Amtsgericht Hannover
Urt. v. 04.03.2005, Az.: 539 C 13410/04

Obliegenheit des Rechtsanwaltes zur Aufklärung des Mandanten über die Gebührenpflichtigkeit seiner Tätigkeit; Entwurf eines Testaments als Betreiben eines Geschäfts bzw. Beratung; Vergütung für die Errichtung eines Testaments; Ansprüche aus einem Mandantenverhältnis

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
04.03.2005
Aktenzeichen
539 C 13410/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32359
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2005:0304.539C13410.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Hannover - 15.08.2005 - AZ: 20 S 30/05

Verfahrensgegenstand

Forderung aus Mandatsvertrag

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 539 -
auf die Schriftsatzfrist bis zum 25.2.2005
im Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.321,74 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2004 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.)

    Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Beklagte 88 % und der Kläger 12 % zu tragen.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Mandantenverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten.

2

Der Beklagte wandte sich Ende Juli 2003 an den Kläger mit dem Auftrag, ein Testament zu entwerfen. Die Parteien klärten zunächst den Stammbaum des Beklagten ab, um auf Grund der gesetzlichen Erbfolge die gewillkürte testamentarische Erbfolge festzulegen. Der Beklagte sprach hierbei mehrere Probleme an, die in dem Testament Berücksichtigung finden sollten. So sollte beispielhaft das Wohnrecht für die Ehefrau des Beklagten nach dem Erbfall geregelt werden. Da eine Tochter des Beklagten Sozialhilfe erhält, suchte dieser nach einer Lösung, wie das Vermögen des Beklagten weitgehend nach dem Erbfall beschützt werden könnte. Insbesondere wollte er sichergestellt haben, dass das Hausgrundstück nicht durch mögliche Zahlungen im Rahmen der Sozialhilfe angetastet wird. Auf der Basis dieser Grundlage entwarf der Kläger ein Testament und übermittelte es dem Beklagten mit Schreiben vom 25.08.2003 (Bl. 6 d.A.), auf das voll inhaltlich Bezug genommen wird. Ferner wird auf den Testamentsentwurf (Bl. 8 d.A.) Bezug genommen. In der Besprechung gab der Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass sich sein Vermögen aus einem Hausgrundstück zu je 200.000,00 EUR und aus sonstigem Vermögen zu ebenfalls rund 200.000,00 EUR zusammensetze. Im Nachgang versuchte der Kläger mehrere Male erfolglos, mit dem Beklagten Kontakt aufzunehmen. Da dies nicht gelang, berechnete er dem Beklagten unter der Rechnung Nr. 200400008 zu einem Gegenstandwert von 400,000,00 EUR eine Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer nach § 118 Abs. 1 S. 1 BRAGO zu 8,5/10 ab und verlangte von dem Beklagten die Zahlung der Summe in Höhe von 2.628,21 EUR (Bl. 16 d.A.). Mittlerweile ist unstreitig, dass der Kläger nur eine 7,5/10-Gebühr für seine Tätigkeit beanspruchen kann. Der Beklagte reagierte durch eine E-Mail vom 17. Februar 2004, in der er sich vom Kläger für die Errichtung des Testaments mehr Zeit erbat (Bl. 20 d.A.). Der Kläger versuchte noch mehrere Male erfolglos, mit dem Beklagten Kontakt aufzunehmen.

3

Der Kläger behauptet, der Beklagte verfüge über Vermögen in Höhe von 400.000,00 EUR. Ferner habe er den Beklagten über die verschiedenen Möglichkeiten einer Testamentserrichtung aufgeklärt, was sich bereits aus seinem Schreiben vom 25.08.2003 ergäbe.

4

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.628,21 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2004 zu zahlen.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Der Beklagte behauptet, er verfüge nur über ein Vermögen von insgesamt ca. 300.000,00 EUR. Er habe überdies erst von seinem neuen Prozessbevollmächtigten am 25.10.2004 erfahren, dass der Kläger kein Notar sei und mithin ein von ihm gewünschtes Testament nicht notariell errichten könne. Ferner habe der Kläger ihn nicht über die Unterschiede der einzelnen Errichtungsformen eines Testamentes aufgeklärt. Der Beklagte ist der Ansicht, es habe lediglich eine Beratung des Klägers vorgelegen, so dass dieser allenfalls ihm gegenüber eine Beratungsgebühr im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO geltend machen könne. Überdies habe der Kläger eine Pflichtverletzung begangen, indem er ihn nicht über die mögliche Errichtung eines notariellen Testamentes aufgeklärt habe, so dass der Kläger keinerlei Ansprüche mehr gegen ihn geltend machen könne.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.

8

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch in Höhe von 2.328,74 EUR aus § 675 BGB wegen des von dem Kläger für den Beklagten entworfenen Testamentes zu.

9

1.

Unstreitig ist zwischen den Parteien ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB geschlossen worden.

10

a)

Bezüglich dieses Geschäftsversorgungsvertrages ist als Abrechnungsgrundlage § 118 BRAGO und nicht § 20 BRAGO heranzuziehen. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten weit mehr getan, als nur beratend für ihn tätig zu werden. Er hat einen Testamentsentwurf erstellt, der das Betreiben eines Geschäfts im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO darstellt.

11

b)

Zur Berechnung der Höhe der Geschäftsgebühr im Sinne des § 118 Abs. 1 S. 1 BRAGO ist das Vermögen des Beklagten als Gegenstandswert im Sinne des § 8 BRAGO heranzuziehen. Dabei legt das Gericht nach dem Vortrag des Klägers als Vermögen des Beklagten 400.000,00 EUR zu Grunde. Zwar trägt der Beklagte nunmehr schriftsätzlich vor, dass sein Vermögen allenfalls mit 300.000,00 EUR zu bewerten ist. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass grundsätzlich der Kläger die Beweislast dafür trägt, in welcher Höhe sein Anspruch entstanden ist.

12

Vorliegend hat der Beklagte allerdings den Vortrag des Klägers nicht hinreichend substantiiert bestritten, als dass der Kläger hierzu mehr vortragen müsste. Der Beklagte hat unbestritten selbst gegenüber dem Kläger die Höhe seines Vermögens mit 400.000,00 EUR bezeichnet. Hieraus ergibt sich für den Beklagten eine Pflicht zu erklären, warum sein Vermögen doch nicht diese Größenordnung umfasst, sondern wesentlich geringer ausfallen sollte. Dafür reicht der pauschale Vortrag nicht aus, er habe lediglich ein Vermögen in Höhe von 300.000,00 EUR. Diese Angabe des Beklagten ist insbesondere vor dem Umstand zu berücksichtigen, dass der Beklagte über ein Hausgrundstück in Langenhagen verfügt, so dass die Angabe des Wertes des Grundstücks mit lediglich 200.000,00 EUR relativ konservativ bemessen sein dürfte.

13

Ferner ist bezüglich eines substantiierten Bestreitens auf Beklagtenseite zu beachten, dass der Kläger keinerlei Möglichkeiten hat, das Vermögen des Beklagten von sich aus näher zu bestimmen. Diese Möglichkeit liegt einzig und allein in der Sphäre des Beklagten selbst. Er hätte vielmehr konkrete Anhaltspunkte liefern müssen, anhand derer sich sein Vermögen bestimmen lässt, das entgegen seinen eigenen Angaben dem Kläger gegenüber geringer sein sollte. Dies hätte z.B. durch die Angabe der Barwerte seines Vermögens sowie durch die genauere Bezeichnung seines Hausgrundstückes bereits geschehen können.

14

c)

Der Kläger kann nunmehr unstreitig lediglich eine Geschäftsgebühr in Höhe von 7,5/10 bei einem Gegenstandswert in Höhe von 400.000,00 EUR nach BRAGO geltend machen, was eine Gebühr des Klägers in Höhe von 1.981,50 EUR begründet. Hinzuzuziehen sind nach § 26 BRAGO Post- und Telekommunikationsgebühren in Höhe von 20,00 EUR sowie nach § 25 Abs. 2 BRAGO die Mehrwertsteuer in Höhe von 320,24 EUR, was eine Gesamtsumme von 2.321,74 EUR ergibt.

15

2.

Dieser Anspruch entfällt nicht im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Pflichtverletzung seitens des Klägers.

16

a)

Zwar besteht grundsätzlich auch bei einer außergerichtlichen Rechtsbesorgung die Pflicht zur umfassenden Belehrung, zur Klärung des Sachverhalte, zur sorgfältigen rechtlichen Prüfung und zur Wahl des sichersten Weges (Palandt, § 280 Rz. 84). Eine solche Pflicht hat der Kläger im vorliegenden Fall aber nicht verletzt.

17

aa)

Eine Pflichtverletzung rührt nicht daher, indem der Kläger nach § 118 BRAGO und nicht nach § 20 BRAGO gegenüber dem Beklagten abgerechnet hat. Es ist keine Obliegenheit des Rechtsanwaltes, seinen Mandanten generell darüber aufzuklären, dass seine Tätigkeit gebührenpflichtig ist. Dieser Umstand ist allgemein bekannt.

18

bb)

Weiter besteht für den Kläger auch keine Pflicht, den Beklagten darüber aufzuklären, dass die Fertigung eines Testamentsentwurfes nach einer höheren Gebührengrundlage abrechnungsfähig ist, als eine so genannte Beratung im Sinne des § 20 BRAGO. Der Beklagte kam mit dem Ziel zu dem Kläger, sich von ihm ein Testament erstellen zu lassen. Dieser Wunsch des Beklagten geht bereits über eine beratende Tätigkeit im Sinne des § 20 BRAGO hinaus. Insofern war der Kläger auch nicht verpflichtet, den Beklagten auf diese günstigere Form der Rechtsberatung hinzuweisen, da diese Form der Rechtsberatung nicht dem Begehren des Beklagten entsprach.

19

cc)

Überdies bestand für den Kläger auch nicht die Verpflichtung den Beklagten darauf hinzuweisen, dass die Erstellung eines solchen Testamentes durch einen Notar nach der Kostenordnung abgerechnet im Einzelfall billiger sei. Eine solche Verpflichtung hätte sich allenfalls ergeben können, wenn der Kläger selbst oder einer seiner Sozien in seiner Kanzlei ein Notar gewesen wäre. Dies ist aber unstreitig nicht der Fall.

20

dd)

Es ist keinerlei Pflichtverletzung dadurch anzunehmen, dass eine Gebühr im Sinne der Kostenordnung für Notare geringer ausgefallen wäre als eine Gebühr nach der BRAGO. Der Kläger war nicht befugt, im Sinne der Kostenordnung für Notare abzurechnen, da er selbst kein Notar ist. Er hatte sich an die höher liegenden Werte der BRAGO zu halten.

21

ee)

Ferner war der Kläger auch nicht verpflichtet darauf hinzuweisen, dass ein Notar die Erstellung und Beurkundung eines solchen Testamentes vornehmen könne. Würde man einem Rechtsanwalt diese Verpflichtung auferlegen, hieße dies, einem Rechtsanwalt eine originäre rechtsberatende Tätigkeit im Zweifel abzuerkennen, für die er ausgebildet wurde und die zu seinem beruflichen Tätigkeitsfeld gehört. Der Kläger hat im vorliegenden Fall mit der Erstellung des Testamentes den Wünschen des Beklagten voll umfänglich entsprochen. Inhaltlich hätte ein Notar auch nichts anderes dem Beklagten entwerfen können. Dass hierfür verschieden hohe Gebührenansprüche entstehen, ist dem Kläger nicht zuzurechnen.

22

ff)

Letztlich bestand für den Kläger auch keine Pflicht, gegenüber dem Beklagten auf Stundenhonorarbasis abzurechnen bzw. ihm diesen Vorschlag zu unterbreiten. Dem Kläger stand mit der BRAGO ein gesetzliches Instrumentarium zur Verfügung, mit Hilfe dessen er seine Tätigkeit jederzeit nachprüfbar gegenüber dem Mandanten abrechnen kann.

23

b)

Die Leistungen des Klägers gegenüber dem Beklagten war auch nicht unbrauchbar, so dass im Rahmen einer eventuellen Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB der Zahlungsanspruch des Klägers entfallen könnte.

24

aa)

Gegen den Inhalt des Entwurfs des Testaments erhebt der Beklagte keine Einwände, so dass sich hieraus keine Pflichtverletzung auf Seiten des Klägers konstruieren lässt.

25

bb)

Das Testament ist für den Beklagten auch nicht wertlos, wenn er dies nach Vorlage des Klägers eigenhändig handschriftlich errichtet. Über die Notwendigkeiten und Unterschiede einer solchen Errichtung hat der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 25.08.2003 (Bl. 6/7 d.A.) hinreichend aufgeklärt. Insofern kann der Beklagte die intellektuelle Leistung des Klägers verwenden, um mit deren Hilfe ein formgültiges, wirksames und für ihn günstiges Testament zu entwerfen.

26

Es ist gerade nicht erforderlich, dass ein Testament ausschließlich notariell beurkundet seine Gültigkeit erlangt. Die deutsche Rechtsordnung bietet verschiedene Möglichkeiten der Testamentserrichtung. Der Beklagte konnte zwischen einer so genannten notariellen Errichtung, einer Hinterlegung beim Amtsgericht und einer eigenhändigen handschriftlichen Errichtung wählen. Alle drei Möglichkeiten einer solchen Errichtung des Testaments sind zulässig und bergen ihre eigenen Vor- und Nachteile. So mag z.B. eine notarielle Errichtung den Vorteil bieten, dass das notariell Beurkundete relativ sicher verwahrt ist. Allerdings werden Änderungen einer so genannten notariellen Beurkundung schwerer möglich sein, als wenn der Erblasser lediglich ein handschriftliches Testament errichtet, das er zu jeder Zeit selbst wieder abändern oder neu fassen kann.

27

cc)

Das Gericht vermag nicht zu erkennen, was für ein Nachteil dem Beklagten dadurch entstanden sein könnte, dass er beraten durch den Kläger lediglich ein eigenhändiges Testament errichten würde, das er ggf. beim Amtsgericht hinterlegen könnte. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Wesentlichen mit dem Wunsch den Kläger aufsuchte, sein Vermögen vor Zugriffen des Sozialamtes zu sichern. Es spielte bei der Beratung durch den Kläger für den Beklagten unstreitig insbesondere die rechtlich sichere Ausgestaltung seines Testamentes eine Rolle und nicht die sichere Verwahrung.

28

Der Zinsanspruch besteht auf Grund der §§ 286, 288, 247 BGB.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 709 S. 1 und 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.