Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.09.1998, Az.: II 512/96

Anspruch auf Gewährung eines Abzugsbetrages und auf Baukindergeld für den Erwerb eines Hauses; Rechtmäßigkeit der Annahme eines Objektverbrauches bei einer Ehescheidung mit nachfolgender Wiederheirat; Anspruch eines Ehegatten auf Erhalt der Grundförderung für insgesamt zwei Objekten; Voraussetzungen für Gleichstellung von Ehegatten mit Steuerpflichtigen nach Erwerb eines Anteils an einem Bauwerk; Folgen des Vorliegens der Voraussetzungen für Grundförderung auch im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.09.1998
Aktenzeichen
II 512/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 19981
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0923.II512.96.0A

Verfahrensgegenstand

Objektverbrauch nach § 10 e EStG bei Wiederheirat

Einkommensteuer 1993

Der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
wegen Einkommensteuer 1993
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23. September 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...Architektin
ehrenamtlicher Richter ... Fleischermeister
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1993 vom 07.08.1995 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 11.09.1995 wird den Klägern ein Abzugsbetrag nach § 10 e EStG von 15.000 DM sowie Baukindergeld nach § 34 f EStG von 2.400 DM gewährt.

Die Ausrechnung der Einkommensteuer wird dem Finanzamt übertragen.

Das Finanzamt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie für ein Einfamilienhaus (EFH) den Abzugsbetrag nach § 10 e Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 15.000 DM sowie die Steuerermäßigung gem. § 34 f EStG in Höhe von 2.400 DM in Anspruch nehmen können oder aber ob bei den Klägern (Kl.) bereits Objektverbrauch i.S.d. § 7 b Abs. 6 EStG eingetreten ist.

2

Die Kl. sind in zweiter Ehe zum erneuten Mal miteinander verheiratet.

3

Die erste Ehe wurde im Dezember 1985 geschieden, nachdem die Kl. seit April 1984 getrennt gelebt hatten. Bereits im Jahr 1978 hatten die Kl. ein EFH in O je zur ideellen Hälfte erworben und hierfür bis einschl. 1984 erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG in Anspruch genommen. Noch vor der Scheidung haben sie dieses Objekt im Oktober 1984 an eine dritte Person veräußert.

4

Von 1986 bis 1991 war die Kl'in. zwischenzeitlich mit einem anderen Partner verheiratet. Während dieser Ehe hat sie zusammen mit diesem Partner ebenfalls je zur ideellen Hälfte ein Haus in B erworben und hierfür von 1987 bis 1991 Abzugsbeträge gem. § 10 e EStG in Anspruch genommen. Ihr damaliger Ehepartner hatte bislang noch keine Vergünstigung nach § 7 b oder § 10 e EStG in Anspruch genommen, für ihn war es das erste förderungswürdige Objekt. Im Oktober 1991 wurde ihr von ihrem geschiedenen Ehemann dessen ideelle Hälfte an dem Haus in B übertragen; zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG noch vor.

5

Im Mai 1992 haben die Kl. sodann erneut geheiratet. Im Streitjahr 1993 wurden sie gem. § 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kl'in. beantragte weiterhin, ihr für das gesamte Objekt B den Abzugsbetrag nach § 10 e EStG in Höhe von 15.000 DM sowie die Steuerermäßigung gem. § 34 f EStG für vier Kinder in Höhe von 2.400 DM zu gewähren.

6

Das Finanzamt (FA) lehnte die Gewährung des Abzugsbetrages gem. § 10 e EStG sowie das Baukindergeld gem. § 34 f EStG ab, da wegen des ersten Objektes "O" während der ersten Ehe mit dem Kl. Objektverbrauch eingetreten sei.

7

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

8

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kl. sind der Ansicht, dass aufgrund ihrer erneuten Heirat durch die Scheidung der ersten Ehe kein Objektverbrauch i.S.d. § 7 b Abs. 6 EStG eingetreten sei. Die Identität zwischen der ersten und dritten Ehe lasse den ursprünglichen Zustand während ihrer ersten Ehe wieder aufleben, so dass das erste Objekt in gemeinsamer Ehe auch als "ein Objekt" behandelt werden müsse. Der ursprünglich durch die Scheidung der ersten Ehe eingetretene Objektverbrauch werde wieder suspendiert durch die erneute Eheschließung mit demselben Ehepartner. Das in erster Ehe erworbene Objekt in O sei deshalb als ein Objekt der Ehepartner zu behandeln. Ihnen stünden folglich die erhöhten Absetzungen nach § 10 e EStG für ein weiteres Objekt zu.

9

Die Kl. beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1993 vom 07.08.1995 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 11.09.1996 erhöhte Absetzungen nach § 10 e EStG in Höhe von 15.000 DM sowie Baukindergeld gem. § 34 f EStG in Höhe von 2.400 DM zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Durch den Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG durch die Trennung der Kl. im Jahr 1984 sei der Anteil der beiden Eheleute an dem gemeinsamen Objekt in O jeweils als ein begünstigtes bei jedem der Ehepartner zu behandeln. Eheleute seien nach der Scheidung wieder wie andere Steuerpflichtige zu behandeln mit der Folge, dass der jeweilige Miteigentumsanteil als eigenständiges Objekt i.S.d. § 7 b EStG zu behandeln sei. Der bisher durch § 7 b Abs. 6 Satz 2 EStG suspendierte Objektverbrauch lebenach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wiederauf. Durch die Scheidung in erster Ehe sei deshalb bei beiden Kl. Objektverbrauch eingetreten. Für eine weitere Vergünstigung gem. § 10 e EStG sowie das Baukindergeld nach § 34 f EStG sei daher kein Raum.

12

Wegen des weiteren sachlichen Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist begründet.

14

Den Kl. sind die der Höhe nach unstreitigen Abzugsbeträge nach § 10 e EStG sowie das Baukindergeld gem. § 34 f EStG zu gewähren. Der Senat in seiner Mehrheit ist der Auffassung, dass durch die erste Ehescheidung aufgrund der Wiederheirat der Kl. kein Objektverbrauch eingetreten ist.

15

Ein Steuerpflichtiger kann allerdings Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1, Abs. 2 EStG nur für eine Wohnung, einen Ausbau oder eine Erweiterung abziehen (§ 10 e Abs. 4 Satz 1 EStG). Ehegatten jedoch, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, erhalten die Grundförderung für insgesamt zwei der genannten Objekte. Diesen Abzugsbeträgen stehen die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG gleich (§ 10 e Abs. 4 Satz 3 EStG).

16

Ist ein Bauwerk mehreren Steuerpflichtigen zuzurechnen, so wird der Anteil eines Steuerpflichtigen hieran einem begünstigten Objekt gleichgestellt (§ 7 b Abs. 6 Satz 1 EStG). Dies gilt nicht, wenn ein Bauwerk ausschließlich dem Steuerpflichtigen sowie seinem Ehegatten zuzurechnen ist und die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (Abs. 6 Satz 2). Erfüllen Ehegatten allerdings nicht mehr die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG, so ist grundsätzlich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH § 7 b Abs. 6 Satz 2 EStG nicht anwendbar mit der Folge, dass jeder Anteil der beiden Eheleute an einem ihnen gemeinsam gehörenden Bauwerk als ein begünstigtes Objekt entsprechend der Grundregel des Abs. 6 Satz 1 EStG zu behandeln ist. Ehegatten sind danach wieder anderen Steuerpflichtigen gleichgestellt, die einen Anteil an einem Bauwerk erworben haben. Bei jedem Ehegatten tritt nun der Objektverbrauch aufgrund seines Anteils ein; denn der bisher durch § 7 b Abs. 6 Satz 2 EStG suspendierte Objektverbrauch lebt nun wieder auf (BFH-Urteile vom 11. Mai 1993 IX R 10/90, BFH/NV 1994, 92; vom 24. Juli 1996 X R 20/93, BStBl II 1996, 603; vom 10. Juli 1996 X R 72/93, BStBl II 1998, 111 m.w.N.). Der BFH sah die Ausnahmeregelung für Ehegatten dadurch als gerechtfertigt an, dass durch Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) Ehe und Familie unter besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt werden.

17

Im Streitfall allerdings haben bei den Kl. ab dem Zeitpunkt ihrer zweiten Eheschließung erneut die Voraussetzungen des § 26 des EStG vorgelegen. Damit greift auch für die Kl. wiederum die Grundvergünstigung, wonach Eheleute gem. § 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG für insgesamt zwei Objekte die Grundförderung erhalten sollen. Der zunächst durch die Ehescheidung entstandene Objektverbrauch nach § 7 b Abs. 6 EStG wird deshalb durch die erneute Eheschließung wiederum suspendiert. Die gemeinsamen Anteile der Eheleute an dem ersten Objekt sind daher wiederum gem. § 7 b Abs. 5 Satz 2 EStG als ein einziges Objekt zu behandeln. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung der §§ 7 b, 10 e EStG keinen Unterschied gemacht, ob Eheleute nochmals in zweiter Ehe miteinander verheiratet sind. Auch der Bestand dieser zweiten Ehe ist gem. Art. 6 GG zu schützen, so dass nach den Grunderwägungen des BFH auch für diese zweite Eheschließung die allgemeinen gesetzlichen Regelungen anzuwenden sind. Durch ihre Wiederheirat sind sie deshalb so zu behandeln, wie wenn ihre Ehe ununterbrochen bestanden hätte. Demzufolge sind die Miteigentumsanteile an dem ersten Objekt in O als ein einziges Objekt i.S.d. § 7 bEStG zu behandeln. Die zunächst durch die erste Ehescheidung getrennte Behandlung der Miteigentumsanteile als jeweils ein Objekt ist durch die erneute Eheschließung suspendiert. Durch das Objekt in O haben die Kl. deshalb lediglich ein einziges Objekt innegehabt. Ein Objektverbrauch ist daher nicht eingetreten mit der Folge, dass sie nunmehr auch für das zweite Objekt, das streitige Haus in B, die Abzugsbeträge nach § 10 e EStG sowie das Baukindergeld gem. § 34 f EStG in Anspruch nehmen können.

18

Die Klage war daher begründet.

19

Die Ausrechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

21

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Der BFH hat bislang nicht die Frage des Objektverbrauchs bei der Wiederheirat derselben Eheleute entschieden.

22

Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.