Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.09.1998, Az.: I 850/97
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 01.09.1998
- Aktenzeichen
- I 850/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 34755
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0901.I850.97.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Kindergeldes für den Sohn M in der Zeit von September 1996 bis Dezember 1996
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 1. September 1998, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtlicher Richter .
ehrenamtliche Richterin .
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 14. Januar 1997 und des Einspruchsbescheides vom 7. Oktober 1997 wird das Kindergeld für den Sohn M des Klägers in der Zeit von September 1996 bis Dezember 1996 auf monatlich 200 DM festgesetzt. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob dem Kläger (Kl.) ein Kindergeldanspruch für seinen Sohn M deshalb zu versagen ist, weil das Kind über zu hohe eigene Einkünfte und Bezüge verfügt hat.
Der Kl. ist verheiratet und hat drei Kinder. Das älteste Kind M ist am 8. Juni 1973 geboren. M hat am 31. Januar 1996 seine Lehre als Energieelektroniker erfolgreich beendet. Er war in der Folgezeit im erlernten Beruf erwerbstätig. Am 15. Juli 1996 bewarb sich M an der Fachhochschule Osnabrück für ein Studium in der Fachrichtung Elektrotechnik und Informationstechnik. Mit Bescheid vom 14. August 1996 erfolgte die Immatrikulation, das Studium begann mit dem Wintersemester 1996/1997 am 1. September 1996. Im Jahre 1996 stellten sich die Einkunftsverhältnisse des Sohnes M wie folgt dar: Im Januar erhielt er ein Lehrlingsgehalt von 1.316,05 DM brutto. In den Monaten Februar bis August bezog er ein monatliches Brutto-Gehalt zwischen 3. 000 DM und 3. 500 DM. Ab September erhielt er Ausbildungsförderungsmittel nach dem BAföG in Höhe von monatlich 396 DM, und zwar jeweils zur Hälfte ( 198 DM) als Zuschuß und als rückzahlbares Darlehen.
Am 25. September 1996 beantragte der Kl. bei der Gemeinde B, deren Bediensteter er ist, Kindergeld für seinen Sohn M. Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, daß M im Jahre 1996 über eigene Einkünfte und Bezüge in einem Maße verfügt habe, daß die Voraussetzungen des § 32 Abs. IV Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht erfüllt seien. Bei der Berechnung dieses Betrages sei das Gehalt aus den Monaten Juli und August zu erfassen, da sich der Sohn M schon im Juli zur Aufnahme eines Studiums entschlossen habe.
Der Einspruch gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg. Mit der Klage verfolgt der Kl. sein Begehren auf Bewilligung von Kindergeld ab September 1996 weiter. Er trägt dazu vor, daß es aus seiner Sicht nicht richtig sein könne, daß es für die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge bereits auf die Verhältnisse ab Juli 1996 ankomme. Das würde nämlich zu einer finanziellen Benachteiligung nur deshalb führen, weil sich sein Sohn bereits frühzeitig um einen Studienplatz bemüht habe. Auf den Zeitpunkt für eine Bewerbung könne es nicht ankommen. Anderenfalls hätte sich sein Sohn besser gestanden, sich erst im August darum zu bemühen. Ohne Berücksichtigung des Einkommens aus dem Juli wäre die maßgebliche Grenze nicht überschritten worden. Er -; der Kl. -; könne nicht deshalb bestraft werden, weil sein Sohn seine Interessen rechtzeitig wahrnehme.
Der Kl. beantragt,
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 14. Januar 1997 und des Einspruchsbescheides vom 7. Oktober 1997 das Kindergeld für seinen Sohn M für die Zeit von September 1996 bis Dezember 1996 mit monatlich 300 DM festzusetzen.
Der Beklagte (Bekl.) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung aus den angefochtenen Bescheiden fest und verweist darauf, daß die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG grundsätzlich bereits in den Monaten Juli und August 1996 vorgelegen hätten. Folglich müßten bei der Einkommensprognose für 1996 auch die Einkünfte dieser beiden Monate berücksichtigt werden. Ziehe man die beiden Monate Juli und August in die Berechnung ein, so habe der Sohn M über Einkommen und Bezüge in Höhe von -; unter Abzug anteiliger Werbungskosten -; 8.095,35 DM verfügt. Damit sei der Grenzbetrag von 7. 000 DM deutlich überschritten.
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- und Vorverfahren verwiesen.
Die Parteien haben durch Schriftsatz des Kl. vom 13. November 1997 und des Bekl. vom 17. November 1997 auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Gründe
I.
Die Klage hat teilweise Erfolg.
1. Der Kindergeldanspruch des Kl. für den beantragten Zeitraum September 1996 bis Dezember 1996 ergibt sich aus den §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 und 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG. Nach diesen Normen wird für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld u.a. dann bewilligt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
a) Im Streitfall strebte der Sohn M des Kl. eine Ausbildung als diplomierter Elektro- und Informationstechniker an. Diese akademische Ausbildung ist eine Berufsausbildung, die -; wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist -; den Kindergeldanspruch auslöst und zwar auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das Kind bereits über einen abgeschlossenen Lehrberuf als Energieelektroniker verfügte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) schließt der Abschluß einer Berufsausbildung eine erneute Berufsausbildung nicht aus, wenn damit ein anderer oder gehobenerer Beruf erstrebt wird (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1969 IV 329/64, BFHE 98, 244, BStBl II 1970, 450 [BFH 04.12.1969 - IV - 329/64]).
b) Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet, jedoch nur dann berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12. 000 DM im Kalenderjahr hat. Dieser Betrag ermäßigt sich für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Bezug von Kindergeld nicht vorliegen, um ein Zwölftel (Satz 6 der Norm). Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG).
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für den Sohn M nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG im Jahr 1996 im Januar (Lehre) sowie in den Monaten September -; Dezember (Studium) vor. In den Monaten Februar bis August befand sich M in keiner Berufsausbildung, in dieser Zeit arbeitete er in seinem erlernten Beruf als Energieelektroniker. Folglich ermäßigt sich der für den Kindergeldanspruch schädliche Einkunfts- bzw. Bezugsanteil des Kindes von 12.000 auf 5. 000 DM. In den Berechtigungsmonaten erreichen bereits die Einnahmen des Kindes diese Grenze nicht:
Januar | Lehrlingsvergütung, brutto | 1.316,05 DM |
---|---|---|
September -; Dezember | Bafög, nur Zuschußanteil | |
4 × 198 DM | 792,00 DM | |
Einnahmen gesamt | 2.108,05 DM |
Die weiteren Einnahmen in den Monaten Februar -; August bleiben gemäß § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG außer Ansatz.
2. Dagegen liegen die weiteren Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG nicht -; auch nicht in den Monaten Juli und August des Jahres 1996 -; vor. Nach dieser Norm wird Kindergeld für ein noch nicht 27 Jahre altes Kind gewährt, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Das setzt ein ernsthaftes, jedoch vergebliches Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz voraus.
Im Streitfall hat sich M zwar im Juli für einen Studienplatz beworben, jedoch nicht für eine Ausbildung noch im Juli oder August. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, daß ein Studium an einer Hoch- oder Fachhochschule -; wie jede Aufnahme eines Schulbesuches -; nur zu bestimmten Zeitabschnitten möglich ist. Bei Hochschulen ist das der Beginn eines Semesters, im Streitfall der Beginn des Wintersemesters 1996/1997 im September 1996. Die Annahme, M habe sich bereits ernsthaft für eine Ausbildung für Juli oder August bemüht, widerspricht der Lebenserfahrung. Sie wird auch widerlegt durch die Tatsache, daß er in diesen beiden Monaten noch ganztägig in seinem erlernten Beruf gearbeitet hat. Doch selbst wenn man unterstellen wollte, daß sich M für einen Ausbildungsplatz noch im bzw. zum Juli oder August bemüht habe, so kann das Gericht nicht feststellen, daß diese Bemühungen vergeblich waren. M ist auf seinen Antrag hin aufgenommen worden. Der Senat teilt die in der Literatur und in der Verwaltung vertretene Auffassung, daß ein vergebliches Bemühen um einen Ausbildungsplatz trotz einer Ausbildungsplatzzusage erst dann angenommen werden kann, wenn der Beginn der Berufsausbildung außerhalb des Viermonatszeitraums nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 b EStB liegt (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- u. Körperschaftsteuergesetz, § 32 Rdnr. 104; Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienausgleichs, BStBl I 1996, 744, Ziff. 63.3.4). Diese Frist ist im Streitfall nicht überschritten.
3. Dennoch kann dem Antrag des Kl. nicht in vollem Umfang entsprochen werden. Nach § 66 Abs. 1 EStG in der Fassung des Streitjahres beläuft sich das Kindergeld für das erste und zweite Kind auf nur 200 DM monatlich. Erst für das dritte Kind macht das Kindergeld 300 DM aus. Der Sohn M des Kl. ist sein erstes Kind. Mithin war das Kindergeld auf monatlich 200 DM festzusetzen. Die weitergehende Klage war daher abzuweisen.
Der Kindergeldanspruch des Kl. für seine anderen beiden Kinder (Stefanie, Michael) ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und deshalb einer rechtlichen Überprüfung durch das Gericht nicht zugänglich. Dennoch weist der Senat darauf hin, daß der Ausgang dieses Rechtsstreits gemäß § 66 Abs. 1 EStG Einfluß auf die Höhe des möglichen Kindergeldanspruchs wegen des dritten Kindes des Kl. hat. Soweit der Bekl. das Kindergeld für das dritte Kind -; ausgehend von seiner Rechtsansicht über die Berücksichtigung des Sohnes M -; bestandskräftig auf nur 200 DM festgesetzt haben sollte, wäre dieser Bescheid in Anwendung von § 70 Abs. 2 EStG ab September 1996 zu ändern.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. § 708 Nrn. 10, 11 Zivilprozeßordnung.