Amtsgericht Hannover
Urt. v. 13.05.2005, Az.: 503 C 3987/05
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 13.05.2005
- Aktenzeichen
- 503 C 3987/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43504
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2005:0513.503C3987.05.0A
Fundstellen
- NJW 2006, 3359-3360 (Volltext mit red. LS) "Rollator"
- NZM 2006, 893-894 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. Peter Derleder)
- NZM 2006, 819 (Volltext mit red. LS)
- SchAZtg 2008, 179-181
- WuM 2006, 27-28 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Kostenvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beklagte bewohnt als Mitglied der Klägerin eine Wohnung im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses, das der Klägerin gehört.
Die Beklagte stellt ihren Rollator ebenso wie die Mitmieterin ... unten im Hausflur am Fuß der nach unten führenden Treppe neben der Hauseingangstür ab.
Mit Schreiben vom 07.11.2003 (Blatt 33 der Akten) hat die Klägerin der Mitmieterin ... mitgeteilt, es sei eine Besichtigung vor Ort durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die beiden Rollatoren auf vernünftige Art und Weise geparkt worden seien und die Klägerin keine Veranlassung sehe, diesen Zustand zu ändern. Wenn allerdings noch weitere Personen aus dem Haus eine solche Gehhilfe benötigten, müsse die Klägerin sich etwas anderes überlegen.
Ein weiterer Hausbewohner, ein ..., ist inzwischen auch im Besitz eines Rollators. ... wohnt im Erdgeschoss. Er stellt seinen Rollator im Keller ab, zu dem eine aus sechs Stufen bestehende Treppe vom Hauseingangsbereich hinunterführt.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte sei nicht berechtigt, ihren Rollator unten im Hausflur abzustellen. Durch die abgestellten Rollatoren werde die Nutzung des Treppenhauses für die anderen Mieter eingeschränkt. Wenn es der Beklagten aufgrund ihres Lebensalters nicht mehr möglich sei, ihren Rollator in den Keller zu bringen, so müsse er wie ein Fahrrad vor dem Haus abgestellt werden.
Die Klägerin verweist weiter darauf, dass der vorgeschriebene Rettungsweg von 1,25 m durch die abgestellten Rollatoren nicht eingehalten werde. Das Abstellen der Rollatoren verstoße im Übrigen auch gegen die zwischen den Parteien geltende Hausordnung.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in dem Hausflur des Hauses ... einen Rollator abzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt dazu vor, man komme an beiden Rollatoren ohne Probleme die Treppe hinauf und hinunter. Die Beklagte sei dringend auf die Verwendung eines Rollators angewiesen. Angesichts des erheblichen Interesses der Beklagten, ihren Rollator im Hausflur abstellen zu dürfen, müsste die Begründung der Klägerin hinsichtlich des eingeschränkten Rettungsweges zurückstehen. Die Alternative für die Beklagte bestünde nämlich nur darin, aus dem Haus auszuziehen. Es sei auch darauf zu verweisen, dass gemäß § 554 a BGB ein Anspruch auf Barrierefreiheit bestehe.
Die Klägerin verweist darauf, dass der Mieter ... darauf beharre, seinen Rollator ebenfalls dort abzustellen, wo bisher jetzt schon zwei Rollatoren abgestellt würden. Da dies nicht möglich sei, mindere er die Miete.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten eine Unterlassung des Abstellens ihres Rollators unten im Hausflur am Fuß der Treppe nicht verlangen. Dies könnte sie nur, wenn das Abstellen des Rollators unten im Hausflur einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache darstellte.
Zum vertragsmäßigen Gebrauch einer Mietwohnung gehört es, diese auch verlassen zu können. Bei alten und gebrechlichen Mietern bedeutet das, dass ihnen, soweit das Platzangebot dies zulässt, die Möglichkeit gegeben werden muss, ihre Gehhilfe unten im Hausflur abzustellen. Wer einen Rollator benötigt, ist grundsätzlich so gehbehindert, dass er ihn nicht in seine im ersten Obergeschoss gelegene Wohnung hinauf- und von dort auch wieder hinuntertragen kann. Dass die Beklagte gesundheitlich nicht in der Lage ist, ihren Rollator im Keller abzustellen, ist unstreitig. Der Mieter kann auch nicht darauf verwiesen werden, den Rollator vor dem Haus abzustellen. Denn der Rollator wäre, jedenfalls nachts, Diebstahls- und Vandalismusgefahr ausgesetzt. Ein Rollator ist auch keinesfalls, wie die Klägerin meint, mit einem Fahrrad oder einem Moped zu vergleichen.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass bei grundsätzlicher Gestattung des Abstellens von Rollatoren im Hausflur bei zunehmender Überalterung ihrer Mieter Probleme insoweit entstehen würden, dass immer mehr Mieter einen Rollator im Hausflur würden abstellen wollen. Dies würde ab einer bestimmten Anzahl - wohl bei einer über zwei Rollatoren hinausgehenden Anzahl - tatsächlich zu einer nicht mehr hinnehmbaren Einschränkung des Durchgangs und des Rettungsweges im Treppenflur führen. Da Mobilität und Kontakt mit der Außenwelt besonders auch für alte und gebrechliche Menschen wichtig sind, werden die Vermieter - insbesondere genossenschaftliche Vermieter, denen eine besondere Fürsorgepflicht ihren Mitgliedern gegenüber obliegt, die die Mieter sich durch ihren Genossenschaftsanteil schließlich auch erkauft haben - sich mit der baulichen Gestaltung ihrer Mietobjekte auf die zunehmende Überalterung von Mietern einstellen müssen. Im konkreten Fall kommt es jedoch noch gar nicht darauf an, ob die Klägerin hierin unmittelbarer Nähe zur Haustür eine witterungs- und diebstahlssichere Unterstellungsmöglichkeit schaffen kann, wie dies die Beklagte vorgeschlagen hat. Denn die konkret bisher abgestellten zwei Rollatoren sind hinnehmbar für die Klägerin und auch die anderen Hausbewohner. Die eingereichten Fotos verdeutlichen, dass der Durchgang/Rettungsweg zwar eingeschränkt ist. Da die zwei Rollatoren aber schnell und einfach weggeschoben werden können, liegt eine übermäßige Einschränkung hier nicht vor. Ob die Hausordnung ein entgegenstehendes Verbot enthält, ist unerheblich.
Allerdings ist grundsätzliche Gleichbehandlung der Mieter eines Mehrfamilienhauses geboten. Der Mieter ... wohnt jedoch zum einen im Erdgeschoss und ist immerhin noch in der Lage, seinen Rollator die Treppe zum Keller hinunterzutragen. Die Situation bei ihm ist daher eine andere als die bei der Beklagten.
Zum anderen wäre ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot auch nur dann gegeben, wenn mehrere Mieter gleichzeitig den Bedarf anmeldeten, ihren Rollator um Hausflur abzustellen und es nur dem einen gestattet würde.
Hier ist der Bedarf der Beklagter aber eher entstanden, als der des Mieters ... und die Klägerin hat das Abstellen von zwei Rollatoren nicht nur geduldet, sondern im Schreiben vom 07.11.2003 auch ausdrücklich erlaubt, weil es das Platzangebot hergebe. Bezüglich des Mieters ... erlaubt nun das noch vorhandene Platzangebot eben nicht das Abstellen von dessen Rollator. Die Ausgangssituation für den Mieter ... ist daher auch insoweit eine andere.
Minderungsansprüche für den Mieter ... dürften auch nicht berechtigt sein, da der Wohnwert sich für diesen Mieter allein durch in seiner Person liegende Gründe verschlechtert hat.
Die Klägerin ist im Übrigen darauf zu verweisen, dass sie in ihrem Schreiben vom 07.11.2003 an die Mietmieterin ... angekündigt hat, falls noch mehr als zwei Personen im Haus eine Gehilfe benötigten, würde sie - die Klägerin - sich etwas anderes überlegen. Dieses "andere" kann nicht darin bestehen, das Abstellen der Rollatoren nun völlig zu untersagen. Wenn die Klägerin jetzt auch dem Mieter ... eine bequeme Abstellmöglichkeit für seinen Rollator anbieten will, ist von ihr insoweit eine konstruktive Lösung und nicht nur ein Unterlassungsbegehren der Beklagten gegenüber zu erwarten.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.