staus und Fahrwegblockaden in der Benutzung ihres Eigentums eingeschränkt zu werden. Es ist die spezifische Verkehrsgefahr, die sich durch den Verkehrsunfall hier realisiert hat, die in das allgemeine Lebensrisiko fällt und von jedem hingenommen werden müssen. Es fällt danach auch in das unternehmerische Risiko der Klägerin, wenn durch Staus Schäden oder Behinderungen entstehen oder Aufwendungen erbracht werden müssen, um weitere Schäden zu vermeiden (vgl. Grüneberg, Zum Anspruch einer Straßenbahngesellschaft bei Blockierung der Schienen durch verunfallte oder geparkte Fahrzeuge, ZFS 1991, S. 254 ff.; im Ergebnis auch AG Freiburg, ZFS 1989, S. 189). Insoweit steht die Klägerin einem Fahrunternehmer gleich, dessen Fahrzeug verkehrsunfallbedingt in einen Autobahnstau gerät, den dieser nicht mehr umfahren kann, weil das Wenden auf der Autobahn verboten ist. Auch hier entstehen unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr und des spezifischen Verkehrsrisikos keine Vielzahl von Schadensersatzansprüchen gegen den Unfallverursacher, was zu einer maßlosen Ausweitung des Anspruches aus § 823 BGB führen würde.
Gerade hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall einer Blockade der Straßenbahnschienen auch durch den sog. "Fleet-Schiff-Fall" ( BGHZ 55, 153 ), da sich dort nicht die spezifische Verkehrsgefahr realisiert hat.
Ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin scheitert bereits an dessen Subsidiarität ( BGHZ 55, 153 (158 ff.)) gegenüber der vorliegenden Eigentumsverletzung. Überdies fehlt auch eine Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Dieser ergibt sich nicht bereits aus der Behinderung bei der Nutzbarkeit nur einzelner zum Betriebe gehörender Gegenstände.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.