Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 08.06.2005, Az.: 755 M 57861/04
Verpflichtung des Gerichtsvollziehers die Anschrift eines verzogenen Schuldners durch eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes zu ermitteln; Aufgabe der Gläubigerin die für die Rechtsverfolgung und die Zwangsvollstreckung erforderlichen Tatsachen vorzutragen; Vorentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts/Zwangsvollstreckungsverfahren" in seinem Regelungsvorschlag vom 14.04.2005 zur "Sachaufklärung in der Geldvollstreckung"
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 08.06.2005
- Aktenzeichen
- 755 M 57861/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 32302
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2005:0608.755M57861.04.0A
Rechtsgrundlage
- § 766 ZPO
Fundstelle
- JurBüro 2005, 606-607 (Volltext mit amtl. LS)
In der Zwangsvollstreckungssache
hat das Amtsgericht Hannover
beschlossen:
Tenor:
Die Erinnerung der Gläubigerin vom 12.10.2004 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
Gründe
Der Gerichtsvollzieher stellte den Pfändungsauftrag der Gläubigern ein, weil der Schuldner unbekannt verzogen sei, und berechnete dafür unter anderem eine Gebühr nach Nr. 604 des Kostenverzeichnisses (KV) zum GvKostG in Höhe von 12,50 EUR. Gegen die Einstellung der Zwangsvollstreckung wendet sich die Gläubigerin mit der Erinnerung. Sie macht geltend, dass der Gerichtsvollzieher verpflichtet sei, die neue Anschrift des Schuldners beim Einwohnermeldeamt zu ermitteln. Die hierfür entstehenden Auslagen seien gemäß KV 708 zu erheben und der Auftrag anschließend an den zuständigen Gerichtsvollzieher abzugeben.
Die Gläubigerin beantragt,
den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die neue Anschrift des Schuldners zu ermitteln und den am 10.03./25.06.2004 erteilten Auftrag an den danach zuständigen Gerichtsvollzieher weiterzuleiten. Die bezahlte Gebühr des KV 604 ist wegen unrichtiger Sachbehandlung zu erstatten.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 15.12.2004 die Erinnerung der Gläubigerin gegen die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers Rudolph vom 14.07.2004 (Geschäfts-Nr. DR II 1406/04) zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht Hannover am 21.01.2005 den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 15.12.2004 aufgehoben (Geschäfts-Zeichen: 52 T 5/05). Darin hat das Landgericht Hannover ausgeführt, dass die Gläubigerin mit Schreiben vom 30.10.2004 ausdrücklich klargestellt habe, dass sie keine Kostenerinnerung erhoben habe. Gleichwohl habe das Amtsgericht eine Entscheidung über die Erinnerung der Gläubigerin gegen die Kostenentscheidung des Gerichtsvollziehers Rudolph durch Beschluss getroffen, durch die die Gläubigerin zudem mit außergerichtlichen Kosten belastet worden ist. Da eine solche Entscheidung von der Gläubigerin nie begehrt worden sei, habe der Beschluss aufgehoben werden müssen.
Nach der Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Hannover vom 15.12.2004 ist über die Erinnerung der Gläubigerin neu zu entscheiden.
Die gemäß § 766 ZPO zulässige Erinnerung der Gläubigerin ist unbegründet.
Eine Verpflichtung des Gerichtsvollziehers, die Anschrift eines verzogenen Schuldners durch eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes zu ermitteln, ergibt sich weder aus der Zivilprozessordnung noch aus der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) oder der Gerichtsvollzieherordnung (GVO). Der Zivilprozess und die sich anschließende Vollstreckung gehen vielmehr vom Beibringungsgrundsatz aus. Danach ist es Aufgabe der Gläubigerin die für die Rechtsverfolgung und die Zwangsvollstreckung erforderlichen Tatsachen vorzutragen. Daher ist es von jeher als Aufgabe der Gläubigerin verstanden worden, die Anschrift eines Schuldners selbst durch das Einwohnermeldeamt zu ermitteln (AG Hannover DGVZ 77, 26; LG Essen DGVZ 81, 22, 23; AG Leverkusen DGVZ 82, 175; AG München DGVZ 2000, 29; Zöller/Stöver, ZPO, 25. Auflage, § 753 Rd.-Nr. 6; Münchener Kommentar zur ZPO/Heßler, 2. Auflage, § 750 Rd.-Nr. 26 f, § 754 Rd.-Nr. 13; Musielak, ZPO, § 753 Rd.-Nr. 9; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Auflage, § 754 Rd.-Nr. 16; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 63. Auflage, § 754 Rd.-Nr. 3; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Auflage, § 26 III 2, S. 338; Hartmann Kostengesetze, XI Nr. 708 KVGv, Rd.-Nr. 3, S. 1847). Soweit es in der Kommentarliteratur heißt, dass der beauftragte Gerichtsvollzieher unschwierige Ermittlungen nicht ablehnen dürfe, so bezieht sich das nicht auf die Einholung einer Anschrift des Einwohnermeldeamtes; vielmehr geht es dabei darum, dass der Gerichtsvollzieher verpflichtet sein kann, durch eine für ihn zumutbare Nachfrage an Ort und Stelle, z. B. bei den Nachbarn, die Anschrift des verzogenen Schuldners zu ermitteln (Stein/Jonas/Münzberg § 754 Rd.-Nr. 16). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es ein Bedürfnis dafür geben mag, dem Gerichtsvollzieher eine darüber hinausgehende Ermittlungspflicht aufzuerlegen. So sieht der Vorentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts/Zwangsvollstreckungsverfahren" in seinem Regelungsvorschlag vom 14.04.2005 zur "Sachaufklärung in der Geldvollstreckung" (Nds. Justizministerium, Geschäftszeichen: 3740-204.48) ausdrücklich vor, dass der Gerichtsvollzieher nach - einem neu zu schaffenden - § 754 Abs. 1 Nr. 1 ZPO-Entwurf verpflichtet werden soll, "den Aufenthaltsort des Schuldners zu ermitteln". In der Begründung zu dem Vorentwurf heißt es, "Aus der Aufzählung der Nr. 1 - 5 ergibt sich zum einen, dass der Gesetzgeber die für eine erfolgreiche Durchführung der Zwangsvollstreckung erforderlichen Sachaufklärungsmaßnahmen zukünftig zum Aufgabenbereich des Gerichtsvollziehers rechnet (bislang war das Sache des Gläubigers)".
Weil der Gesetzgeber in dem Regelungsentwurf selbst davon ausgeht, dass dem Gerichtsvollzieher jedenfalls heute eine Pflicht zur Aufenthaltsermittlung des Schuldners nicht zukommt, vermag das Amtsgericht der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts Hannover nicht zu folgen.
Hieran vermag auch das positive Echo, das die veröffentlichte Entscheidung des Landgerichts Hannover durch den Rechtsbeistand Kühne erhalten hat, nichts zu ändern (JurBüro 05, 274).
Das Gericht ist an die Rechtsauffassung des Landgerichts Hannover hinsichtlich der Frage der Aufenthaltsermittlung nicht gebunden. Wie weit die Bindungswirkung reicht, muss durch Auslegung der Gründe des zurückverweisenden Beschwerdebeschlusses geklärt werden. Grundsätzlich sind nur diejenigen Weisungen, Anordnungen und Äußerungen des Beschwerdegerichts bindend, auf denen die Aufhebung und Zurückverweisung beruht (vgl. Zöller/Gummer § 752 Rd.-Nr. 35). Hier hat das Landgericht Hannover die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben, weil die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 30.10.2004 ausdrücklich erklärt hat, keine Kostenerinnerung erheben zu wollen. Das Amtsgericht Hannover geht daher mit dem Landgericht Hannover davon aus, dass die Gläubigerin ihren Antrag auf Erstattung der bereits bezahlten Gebühren nach KV 604 zurückgenommen hat Denn ein solcher Antrag stellt im Allgemeinen eine Kostenerinnerung dar. Auf den Ausführungen des Landgerichts zur Aufenthaltsermittlungspflicht des Gerichtsvollziehers beruht die aufhebende Entscheidung nicht. Daher ist insoweit eine Bindungswirkung auch nicht eingetreten
Die Erinnerung der Gläubigerin ist mit der Kostenfolge aus §§ 91, 97 ZPO zurückzuweisen.