Amtsgericht Hannover
Urt. v. 31.08.2005, Az.: 565 C 15388/04

Bestehen eines Räumungsanspruchs aus einem Mietvertrag über Wohnräume; Anspruch auf Rückgabe der Mietsache; Verursachung einer Schimmelpilzbildung und Feuchtigkeitsbildung in der Wohnung durch falsches Lüftungsverhalten; Erforderlichkeit eines konkreten Hinweises auf das erforderliche Lüftungsverhalten; Einwand unzulässiger Rechtsausübung

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
31.08.2005
Aktenzeichen
565 C 15388/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32358
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2005:0831.565C15388.04.0A

Fundstelle

  • WuM 2005, 767-768 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 565 -
auf die mündliche Verhandlung vom 04.08.2005
durch ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die in 30163 Hannover, Isernhagener Straße 62 im 3. o.g. links gelegene Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Bad, Flur und Balkon und den zur Wohnung gehörenden Kellerraum zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.200,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2005 bewilligt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Räumungsansprüche aus einem Mietvertrag über Wohnräume.

2

Die Beklagten mieteten von dem Kläger die im Urteilsauspruch bezeichnete Wohnung ab dem 01.07.1999. Der monatliche Nettomietzins betrug 341,00 EUR. Das Wohnobjekt wurde im Jahr 1956 gebaut, im Jahr 1986 wurden nachträglich Isolierfenster eingebaut. Die Wohnung war zumindest seit dem Jahr 2003 in erheblichem Maße von Schimmel befallen. So wies der Fußbodenbereich in der Küche unterhalb der Balkontür schwarze Schimmel- und Schmutzflecken auf, die Wandflächen in der Küche links neben der Balkontür war vom Boden aufwärts etwa 30-40 cm hoch mit einem Gemisch aus Schmutz, Ruß und Schimmel überzogen. Im Wohnzimmer befanden sich im Bereich des Fensterrahmens deutliche Schimmelflecken, ebenso im Schlafzimmer. Dort waren in den Eckbereichen an der Decke neben dem Fenster Schwitzwasser und Stockflecken erkennbar. Auch in dem dritten Zimmer der Wohnung, das von dem Sohn der Beklagten genutzt wurde, waren im Bereich des Fensterrahmens deutliche Schimmelpilzflecken und in verschiedenen Bereichen der Decken Schwitzwasser- und Stockflecken vorhanden. Auf den Fenstern der genannten Räume zeigten sich Anzeichen für nicht unerhebliche Kondenswasserbildung. Die Beklagten hatten die Fenster der Wohnung mit teils mehrlagigen Gardinen verhängt, da sie den Eindruck hatten, in der Wohnung zöge es. Sie lüfteten, indem sie die Fenster auf Kipp stellten und hin und wieder die in der Küche befindliche Balkontür öffneten. Mit Schreiben vom 07.03.2003, das an den Interessenverband Mieterschutz e.V. gerichtet war, der die Interessen der Beklagten vertrat, wies der Kläger auf den Schimmelbefall sowie die Erforderlichkeit ausreichender Lüftung und Beheizung hin und erklärte diesbezüglich eine Abmahnung. Auf das Schreiben wird für die Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 18 f. d.A.). Nachdem sich die Verhältnisse unverändert darstellten, erklärte der Kläger mit den Beklagten am 29.09.2003 zugegangenem Schreiben, in dem er zugleich auch der Fortsetzung des Mietverhältnisses widersprach, die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2003. Auf das Schreiben wird für die Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 24 f. d.A.) Die Beklagten wiesen diese Kündigung mit Schreiben des Deutschen Mieterbundes vom 28.10.2003 zurück und erklärten, an der Feuchtigkeit und dem Schimmelbefall der Wohnung treffe sie kein Verschulden, es handele sich um bauseitige Feuchtigkeit. Nachdem die Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens (Az. 550 H 194/03) im April 2004 zunächst erklärt hatten, die Wohnung bis zum September 2004 räumen zu wollen, erklärten sie sodann, doch nicht ausziehen zu wollen. Mit am 18.10.2004 bei Gericht eingegangener Klage verlangt der Kläger nunmehr die Räumung der Wohnung.

3

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten den Feuchtigkeitsanfall und die Schimmelbildung in der Wohnung durch mangelhaftes Lüftungsverhalten verschuldet. An diesem Verhalten der Beklagten habe sich bis heute nichts geändert.

4

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die in , im 3. o.g. links gelegene Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Bad, Flur und Balkon und den zur Wohnung gehörenden Kellerraum zu räumen und an den Kläger herauszugeben

5

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

6

Sie behaupten sie hätten zwischenzeitlich ihr Lüftungsverhalten geändert, indem sie die Fenster morgens und abends weit öffneten. Im Übrigen sind sie der Auffassung, durch den späteren Einbau der Isolierfenster in die Wohnung sei eine problematische Bausubstanz entstanden. Hierauf und auf das deswegen erforderliche Lüftungsverhalten hätte der Kläger sie hinweisen müssen, dies jedoch unterlassen. Daraus könne ihnen kein Vorwurf gemacht werden.

7

Vor dem Amtsgericht Hannover ist zwischen den Parteien ein selbstständiges Beweisverfahren (Az. 550 H 194/03) durchgeführt worden, in dessen Rahmen ein Sachverständigengutachten zur Frage des Vorhandenseins und der Ursache des Schimmelbefalls und der Feuchtigkeit eingeholt worden ist. Diese Akten hat das Gericht beigezogen. Auf das darin befindliche Sachverständigengutachten (Bl. 48 ff. d.A. 550 H 194/03) wird Bezug genommen. Weiter hat das Gericht auf Grund des Beweisbeschlusses vom 19.01.2005 (Bl. 50 f. d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens, auf das Bezug genommen wird (Bl. 61 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist zulässig und begründet.

9

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückgabe der Mietsache aus § 546 Abs. 1 BGB. Denn das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist mit der am 29.09.2003 zugegangenen Kündigung des Klägers beendet worden.

10

Der Kläger war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB berechtigt, die Kündigung des Mietverhältnisses auszusprechen. Denn die Beklagten haben durch ihr Lüftungsverhalten eine massive Schimmelpilz- und Feuchtigkeitsbildung in der Wohnung verursacht und dadurch die Mietsache in erheblichem Maße gefährdet und auch bereits geschädigt. Dies hat die Beweisaufnahme ergeben. Der Sachverständige Lorenz hat in seinem Gutachten und dem Ergänzungsgutachten festgestellt, dass in der Wohnung eine aktuell gemessene durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit von 75,1 % vorlag, während die ideale Raumluftfeuchte 50% nicht überschreiten sollte. Das durch die baulichen Gegebenheiten bedingte Wärmedämmniveau, das der Sachverständige durch Messungen und Berechnungen ermittelt hat, sei hingegen ausreichend, das Eindringen von Feuchtigkeit durch die Bodendecke oder die Außenwand sei auszuschließen. Eine den bauseitsbedingten Umständen angepasste Lüftung erfordere, dass entweder in jedem Raum zwei- bis drei Mal das Fenster 10-15 min. weit geöffnet oder zumindest eine Zuglüftung durch Öffnen der Balkontür und eines weiteren Fensters erfolge. Die festgestellten Schimmel- und Feuchtigkeitsschäden seien daher auf das Lüftungsverhalten der Beklagten zurück zu führen. Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen. Dieser hat an die von ihm zutreffend ermittelten Tatsachen angeknüpft und sein Gutachten nachvollziehbar und schlüssig begründet. Schimmelbildung in dem Ausmaße, wie sie hier in der streitgegenständlichen Wohnung bereits über einen mehrjährigen Zeitraum vorliegt, ist unabhängig von den damit verbundenen Gesundheitsgefahren in erheblichem Maße geeignet, die Wohnsubstanz zu gefährden, da Schimmelpilzsporen in die Bausubstanz eindringen und diese schädigen können. Weiter ist bereits jetzt ein Schaden für den Kläger dadurch entstanden, dass die Wohnung vor einer weiteren Vermietung vollständig von dem Schimmelbefall und den Feuchtigkeitserscheinungen befreit werden muss. Der Zustand der Wohnung geht dabei weit über das hinaus, was einer Abnutzung der Wohnung durch ordnungsgemäße Nutzung entsprechen würde, so dass Renovierungsmaßnahmen, wie sie sonst nach einem Zeitraum von 6 Jahren erforderlich sind (Überstreichen der Tapeten) hier nicht ausreichend sein werden, sondern hierüber hinausgehende Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sein dürften.

11

Diese Gefährdung und den bereits eingetretenen Schaden des Klägers haben die Beklagten auch vorwerfbar herbeigeführt. Denn die von dem Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Lüftungsmaßnahmen, nämlich zwei- bis drei Mal tägliches Lüften bei weit offenen Fenstern bzw. Zuglüften, sind als normales, in Wohnräumen grundsätzlich zumutbares, erforderliches Lüftungsverhalten anzusehen. Dass die Beklagten nach ihrem Vortrag in früheren Wohnungen unproblematisch dasselbe Lüftungsverhalten wie nunmehr an den Tag legten, entlastet sie - soweit dies überhaupt zutrifft - nicht. Denn jedenfalls nach dem Auftreten der ersten Feuchtigkeitserscheinungen in der jetzigen Wohnung hätten die Beklagten ihr Lüftungsverhalten kritisch überprüfen und entsprechend auf ein tägliches Lüften bei geöffneten Fenstern umstellen müssen. Dies haben sie jedoch auch nach ihrem eigenen Vortrag bis zur Kündigung durch den Kläger nicht getan. Sie haben vielmehr trotz des bereits erheblichen Schimmelpilzbefalls und der Feuchtigkeitserscheinungen in der Wohnung und auch nach Abmahnung durch den Kläger keine Veranlassung gesehen, ihr eigenes, nach normaler Lebenserfahrung eines objektiven Dritten in einer durchschnittlichen Wohnung völlig ungenügendes und unübliches Lüftungsverhalten (Lüftung hinter geschlossenen Gardinen mittels auf Kipp gestellter Fenster und gelegentlichem Öffnen der Balkontür) zu verändern.

12

Unter diesen Umständen konnte daher dem Kläger nicht zugemutet werden, das Mietverhältnis mit den Beklagten fortzuführen und eine weitere Gefährdung und Schädigung seines Eigentums hinzunehmen.

13

Dem Kläger war es auch nicht deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die Kündigung auszusprechen, weil er die Beklagten nicht konkret auf das erforderliche Lüftungsverhalten hingewiesen hatte. Ein solcher Hinweis mag zwar dann erforderlich sein, wenn während eines bestehenden Mietverhältnisses #die Bausubstanz, etwa durch den nachträglichen Einbau von Isolierglasfenstern, verändert wird, mit der Folge, dass auch ein verändertes Lüftungsverhalten der Bewohner erforderlich wird. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Bei Bezug der Wohnung durch die Beklagten im Jahr 1999 waren die Isolierglasfenster bereits seit mehr als 10 Jahren in der Wohnung eingebaut. Unter diesen Umständen könnte eine entsprechende Hinweispflicht des Vermieters lediglich dann bejaht werden, wenn das Zusammenspiel der Bausubstanzen eine vom üblichen abweichendes Lüftungsverhalten erforderlich - wobei dann wiederum zu prüfen wäre, ob ein solches den Mietern überhaupt zumutbar wäre. Im vorliegenden Fall erforderte die streitgegenständliche Wohnung bei Einzug der Beklagten jedoch kein außergewöhnliches Lüftungsverhalten, gefordert war lediglich, wie ausgeführt, eine Lüftung, die den üblicherweise in durchschnittlichen Wohnungen anzulegenden Maßstäben entspricht.

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Der Kläger ist auch nicht gemäß § 242 BGB dadurch an der Geltendmachung des Räumungsanspruchs gehindert, dass die Beklagten nunmehr behaupten, ihr Lüftungsverhalten geändert zu haben. Durch die berechtigte Kündigung des Klägers wurde das Mietverhältnis beendet. Das zuvor bestehende Dauerschuldverhältnis wandelte sich in ein Abwicklungsschuldverhältnis aus dem heraus die Beklagten die Räumung und Herausgabe der Wohnung schuldeten. Diese Gestaltungswirkung der Kündigung kann durch ein nachträgliches Wohlverhalten des Mieters nicht mehr aufgehoben werden (vgl. BGH, ZMR 1988, 16 ff.). Nur der Vollständigkeit halber sei daher darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die bereits jetzt durch die übermäßige, nicht mehr ordnungsgemäße Nutzung der Wohnung erforderliche Schadensbeseitigung und das mehrjährige Fehlverhalten der Beklagten dem Kläger nach Auffassung des Gerichts auch aus heutiger Sicht eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar wäre.

15

Es stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar, dass der Kläger erst ein Jahr nach der ausgesprochenen Kündigung Räumungsklage erhoben hat. Denn die im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung veranlasste Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens sowie das Zuwarten auf eine von den Beklagten selbst zunächst angekündigte freiwillige Räumung der Wohnung, stellt einen nach der Rechtsordnung zulässigen und gerade gewünschten Versuch dar, einen solchen Rechtsstreit zu vermeiden. Es ist im Gegenteil den Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt sich, nachdem sie zunächst die Räumungsklage durch die Ankündigung eines freiwilligen Auszuges vermieden haben, nunmehr auf den Zeitablauf zwischen Kündigung und Klage zu berufen.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 ZPO.

17

Den Beklagten war gemäß § 721 ZPO von Amts wegen eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist zu gewähren. Dabei hat das Gericht einerseits den Gesundheitszustand der pflegebedürftigen Beklagten zu 1. berücksichtigt, ist jedoch andererseits davon ausgegangen, dass es angesichts des zurzeit mieterfreundlichen Wohnungsmarktes der Stadt Hannover innerhalb von vier Monaten möglich ist, sich eine andere, vergleichbare Wohnung zu beschaffen.