Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 16.12.2005, Az.: 44 XIV 301/05

Abschiebehaftanordnung; Abschiebungshaftanordnung; Abschiebungsverfahren; Ausländer; Ausreisepflicht; Ausweisungsverfahren; einstweilige Freiheitsentziehung; Haftantrag; Haftgrund; Meldeauflage; Scheinehe; Untertauchen; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Vorbereitungshaft

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
16.12.2005
Aktenzeichen
44 XIV 301/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50966
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 11 FEVG wird abgelehnt.

Der Antrag auf Anordnung von Abschiebehaft nach § 62 Abs. 1 AufenthG wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Etwaige notwendige außergerichtliche Kosten des Betroffenen hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

1

I. Mit Antrag vom 15.12.2005 hat die Antragsstellerin eine einstweilige Anordnung auf Inhaftierung nach § 11 FEVG gegen den Betroffenen beantragt. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag hat die Betroffene zudem die Verhängung von Abschiebehaft nach § 62 Abs. 1 AufenthG (Vorbereitungshaft) begehrt.

2

Die Antragsstellerin trägt hinsichtlich des Haftgrundes nach § 62 Abs. 1 AufenthG vor, dass die Antragsgegnerin eine Scheinehe geschlossen habe und sie nunmehr Kenntnis davon habe, dass die Antragsstellerin die wahren Umstände kenne und sie beabsichtigt abzuschieben. Hieraus resultiere aus Sicht der Antragsstellerin die Gefahr, dass die Betroffene untertauchen würde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anträge der Antragsstellerin verwiesen.

3

II. Nach der bisherigen Überprüfung sind die Anträge der Antragstellerin zwar zulässig, jedoch in der Sache bereits nach der Anträgen unbegründet.

4

Nach § 11 Abs. 1 FEVG kann das Gericht eine einstweilige Freiheitsentziehung anordnen, sofern dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung vorliegen, und über die endgültige Unterbringung nicht rechtzeitig entschieden werden kann.

5

Diese Voraussetzungen für eine Unterbringung sind jedoch nicht ersichtlich.

6

1. Die Antragstellerin hat zwar am 15.12.2005 einen Antrag auf Abschiebehaft (Vorbereitungshaft) nach § 62 Abs. 1 AufenthG gestellt. Hiernach kann ein Ausländer für die Dauer von längstens 6 Wochen in Vorbereitungshaft genommen werden, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde.

7

Bereits nach den Anträgen ist für das Gericht nicht hinreichend ersichtlich, dass ohne die Inhaftnahme die Abschiebung wesentlich erschwert oder gar vereitelt würde.

8

Zwar hat die Betroffene ausweislich der Anträge offensichtlich eine Scheinehe geschlossen und weiß inzwischen auch, dass die Ausländerbehörde diesen Umstand kennt, und sie nunmehr beabsichtigt abzuschieben. Dies genügt jedoch aus Sicht des Gerichts per se nicht aus, um anzunehmen, dass die Abschiebung von der Betroffenen erschwert oder gar vereitelt würde.

9

Diese Voraussetzungen sind nur dann gegeben, wenn konkrete Verdachtsmomente festgestellt werden können. Es muss also vorliegend anzunehmen sein, dass die Abschiebung von der Betroffenen versucht wird zu verhindern. Solche konkreten Verdachtsmomente sind vorliegend nicht erkennbar.

10

Soweit die Antragsstellerin vorträgt, ein solcher Verdacht ergäbe sich aus der geschlossenen Scheinehe, folgt das ´Gericht diesem Schluss nicht. Denn eine Scheinehe ist als alleiniger Grund für einen solchen Verdacht nicht überzeugend, weil insoweit jeder abgelehnter Asylbewerber, dessen Antrag nicht selten ebenfalls auf falsche Behauptungen gestützt wird, die dann im Laufe des Asylverfahrens widerlegt werden, er jedoch jederzeit für die Ausländerbehörde erreichbar ist, inhaftiert werden müsste. Gleiches gilt, wenn ein Ausländer mit falschen Namen einreiste und in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag stellt und anschließend seine wahre Identität ermittelt wird, der Ausländer aber ebenfalls stets Kontakt zur Ausländerbehörde hält und keine Andeutungen macht, die auf eine Entziehungsabsicht hindeuten.

11

Vorliegend ist zudem besonders zu berücksichtigen, dass die Betroffene über einen festen Wohnsitz verfügt. Sie ist damit momentan jederzeit für die Antragsstellerin erreichbar. Dass die Betroffene beabsichtigt unterzutauchen, hat sie bislang ausweislich des Antrages der Antragsstellerin nicht geäußert. Auch aus dem bisherigen Aufenthalt der Betroffenen ist nicht ersichtlich, dass die Betroffene eine mögliche Abschiebung verhindern möchte.

12

Es steht daher nicht hinreichend fest, dass die Abschiebung des Betroffenen ohne Inhaftierung wesentlich erschwert oder vereitelt würde.

13

Bei der Verhängung von Vorbereitungshaft nach § 62 Abs. 1 AufenthG muss zur Überzeugung des Gerichts auch berücksichtigt werden, dass neben den dort genannten Voraussetzungen die Haft verhältnismäßig ist. Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, dass die Haft erforderlich sein muss. Mithin darf keine weniger einschneidende Maßnahme ersichtlich sein, die ebenfalls gleich erfolgsversprechend ist. Die sog. Vorbereitungshaft ist kein Selbstläufer, da die Freiheitsentziehung ultimo ratio, also das letzt Mittel nur darstellen darf. Vorliegend muss daher versucht werden, den Betroffenen auch ohne die Verhängung von Abschiebehaft auszuweisen und abzuschieben, wenn keine weiteren konkreten Verdachtmomente vorliegen, dass die Abschiebung wesentlich erschwert oder vereitelt würde. Als milderes Mittel wäre vorliegend zum Beispiel an eine Meldeauflage zu denke und abzuwarten, ob die Betroffene der Antragsstellerin während des Ausweisungsverfahrens jederzeit zur Verfügung steht. Dies ist bislang jedoch von der Ausländerbehörde nicht veranlasst worden.

14

Aus diesen Erwägungen heraus waren die Anträge der Antragsstellerin abzulehnen.

15

2. Diese Entscheidung ergeht ohne mündliche Anhörung. Die insoweit im Ermessen des Gerichts stehende Anhörung (vgl. Marschner/Volckart, FEVG , 4. Aufl., Rn. 2 zu §10 FEVG) hat vorliegend unterbleiben können, da es sich im Wesentlichen um Rechtsfragen handelt und sich die Antragsstellerin umfassend schriftlich geäußert hat. Mithin ist der Sachverhalt hinreichend geklärt und eine weitere Aufklärung war nicht notwendig. Weitere relevante Tatsachen, insbesondere hinsichtlich von konkreten Verdachtsmomenten, sind weder innerhalb einer Anhörung ersichtlich noch zu erwarten.

16

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 15 Abs. 2, 16 FEVG.

17

IV. Gegen diese Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Frist von 2 Wochen seit der Bekanntmachung beim Amtsgericht Hannover oder beim Landgericht Hannover durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle der aufgeführten Gerichte einzulegen.