Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.09.1998, Az.: VII (III) 2/89
Bauerrichtungskosten als Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer; Begriff des einheitlichen Vertragswerks; Wert der Gegenleistung als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.09.1998
- Aktenzeichen
- VII (III) 2/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18636
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0915.VII.III2.89.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
- § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Fundstelle
- NWB 1999, 1890
Verfahrensgegenstand
Grunderwerbsteuer
Amtlicher Leitsatz
In Fällen des sog. einheitlichen Vertragswerks unterliegen allein die Anschaffungskosten des (noch unbebauten) Baugrundstücks und nicht die Herstellungskosten des (noch zu errichtenden) Gebäudes der Grunderwerbsteuer. Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 15. September 1998 ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Grunderwerbsteuerbescheid in der Fassung vom 13. August 1998 wird geändert und die Grunderwerbsteuer auf 1.410 DM herabgesetzt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, es sei denn, der Kläger leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Bauerrichtungskosten Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sind.
Der Kl erwarb mit notariellem Vertrag vom 11. Juli 1988 von der Firma K GmbH ein 406/786 stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück E in N. Der Kaufpreis für dieses Grundstück betrug 70.500 DM. Unter Zugrundelegung dieses Kaufpreises für den Grund und Boden setzte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Juli 1988 die Grunderwerbsteuer auf 1.410 DM (70.500 DM × 2 %) fest. Er stellte jedoch den Bescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).
Mit Bescheid vom 8. September 1988 wurde der Grunderwerbsteuerbescheid geändert. Die Bemessungsgrundlage wurde um 203.000 DM, den Kaufpreis für das Gebäude, erhöht. Gegen diese Erhöhung wendet sich der Kl mit seiner Klage. Während des Klagverfahrens am 13. August 1998 hat der Beklagte den Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. September 1998 geändert und diesen Bescheid für vorläufig gemäß § 165 AO erklärt.
Dieser Änderungsbescheid ist nach entsprechendem Antrag des Kl Gegenstand des Klagverfahrens.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kl vor, eine Zusammenfassung des Grundstückspreises und des Hauskaufpreises bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sei nicht gerechtfertigt. Nach Abschluß des Grundstückskaufvertrages sei er völlig frei gewesen, ob und wie und wann er das Grundstück bebaue. Weiterhin habe er nicht mit der Veräußerindas Grundstück bebaut, sondern habe sich an das Baugeschäft M GmbH gewandt und mit dieser einen Bauvertrag geschlossen. Dieser Bauvertrag sei auch erst gut einen Monat nach Abschluß des Grundstückskaufvertrages, nämlich am 13. August 1988, geschlossen worden.
Der Kl beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wendet ein, daß zwischen dem Grundstücks- und Hauskaufvertrag ein enger Zusammenhang bestehe, der es rechtfertige, diese beiden Verträge als einheitlichen Vertrag anzusehen. Dieser enge Zusammenhang ergebe sich aus einer Vielzahl von Indizien. So habe in einer Zeitungsannonce der örtlichen Tageszeitung vom 31. Mai 1988 gestanden, daß die Veräußerin bzw. deren Geschäftsführer und das Baugeschäft M bzw. der Maurermeister M zusammenarbeiten. Darüber hinaus sei das vom Kl erworbene Grundstück mit der schließlich durchgeführten Bebauungvor dem Erwerb des Kl in Zeitungsannoncen angeboten worden. Auch die Miteigentümer des Restgrundstückes hätten dieses ebenfalls mit einem von der Firma M errichteten Haus bebaut.
Weiterhin habe die Firma K GmbH das vom Kl erworbene Grundstück zwei Monate vor der Veräußerung an den Kl zum Preis von 68.000 DM ohne Kaufvertragskosten und ohne Grunderwerbsteuer erworben, um es dann an den Kl für 70.500 DM zu veräußern. Dies sei ein Zuschußgeschäft, das sich nur erklären lasse, wenn der Gewinn/die Kostendeckung in anderen Bereichen erzielt werden könne. Dieser andere Bereich sei die Bauerrichtung durch die Firma M.
Im Grundstückskaufvertrag sei ferner ein Rücktrittsrecht des Grunderwerbers, des Kl, vereinbart worden, wenn das Grundstück nicht mit einem eingeschossigen Einfamilienhaus mit bis zu 2/3 ausgebautem Dachgeschoß und einer Grundfläche von 8 × 10 m bebaut werden könne. Das errichtete Haus habe eine Grundflächevon 8 × 10 m. Es spreche deshalb viel dafür, daß schon bei Abschluß des Grundstückskaufvertrags feststand, daß und wie die Firma M GmbH das Grundstück bebauen werde. Ein Indiz für das Zusammenwirken der Firma M mit der Veräußerin des Grundstücks liege auch darin, daß der Bauvertrag vom 13. August 1998 vom Kl einerseits und von Herr K, dem Geschäftsführer der Veräußerin, für die Firma M GmbH unterzeichnet worden sei. Für eine Bindung des Kl bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrages spreche auch, daß der Kl bereits am 12. Juli 1988 bei der Kreissparkasse H ein durch eine Grundschuld gesichertes Darlehen in Höhe von 337.000 DM bestellt habe, wobei dieser Betrag von 337.000 DM genau dem Gesamtkaufpreis für das errichtete Haus einschließlich Grund und Boden und Nebenkosten abzüglich Eigenleistungen entspreche.
Im übrigen habe sich bei der Bestellung der Grundschuld zugunsten der Kreissparkasse H Herr K von einer Notargehilfin vertreten lassen, der er bereits am 13. Mai 1988 Vollmacht erteilt habe. Er vermute, daß im Rahmen der Vollmachtserteilung bereits festgestanden habe, daß die Grundstücke von der Firma M bebaut werden und wie hoch der Kreditbedarf maximal sein könne.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die beigezogene Grunderwerbsteuerakte des Beklagten und der Steuernummer Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht hat der Beklagte die Gebäudeherstellungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) unterliegt ein Kauvertrag, soweit er sich auf inländische Grundstücke bezieht, der Grunderwerbsteuer. Als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 der Wert der Gegenleistung anzusetzen, wobei als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen gilt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrESt). Unter sonstigen Leistungen im Sinne der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrESt gilt jede beim Abschluß des Kaufvertrags vereinbarte Leistung des Käufers, die Entgelt für den Erwerb des Grundstücks ist, aber nicht unmittelbar auf die Zahlung von Geld gerichtet ist (Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 14. Aufl., § 9 Rdz. 242). Da der Kl eine solche sonstige Leistung nicht übernommen hat, ist der Kaufpreis für das Grundstück in dem Zustand, in dem es sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befand - also unbebaut - Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer, wie es im ursprünglichen Bescheid vom 25. Juli 1988 auch erfolgt ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist jedoch bei einem zivilrechtlich einheitlichen Vertrag, der auf Übereignung eines Grundstücks und Errichtung eines Gebäudes gerichtet ist, Gegenstand des Erwerbsvorganges das Grundstück in bebautem Zustand (Urteil des BFH vom 23. November 1994 II R 350/94, BStBl II 1995, 331).
Auch in dem Fall, wenn sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes aus zwei oder mehreren Verträgen ergibt, die zivilrechtlich keine Einheit bilden, ist nach der Rechtsprechung des BFH Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück, wenn zwischen den Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält. Ein solcher objektiver, enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Gebäudeerrichtungsvertrag soll nach der Rechtsprechung des BFH bereits bei Hinnahme des von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablaufs gegeben sein (BFH, a.a.O.).
Ob unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze des BFH die Klage abzuweisen wäre, konnte der Senat offenlassen. Denn der Senat widerspricht der o.g. Rechtsprechung. Diese findet keine Grundlage im Gesetz und widerspricht der gesetzgeberischen Wertung in § 4 Nr. 9 a Umsatzsteuergesetz (UStG).
A.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein sich auf ein inländisches Grundstück beziehender Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung begründet. Als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung maßgeblich, wobei als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen gilt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Der Steuersatz beträgt für das Streitjahr 2 % (vgl. § 11 Abs. 1 GrEStG vor 1997).
Nach diesen gesetzlichen Vorgaben unterliegt lediglich der notarielle Grundstücksvertrag der Grunderwerbsteuer. Dagegen istder Bauvertrag über das erst nach Erwerb des Grund und Bodens hergestellte Gebäude nicht grunderwerbsteuerbar. Denn allein der Grundstücksvertrag begründet einen Anspruch auf Übereignung, nicht der Bauvertrag.
Zudem macht auch die Bestimmung der Steuerschuldner in § 13 Nr. 1 GrEStG, wonach die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen Gesamtschuldner sind, deutlich, daß die Erweiterung des Steuergegenstandes um künftige Gebäudekosten von Gesetzes wegen nicht gewollt sein kann. Denn wenn es so wäre, könnte der Veräußerer des Grund und Bodens als Gesamtschuldner auch für die Grunderwerbsteuer, die auf das später erstellte Gebäude, mithin auf die von dem Bauunternehmer ausgelösten Gebäudeherstellungskosten, entfällt, in Anspruch genommen werden.
Im übrigen bestätigen die Vorschriften über grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten, daß künftige Bauleistungen grunderwerbsteuerlich nicht belastet werden sollen. Denn es gibt - als Spiegelbild zur Grunderwerbsteuerbarkeit - allein ausdrückliche Grunderwerbsteuer-Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare (vgl. § 18 GrEStG) und derjenigen, die an der Grundstücksübertragung beteiligt sind (vgl. § 19 GrEStG), nicht aber derjenigen, die einen Bauvertrag abgeschlossen haben.
B.
Daneben deckt sich das Ergebnis der hier vertretenen Anwendung des Grunderwerbsteuergesetzes mit dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers in § 4 Nr. 9 a UStG, die Doppelbesteuerung durch Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer zu vermeiden (dazu auch Bundestags-Drucksache IV/1590, 29). § 4 Nr. 9 a UStG, der die Umsätze von der Umsatzsteuer befreit, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, verdeutlicht, daß Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer zwar nebeneinander, nicht aber angehäuft erhoben werden dürfen. Die Anti-Doppelbelastungsvorschrift des § 4 Nr. 9 a UStG ist eine Konkretisierung eines allgemeinen Rechtsgedankens, der das nationale und internationale Steuerrecht prägt (vgl. u.a. § 35 EStG: Einkommensteuer/Erbschaftsteuer; § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG: Einkommensteuer/Körperschaftsteuer; Anti-Doppelbesteuerungs-Abkommen Deutschlands mit einer Vielzahl anderer Staaten) und der auch im Umsatzsteuer- und Grunderwerbsteuerrecht neben § 4 Nr. 9a UStG an zahlreichen Stellen zum Ausdruck kommt; vgl. § 4 Nr. 9b, 10a UStG; §§ 1 Abs. 6 und 7, 3 Nr. 2, 9 Abs. 3 GrEStG; auch die 6. EG-Richtlinie zur Umsatzsteuer (ABl. EG 1977, Nr. L 145/1 vom 13. Juni 1977) empfiehlt den Mitgliedstaaten im Art. 9 Abs. 3 Regelungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen.
Da die Errichtung von Bauwerken sowie sonstige Lieferungen und Leistungen von Bauunternehmern und anderen Unternehmern im Zusammenhang mit der Errichtung von Bauwerken ohne gleichzeitige Lieferung eines Grundstücks durch diese Personen der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist (vgl. EuGH HFR 1986, 487; BFH BStBl II 1987, 145, 147; Schwakenberg, UR 1986, 100), kann eine gänzliche oder teilweise Doppelbesteuerung in der Weise ausgeschlossen werden, daß bei der Grunderwerbsteuer solche Umsätze, die nach dem Umsatzsteuergesetz steuerpflichtig sind, nicht zur Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer zu rechnen sind (vgl. auch Reiß, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Auflage 1998, § 14 Rz. 3), es sei denn, dem doppelbelasteten Steuerbürger wird ein Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch eingeräumt; ein solcher Erstattungsanspruch des Steuerbürgers müßte indes erst gesetzlich geregelt werden. Durch verfassungskonforme Auslegung ist er nicht zu entwickeln. Solange keine gesetzliche Regelung des Erstattungsanspruchs existiert, müssen Bauhandwerkerleistungen, umeine Doppelbesteuerung zu vermeiden, bei der Grunderwerbsteuer außer Ansatz bleiben. Hinzu kommt, daß der Steuerbürger derzeit nur bei der Grunderwerbsteuer (= direkte Steuer) und nicht bei der Umsatzsteuer (= indirekte Steuer) sein Recht und damit die Vermeidung der Doppelbesteuerung Umsatzsteuer/Grunderwerbsteuer einfordern kann (zur allgemeinen Problematik der weitverbreiteten Rechtsschutzlosigkeit für die Steuerträger bei den indirekten Steuern vgl. BVerfG UVR 1997, 328, wonach die Frage des Umsatzsteuer-Grundfreibetrages bezüglich des Verbrauchers für offen erklärt worden ist; Kirchhof, in: Tagungsband 18 der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, 1995, 17, 28 ff.; Tipke, Kirchhof und Kruse, Symposionsbericht, StuW 1996, 192, 200).
Zwar führt der Rechtsgedanke des § 4 Nr. 9a UStG bei der grunderwerbsteuerlichen Bestimmung des Leistungsgegenstandes nichtzur Vermeidung jeglicher wirtschaftlicher Doppelbelastung von Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer; so bleibt etwa in Fällen, in denen ein bereits erstelltes Haus erworben wird, die Umsatzsteuer, die zunächst den Bauherrn belastet und dann in den Verkaufspreis einfließt, neben der Grunderwerbsteuer für den Erwerber bestehen. Diese wirtschaftliche Doppelbelastung hat aber eine andere Qualität als die Belastung der zeitlich gleichgelagerten Bauhandwerker-Umsätze mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer.
Der Einwand, die Regelung des § 4 Nr. 9 a UStG spiele im Grunderwerbsteuerrecht keine Rolle, weil sie Teil des Umsatzsteuergesetzes und nicht des Grunderwerbsteuergesetzes sei, geht fehl und ist Ausdruck eines Kästchendenkens ohne Blick auf das Ganze. Denn der Gesetzgeber, der sowohl für die Grunderwerbsteuer wie für die Umsatzsteuer zuständig ist, hat erkennbar die genannten Steuerarten aufeinander abgestimmt und entschieden, eine Doppelbesteuerung sei zu vermeiden (BT-Drucksache IV, 1590, 29). Im übrigen bedarf es einer ausdrücklichen Steuerbefreiungsvorschrift im Grunderwerbsteuergesetz nicht, denn künftige Baukosten unterfallen schon nicht der Steuerbarkeit nach § 1 Abs.1 Nr. 1 GrEStG.
C.
Der erkennende Senat folgt dagegen nicht der Rechtsauffassung des beklagten FA, das sich auf die (ständige) Rechtsprechung des für Grunderwerbsteuersachen zuständigen II. Senats des BFH stützt. Denn diese Rechtsprechung, mit dem Ergebnis einer gewaltigen Erweiterung der Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage um künftige Baukosten, findet - wie unter A. ausgeführt - keine Stütze im Steuergesetz.
a)
Hiergegen läßt sich nicht einwenden, die steuerliche Gleichbelastung von Erwerbern bebauter Grundstücke und Erwerbern noch unbebauter Baugrundstücke sei mit Hilfe der Rechtsfigur des einheitlichen Leistungsgegenstandes, wonach verschiedene Verträgezu einem zusammenzufassen sind, herzustellen (dazu BFH BStBl II 1997, 85, 86; 1995, 335; BFH/NV 1995, 265; 1993, 623; vgl. auch Sack in Boruttau, Kommentar zum GrEStG, 14. Auflage 1997, § 9 Anm. 160 ff., 165 a f., 179 b). Denn es macht nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich einen bedeutenden Unterschied, ob jemand sich durch mehrere Vertragsbeziehungen mit unterschiedlichen Vertragspartnern verschiedene Wirtschaftsgüter (unbebautes Grundstück; noch zu erstellendes Haus) verschafft und dann diesen "Bausatz" während der Bauphase zu dem neuen Wirtschaftsgut "Hausgrundstück" zusammensetzt, oder ob jemand das bereits zusammengesetzte Wirtschaftsgut "Hausgrundstück" als solches von einem Vertragspartner erwirbt. Zudem zahlt der Erwerber eines "Hausgrundstücks" zwar - gleichgültig ob Neu- oder Altbau - die volle Grunderwerbsteuer auf den Kaufpreis, indes fällt die Umsatzsteuer beim Neubau nur bedingt (vgl. §§ 4 Nr. 9 a, 9 Abs. 1 UStG), beim Altbau grundsätzlich nicht (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 UStG) an. Daneben bewirkt die Rechtsprechung des II. Senats des BFH uneinheitliche Belastungen, indem wirtschaftlich schwächere Steuerbürger grunderwerbsteuerlich strukturell höher belastet werden als wirtschaftlich leistungsfähigere. Denn Immobilienerwerber, die es sich finanziell leisten können, entscheiden sich zunächst für den Kauf des Grundund Bodens, der Grunderwerbsteuer allein nach dem Kaufpreis des Grund und Bodens auslöst, und nach einem gewissen zeitlichen Abstand entscheiden sie sich für den Bau eines Hauses, das mit der Grunderwerbsteuer - auch nach Auffassung des II. Senats des BFH - nicht mehr belastet wird. Auf diese Weise zahlt der Reihenhaus-Bauherr (mit einer Ansammlung von Verträgen einschließlich einer vollen Fremdfinanzierung der Baukosten) erheblich mehr Grunderwerbsteuer als der wirklich Leistungsfähige, dersich nach und nach ein Grundstück mit später erstelltem, großzügig ausgestattetem Wohnhaus zulegt.
b)
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der II. Senat des BFH lehne sich mit seiner Rechtsprechung an die den Käufer grundsätzlich schützende zivilrechtliche Rechtsprechung zur Formbedürftigkeit von Bauverträgen und Grundstücksübertragungsverträgen an (vgl. BGHZ 76, 43, 48; Palandt/Heinrichs, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 57. Auflage 1998, § 313 Anm. 32 ff. mit weiteren Nachweisen) und erfülle damit das Gebot der Einheit der Rechtsordnung.
Denn der II. Senat des BFH entwickelt auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Schutzgedankens - ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Grundwertungen zur Grunderwerbsteuerbarkeit und zur Vermeidung der steuerlichen Doppelbelastung (ausgeführt unter A.) - eine vom Gesetzgeber nicht gewollte enorme Steuerverschärfung im Bereich der Einkommensverwendungssteuern. Aus einemzivilrechtlichen Erwerberschutz macht der II. Senat des BFH ohne Not eine steuerliche Benachteiligung der Erwerber.
c)
Auch läßt sich die Einheit der Rechtsordnung nicht ohne Einheit der Steuerrechtsordnung erreichen, die mit der Rechtsprechung des II. Senats des BFH verfehlt wird (in diesem Sinne auch Reiß, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Auflage 1998, § 14 Rz. 2, 3, 8, 9; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 3 Bände, 1993, 944 f.; das FG Berlin - u.a. EFG 1991, 496 - hielt die Rechtsprechung des II. BFH-Senats für eine "steuerverschärfende und damit unzulässige Analogie").
Denn von Einheit der Steuerrechtsordnung kann auch nicht im Ansatz mehr die Rede sein, wenn derselbe Vorgang, nämlich der Erwerb eines zu bebauenden Grundstücks, einerseits, nämlich bewertungsrechtlich, umsatzsteuerlich und einkommensteuerlilch als der Erwerb eines unbebauten Grundstücks behandelt wird, und andererseits grunderwerbsteuerlich als der Erwerb eines bebauten Grundstücks (ähnlich: Ossola-Haring -Hrsg.-, Jahrbuch der Steueränderungen 1998, 480 f., m.w.N.).
d)
Auch innerhalb der Anwendung des Grunderwerbsteuergesetzes führt die Rechtsprechung des II. Senats des BFH zu Brüchen.
So wird die auf der Ebene der Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage gefundene Einheit von Verträgen für Zwecke der Bestimmung des Umfangs von Anzeigepflichten, die für die Verjährung von Grunderwerbsteueransprüchen bedeutsam sind, wieder aufgelöst: Der BFH führt hierzu in einem Urteil vom 30.10.1996 (II R 69/94; BStBl 1997, 85, 86) "Trotz ähnlichem Wortlaut sind § 9 Abs. 2 Nr. 1 und § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 unterschiedlich auszulegen ... Die Regelung des § 9 GrEStG 1983 beschreibt, welche Aufwendungen des Erwerbers in die Bemessungsgrundlage als Gegenleistung miteinzubeziehen sind. Dies erfordert es, formal getrennte Rechtsvorgänge für die materiell grunderwerbsteuerrechtliche Betrachtungsweise als Einheit aufzufassen ... Diese fürdas materielle Grunderwerbsteuerrecht zulässige und gebotene Betrachtungsweise kann jedoch nicht auf die die Anzeigepflicht begründende Regelung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 übertragen werden. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist - wie insgesamt der Regelungen über die Anzeigepflichten - eine möglichst lückenlose Information des FA über grunderwerbsteuerrechtlich relevante Vorgänge".
e)
Im übrigen widerspricht die Rechtsprechung des II. Senats des BFH der Rechtsprechung des für Umsatzsteuersachen zuständigen V. Senat des BFH.
Der Widerspruch zur Rechtsprechung des V. Senats des BFH zeigt sich darin, daß nach dessen Gesetzesanwendung (künftige) Bauhandwerker-Leistungen nicht mit Grundstücksübertragungen zu bündeln und mithin umsatzsteuerpflichtig sind. So führt der V. Senat des BFH folgendes aus: "Selbständige Baubetreuungsleistungen fallen nicht unter das GrEStG, weil die Verpflichtung zur Ausführung dieser Leistungen nicht in § 1 Abs. 1, Abs. 2 GrEStG als steuerbarer Rechtsvorgang bezeichnet wird" (BFH BStBl II 1993, 318, 319) und die "selbständige Verpflichtung zur Ausführung von Bauleistungen ist nicht nach § 1 GrEStG steuerbar" (BFH BStBl II 1991, 737, 738; vgl. auch BFH/NV 1994, 198; BFH/NV 1995, 456; Wagner, Richter des V. BFH-Senats, NWB vom 29. Juli 1996, Fach 7a, 365, 379, er schreibt von "der gefestigten, aber am Sinne der Kollisionsvorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG vorbeigehenden Rechtsprechung"; vgl. auch Fischer, UR 1986, 283).
f)
Der Entscheidung des erkennenden Senats kann auch nicht entgegenhalten werden, daß nach einem Kammerbeschluß des BVerfG (durch drei von acht Berufsrichtern) aus 1991, die BFH-Rechtsprechung zur Doppelbelastung ein und derselben Leistung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer keine "Auslegungsfehler" enthalte (BVerfG BStBl II 1992, 212, 213; a. A. Jehner DStR 1992, 485). Denn zum einen kann diese Kammer-Entscheidung den erkennenden Senat im Sinne des § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) nicht binden (vgl. Winter in Maunz/Schmidt- Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Kommentar zum BVerfGG, Loseblatt, § 93 b Rn. 11 cc, 15, Stand 1993). Zudem steht der Kammerbeschluß des BVerfG aus 1991 argumentativ sogar in Widerspruch zu einem Beschluß des Vollsenats (acht Berufsrichter) des BVerfG aus 1984 zur Doppelbelastung eines Vorgangs mit Grunderwerb- und Schenkungsteuer (BVerfG BStBl II 1984, 608); hiernach spreche der Sinngehalt der einschlägigen Anti-Doppelbelastungsvorschrift (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG) dafür, daß bei der Grunderwerbsteuernicht noch einmal Bemessungsgrundlage sein soll, was bereits Bemessungsgrundlage bei der Schenkungsteuer war. Die Auslegung der Norm, - so das BVerfG - "die eine Doppelbelastung des Erwerbs eines Vermögensgegenstandes mit Schenkung- oder Erbschaftsteuerund Grunderwerbsteuer ausschließt, ist danach einfachrechtlich möglich und verfassungsrechtlich geboten" (BVerfG BStBl II 1984, 608, 614; vgl. aber BVerfG, Kammerbeschluß, HFR 1989, 153 zur Doppelbelastung Grunderwerbsteuer/Umsatzsteuer, wonach man sich auf BVerfG BStBl II 1984, 608, nicht berufen dürfe; diese Ansicht vertritt die Kammer ohne Angabe von Gründen).
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stattzugeben. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung. Die Revision war wegen Abweichens von der Rechtsprechung des fürGrunderwerbsteuersachen zuständigen II. Senats des BFH zuzulassen (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).